(ms) Über die Frage, welche Musik ich denn so höre, habe ich viel nachgedacht: Wie könnte ich das am besten beantworten? Was scheint sinnig, wenn es nicht zwingend eine Präsentation mit Handout sein soll, die unter 45 Minuten dauert? Da kam ich letztens schon auf die Idee, einfach von den Erlebnissen zu berichten, die haften bleiben, anstatt es ein wenig trockener zu dozieren. So führe ich das hier einfach fort, weil mir die Idee so gut gefällt. Wenn mich jemand in der kommenden Woche also fragt, was ich denn für Musik höre, dann berichte ich vom vergangenen Wochenende. Denn es war (mal wieder) ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es (für mich) keine Grenzen gibt beim Musikhören. Dass ein emotionaler Rockabend und ein schweißtreibender Rapabend nacheinander überhaupt kein Problem sind, sich nicht widersprechen, ja, sich vielleicht sogar ergänzen. So geht die Geschichte…
Freitag, 10. Juni 2022 - Nada Surf im Dortmunder FZW
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Quelle: facebook.com |
Viele, viele Jahre meines Lebens habe ich in NRW gewohnt und fühle mich da immer noch sehr wohl, wenn ich nun dort bin. Insbesondere das Ruhrgebiet finde ich enorm sympathisch, obwohl mich nur ganz wenig damit verbindet. Egal. Ab nach Dortmund. Geil. Hässliche Innenstadt, schlimmes Bier mit ein paar Ausnahmen, viel Beton (okay, auch viel Grün, ja) und einer der besten Clubs, in denen ich je war. Das FZW. Nicht weit weg vom Bahnhof liegt es. Der Laden hat einen riesigen Nachteil und einen riesigen Vorteil. Schwer abzuwägen. Nachteil: Die müssen vergessen haben, eine Lüftungsanlage einzubauen. Nach kurzer Zeit ist es enorm heiß darin, die Luft steht. Gruselig. Und ich war schon sehr oft da und das Problem ist immer noch das gleiche. Vorteil: In keinem anderen Laden habe ich einen so exzellenten Sound gehört. Noch nie. Ob Gisbert zu Knyphausen, Tocotronic, Rangleklods oder Ghost. Es war immer phantastisch. So auch am Freitag bei Nada Surf. Zu einem Nada Surf-Konzert zu gehen ist für mich immer ein wenig so wie nach Hause kommen. Seit vielen, vielen Jahren begleitet mich die Musik der mittlerweile vier New Yorker. Ihre Lieder berühren mich jedes Mal so enorm, treiben mir Tränen in die Augen, sprechen aus meiner Seele, tun mir gut, tragen mich, bringen mich voran und geben mir Hoffnung. Daher bin ich ihnen auch enorm dankbar. Und habe mich erneut total gefreut, diese Band auf der Bühne zu sehen. Vorher spielte John Vanderslice ein paar Lieder auf der E-Gitarre. Ich muss ganz ehrlich sein, mir war es etwas zu sperrig, hatte wenig Zugang zu seiner Musik, auch wenn es ein irre netter Kerl gewesen ist, dem man ansah, wie sehr er in seine Freundin verknallt ist, die neben der Bühne stand. Umbauphase, Licht aus. Ira Elliot kommt auf die Bühne, Sonnenbrille auf der Nase, Hut auf dem Kopf und trommelt den Beat von
So Much Love; nach und nach kommt der Rest und es entwickelt sich ein tolles, wunderschönes Konzert an diesem Abend. Ja, Nada Surf ist die vielleicht sympathischste Indierockband dieser Welt. Das würde ich immer wieder behaupten. Diese vier Menschen strahlen so viel Güte und Menschlichkeit aus, ich komme ganz schwer damit zurecht, dass die so ungeheuer nett sind. Lieder, die mich berühren gepaart mit Spielfreude, die ihnen ins Gesicht geschrieben steht. Und das seit 30 Jahren. Das ist doch enorm. Was ist deren Geheimnis?! Ich wüsste es gern. Es gab selten gehörte Lieder wie
Friend Hospital und alte Kracher wie
Popular. Eins meiner Highlights war
Do It Again und
Kilians Red. Beides wunderschöne Lieder. Tragik und Lebensfreude. Beides geht nacheinander. Ja, es war ein sehr dynamischer Abend. Ich hatte das Gefühl, dass es immer satter wurde im Klang, immer rockiger und lauter. Es gefiel mir enorm. Tolltolltoll! Und am Ende noch
Blizzard Of ´77 mit der Akustikgitarre am Rande der Bühne ohne jegliche elektronische Unterstützung. Wem das nicht nahe geht, der hat kein Herz. Punkt. Extrem verschwitzt und super glücklich wankten wir durch die Dortmunder Nacht. Let´s do it again!
Samstag, 11. Juni 2022 - Juse Ju im Bremer Lagerhaus
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Quelle: facebook.com |
Wie geil ist das denn? Es ist Sommer. Die Menschen sind wieder draußen, haben gute Laune, lassen sich gehen und genießen das Leben. So soll es doch sein, oder? Klar! Da machen wir sehr gerne mit. Die Fahrt von Dortmund nach Bremen war unerwartet lang, aber egal. Niemand geringeres als Juse Ju lud zum Tanz im Lagerhaus. Also vom Bahnhof ins Viertel. Und überall auf dem Weg sind Draußenveranstaltungen. Herrlich. Nur noch am Grinsen. Wie schön kann das Leben sein! Nach Falafel und lokalem Bier (natürlich kein Beck´s oder Haake!) ab ins Lagerhaus, das anfangs noch luftig besucht war, sich im Laufe des Abends aber in einen wahren Hexenkessel verwandelte. Eröffnet wurde er von Nikita Gorbunov, der von einigen Kollaborationen mit Juse Ju bereits bekannt ist. Er selbst ist Theatermensch, Spoken Word Artist und an der Gitarre als Liedermacher unterwegs. Super vielseitig, super gewandt, super gut. Und so gab es als Einstimmung auf Rap Lieder an der Gitarre. Wer hätte gedacht, dass sich das so gut ergänzt? Nikita singt einem die bittere Wahrheit ins Gesicht, sodass man mit einem weinenden Auge vor lauter Wahrheit aber aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt, weil die Tragik des Lebens doch immer noch die beste Unterhaltung ist. Super! Licht aus,
Kranich Kick an, der Jusmeister betritt die Bühne und der Laden explodiert. Schwer in Worte zu fassen, was in den dann begonnenen eineinhalb Stunden passiert ist. Eskalation, Unterhaltung, politische Statements, Reflektion vermeintlicher Standards. Dabei tanzte ein ziemlich textsicheres Publikum in allerbester Pogomanier. Wall of Death für mehrere Male nicht ausgeschlossen. Alle Menschen durften ihre T-Shirts ausziehen, aber nur ein anderer kam auf die Bühne. Klar, Nikita war als Backup da. Doch Besucher Erik hat gezeigt, was am Mikro noch so möglich ist, als er für Im Modus den Fatoni-Part übernahm und ordentlich rasiert hat. Kinnlade runter, neues Bier rein, weitermoshen. Was ein wilder Tanz.
Model In Tokio,
German Angst,
TNT,
Mittelschicht Männers,
Eine Kleine Frage und auf jeden Fall
Berliner Partybullen. Sogar zwei Mal hintereinander. Nur die, die da waren, können davon berichten. Ein Abend der zeigt: Rap ist nicht nur der neue Pop, sondern vielleicht auch der neue Punk. Wer weiß?! Nochmal komplett verschwitzt nach Hause gegangen, völlig andere Gefühlswelt als noch 24 Stunden zuvor. Aber egal. Das passiert alles in einem Herz. Es ist alles möglich. Wie schön kann das Leben sein?!
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