Destroy Degenhardt fotografiert von Renatus Photography |
Draußen ists dunkel, laut, nass und voller Nachtschwärmer, die man jetzt schon kollektiv hasst. Wo sind noch mal die Pillen, die mich aus diesem Zustand erlösen, wo der Weg, der mich endlich nach Hause führt und doch: Will ich da überhaupt hin? Würde ich nicht lieber zu ihr, der ich mein Herz ausgeschüttet habe, die scheint mich endlich zu verstehen? Mich, den geistigen Krüppel, den, den keiner je verstanden hat. Den, der überall aneckt, nichts auf die Reihe kriegt, den letzten Entzug mal wieder nicht gepackt hat, sich jahrelang mit furchtbaren, ausbeuterischen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hat, der keinen Kredit mehr bekommt. Trotzdem war das letzte Tattoo gut gelungen, der Erfolg schnell mit Fusel und kleinen Stimmungshelden aufgepusht.
Irgendwie nach viel zu langer Zeit nach Hause geschafft - zum Glück mal wieder nicht den Schlüssel verloren oder sich bestohlen lassen. Der Blick in den Spiegel hat nur eine Reaktion zur Folge: Ein gezielter Schlag ins Glas, sodass die Hand blutet und schmerzt, aber immerhin muss ich das dann nicht mehr sehen. Muss mich setzen, runter kommen, brauche ein Glas Wasser (wirklich?) und Musik. Fahre den Rechner hoch, schalte die Boxen auf - schön laut - und es ertönt: Destroy Degenhardt, der Soundtrack zu diesem verdammten Leben.
So könnte es sein. Vielleicht trifft es zu, vielleicht ist es ein furchtbar klischeehaft überzogenes Bild.
Doch an vielen Momenten im neuen Album von Destroy Degenhardt, das diesen Freitag auf Audiolith Records erscheinen wird, kommt wenig Hoffnung zu Tage. Das wird schon durch den Namen der Platte ersichtlich: Das Handbuch des Giftmischers. 14 Tracks, die sich auf gut 50 Minuten ausbreiten. Es ist eine eigene Persönlichkeitsanalyse, die Degenhardt vornimmt, sich selbst schildert, auseinandernimmt und puzzlemäßig wieder zusammensetzt. Eine Geschichte, die nach fünf Alben und drei EPs, immer noch stark von einer dunklen Seite gezeichnet wird. Das wird nicht nur durch seine herrlich dunkle, angezählte Stimme verstärkt, sondern auch durch die vielen dystopischen Beats. Es ist nicht nur Rap und Hip Hop, es sind Geschichten von dem, was man selbst nicht geschafft hat oder nie schaffen wollte. Er holt sich drei Mal Unterstützung am Mikrophon: Prezident (Carhatt Depression), Yaesyaoh (Die Nacht der langen Messer) und Antilopen-Koljah (Fuchur 2). Das gibt schöne, passende Abwechslung, wird daher selten langweilig. Diese Art Underground-Rap ist ganz untypisch für Audiolith, die mit Waving The Guns, den Neonschwarzen und Kobito eher gesellschafts-politische Sprachaktrobaten unter Vertrag haben. Ein starker Schachzug von beiden Seiten.
Natürlich könnte man jetzt noch Songs des Albums auseinandernehmen, tiefgehender analysieren, gut gelungene Reime zitieren und Hörbeispiele für den neugierigen Leser auflisten. Doch das, was bei Das Handbuch des Giftmischers am ehesten übrig bleibt ist eine Stimmung, ein Gefühl, auch wenn es nur vage ist. Und das liegt irgendwo zwischen den obrigen Zeilen. Den Rest kann man in den passenden Videos unten nachhören.
Tourdaten gibt es noch keine aktuellen, sicherlich muss man darauf aber nicht mehr lange warten. Wird ohnehin lohnenswert, wenn auch unter Umständen verstörend.
grosser schmutziger liebenswerter mann!
AntwortenLöschenabsoluter geheimtipp!
ist es denn noch ein geheimtip wenn man es durchs internet brüllt ?
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