(sb) Auch auf die Gefahr hin, dass einige von Euch an dieser Stelle den Kopf schütteln und die Lektüre dieses Artikels beenden, aber: Ich persönlich fand das Jahr 2020 gar nicht so beschissen wie man meinen könnte. Ganz im Gegenteil sogar. Klar, es gab massive Einschränkungen und meine zwei Lieblingshobbies (Groundhopping und Konzertbesuche) sind phasenweise komplett weggebrochen, aber die positiven Aspekte haben vieles davon doch wieder aufgefangen.
Beruflich wars echt ein erfolgreiches Jahr, sowohl was den Umsatz meines Arbeitgebers betrifft, als auch hinsichtlich der Flexibilität. War Home Office vor einem Jahr noch völlig undenkbar, ist dieses Modell fest etabliert und das durch Corona aufoktroierte Vertrauen in die Mitabeiter/-innen hat sich absolut bezahlt gemacht. Auch privat hatte die Pandemie und ihre Folgen viele positive Effekte: Dank Lockdowns und Telearbeit konnte ich so viel Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn verbringen wie nie zuvor und das fühlte sich schon sehr gut an. Anstrengend zwar, keine Frage, aber es hat doch (noch mehr) zusammengeschweißt.
Vom musikalischen Standpunkt aus gab es in der Vergangenheit sicher bessere Jahre, aber dass die Künstler/-innen in ihrer Kreativität eingeschränkt waren, liegt auf der Hand. Das ein oder andere Lockdown-Album wäre unter anderen Umständen sicher nie entstanden und wenn doch, dann wäre das Ergebnis vermutlich besser geworden. Exemplarisch möchte ich hier Adrenochrom von der eigentlich sehr geschätzten Antilopen Gang nennen: was für ein unnötiger Schwachsinn...
So, nun aber zu den Höhepunkten des Jahres, wobei ich anmerken möchte, dass bei den Tracks des Jahres bewusst auf Songs der Künstler verzichtet wurde, die in den Top 3 der Alben landeten.
Songs des Jahres
3. Juse Ju - Eine kleine Frage
Da haut Juse Ju mal eben eins der besten Alben des Jahres raus (siehe unten) und lässt dann tatsächlich mit Eine kleine Frage ein paar Monate später einen Track folgen, der sich gewaschen hat. Textlich auf den Punkt stellt er die Situation in Deutschland dar und gibt Hildmann und den anderen Querdenkern und Covidioten ordentlich eine mit. Extrem stark!
2. Provinz - Du wirst schon sehen (feat. Disarstar)
Vogt, Oberschwaben. Tiefste Provinz. Der Name ist Programm bei dem Quartett, dessen Album Wir bauten uns Amerika nur knapp an meinen Top 3 vorbeigeschrammt ist. Du wirst schon sehen ist darauf in der Version mit Disarstar leider gar nicht vertreten, das Feature gibt dem Track aber nochmal eine besondere Note. Ich hoffe doch sehr, dass man von den vier jungen Herren in Zukunft noch sehr viel hören wird.
1. Crucchi Gang - Il mio bungalow
Wäre das die Bestenliste meiner Frau, so wäre die Crucchi Gang unangefochtene Nummer 1, 2 und 3 in allen Kategorien. Seit Monaten läuft in ihrem Autoradio quasi nichts anderes als das von Francesco Wilking ins Leben gerufene Projekt, in dem deutschsprachige Titel auf Italienisch gecovert werden. Mein persönlicher Favorit ist Il mio bungalow, im Original von Bilderbuch. So herrlich entspannt, so traumhaft swingend und dank Wilkings Sprachkenntnissen auch noch authentisch vorgetragen.
Alben des Jahres
3. Juse Ju - Millennium
Schon beim Kollegen (ms) landete Millennium in den Top 3 der diesjährigen Album-Charts und auch ich komme unmöglich an Juse Ju vorbei. Schon mit dem Vorgängeralbum Shibuya Crossing hatte mich der Rapper überzeugt, sein 2020er Album begeistert mich aber vollends, zumal es keinerlei Schwächen offenbart und Fähigkeiten des Künstlers unterstreicht, die ich ihm in der Ausprägung (ehrlich gesagt) nicht zugetraut hatte. Ob TNT, Claras Verhältnis oder Edgelord - an überragenden Tracks mangelt es auf Millennium nun wirklich nicht!
2. Calman - Kann Grad Nich
Im Jahr 2018 kürte ich Manchmal lüg ich meinen Arzt an (feat. Fatoni) zu meinem "Track des Jahres", doch es dauerte bis Mitte 2020, ehe Kann Grad Nich das Licht der Welt erblickte. Monate lang stand ich bereits mit Calman in Email-Kontakt, hatte das Album als Download erhalten und konnte mich immer tiefer in die 14 Songs eingraben. Lieder, deren zentrales Thema die Verantwortung ist - Verantwortung für seine Mitmenschen, seine Kinder, sein direktes Umfeld und nicht zuletzt für sich selbst. Das Gesamtwerk ist herausragend und es lohnt sich auch, auf Youtube nach den künstlerisch wertvollen Videos aus dem Album zu suchen. Für meinen Rückblick habe ich dennoch den Track Weg/Hier gewählt. Autoradio, voll aufdrehen, mitrappen, abgehen.
1. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys - Greatest Hits
Ich glaube, ich habe noch nie ein Album innerhalb eines Jahres so oft gehört wie die Greatest Hits von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys. Das ist Lebensfreude pur, die Songs der Herren vom schwäbischen Ufer des Lago di Garda zaubern mir jedes Mal wieder ein Lächeln ins Gesicht und selbst mein dreijähriger Sohn singt Ponte di Rialto regelmäßig aus Dauerschleife und kommentiert vorbeifahrende Sportwagen mit "steig in den Ferrari, lalala". Die Fahrt über den Brenner im Sommer wurde stilecht mit Baci, Vino Rosso, Maranello etc. begangen und auf Höhe des Gardasees wurde ein Gruß gen Sirmione geschickt. Kein Zweifel, dass die Greatest Hits mit riesigem Abstand mein "Album des Jahres" sind und bei Capri '82 muss ich mir regelmäßig eine Träne aus dem Augenwinkel wischen. So schee scho!
Konzert des Jahres
Well, that was easy... Ich habe dieses Jahr nur ein (!) Konzert gesehen und deswegen geht der Award quasi kampflos an Heinz aus Wien, die in der Münchner Milla aber tatsächlich einen grandiosen Auftritt hingelegt haben und so oder so gute Chancen gehabt hätten.
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