Freitag, 26. November 2021

KW 47, 2021: Die luserlounge selektiert!

Quelle: 47x47.bandcamp.com
(sb/ms) Die Geduld ist am Ende. So sieht es aus. Ich habe einfach keinen Bock mehr auf diese schier zermürbende Situation. Und das geht mir insbesondere beim wundervollen Kulturbetrieb vollkommen gegen den Strich. Dass in manchen Gegenden alles abgesagt wird, kann ich verstehen. Letztes Wochenende wäre ich bei Anna von Hausswolff in Leipzig gewesen. Ich checkte vorher die Inzidenzien und da waren sie schon bei alarmierenden 1000! Dann wurde das Konzert in Tag und Ort verlegt, sodass es unmöglich für mich war, es wahrzunehmen. Und das bei einer Ausnahmekünstlerin, deren Liveauftritt derart nicht so schnell nachzuholen ist. Das hat mich echt geknickt. Weil mir diese Momente den inneren Motor ölen.
Nun wohne ich in Niedersachsen, einem Bundesland, in dem es verhältnismäßig ruhig zugeht derzeit. Doch die politischen Akteure haben sich eine wirklich dämliche Handhabung ausgedacht mit der der kulturelle Betrieb, so wie ich ihn wahrnehme, weitestgehend wieder lahm gelegt wird. 2G ist eine super Sache, auch 2G+ ist eine super Sache, die ein möglichst sicheres Ergebnis, bei dem Menschen dicht gedrängt Spaß haben, ermöglicht. Nun heißt es hier aber 2G+Maske! Was soll das denn bitte?! Ich soll also innen, geimpft und getestet, zusätzlich Maske tragen?! Das verhagelt doch den ganzen Zauber. Ja, ich will den Rausch, atmosphärisch und gerne auch mit den passenden Getränken. Wie soll das dann funktionieren?! Tanzen und schwer durch FFP2 atmen?! Nein, danke! Hat sich auch Juse Ju gedacht. Den hätte ich gern am Samstag gesehen, er entschied sich aus diesen Gründen erneut (!) Konzerte abzusagen. Die Frage bleibt: Was kann ich noch planen? Worauf kann ich mich noch freuen? Ganz ehrlich und aus lauter Trotz und Unverständnis allen Nicht-Geimpften: Dann mach den ganzen Laden wieder dicht! Argh!

Doch wir sind ja auch für gute Laune verantwortlich. In Form von Musik. Luserlounge. Selektiert!

Koljah
(ms) Was für eine liebe Einladung. Da fühlen sich alle willkommen! Der Tisch ist reich gedeckt, der Gastgeber bester Laune und alles deutet darauf hin, dass es ein rauschendes Fest wird, wenn Koljah mit Nazis Rein die Gästeliste klar charakterisiert. Ein Track, der nicht nur die eigene Diskographie kritisch beäugt, sondern auch deutlich macht, wo wir hier sind: In einer Gesellschaft, die absolut nichts dagegen hat, wenn Faschos durch Kleinstädte marschieren oder als Abgeordnete in diversen politischen Ämtern sitzen und denen unter anderem eine klare Verbindung ins militant-rechte Milieu nachgewiesen werden kann. Alle her damit! Denn es ändert sich ja nichts. Hat Koljah also kapituliert? Nein, das würde ich nicht sagen, sondern auf gewohnt böse Antilopen-Weise geäußert, was ist. So sieht es nun mal aus, die traurige Wahrheit. Genau deshalb, weil er sie anspricht und keine Parolen schwingt, ist dies ein starker, wichtiger Song. Und wer im Video dazu Bernd Begemann als erstes erkennt, bekommt Applaus.
Nazis Rein wird auf dem Antilopen Geldwäsche Sampler 1 erscheinen, der freundlicherweise am 24. Dezember erscheinen wird. 


HFMN Crew - 20 Years Sampler
(sb) Aufgemerkt, es wird großartig! Vor 20 Jahren beschlossen ein paar Musikverrückte aus Manresa in Katalonien, zusammen Konzerte zu veranstalten. Daraus wurde bald ein Unternehmen namens HFMN, das sich im Laufe der Zeit zu einer Institution im Bereich Hardcore und Punk mausern sollte. Und da sind wir, zwei Dekaden und sehr viele Releases später. Zeit, Bilanz zu ziehen, nach vorne zu blicken und die Welt mit einer klasse Compilation zu beglücken. Ich persönlich stehe ja sehr auf Musik abseits der deutschen oder englischen Sprache und da fahren wir mit dem HFMN Crew - 20 Years Sampler (VÖ: 17.12.) hervorragend. Überragend: Patrimoni Mundial von Crim aus Tarragona - was für ein geiler Track! Nicht zu unterschätzen aber auch die Songs von Talco, Anal Hard, Deadyard (siehe Beastie Boys-Cover als Live-Video), La Inquisición und Lion's Law.
 
Zehn der zwölf vertretenen Beiträge sind aktuell noch unveröffentlicht; ein Grund mehr, sich das Album zu holen. Die Zusammenstellung ist durch die Anordnung sogar noch abwechslungsreich gestaltet, sodass sogar der einzige Tiefpunkt (The Baboon Show) ausgeglichen werden kann. Schwerste Begeisterung - und die Aufforderung, sich genauer mit den einzelnen Bands auseinanderzusetzen. Jetzt vorbestellen und sich dann unter dem Christbaum gepflegt einen hinter die Binde kippen und abgehen!
 

Michael Rother & Vittoria Maccabruni
(ms) Dass die zwei Schreiberlinge hier sich in dem damaligen Forum der Sportfreunde Stiller kennengelernt haben, ist eigentlich eine eigene Geschichte. Dort las ich (damals noch wirklich jung) den Satz, dass man für bestimmte Musik halt ein wenig älter sein muss, um sie zu verstehen. Anhand meiner eigenen Hörbiographie stimme ich dem bedingungslos zu.
Erst vor gut fünf, sechs Jahren begann ich mich für das komplexe Thema Krautrock zu interessieren, was meines Erachtens viel besser mit experimenteller elektronischer Musik zu beschreiben ist, weil so ungeheuer vielseitig. Viele dieser Menschen sind seit Jahrzehnten musikalisch aktiv und kreativ und anscheinend endet das nie. Hans-Joachim Roedelius bringt mit Anfang 80 kommendes Jahr noch eine neue Platte raus. Michael Rother ist 71, ein wahrer Jungspund also, und Weggefährte Roedelius'. Mit seiner Lebensgefährtin Vittoria Maccabruni veröffentlicht er am 21. Januar das Album As Long As The Light. Das ist nicht nur eine musikhistorische Meldung, sondern vor allem eine klangliche. Denn beide verfolgen unterschiedliche Ansätze. Maccabruni bastelt mit elektronischen Moasiken, Rother nimmt gern die Gitarre in die Hand. Das Ergebnis ist ein wundervoller, extrem facettenreicher Mix aus Ambient und Wucht. Besser erleb- als beschreibbar. Das erste Stück Edgy Smiles ist bereits zu hören.
Obendrauf gibt es noch einen nerdigen Fakt: Diese Platte ist vielleicht die erste seit sehr, sehr langer Zeit, die Rother nicht in Bevern - mitten im menschenverlassenen Weserbergland (ich weiß, wovon ich spreche) -, sondern der Liebe wegen in Pisa aufgenommen hat.


Admiral Fallow
(sb) Sie haben in Glastonbury gespielt und waren vor 70.000 Zuschauern, Headliner auf dem T in the Park-Festival. Zudem waren Admiral Fallow zusammen mit Paolo Nutini, Frightened Rabbit, den Futureheads und Belle and Sebastian auf Tour. Dennoch sind Admiral Fallow hierzulande nahezu unbekannt, obwohl die Band seit Jahren mit anspruchsvollen Pop, melodischem Rock und hymnischen Refrains überzeugt. Diesem Muster folgt auch The Idea Of You (VÖ: heute!), das neue Album der Schotten. Da es zu weiten Teilen bereits 2019 geschrieben wurde, klingt es deutlich optimistischer und weniger sorgenvoll als es die derzeitige Situation erahnen ließe. So enthält die Scheibe der Glasgower neun schwung- und niveauvolle Songs, die nun hoffentlich auch in Deutschland gehört werden.


Sportfreunde Stiller
(ms) Hier gibt es gar nichts zu hören, aber etwas Großes zu verkünden! Es ist tatsächlich wahr. Und es klingt irgendwie ein wenig aus der Zeit gefallen. Ja: so liest es sich: Die Sportfreunde Stiller gehen wieder auf Tour (s.u.) im kommenden Jahr. Zwar erst im September, aber das ist weise voraus geplant (s.o.). Man munkelte schon oft, dass die Band sich im Stillen aufgelöst habe, aber weit gefehlt. Peter, Rüde und Flo sind am Start und man darf sehr, sehr gespannt sein. Vor fünf Jahren erschien ihr letztes Album Sturm & Stille und wir müssen auch ganz ehrlich sein: So richtig vermisst hat sie sicherlich keiner. Lange hielten sie sich extrem gut mit einem Mix aus sanftem Liebeslied und irrer Blödelei. Die Frage stellt sich: Braucht es das heute noch? Klar, ein gutes Liebeslied kommt immer zur rechten Zeit. Aber Lieder à la Ich, Roque sollten wirklich in den Mottenkisten der Musikgeschichte verschwinden und dort bleiben. Nun sind sie wieder im Sport-Outfit zu sehen, puh! Hart! Die kleinen Videobotschaften langjähriger WeggefährtInnen auf ihren sozialen Medien sind ein schöner Spaß, aber ich blicke doch eher zweifelnd drein, was das geben wird. Sicher kommt bald die Albumankündigung und die erste Single, so läuft das ja nun mal. Aber ganz klammheimlich freue ich mich auch ein bisschen drauf, wenn sie in Bremen spielen. Und wenn es nur der Nostalgie wegen ist...

16.09.22 – Ludwigsburg, Scala
17.09.22 – Karlsruhe, Substage
19.09.22 – Frankfurt – Zoom
20.09.22 – Dortmund, FZW
22.09.22 – Potsdam, Waschhaus Arena
23.09.22 – Rostock, Mau Club
24.09.22 – Bremen, Modernes
26.09.22 – Dresden, Alter Schlachthof
27.09.22 – Erfurt, Club Central
28.09.22 – Erlange, E-Werk


Slow Leaves
(ms) Ja, wir kommen nicht mehr umhin. Weihnachten steht vor der Tür. Warum einige Städte jedoch schon seit zwei Wochen entsprechend geschmückt sind, entzieht sich vollkommen meinem Verständnis! Okay, an diesem Wochenende steigt der erste Advent. Dafür habe ich dann schon Verständnis.
Worauf ich hinaus will: Weihnachtsstimmung. Kommt bei mir nicht mit Lichterketten und Baumschmuck zustande. Sondern zu einem großen Teil durch die passende Musik und natürlich ist Last Christmas ein überirdischer Hit! Ich brauche diese Lieder, auch die klassischen, die in der Kirche gesungen werden, um diesen Zauber zu erfahren. Da dürfen auch gerne Oldies immer wieder neu interpretiert werden, ich finde es super, wenn es gut gemacht ist. Slow Leaves haben es da sehr gut gemacht mit Have Yourself A Merry Little Christmas. Wobei der letzte Satz eher im Singular stehen müsste. Hinter dem Namen steckt der Kanadier Grant Davidson, der auch auf seinen eigenen Liedern gerne etwas melancholisch und nachdenklich ist und keine Scheu vor großen Melodien hat. Also: Einen schönen ersten Advent allerseits...


Sea Wolf
(ms) Wirklich gute neue Musik zu finden, ist genau die Suche der Nadel im berühmten, alten Heuhaufen. Der Heuhaufen ist unser E-Mail-Fach und die Nadel, auf die uns freundlich hingewiesen wurde, heißt Sea Wolf. Und die Band um Alex Brown Church ist sicherlich genauso genervt von C. wie ich. Denn sie haben auch allen guten Grund dazu. Letztes Jahr erschien ihr neues Album Through A Dark Wood und im Laufe der Pandemie, der Absagen, der Unmöglichkeiten von Tourneen, Promo etc. ging das ganze schlicht und einfach unter. Das ist doch echt die Definition von Schicksal, oder? Da die Platte aber wirklich gut ist und auch die Band von der eigenen Qualität sehr überzeugt ist, gaben sie der Scheibe eine zweite Chance und veröffentlichten sie als erweiterte Version letzte Woche erneut. Was mich am Sound der Band so fasziniert, ist, dass er auf eigentümliche Weise einen sanften Klang der besten Coldplay-Zeiten und filigranen Alt-J-Arrangements vereint. Davon darf man sich auch im kommenden Jahr live überzeugen. Eine Tour soll stattfinden, die genauen Termine werden wir selbstredend nachreichen, wenn sie feststehen! Bis dahin sollte dieses tolle Stück auf Repeat stehen:

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