Freitag, 26. März 2021

KW 12, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: stanleypickergallery.org
(ms/sb) So fuhr ich eben nach Hause ab ins Wochenende. Immer mit der Bahn. Unter normalen Umständen hätte ich mich tierisch über meine Nachbarin aufgeregt. Hätte sie telefoniert oder dauernd Sprachnachrichten eingesprochen und abgehört, wäre ich sicherlich nicht zu halten gewesen. Und eigentlich bin ich auch jungen Familien in der Bahn gegenüber konsequent intolerant. Morgens immerhin gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Die Leute auf der gleichen Strecke grüßt man mit einem verschlafenen 'Moin' und hält dann gefälligst den Mund. Eben jedoch ging kein Weg dran vorbei. Der Zug war nur halb so groß und daher voller als sonst. Vielleicht lag es auch an ihrer Stimmfrequenz oder an meinem erschöpften Zustand. Nun denn: Sie las ihrem kleinen Sohn (drei oder vier Jahre alt) ein kleines Büchlein vor. Es ging im Ostern. Mehr kann ich zum Inhalt nicht mehr sagen. Ab und an habe ich auf die Bilder geschaut, konnte mir die Handlung aber auch nicht zusammen reimen. Denn: Ihre Geschichte hatte auf ihren Nachwuchs denselben Effekt wie auf mich: einen Einschläfernden. Normalerweise lese ich selbst in dieser Zeit. Erst des Morgens begann ich ein neues Buch. Doch ich konnte nur drei Stationen innerlich laut dagegen anlesen. Dann meins zugeklappt und mich drauf eingelassen. Ostern. Ja. Schön. Dabei gelernt: Mal wieder öfter jemand anderem was vorlesen. Und vorgelesen bekommen!

Hier wird jedoch beschallt. Gerne laut. Voll drauf. Luserlounge. Freitag. Wir haben selektiert.
 
CRIM
(sb) Ich höre ja wirklich gerne italienisch- oder spanischsprachigen Punk, Ska oder Hardcore. Aktuell haben es mir eher die Italiener angetan, davor die Spanier und Südamerikaner. Geschenkt, dass ich dabei kaum was verstehe und wenn's dann gar ins Dialektale geht, bin ich quasi chancenlos. Trotzdem liebe ich noch immer die mittlerweile aufgelösten Obrint Pas aus Valencia und auch CRIM aus Tarragona haben es mir sehr angetan. Die feiern dieses Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum und veröffentlichen zu diesem Anlass ein Greatest Hits-Album, zu dem sie sich zahlreiche internationale Gäste eingeladen haben. Klingt erstmal sehr angenehm, zumal man bei den Features ordentlich Gas gibt. So sind beispielsweise Cecilia von The Baboon Show, Olga von den Toy Dolls und Lion's Law am Start.
Musikalisch ist an 10 Anys Per Veure Una Bona Merda auch rein gar nichts auszusetzen - ganz im Gegenteil! Feinster Punkrock mit Hardcore-Einflüssen, catchy Melodien und einem großartigen Gitarristen. Leider bleibt jedoch das "aber" nicht aus: Die Tracks werden diesmal auf Englisch präsentiert, was für Fans zwar spannend und abwechslungsreich sein mag, dem Sound der Katalanen jedoch seine typische Note raubt. Der Exotik-Faktor geht so leider ein bisschen verloren und lässt das Album leider arg gewöhnlich erscheinen. Sehr, sehr schade, wie ich finde, zumal CRIM halt eigentlich eine richtig geile Band sind.
Die Album-Version mit den Gästen ist übrigens die Standard-Version des Releases. In der Limited Edition gibts noch eine Scheibe dazu, bei der die Band die Songs nochmal alleine performed - allerdings auch auf Englisch. Argh. Es hätte so schön sein können...


Víkingur Ólafsson
(sb) Wie krass produktiv kann man eigentlich sein? Der Pianist Víkingur Ólafsson lässt es in den vergangenen Monaten nur so krachen und veröffentlicht ein Album nach dem anderen. Und das Beste daran: Alle sind qualitativ so hochwertig, dass es eine wahre Freude ist. Ich gebe zu, dass ich in Sachen Klassik nicht wirklich bewandert bin, aber jede einzelne Scheibe des Isländers fasziniert mich und tatsächlich gehören seine Alben zu denen, die bei uns im Haushalt am meisten laufen. Das war schon bei seinen Bach-Interpretationen so, ebenso bei seinen Versionen von Debussy und Rameau.
Auch sein neuestes Werk Reflections (VÖ: 12.03.) lässt den Hörer tief eintauchen in die Schönheit der Klassik und öffnet neue Horizonte. Der Künstler wagt phasenweise sogar den Schritt in Richtung Neo-Klassik und spielt mit elektronischen Elementen, was den entsprechenden Stücken eine ungeahnte Tiefe verleiht. Auch bei der Auswahl der präsentierten Musik geht Ólafsson neue Wege: Zwar interpretiert er auch diesmal Debussy, versucht sich aber auch an Werken von Hugar, Balmorhea und der großartigen Hania Rani. Coverversionen der Klassik sozusagen! Es fällt schwer, dieses Album nicht zu lieben. Gan ehrlich.


The Go! Team
(ms) Durch diese grauenhafte Vereinzelung im Musikhören und dass einem Playlisten generiert werden, fehlen die Hits (ich verweigere die Nutzung einer Streamingplattform weiterhin!). Man kann sich auf nichts mehr einigen. In den Clubs (jaja...) laufen die gleichen Tracks wie vor 15 Jahren. Klar, die waren alle super und ich tanze gerne ausgiebig und intoxikiert dazu. Doch neues, frisches Material fehlt. Wer es locker, allzu locker schaffen könnte, dort auf Heavy Rotation zu laufen, weil sehr gut ins Ohr gehend und extrem tanzbar sind The Go! Team! Als Cookie Scene raus kam, lief tagelang nichts anderes bei mir. Ein phantastischer Track! Nun wird ein neues Album erscheinen, am 2. Juli! Der Sommertrack zieht in den Lockdown ein! World Remember Me Now ist der erste Vorgeschmack. Und er weiß direkt zu gefallen: locker, leicht, cathy, kopfnickend. Der kurzweilige Song behandelt tägliche Routinen und wie eine Frau heute ihren Alltag in der Großstadt bewältigt. Der gute, durchaus ernste, philosophische Ansatz kommt in meinen Ohren kaum zur Geltung, weil ich die ganze Zeit am Tanzen bin. Doch wenn Get Up Sequences Part One im Sommer erscheinen wird und damit noch mehr Hörstoff, ist es soweit. Ich schwöre! Und jetzt: Laut gedreht, abgetanzt!


Fortuna Ehrenfeld
(ms) Reisegruppe Seltsam schlägt erneut zu. Keine Band (und da bestehe ich drauf) war in den letzten zwölf Monaten derart umtriebig, gewillt, kreativ und outputgeil wie Fortuna Ehrenfeld! Shows über Shows, alles was geht. Weil: BockBockBock! Beim WDR in diversen Formaten, im Internet noch und nöcher und auf allen Bühnen, die bespielt werden konnten. Ihr Gig im Wilhelmshavener Strandkorb im September war eine wahre Wonne. Und jetzt wieder ein Album?! Kaum zu glauben! Noch weniger zu glauben, dass es nicht beim Grand Hotel Van Cleef erscheinen wird (soweit ich weiß), sondern auf dem eigenen Label von Martin fucking Bechler: Tonproduktion. Einfach mal so nennen, damit man es versteht. Was man nicht immer versteht, sind seine Texte, aber das muss auch gar nicht sein. Man sollte sie wirken lassen, dann kommt der Rest von alleine. Dass sie immer schon Bock auf gaga hatten, ist jetzt vertont. Die Panamoralische Liebe ist der erste Track aus dem am 28. Mai erscheinenden Album Die Rückkehr Zur Normalität. Wenn nicht mit Fortuna Ehrenfeld, mit wem denn sonst?! Eben! Selten so hart Bock auf gehabt!
 

Flyte
(sb) Das Wissen, dass die Entscheidung, die man im Begriff ist zu treffen, das eigene Leben für immer verändern wird, ist des Öfteren nicht so wirklich befreiend. Klar, kann. Muss aber nicht. Zum Beispiel im Fall einer Trennung. Ist es der richtige Schritt? Oder hat man doch noch nicht alles versucht, um den (einst?) geliebten Menschen auch weiterhin an seiner Seite zu haben?
Mit genau diesen Themen setzen sich Flyte auf ihrem neuen Album This Is Really Going To Hurt (VÖ: 09.04.) auseinander und sie tun das auf eine extrem hörenswerte Art und Weise. Dreistimmige Harmonien, einprägsame Melodien und Texte, die von literarischen Bildern durchdrungen sind, bilden das Gerüst einer Scheibe, die ruhig beginnt, im weiteren Verlauf, aber auch aufgewühlt und aufwühlend rüberkommt. Wie es halt so ist, wenn man mit Zweifeln, Ängsten und Hoffnungen zu kämpfen hat. Obwohl die Band bereits seit 2017 existiert, veröffentlicht das Trio im London im April erst seine zweite LP. Wenn die Zeit aber genutzt wird, um solche Perlen zu erschaffen, dann sei ihnen das verziehen.


Donots & Ingo Neumayer
(ms) "Eine Liebe zur Musik, eine Liebe zu den Tönen." Nein, so pathetisch wie Uhl singen die Donots nicht, stimmen tut es trotzdem. Da werden die Riffs ausgeschöpft. Da knarzen gerne und schief und wummernd die Boxen. Da stehen fünf Typen mit Haltung auf der Bühne. Fünf Kerle, die seit 27 Jahren diese Band am Leben halten und immer wieder überraschend agieren. Aus den ganz frühen Punker-Tagen, wurden rockigere Tracks und dann wiederum solche auf Deutsch. Nimmermüde. Immer Bock. Vollgas auf der Bühne. 1200 Konzerte. 11 Alben. Immer weiter. From Ibbenbüren to the world. Wie dieser Weg aussah, was die Band immer wieder so eng hat zusammen stehen lassen, ist nun endlich nachzulesen. Ist wirklich so. Bandbiographien sind so eine Sache. Leider werden sie schnell schlecht und irre dröge. Zu gewollt. Zu insider. Doch es kann nur lesenswert sein, was Ingo Neumayer über die Donots geschrieben hat. So eine lange Zeit. Eine Band, die von Festivals und Tourplakaten nicht mehr wegzudenken ist: Heute Pläne, Morgen Konfetti. So ist es. Am 16. April erscheint das Buch im Ventil-Verlag und wir werden Euch berichten, wie lesenswert es ist. Nicht ob! Also: Datum merken, ob Click And Collect, online oder sonst wie... Pflicht ist es allemal! 


Eddie Argos
(ms) Zum Ende dieser wöchentlichen Rubrik kommt noch ein wahrer Knaller: Art Bruts Eddie Argos wird ein Solo-Album veröffentlichen. Nach dem, was ich gelesen habe, gibt es noch keinen Titel oder Datum, wann es erscheinen soll. Völlig egal. Wichtig ist doch, dass (!) es passiert. Dieser Typ ist einfach eine irre Energiemaschine. Malt wie er singt. Überzeugter Amateur. Wie dieses Album klingen wird, ist unklar. Wird er wohl experimentieren? Nur mit Gitarre? Elektronischer? Im gewohnten Band-Sound? Auf Deutsch? Lassen wir uns überraschen, wenn er vielleicht schon in diesem Jahr über Duchess Box diese Platte raus bringen wird. Sich einfach mal freuen auf Gutes und Neues. Es kann so leicht sein.

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