Auch 'damals' schon stach kein Lied besonders heraus (Gegenbeweis folgt gleich). Vielmehr beweist es, dass ihm (wobei ich hier nur spekuliere) die Platte als Ganzes, als lang zu genießende Kunst, wichtig(er) ist. Zum Meditieren oder Entspannen ist es dann doch insgesamt betrachtet zu finster, düster, hoffnungslos. Was aber der Qualität der Platte nichts abtut. Man sieht sich ihr ausgeliefert, ganz langsam und im besten Sinne zäh, schleichend zieht sie mich in einen tiefen, dunklen Wald. Dort ist es lauwarm, aber es lauern dezente Gefahren, von denen ich weiß. Aber von denen ich auch weiß, dass sie mir nichts abhaben werden. Denn die nötige Sicherheit bringen dann doch die ein oder anderen, spärlich aber klug gesetzten Töne aus der rechten Hand. Immer wieder schimmert auch ein kalter Schmerz hindurch, wie eine alte Narbe, die nicht aufhören will zu pochern, wenn die Temperaturen sinken.
Graz ist Teil seiner Abschlussarbeit an der dortigen Kunstuniversität. Sein Produzent Thomas Geiger erhielt in New York sogar einen Preis für diese Aufnahme. Das macht umso stutziger, dass es so lange unter Verschluss blieb.
Kaum auszudenken, dass aus dem gleichen Musiker später jemand geworden ist, der durchaus leidenschaftlich elektronische Elemente noch und nöcher einsetzt, um ein dichtes Netz aus Klang und Musik zu schaffen. Denn diese seine erste Platte ist enorm pur und sehr klar. Bewahrt sich eigentümlich und kaum in Worte zu fassen davor kalt zu wirken.
Nein, von Fröhlichkeit, und wenn sie noch so klein und unscheinbar wäre, ist hier keine Spur. Es gibt Phasen, Takte da werden die tiefen, linken Tasten des Klaviers passioniert dunkel bearbeitet. Aber es gewittert nie. Es scheppert nicht. Hier haut niemand planlos drauf. Es bleibt immer - immer! - melodiös. So entsteht in den hoffnungszerschmetterten Liedern doch ein rundes, kunstvolles Ganzes.
Doch auf dem nicht mal zweiminütigen Hammer ist etwas wahrlich aufregendes, neues (auch im Rückspiegel betrachtend) zu hören! Es lässt einen die Augen weit aufreißen und fragen: Warum, warum hat er diese Art zu komponieren, poetisch zu agieren nicht weiter verfolgt?! Denn es bleibt auch auf dieser Veröffentlichung ein Unikat: Seine Stimme ist zu hören. Rasant geloopt und phantastisch in Szene gesetzt! Dicht, pulsierend, einvernehmend! Das muss gehört werden! Sticht vollkommen aus Graz heraus. Setzt sich in ganz neue Sphären ab! "Nils", möchte man ihm zurufen, "mach sowas bitte erneut!" Während beispielsweise Hania Rani später anfing zum Klavier zu singen, so höre Frahm wohl früh auf. So bleibt auf dem Album das nachdrücklichste Lied jenes, auf dem das Saiteninstrument nicht im Vordergrund steht, sondern seine Stimme.
Beim zweiten Hören des Liedes dachte ich tatsächlich, das die Stimmen weg sind. Dass der Zauber hier so groß ist, dass das Lied sich bei einmaligem Hören von selbst auflöst. Zum Glück habe ich mich geirrt. Und zum Glück bringt er es immer wieder auf die Bühne.
Ja, es ist ein gutes Album. Doch so sehr packt sie mich nicht. Auch nicht, wenn es von wem anders ein Debut wäre. Da fehlt mir der Drive, die Spannung, das Dramatische. Nicht für Ungut...
Die Platte erschien bereits am Montag. Ungewöhnlicher Zeitpunkt. Nachvollziehbar dann, wenn man hinzufügt, dass dies der internationale Piano Day ist. Ja, gibt es wohl. Ja, an der Initiierung war Frahm wohl auch selbst beteiligt. Am 21. Mai erscheint das Album dann auch als CD und LP. Jetzt ist es erstmal nur digital zu hören.
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