Sonntag, 15. Juni 2025

Live in Bremen: Fair Weather Fest

Fotos: Luserlounge
(Ms) Seit einer Woche ist das Fair Weather Fest vorbei - gut Ding will Weile haben. Am Freitag und Samstag des Pfingstwochenendes war das Bremer Viertel richtig gut besucht. Ja, das Wetter war nicht besonders fair, aber das Programm, das die Veranstalter hinter diesem Festival aus dem Boden gestampft haben, war großartig! Hardcore, Punkrock, Power Pop, Indie, Singer/Songwriter, Screamo, Shoegaze. Stilistisch war für alle etwas zu haben zwischen Lila Eule, Calavera und dem Lagerhaus. Und auch bei Titus, Black Plastic und im Eisen gab es auf die Ohren. Am Freitagnachmittag wurde ausverkauft gemeldet - nur zurecht bei diesem Line-Up.

Wobei ich erst im Nachhinein zu diesem Fazit kommen kann. Denn bevor ich am Freitag in Bremen ankam, kannte ich bis auf die Deadnotes keine einzige Band. Ich war neugierig und wurde reichlich belohnt!

Das erste, was ich hörte, waren die letzten zwei Song von The Pill, die das Lagerhaus gut zum Beben gebracht haben. Und schon danach kam das erste große Highlight: Between Bodies war anscheinend so etwas wie der geheime Headliner, es war schlagartig voll und nicht wenige Leute konnten bei nicht wenigen Liedern recht sicher die Texte mitsingen. Wie geil war das denn?! Obendrein war der Auftritt dieser Band wahnsinnig sympathisch und sie haben Rockmusik einfach verstanden, so einfach kann es sein. Dieser Name sollte dringend überall abgespeichert werden! Giver hingegen tendierten wesentlich stärker in einige Metal-Sphären. Ich finde es immer wieder großartig, dass die Bands mit den härtesten Tönen die humanistischsten Ansagen bereit haben! Musikalisch bleiben sie bei mir aber weniger haften. Zwischendurch dann mal ins kleine Calavera, Neugier, Neugier! Als Pluto The Racer aus Hannover dort spielten, war der Laden schon rappelvoll, auf der Treppe tummelte es sich schon. Skatepunk, so wie er klingen sollte, richtig gut! Weiter ging es im Lagerhaus mit Rauchen und bis heute weiß ich diesen Gig nicht so sehr einzuordnen. Ja, war schon irgendwie geil, aber von dem ganzen Geschrei hätte ich gern auch was verstanden. Als Smile And Burn die Bühne betraten, wurde schnell klar, dass diese Band etwas professioneller unterwegs sind. Plötzlich war der Sound viel klarer. Ohnehin leider ein Detail, das ich im Lagerhaus so gar nicht kenne, am Freitag hat es immer wieder ganz schön geschrabbelt und oft war der Sound etwas verwaschen.

Fotos: luserlounge
Einschub.
Leider konnte ich den letzten Auftritt vom Freitag nicht ganz sehen. Ich war noch angeschlagen aus den Tagen davor und wollte langsam heim. Mit der Bahn wäre das in der Regel kein Problem. Doch am ganzen Wochenende fuhr ab 22 Uhr nur noch der Bus in meine Richtung. Was für eine miese Sache. Klar, es müssen Strecken saniert werden, aber zweieinhalb mal so lang unterwegs zu sein, ist wenig geil.
Einschub Ende.

Auf dem Hinweg am Samstag ließ ich den Freitag etwas Revue passieren und kam zu keinem rechten Ergebnis. Es war spannend und cool, viel Neues kennenzulernen, aber so richtig abgeholt wurde ich halt nicht. Ein Glück, dass das am Samstag ganz anders aussehen sollte! Insbesondere das Programm in der Lila Eule ließ keine Wünsche offen! Mundane aus Schweden haben mich direkt abgeholt und halb sechs. Gitarrenlastiger Indierock genau nach meinem Geschmack, yeah! TI:ED im Lagerhaus legte durchaus wieder härtere Zähne zu, war gut, aber nicht so meins. Ebenso wie Wrong Man - sie holten mich nicht so sehr ab. Das gute in diesen ganzen Momenten war hingegen, dass zahlreiche andere BesucherInnen viel Freude und Spaß hatten - so soll das doch sein! Mein Highlight des ganzen Wochenendes war Flight Mode aus Oslo, die in der Lila Eule spielten. Erstens super sympathisch. Zweitens spielten sie feinsten Indierock à la Nada Surf oder Death Cab For Cutie - da bin ich doch dabei. Das war richtig, richtig gut! Phantom Bay, die Band, in der sich einige der Veranstalter versteckten, gehörte für mich auch zur Kategorie: hart und wuchtig, aber nicht so meins. Richtig geil wurde es noch bei Emperor X! Was war das denn bitte?! Zwischen all dem wohltemperierten Krach ein Singer/Songwriter mit soliden Deutschkenntnissen und wahnsinnig unterhaltsamen Texten und tanzbaren Effekten aus seinem Zauberkasten. Das sollte jeder Mal live gesehen haben! Dann zu The Deadnotes, die ja bekanntermaßen beim Grand Hotel Van Cleef unter Vertrag sind, aber außer großen Bühnengesten ist da echt nicht viel dabei. Gemütlicher Rock, den man schnell wieder vergisst. Anders als bei Shoreline. Die zimmerten einem nochmal richtig einen ins Gebälk!

Und wieder in den Bus.
Und verarbeiten, einordnen.

Die erste Ausgabe vom Fair Weather Fest war nichts anderes als ein großer Erfolg. Die Bands entsprangen fast allem einem großen Freundeskreis, die Stimmung war super und sehr rücksichtsvoll. Die Zeiten haben sich jedoch sehr stark überschnitten. Da könnte man etwas mehr Luft reinpacken. Denn: Nächstes Jahr geht es in die zweite Runde und Tickets sind jetzt schon zu haben. Ich hab meins, was ist mir dir!?


Freitag, 6. Juni 2025

KW 23, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Jetzt mal ganz ehrlich: An dieser Ü-30-die-Gebrechen-kommen-immer-häufiger-Sache ist doch auch ein bisschen was dran, oder? Zumindest ist es geil, wenn es manchmal etwas bequemer ist. Zum Beispiel im eigenen Bett schlafen oder, wenn man von Festivals spricht, zumindest nicht in irgendeinem Zelt auf irgendeinem Acker. Furchtbar! Da ich keinen Van oder Camper habe, ist für das einzige Festival, das ich im Sommer besuche - das großartige Watt En Schlick - eine Ferienwohnung gebucht. Richtig geil! Schön gemütlich schlafen, eine fest installierte Dusche nutzen und ein bisschen mehr Urlaubsfeeling genießen. Wobei ich persönlich zelten schon immer scheiße fand.
Aber egal. Bequem soll es durchaus sein. Da kommen Indoor-Festivals genau richtig! Was für eine super geniale Idee, am Wochenende einen oder mehrere benachbarte Clubs mit Konzerten voll zu packen und man kann da entspannt abhängen, viel Neues entdecken, wird nicht zwingend nass und kann danach einfach entspannt zu Hause nächtigen. Das ist wirklich eine ganz hervorragende Sache! Und wenn so ein Festival dann noch um die Ecke ist, einige der liebsten Clubs da mit machen und es ordentlich Punk und härtere Töne auf die Ohren gibt, dann sage ich: Geil, ich bin dabei! Heute und morgen findet in Bremen das erste Fair-Weather-Fest statt. Gute, unabhängige Adressen des Viertels werden bespielt: das Calavera, die Lila Eule, das Lagerhaus und auch bei Black Plastic, bei Titus und im Eisen (ganz viel Liebe!) finden Konzerte statt. Genial, bis später!

Water From Your Eyes
(Ms) Wo bleibt das Ohr hängen, wenn es neue Musik hört? Was ist das genau, was den einen Track skippen und den anderen lauter drehen lässt? Das würde ich richtig gerne wissen, das sind doch irgendwelche Synapsen, die da hellhörig werden. Der neue Song von Shame beispielsweise interessiert mich null, wobei Life Signs von Water From Your Eyes echt ein krasses Ding ist! Meine Vermutung ist Folgende: Die verspielte, aber dunkle Gitarre öffnet einen Sog, in den ich mich gern hinein ziehen lasse. Dann kommt das Lied mit derart überraschenden Parts daher, das die Neugier bis zum letzten Ton bleibt, was denn alles passieren könnte! Von recht verträumten bis brachialen Parts ist ganz schön viel dabei! Und das macht Musik doch spannend oder?! Wenn sie Schema F durchbricht und mit etwas haften bleibt, das irritiert und genau deshalb laufen bleibt. Das neue Album It‘s A Beautiful Place erscheint am 22. August und könnte echt genial werden!

21.11.25 Köln, 674 FM
24.11.25 Hamburg, Aalhaus
26.11.25 Berlin, Lark
28.11.25 München, Import Export


Yasmo & Die Klangkantine
(Ms) Es kann nicht genug Lieder über das unbeschwerte Leben geben. Es gibt doch echt genug Dinge im Alltag, die nervig und blöd sind. Manchmal habe ich dieses Erwachsenenleben echt satt mit den ganzen Formalitäten und bürokratischen Hürden, die am Wegesrand lauern. Pausen davon sind bitter notwendig und die besten Pausen sind doch die, die gut klingen und richtig viel Leichtigkeit reinbringen. Mit Das Gute Leben haut Yasmo mit ihrer Klangkantine einen ganz wunderbaren Sommertrack raus, der überall laut laufen sollte! Bläser und Sprechgesang - was ist das denn für eine geniale Mischung. Eben! „Lass es mir gut gehen.“ Wohin soll ich mir das tätowieren lassen?!
Das richtig Gute an diesem Track ist, dass er Yasmos Werk super gut ergänzt. Es ist gut und richtig, dass sie eine starke Stimme gegen viele Ungerechtigkeiten ist. Genauso gut ist es, mit ihr das Leben zu feiern! Viel zu oft das Wort gut in diesen Zeilen verwendet - ach Quatsch, das ist halt genau das, was dieses Lied ist!


Chantal Acda
(Ms) Es gibt Musik, die für mich nur über den Klang funktionieren. Das ist immer etwas gemein, wenn mir persönlich der Text dann nicht so wichtig ist, aber es kommt vor. Zum Beispiel immer wenn ich die Musik von Chantal Acda hören. Diese Arrangements, Melodien, Dynamiken und Stimmungen sind so großartig, dass mir echt egal ist, worum es geht. Ihre Lieder sind klanglich so gut gemacht, dass alles andere für mich in den Hintergrund gerät. Das war schon beim tollen Heads so und ihre neue Single Make It Work schafft das in meinen Ohren erneut. Die Niederländerin weiß sehr genau, wie sie mit ihrer Band spielen muss, um solch einen intensiven Sound zu erschaffen: Chöre im Hintergrund, eine schwere Gitarre, Bläser mit tollen Melodien - ein Track, der sich stetig erweitert und immer größer wird. Warm und mächtig. Wow, wie wundervoll kann Musik eigentlich sein?! Wenn am 19. September ihr neues Album The Whale erscheint, wird es ein musikalischer Meilenstein diesen Jahres werden. Das traue ich mich jetzt schon zu sagen!


Die Höchste Eisenbahn
(Ms) Sie können das Schwelgerische, das Verträumte, das leicht Schwermütige. Für die große Leichtigkeit ist Die Höchste Eisenbahn nicht zwingend bekannt. Müssen sie ja auch gar nicht, diese tolle Band hat genug Stärken. Doch, dass sie auch Leichtigkeit können, ist ein großer Beweis eines ganz einzigartigen Songwritings! Dieses Leben heißt ihre aktuelle Single und es ist eine Ode genau auf jenes! Die Ruhe des Schönen, die Liebe, die einen ausfüllt, die pure Eleganz der Natur. Jede Band sollte so ein Stück im Repertoire haben, da es immer gut tut, so viel Kraft zu versprühen und den Blick nach vorn zu richten. Dieses Leben - juhu!


Nina Caroline
(Ms) Vergangene Beziehungen waren nicht zwingend Fehler. In diesen Verliebtheitsphasen fühlte sich ja immer irgendetwas richtig an. Doch oft hat man sich selbst ja was vorgemacht, eine Geschichte aufrecht erhalten, die so gar nicht stimmte. Daher ist es im Nachhinein, wenn diese Beziehungen beendet sind, oft schwer vorstellbar, dass man das alles selbst war. Dass ich mich in diese Person verliebt habe, die mir nicht gut tat. Dass ich das war, der das dennoch lange geglaubt hat. Genau davon singt Nina Caroline auf ihrem neuen Song It‘s Not Me Who‘s Missing You - selten hat ein Titel den Inhalt eines Liedes so gut wiedergegeben. Ein entspannter Indiepopsong erzählt diese Geschichte. Die Künstlerin tritt damit selbst zum ersten Mal mit eigenen Liedern ans Tageslicht. Mit 11 gewann Nina Caroline bei KIKAs Dein Song, später ging sie zum Musikstudium nach England, sie schrieb schon mit anderen KünstlerInnen zusammen doch dies ist der erste Track, der ihren eigenen Namen trägt und dazu noch so ein schöner! Im Herbst folgt eine EP und man darf sehr gespannt sein, wohin diese tolle Reise noch geht

Dienstag, 3. Juni 2025

Die luserlounge - geschlechtergerecht?

Quelle: pixabay.com
(Ms) Rike van Kleef hat mit Billige Plätze ein sehr gutes Buch über die enorme Schieflage zwischen den Geschlechtern im Musikgeschäft geschrieben. Nicht nur bei Acts, die auf der Bühne stehen, sondern auch bei den großen, verflochtenen Strukturen dahinter. Von TechnikerInnen über BookierInnen bis Toilettenvermietungsfirmen.
Ganz kurz zusammengefasst: Es sieht gar nicht gut aus, Männer haben in fast allen Bereichen das Sagen. Die gute Nachricht ist aber: Es tut sich ganz viel vor und hinter den Kulissen und mein Gefühl sagt mir: Ja, das merke ich auch.

Dieser Blog ist weder groß, noch sonderlich einflussreich und graphisch nicht nicht mal so geil. Aber egal - er ist ein Mosaik im Geschäft. Ich freue mich immer über Rückmeldungen, Zitationen, liebe Nachrichten und Empfehlungen.
Das Buch ist ein guter Grund, mal selbst zu schauen, wer hier in der luserlounge eigentlich am meisten Gehör bekommt und wem am meisten Platz gegeben wird. Bevor ich die Ergebnisse präsentiere, ist es meines Erachtens wichtig zu schildern, wie dieser Blog funktioniert. Diese Seite entsteht in der Freizeit. Zum Einen berichte ich über das, was ich selber gern höre und zum Anderen über das, was an mich herangetragen wird. Dafür bin ich in einigen Newslettern und Verteilern von PR-Agenturen und Labels, die sich natürlich freuen, wenn ich über deren Bands schreibe. Einiges ist deckungsgleich. Zum Beispiel höre ich viel Kettcar und bekomme von deren Agentur Mails. Mittlerweile ist die Schnittmenge enorm, da diese Seite zu einem Pertpetuum Mobilé meines eigenen Musikgeschmacks geworden ist: Was mir gefällt bekommt hier Platz. Dabei gibt es keine Quote. Weder für Genres, noch für Herkünfte oder Geschlechter. Was qualitativ in meinen Ohren hörenswert ist und neugierig macht, darüber schreibe ich.

Fünf Bereiche dieser Seite habe ich mir für dieses Kalenderjahr angeschaut: Interviews, Buch-Rezensionen, Konzert-Rezensionen, Album-Rezensionen und die Selektionen, also die kleinen, wöchentlichen Newsmeldungen. Folgendes sind die Kategorien: FLINTA*-Acts, männliche Acts, Duos, die 50/50 sind und Bands, in denen FLINTA* einen kleinen Anteil haben (beispielsweise spielen bei pogendroblem drei Typen und eine Frau). Ob das besonders sinnvoll ist, weiß ich nicht, aber es erschien mir naheliegend. FLINTA*-Solokünstlerinnen, die eine Band mit Typen dabei hat, werte ich als FLINTA*-Act, da ihre Stimme und ihre Texte im Vordergrund stehen, zum Beispiel Dota. Zudem kommen einige KünstlerInnen mehrfach vor, ich habe sie immer neu gewertet, da es ja um einen Gesamteindruck gehen soll (habe ich drei Mal über Waving The Guns berichtet, kommen sie drei Mal als männlicher Act vor).

  • Interviews: 1 Interview, 1x männlich (100%)
  • Buch-Rezensionen: 2 Rezensionen, 1x männlich (50%), 1x FLINTA* (50%)
  • Konzert-Rezensionen: 7 Rezensionen, 3x männlich (43%), 4x FLINTA* (57%)
  • Album-Rezensionen: 14 Rezensionen, 1x 50/50 (7%), 1x FLINTA* mit kleinem Anteil innerhalb der Band (7%), 3x FLINTA* (21%), 9x männlich (64%)
  • Acts, über die in der wöchentlichen Rezension berichtet wurden: 122 Berichte, 5x 50/50 (4%), 13x FLINTA* mit kleinem Anteil innerhalb der Band (11%), 38x FLINTA* (31%) und 66x männlich (54%)
Das wenig überraschende Ergebnis ist, dass auch auf dieser Seite männliche Künstler wesentlich mehr Platz bekommen als alle anderen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das vor vier Jahren sicher noch krasser ausgesehen hat. Was also anfangen mit dieser Erkenntnis? Das ist gar nicht mal so einfach zu sagen. Es fiele mir schwer, per Quote auch dann über mehr FLINTA*-Musik zu berichten, wenn ich sie mich gar nicht so sehr anspricht und mir nichts dazu einfällt. Auch über männliche Musik, die mich nicht neugierig macht, berichte ich nicht. Doch ich kann einfach mehr hinhören, das ist nicht unmöglich und vielleicht der erstbeste Schritt, der zu gehen ist. Wenn jemand noch einen guten Tipp hat, schreibt es gern in die Kommentare, per Mail (luserlounge@gmail.com) oder via Instagram (luserlounge_blog) oder Bluesky (luserlounge.bsky.social).

Montag, 2. Juni 2025

Leselounge: Rike van Kleef - Billige Plätze

(Ms) Es läuft einiges schief.
Ein Beispiel vom vergangenen Wochenende: Ich machte ein paar Besorgungen, im Auto lief Radio21. Aber nicht besonders lang. Denn zuerst machten sich die Moderatoren darüber lustig, dass in Magdeburg ein Theaterstück von oder über Tokio Hotel lief. Danach wurde über prominente weibliche Groupies berichtet und mit welchen Männern sie denn alles Sex hatten. Der Tonfall eher salopp und völlig normal. 
Der schale Beigeschmack: Hier machen sich die Radioleute über eine Band lustig, die eine wichtige, laute Stimme für die queere Community ist und Frauen im Rockgeschäft werden komplett sexualisiert dargestellt. Was P. Diddy oder Til Lindemann tun ist denen aber hoffentlich bekannt. 
All das im Frühsommer 2025. Es läuft einiges schief.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Musikgeschäft hat irgendwie einen recht fortschrittlichen, liberalen Charakter was Gleichberechtigung angeht und irgendetwas suggeriert Offenheit gegenüber allen Geschlechtern. Dass das nicht so ist, zeigt Rike van Kleef sehr eindrucksvoll in ihrem neuen Buch Billige Plätze, das just im Ventil Verlag erschienen ist. Auf gut 300 Seiten fasst sie wahnsinnig umsichtig und sehr gründlich recherchiert zusammen, wo vor und insbesondere hinter der Bühne die Probleme der Gleichberechtigung liegen. Ob es um die Zusammenstellung von Teams geht, einer Konzert- und Festivalorganisation, die Eltern berücksichtigt, Livestätten, die sich auf Menstruation einstellen bis zu all den sexuellen Übergriffen und Machtverhältnissen, für die sich Männer verantworten müssen. Ja, es gibt mittlerweile viele Künstlerinnen, die groß, erfolgreich und als Vorbilder dienen. Aber wenn die Musikerinnen von Blond erzählen, dass sie lange die Dusche für Frauen auf einem Festival suchen mussten und die dann auf einem Parkplatz stand und nicht abgeschlossen werden konnte, wird klar, dass die Problemfelder tief sitzen. Sehr tief.

Rike van Kleef berichtet nicht nur sehr eindrucksvoll und erschütternd von eigenen Erfahrungen, sondern lässt zahlreiche AkteurInnen zu Wort kommen, die aus ihren Metiers berichten. So viele Jobs gibt es in der Musikbranche. BusfahrerInnen, LichtechnikerInnen, Menschen am Ton und im Bühnenbau. BookerInnen, JournalistInnen, PR-Agenturen und all die Menschen auf der Bühne. Als Fan, der auf Konzerte und Festivals geht, bekommt man von vielen dieser Jobs gar nicht so viel mit. Daher ist dieses Buch nicht nur eine sehr klare Auflistung all der Probleme, sondern beleuchtet auch eine Branche, bei der enorm viele Handgriffe im Hintergrund verlaufen und die uns erst all die schönen Live-Momente ermöglichen.

In wenigen Tagen habe ich dieses Buch gelesen, da ich aus dem Staunen gar nicht mehr rauskam, was denn alles schief läuft. Ich habe viel gelernt! Als Typ, der hier über Neues berichtet, auf Konzerte geht und darüber schreibt, hauptberuflich aber etwas ganz anderes macht, ist dies ein wahnsinnig wichtiges Buch. Denn es macht bekannt, was intern zu Teilen schon besprochen wird. Die Musikbranche ist eine große Kunst- und Unterhaltungsindustrie. Eine Branche, in der es schon einige Netzwerke gibt, die FLINTA-Stimmen lauter werden lässt und in der schon viel passiert. Und wo es noch viel zu tun gibt.

Billige Plätze ist nicht nur eine fundierte Zusammenstellung der Bereiche, in denen mehr getan werden muss. Dieses Buch steckt den Kopf nicht in den Sand - obwohl ich mir beim Lesen oft an den Kopf gefasst habe. Es zeigt zahlreiche Felder auf, an denen gearbeitet werden kann und muss - und das ganz undogmatisch, sondern positiv in die Zukunft schauend. Es ist eine Ermunterung auch an alle Männer, dass sie immer von Gleichberechtigung profitieren werden! Es nichts anderes als eine Pflichtlektüre für jede Person, der die Kunst wichtig ist und sie liebt.

Und was hat das Buch mit mir zu tun? Groß und besonders einflussreich ist dieser Blog nicht. Aber egal, er ein Mosaik des Geschäfts. Ich setze dieser Seite keine Quote für FLINTA-Artists, hoffe aber, recht ausgeglichen zu berichten. Ob das wirklich so ist, möchte ich in einem zweiten Schritt herausfinden mit einer Reflexion dessen, worüber hier eigentlich berichtet wird. Stay tuned und lest dieses Buch!