Freitag, 24. Juni 2022

KW 25, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: zeit.de
(sb/ms) These: Je kleiner ein Gegenstand ist, desto eher denkt man nicht daran. Was profan klingen mag, beweist der Alltag. Denn es ist nunmal so: An neue Gelbe Säcke zu kommen, ist gar nicht so leicht und wird offensichtlich von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt. Ich habe schon erlebt, dass auf eine Mülltonne ein entsprechender Zettel zu kleben sei, der den Müllwerkern signalisiert: Obacht, hier herrscht akuter Mangel! Oder: Es gibt sie einfach an jeder Ecke und wenn man lieb fragt, wird einem dort mit dem Mangelstoff weitergeholfen. In meiner Wahlheimat ist es nochmal anders. Und zwar so: Zu Beginn des Jahres bekommen alle Haushalte (sicher gemessen an der Anzahl der Bewohnenden), einen postkartengroßen Zettel, wo Gelbe-Säcke-Coupons drauf sind. Diese, drei Stück in meinem Fall, müssen ausgeschnitten und können bei bestimmten Anlauforten eingelöst werden, sodass das gelbe Plastik wieder am Start ist. Erste Herausforderung: Das ganze Jahr über muss dieser kleine Zettel sehr, sehr gut aufbewahrt werden. Sonst scheint dieser Müll nirgends untergebracht werden zu können. Zweite Herausforderung: Wissen, wo man sie bekommt. Ich habe Glück, dass der nächste Supermarkt in Sichtweite ist. Aber dann kommt der alles entscheidende Praxistest: Diesen kleinen Abschnitt abtrennen, mitnehmen, einlösen. Bei mir scheitert es seit einigen Tagen an Punkt Nummer zwei: mitnehmen. Er liegt wachsam drapiert in meiner Küche und mindestens ein Mal am Tag denke ich: Achja! Und dann, nach dem Einkauf: Oh, nee! Daher die anfangs genannte These. Mein Gegenvorschlag: Es sollte ein immens großer Gegenstand sein, der als Coupon dienen könnte. Sodass er kaum zu übersehen ist. Ein Heißluftballon beispielsweise. Oder eine Leiter. Oder eine Giraffe. Nur so als Vorschlag.

NinaMarie
(ms) Was tun, wenn einem die Nachrichtenlage mal wieder überfordert? Was tun, wenn wieder herausgekommen ist, welch rechte Strukturen es bei der Polizei gibt?! Was tun, wenn wieder Zäune gebaut werden, um Menschen nicht reinzulassen?! Was tun, wenn die Wirtschaft mal wieder wichtiger ist als der Mensch?! „Träum dich davon!“ Das empfehlen uns NinaMarie und sie legen uns mit der Sehnsucht nach Eskapismus einen Vorschlag vor, der sehr gut funktioniert, wenn man sich nur drauf einlässt. Das mag schwer sein, wenn die Wände näher kommen, aber der Plan kann aufgehen. Vielleicht aufs Rad setzen, ans Meer fahren, den Berg besteigen, in den Wald gehen. Was nach Schrott wie Entschleunigung oder Work-Life-Balance klingt, ist einfach nur ein guter Rat, nicht durchzudrehen. NinaMarie sind Thomas Götz von den Beatsteaks und Marten Ebsen von Turbostaat, die seit nun mehr 18 Jahren gemeinsam musizieren. Immer dann wenn Raum und Zeit und Muße dies zulassen. Für die beiden bevorzugt an Silvester, wenn andere wieder Erwartungen nachhechten, die nie erreicht werden. So kam auch vor einer Woche ihr Mini-Album Was Für Land, Welch Ein Männer beim sehr guten Label Rookie Records raus. Eine Platte, die kein Punkrock ist, sondern einfach tut, was sie will und gut kann. Okay. Dann ist es also doch Punk?! Egal, es ist gut. Und darauf kommt es an!


Nils Frahm
(ms) Ich wollte hier schon so richtig abhaten. Das kann ich sehr gut. Mich über scheinbar nichtige Dinge gewollt oder etwas gekünstelt aufregen. Dann aber so richtig. Ich war kurz davor. Die Zeilen waren alle schon bereit. Denn beim Lesen schwollen die Pulsadern bedrohlich an. Meinen ganzen Hass wollte ich hier entladen. Und dann wurde mir auf allersanfteste Art und Weise der Zahn gezogen und ich bin sehr dankbar drüber. Schuld an beidem ist der großartige Nils Frahm. Der bringt im September ein neues Album raus. Das ist an sich schon eine gute Meldung wert. Doch man darf bei Frahm auch immer sehr gespannt sein, was es denn wird. Als vor kurzem ein Album mit alten Liedern erschien, war ich ein wenig geknickt, weil ich dachte: Verwertungsmaschine. Aber egal. Seine letzte richtige Studioplatte ist aus 2018 und All Melody ist ein wahres Meisterwerk. Ich vermute, dass im Frühherbst/Spätsommer ein neues kommt. Music For Animals heißt das Album. Das war der Grund, warum ich hassen wollte. Ich bin ein großer Tierfeind. Ich mag keine Tiere, darum esse ich sie nicht. Insbesondere Hunde und Katzen. Doch als wenig später Right Right Right erklang und ich den Begleittext zum Album las, machte sich enorme Ruhe in mir breit. Was für eine Wonne. Was für ein Wohlgefühl. Was für eine Herausforderung. Denn das neue Werk wird drei Stunden Spielzeit haben! 180 Minuten! Oha! Das ist enorm. Und der Gedanke beschleicht mich, dass es großartig wird. Denn Nils Frahms Grundgedanke für dieses Album ist der Moment der Ruhe an sich. Einen Wasserfall beobachten. Bäume, durch die der Wind zieht. Eine sanft wehende Blumenwiese. Der langsam aufgehende Mond. Momente, die lange dauern. Die zum Innehalten da sind. Klar, Frahm ist genau der richtige, wenn es um die Vertonung solcher Momente und Gefühle geht. Erstaunlich ist, dass er dabei nicht das Klavier benutzt hat, was sonst so wichtig für ihn ist. Das könnte ein ganz, ganz großer Wurf werden!!!

 
ME REX
(sb) Puh, wie steig ich da jetzt ein? Wenn eine Band als Debütalbum ein Opus mit 52 Titeln veröffentlicht, die so angelegt sind, dass sie im Idealfall im Shuffle-Modus abgespielt werden, um jedes Mal wieder ein neues Gesamtwerk zu ergeben, dann ist ein gewisser Nerd- und Abgedrehtsfaktor nicht zu verleugnen, oder? Insofern muss man die weitere Release-Strategie von ME REX aus London ja fast schon als seltsam normal und gewöhnlich beschreiben. Nach der tiptop Pterodactyl EP folgt nun ein weiterer Extended Play namens Plesiosaur. Und erneut trifft das Quartett genau meinen Nerv! Musikalisch pendelt das zwischen Maximo Park, Blink 182 und Jimmy Eat World, wobei ich die beiden Letztgenannten eigentlich gar nicht so oft höre. Die Melange ist aber sehr attraktiv und man hört quasi das Augenzwinkern durch die Boxen. Großartig, unerwartet, abwechslungsreich und durchgehend tolle Melodien!
 


Hotel Rimini
(ms) Das Finden des passenden Bandnamens, wenn man neu auf die Bühne tritt, ist sicher eine immense Herausforderung. Einmal dafür entschieden, kommt man so schnell nicht mehr davon los. Wie kamen die Sechs von Hotel Rimini wohl auf diesen Namen? Sicherlich nicht, um sich international von einer Übernachtungsmöglichkeit in Japan zu unterscheiden. Das wird die Band aus Leipzig und Hamburg aber sicher noch ausführlich berichten, denn im Sommer erscheint erst ihre erste EP. Wie schön ist es, dass immer und überall Neues entsteht. Angeführt von Sänger und Texter Julius Forster macht die Gruppe poppige Indiemusik, die sich bei vielen anderen Genres ein wenig was klaut. Beim Chanson oder der Klassik. Alles Bleibt Wie Es War ist ein melancholisch-schmunzelnder Song über das Leben in der Großstadt, das gut vernetzt dennoch sehr langweilig und einsam aussehen kann. Und dann spielt es sich doch allein im Internet ab. Kann alles passieren. Dabei klingt die Musik so herrlich frisch und unverbraucht, dass die EP Die Zeit Schlägt Mich Tot Aber Ich Schlag Zurück sicherlich ein extrem hörenswerter Einstieg in diese Musikwelt sein wird! Ich freue mich drauf!


EF
(ms) Das Wirken einer Band ist ganz schwer einzuordnen, wenn man nur ein Album kennt aus fast zwanzig Jahren des Bestehens und dieses Album ist dann auch noch von 2010. Das ist ungefähr ganz grob zusammen gefasst mein Verhältnis zur schwedischen Band EF und ihr damaliges Album Mourning Golden Morning. Was für ein brillantes Werk. Da kann man nur den Hut vor ziehen. Innehalten und Ausrasten auf einer Platte ganz dicht beieinander. Länger war es still geworden um die Gruppe. Kinder kamen zur Welt, Krankheiten mussten durchstanden werden. Dann haben sie sich wieder zusammengesetzt und einfach ganz frei und ziellos drauf los gespielt. Das Ergebnis wird am 4. November auf dem Album We Salute You You And You zu hören sein. Bislang gibt es nur ein paar Klangschnipsel zu hören. Die sind aber so mächtig, dass da Großes kommen wird. Das liegt ihnen halt. Stimmungen, Dichte, Dynamik, Gefühl zu kreieren. Und das in den allermeisten Fällen ohne Gesang. Sondern „nur“ mit einer enorm intensiven Melodieführung und dem genau richtigen Einsatz eines kraftvollen Crescendos. Wow! Markiert euch dieses Datum fett im Kalender. Es könnte krachen an dem Tag!

Dienstag, 21. Juni 2022

Leselounge: Negativ-dekadent - Punk in der DDR

Quelle: ventil-verlag.de
(ms) Buch, Inhalt, Rezipient. In welchem Verhältnis sollten sie im Idealfall stehen, um ein rundes Bild abzugeben? Auch, um dem Geschriebenen gerecht zu werden. Muss ich als Rezipient gewisse Eigenschaften oder Erfahrungen aufweisen, um ein 'Recht' zu haben darüber zu schreiben? Diese Frage stelle ich mir schon seit ein paar Wochen. Im Grunde genommen seitdem ich die erste Seite von negativ-dekadent - Punk in der DDR aufgeschlagen habe. Denn ich war nie Punk, bin kein Punk und werde wahrscheinlich auch kein mehr Punk werden. Mit dem Kern der Punkmusik hierzulande kenne ich mich auch nicht aus. Hören tue ich ihn ab und an, würde mich aber niemals dieser Szene als zugehörig erklären. Das ist die erste Schwachstelle. Die zweite ist mein Alter und mein fehlendes Wissen. Ich bin Anfang dreißig und in Ostwestfalen groß geworden. Es gab geographisch, biographisch und soziologisch keinen Berührungspunkt mit der DDR. Erst in letzter Zeit steigt meine Neugier, erfahren zu wollen, wie es dort war. Wie es sich anfühlte. Was gut war und was nicht. Erfahrungen zwischen Folklore, Ostalgie, Überwachung, Manipulation und Schandtaten der Treuhand.
Da alles das bei mir fehlt, hatte ich lange den Eindruck, dass ich nicht das 'Recht' habe, darüber zu schreiben. Dass das Quatsch ist, wurde mir erst später bewusst. Auch beim Lesen dieses sehr guten und vielseitigen Sammelbandes von Anne Hahn und Frank Willmann. Beide Herausgebenden haben große Expertise auf dem Feld des Punks aus der DDR. Sie waren mit dabei und schreiben seit vielen Jahren darüber. Die allerbesten Voraussetzungen also mir als absoluten Laien dieses sehr, sehr spannende, erschütternde und unterhaltsame Kapitel der DDR-Historie nahezubringen. 48 kleine Kapitel versammeln sich auf 259 Seiten. Da es so viele kleine Episoden sind, lässt sich dieses Buch extrem gut weglesen. Durch diese vielen, so unterschiedlichen Blickwinkel wird das Untergrundphänomen Punk in der DDR aus mannigfaltigen Perspektiven beschrieben, die immer wieder klarmachen: wir scheißen auf alles, wir haben Bock, wir machen einfach, wir waren eine sehr kleine Szene, wir wurden von Anfang an infiltriert. 

Es gibt so viel, was ich durch dieses Buch gelernt habe. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die Art und Weise der Beiträge. Denn sie sind derart authentisch (auch wenn dieses Wort ein wenig verbraucht klingen mag, es passt leider so gut hier), dass diese aufregende Zeit sehr gut aus den Seiten schwappt. Ja, die Punks aus der DDR waren eine sehr kleine Gruppe. Von wenigen Hundert Menschen kann man ausgehen, die das wirklich gelebt haben. Und sie waren auf Strukturen angewiesen, die sie selbst qua Staatsräson nicht aufbauen konnten. So gingen sie vielerorts eine Liaison mit den Kirchen ein, die Räume bereitstellen konnten, die nicht staatlich kontrolliert wurden. Dass Bands wie Schleim-Keim, Wutanfall, Namenlos und Unerwünscht dort aufgrund ihres Punkerdaseins nicht viel Gegenliebe erfahren haben, sollte nicht verwundern. Dennoch ein bemerkenswerter Zusammenschluss.
Was mir auch haften blieb, ist, dass die Szene nicht nur sehr klein war. Daraus ergibt sich automatisch, dass es wenige Veranstaltungen und Treffpunkte gab, wo sie sich treffen konnten. Oft waren es nur zwei, drei, vier Gigs pro Jahr, wo Menschen aus Zwickau, Erfurt und sonst wo dann angetingelt kamen. Allzu romantisch darf man sich das nicht vorstellen.
Doch was dieses Buch am allerbesten transportiert, ist, dass Punk immer schon weit mehr als Musik war und ist. Das weiß selbst ich als Punk-Laie. Es war immer Lebenskonzept und Einstellung, die nicht verhandelbar gewesen ist. Daher auch der Titel des Sammelbandes. Als negativ-dekadent wurden die Punks bezeichnet, um dann in den Knast oder zumindest ins Verhör zu gelangen. Selbstverständlich wurde diese kleine Szene auch beobachtet und unterwandert. Doch als Punk erkannt zu werden, war in der DDR gar nicht so leicht. Und das lag an ganz praktischen Gründen. Woher eine Lederkluft bekommen?! Woher die Schuhe?! Und wenn man diese wichtigen Utensilien anschaffen konnte, konnte man sich ebenso sicher sein, dass man massiv damit auffiel. Klar, das war beabsichtigt, bleibt aber nicht selten ohne Konsequenzen.

Dieses sehr gute Buch ist nicht nur etwas für Nostalgiker, Altpunks und Soziologiestudenten. Sondern auch für Menschen, die sich für die Geschichte dieses Landes, Menschen an sich und die wunderbare Kraft der Musik interessieren, die oft so viel stärker ist als jede einschränkende Propaganda.

Freitag, 17. Juni 2022

KW 24, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: br.de
(Sb/ms) Ich bin Fan davon, aber. Ich finde das sehr gut, aber. Wenn man irgendwo zu Gast ist, kann man sich wohlfühlen, aber. Willkommen in der 9€-Welt. Ich bin Fan davon, aber es wird doch jetzt zu allen Uhrzeiten erstaunlich voll. Ich finde das sehr gut, aber nicht alle waren darauf optimal vorbereitet. Wenn man irgendwo zu Gast ist, kann man sich wohlfühlen, aber es gibt auch Regeln. Seit Jahren pendel ich mit der Bahn und ich finde das aus vielen Gründen sehr, sehr gut. Es ist ein super angenehmes Verkehrsmittel, in dem ich all mögliche Dinge tun kann. Schlafen, essen, saufen ist beim Autofahren eher schwierig. Ich möchte kein Auto haben. Es steht zu 98% der Zeit einfach nur irgendwo rum und kostet ein Vermögen. So. Das sind die Eckdaten. Nun fahre ich morgens um halb sieben los. Das ist früh. Da gibt es Regeln in der Bahnfahrgemeinschaft. Nein, es gibt eigentlich nur eine Regel zu dieser Uhrzeit. Und das ist: Halt verdammt noch mal den Mund! Es ist Stille angesagt. Das ist jeden Morgen so. Und das ist sehr, sehr gut so. Menschen wollen Ruhe haben, Musik hören, lesen. Lesen. Ich lese jeden Morgen in der Bahn und das ist toll. Allein in dieser Zeit habe ich in den letzten Jahren einiges an Literatur weggeschmökert. Das geht aber halt nur, wenn es still ist. Regeln. Common sense. Den Preis finde auch ich momentan super. Kann gerne so bleiben, wenn die Gewohnheiten vor Ort auch so bleiben. Amen.

Editors
(ms) Hach, ich wünschte mir immer noch, dass das Editors-Konzert vor wenigen Wochen in Hamburg so richtig gut gewesen wäre. War es aber leider nicht, weil es zu leise war. Extrem ärgerlich. So hätte ich auch all die neuen Lieder wesentlich stärker verinnerlichen können. Karma Climb haben sie auf jeden Fall gespielt. Die catchy Eingängigkeit blieb schon im verregneten Hamburg haften und ich habe sie beim Hören sofort wiedererkannt. Wäre es lauter gewesen, wäre auch viel schneller klar geworden, wie sehr die Editors mittlerweile in den 80ern angekommen sind. Das klingt schon arg nach Depeche Mode und Konsorten. Das eignet sich natürlich herausragend fürs Radio oder irgendwelche Playlisten, aber der Pfiff und die druckvolle Dynamik, für die ich diese Gruppe so verehre, fehlt mir hier ganz arg! Poppiger Retro-Sound. Das brauche ich von Tom Smith und Co. überhaupt nicht. Klar, das ist ein nettes Lied, mehr aber auch nicht. Außerdem scheinen sich nun die Zeichen zu verdichten, das ganz bald mit einem neuen Album der Briten zu rechnen ist. Ich wünsche mir dann wieder ein bisschen mehr Wumms!


Love A
(ms) Musik als Bedeutungsphänomen: Ist es nicht schön, dass Texte, die etwas offener gehalten sind, ganz viel Möglichkeiten haben, sie mir anzueignen? Ich kann mir eine Zeile nehmen, eine Strophe, den Refrain oder auch das ganze Stück. Und dann kann ich damit machen, was ich will. Tätowieren, brüllen, an die Wand schreiben, die Worte weiterdenken in einem neuen kreativen Prozess. Das ist eine der großen, großen Stärken der Texte von Love A. Die Worte, die Jörkk Mechenbier für diese Band findet sind so unglaublich greifbar und dennoch genau im richtigen Maße unkonkret, dass sie mir nichts vorgeben, was ich damit machen muss. Das finde ich ganz enorm und halte das für eine große lyrische Gabe. Neben kryptischem und sehr politischem Punk ist das hier ein richtig guter Raum, den die Band für sich nutzt. Nachzuhören auf dem neuen Stück Achterbahn, das seit einer Woche draußen ist. Ich prophezeie: Meisenstaat, das Album, das am 19. August erscheinen wird, wird saustark!!!


Die Sterne
(ms) Keine Ahnung, worum es wirklich geht, aber ich finde es geil. Lebensentscheidungen, Grundsatzfragen, Richtungsentscheidungen, die Position am Rande der Gesellschaft und der Rest vom großen Ganzen gepaart mit einer gewohnten Portion Gaga und wir sind beim neuen Lied von Die Sterne. Business as usual eigentlich. Fragen stellen und nicht zwingend eine Antwort geben. Ist das noch (oder wieder) Diskurspop oder kann das auch einfach so gut sein? Ich möchte mich lieber für letzteres entscheiden, um nicht alles ernster zu nehmen als es ist. Wenn es heißt Die Welt Wird Knusprig kann von Ernsthaftigkeit auch keine Rede sein. Oder ich habe mal wieder, wie in all den letzten Jahren nicht verstanden, was Frank Spilker von mir will. Egal, ich finde es geil, muss gar nicht verstehen, worum es geht. Der gute, alte Sterne-Sound und ein paar Gagaverse. Ich bin dabei. 

 
Max Richter
(sb) Ziemlich genau vor einem Jahr sorgte Max Richter mit seinem Album Exiles für ein musikalisches Highlight. Nun meldet sich der deutsch-britische Komponist zurück - und wie! Dabei widmet sich der Künstler nicht zum ersten Mal den Vier Jahreszeiten von Vivaldi. Bereits vor zehn Jahren hatte Richter Sammlung der Sammlung von vier Violinkonzerten einen neuen Anstrich verliehen. Auf The New Four Seasons: Vivaldi Recomposed hat er das Meisterwerk zusammen mit der Geigerin Elena Urioste und den Musikern des Chineke! Orchestra nun in einer Neufassung für historische Instrumente eingespielt.
Wie heißt es im PR-Text so schön:
"The New Four Seasons bringt die Farben einer barocken Klangpalette in seine Komposition, die mit Fragmenten der vier Violinkonzerte spielt, sie in unterschiedlichen musikalischen Prismen bricht und in völlig anderen Orchesterformationen enthüllt." Kann man natürlich so ausdrücken...
Oder aber: Was für ein wunderbares Hörvergnügen! Lasst Euch das nicht entgehen, das ist großartige (Klassik-)Musik, die man unbedingt kennen sollte.
 


Dillon 
(ms) Spulen wir die Zeit mal ordentlich zurück. Vor zwölf Jahren habe ich Abitur gemacht. Nein, keine Nostalgie, war eine super Zeit. Jetzt ist auch eine super Zeit und ich bin extrem froh, älter zu sein. Egal. Im März 2010 war ich bei Tocotronic in Dortmund. Es war sicherlich ein sehr gutes Konzert. So richtig kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Ich weiß aber noch, dass Dillon Vorband war. Was mehr als erstaunlich war. Denn die junge Dame am Keyboard mit teils zarten Liedern war ein ganz anderes Programm als die Altherrenrocker danach. Wenig später sah ich sie nochmal solo in Bielefeld, da mir ihr Auftritt im Pott so gut gefallen hat. Aber irgendwie habe ich sie danach aus den Augen/Ohren verloren. Jetzt ist sie wieder da. Für mich. Und für alle anderen auch. Fünf Jahre hat Dillon Pause gemacht und nun präsentiert sie uns ♥core. Eine ruhige, leicht melancholische Electronummer, die ich beim ersten Hören so gar nicht mit der Person in Verbindung brachte, die ich einst in NRW live sah. Auch optisch ist sie kaum wiederzuerkennen. So ist das. Menschen ändern sich. Und das ist gut. So richtig haften bleibt dieses Lied bei mir aber nicht, es spricht mich nicht soo sehr an. Doch das dazugehörige Album 6abotage, das am 14. Oktober erscheinen wird, hat mit Sicherheit noch das ein oder andere Highlight in petto!


Vlimmer
(ms) Seitdem ich mit Alex, dem Kopf hinter Vlimmer und noch einem gefühlten Dutzend weiterer Bands, in sehr angenehmem Kontakt stehe, mache ich mir Gedanken über das Genre Dark Wave. Lange wusste ich überhaupt nicht, was das sein soll. Also hörte ich mich ein wenig um und gelangte an den Depeche Mode-Sound der 80er. Abwandlungen davon finden sich heute bei Bands wie Twin Tribes oder auch Drangsal. Breite Synthies, verzerrter Gesang und auf jeden Fall der sehr prägnante Bass sind die Erkennungsmerkmale. Nun hat er wieder etwas rausgehauen. Nachdem er ja auf seinem letzten Album durchaus brachial war, sind seine neueren Stücke immer zugänglicher geworden. Ein bisschen mehr 80er-Jahre-Pop und vor allem der klarere Gesang fallen auf. Das macht das Ganze natürlich etwas griffiger wie das neue Lied Kronzeuge. Beinahe wollte ich schreiben, dass Vlimmer nun in der Gefahr steht, ein bisschen beliebig zu werden. Ha, weit fehl geschlagen. Dafür weiß Alex viel zu gut, wie er anecken und klanglich durchaus provozieren kann. Im Herbst soll ein neues Album folgen. Das wird sicherlich der Beweis sein!


Lambchop
(ms) Auf große Zeitspannen blicken zu können, finde ich seit einiger Zeit doch auch sehr verlockend. Wenn ich sagen kann, dass ich meine Freunde seit zwanzig Jahren kenne. Oder seit zwölf Jahren vegetarisch lebe. Oder seit gut fünfzehn Jahren Lambchop höre. Herrlich! Dieses Projekt von Kurt Wagner verehre ich wirklich. Denn es ist so wandelbar. Insbesondere in den letzten Jahren hat er viel ausprobiert, seitdem er Synthiespielzeug für sich entdeckt hat. Das letzte Album Showtunes hat mich nicht so angesprochen, FLOTUS höre ich immer noch sehr gerne. Und wer so lange im Geschäft ist, der kann sein neues Album auch ohne Probleme mal The Bible nennen. Stark! Am 30. September wird diese Platte erscheinen. Durch die hohe Kreativität und Furchtlosigkeit gegenüber neuen Klangwelten, sind Lambchop etwas unvorhersehbar geworden. Den Sound des ersten Stücks aus dem Album, Police Dog Blues, kam überraschend. Überraschend abwechslungsreich und wunderschön. Knackiger Bass, eine ganz prägnante Stimme von Kurt und fremde, überrschande Stimmen. Dazu Bläser und rockige Gitarren, die sich die Klinke in die Hand geben. Sehr, sehr gut. Einfach mal das Genre Easy Listening neu erfunden. Macht im Ergebnis grooooße Vorfreude auf dieses Werk!

Montag, 13. Juni 2022

Endlich wieder live - Es geht weiter mit Nada Surf und Juse Ju

(ms) Über die Frage, welche Musik ich denn so höre, habe ich viel nachgedacht: Wie könnte ich das am besten beantworten? Was scheint sinnig, wenn es nicht zwingend eine Präsentation mit Handout sein soll, die unter 45 Minuten dauert? Da kam ich letztens schon auf die Idee, einfach von den Erlebnissen zu berichten, die haften bleiben, anstatt es ein wenig trockener zu dozieren. So führe ich das hier einfach fort, weil mir die Idee so gut gefällt. Wenn mich jemand in der kommenden Woche also fragt, was ich denn für Musik höre, dann berichte ich vom vergangenen Wochenende. Denn es war (mal wieder) ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es (für mich) keine Grenzen gibt beim Musikhören. Dass ein emotionaler Rockabend und ein schweißtreibender Rapabend nacheinander überhaupt kein Problem sind, sich nicht widersprechen, ja, sich vielleicht sogar ergänzen. So geht die Geschichte…

Freitag, 10. Juni 2022 - Nada Surf im Dortmunder FZW

Quelle: facebook.com
Viele, viele Jahre meines Lebens habe ich in NRW gewohnt und fühle mich da immer noch sehr wohl, wenn ich nun dort bin. Insbesondere das Ruhrgebiet finde ich enorm sympathisch, obwohl mich nur ganz wenig damit verbindet. Egal. Ab nach Dortmund. Geil. Hässliche Innenstadt, schlimmes Bier mit ein paar Ausnahmen, viel Beton (okay, auch viel Grün, ja) und einer der besten Clubs, in denen ich je war. Das FZW. Nicht weit weg vom Bahnhof liegt es. Der Laden hat einen riesigen Nachteil und einen riesigen Vorteil. Schwer abzuwägen. Nachteil: Die müssen vergessen haben, eine Lüftungsanlage einzubauen. Nach kurzer Zeit ist es enorm heiß darin, die Luft steht. Gruselig. Und ich war schon sehr oft da und das Problem ist immer noch das gleiche. Vorteil: In keinem anderen Laden habe ich einen so exzellenten Sound gehört. Noch nie. Ob Gisbert zu Knyphausen, Tocotronic, Rangleklods oder Ghost. Es war immer phantastisch. So auch am Freitag bei Nada Surf. Zu einem Nada Surf-Konzert zu gehen ist für mich immer ein wenig so wie nach Hause kommen. Seit vielen, vielen Jahren begleitet mich die Musik der mittlerweile vier New Yorker. Ihre Lieder berühren mich jedes Mal so enorm, treiben mir Tränen in die Augen, sprechen aus meiner Seele, tun mir gut, tragen mich, bringen mich voran und geben mir Hoffnung. Daher bin ich ihnen auch enorm dankbar. Und habe mich erneut total gefreut, diese Band auf der Bühne zu sehen. Vorher spielte John Vanderslice ein paar Lieder auf der E-Gitarre. Ich muss ganz ehrlich sein, mir war es etwas zu sperrig, hatte wenig Zugang zu seiner Musik, auch wenn es ein irre netter Kerl gewesen ist, dem man ansah, wie sehr er in seine Freundin verknallt ist, die neben der Bühne stand. Umbauphase, Licht aus. Ira Elliot kommt auf die Bühne, Sonnenbrille auf der Nase, Hut auf dem Kopf und trommelt den Beat von So Much Love; nach und nach kommt der Rest und es entwickelt sich ein tolles, wunderschönes Konzert an diesem Abend. Ja, Nada Surf ist die vielleicht sympathischste Indierockband dieser Welt. Das würde ich immer wieder behaupten. Diese vier Menschen strahlen so viel Güte und Menschlichkeit aus, ich komme ganz schwer damit zurecht, dass die so ungeheuer nett sind. Lieder, die mich berühren gepaart mit Spielfreude, die ihnen ins Gesicht geschrieben steht. Und das seit 30 Jahren. Das ist doch enorm. Was ist deren Geheimnis?! Ich wüsste es gern. Es gab selten gehörte Lieder wie Friend Hospital und alte Kracher wie Popular. Eins meiner Highlights war Do It Again und Kilians Red. Beides wunderschöne Lieder. Tragik und Lebensfreude. Beides geht nacheinander. Ja, es war ein sehr dynamischer Abend. Ich hatte das Gefühl, dass es immer satter wurde im Klang, immer rockiger und lauter. Es gefiel mir enorm. Tolltolltoll! Und am Ende noch Blizzard Of ´77 mit der Akustikgitarre am Rande der Bühne ohne jegliche elektronische Unterstützung. Wem das nicht nahe geht, der hat kein Herz. Punkt. Extrem verschwitzt und super glücklich wankten wir durch die Dortmunder Nacht. Let´s do it  again!

Samstag, 11. Juni 2022 - Juse Ju im Bremer Lagerhaus

Quelle: facebook.com
Wie geil ist das denn? Es ist Sommer. Die Menschen sind wieder draußen, haben gute Laune, lassen sich gehen und genießen das Leben. So soll es doch sein, oder? Klar! Da machen wir sehr gerne mit. Die Fahrt von Dortmund nach Bremen war unerwartet lang, aber egal. Niemand geringeres als Juse Ju lud zum Tanz im Lagerhaus. Also vom Bahnhof ins Viertel. Und überall auf dem Weg sind Draußenveranstaltungen. Herrlich. Nur noch am Grinsen. Wie schön kann das Leben sein! Nach Falafel und lokalem Bier (natürlich kein Beck´s oder Haake!) ab ins Lagerhaus, das anfangs noch luftig besucht war, sich im Laufe des Abends aber in einen wahren Hexenkessel verwandelte. Eröffnet wurde er von Nikita Gorbunov, der von einigen Kollaborationen mit Juse Ju bereits bekannt ist. Er selbst ist Theatermensch, Spoken Word Artist und an der Gitarre als Liedermacher unterwegs. Super vielseitig, super gewandt, super gut. Und so gab es als Einstimmung auf Rap Lieder an der Gitarre. Wer hätte gedacht, dass sich das so gut ergänzt? Nikita singt einem die bittere Wahrheit ins Gesicht, sodass man mit einem weinenden Auge vor lauter Wahrheit aber aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt, weil die Tragik des Lebens doch immer noch die beste Unterhaltung ist. Super! Licht aus, Kranich Kick an, der Jusmeister betritt die Bühne und der Laden explodiert. Schwer in Worte zu fassen, was in den dann begonnenen eineinhalb Stunden passiert ist. Eskalation, Unterhaltung, politische Statements, Reflektion vermeintlicher Standards. Dabei tanzte ein ziemlich textsicheres Publikum in allerbester Pogomanier. Wall of Death für mehrere Male nicht ausgeschlossen. Alle Menschen durften ihre T-Shirts ausziehen, aber nur ein anderer kam auf die Bühne. Klar, Nikita war als Backup da. Doch Besucher Erik hat gezeigt, was am Mikro noch so möglich ist, als er für Im Modus den Fatoni-Part übernahm und ordentlich rasiert hat. Kinnlade runter, neues Bier rein, weitermoshen. Was ein wilder Tanz. Model In Tokio, German Angst, TNT, Mittelschicht Männers, Eine Kleine Frage und auf jeden Fall Berliner Partybullen. Sogar zwei Mal hintereinander. Nur die, die da waren, können davon berichten. Ein Abend der zeigt: Rap ist nicht nur der neue Pop, sondern vielleicht auch der neue Punk. Wer weiß?! Nochmal komplett verschwitzt nach Hause gegangen, völlig andere Gefühlswelt als noch 24 Stunden zuvor. Aber egal. Das passiert alles in einem Herz. Es ist alles möglich. Wie schön kann das Leben sein?!

Freitag, 10. Juni 2022

KW 23, 2022: Die luserlounge selektiert

Bild: weltenwandler.net
(ms/sb) In der Kürze liegt die Würze. Das bezieht sich auf die heutige Selektion, aber leider nicht auf unsere Arbeitszeiten in dieser Woche. Aber ich hör ja schon auf zu jammern... Im Endeffekt ist das ja ein Luxusproblem, oder? Nach gefült unendlich vielen Stunden im Büro mache ich heute Mittag Schluss, packe Frau, Kind und Kegel ein und fahre für drei Tage auf eine Hütte in Vorarlberg. Kein Kühlschrank, keine Dusche, kein Netz - Detox fürs Leben und dessen Qualität. Brauchts manchmal. Ich war kürzlich erst für ein langes Wochenende in Montenegro und habe es sehr genossen. War zwar eine Städteurlaub, hat mich aber mal so richtig aus dem Alltag rausgerissen und die Akkus aufgefüllt. Nicht, weil ich da faul rumgehangen bin und relaxed habe, ganz im Gegenteil, sondern weil ich endlich mal aus den Routinen ausbrechen konnte, keine Kompromisse eingehen musste und tun und lassen konnte, was ich will. Und wann ich will. Kann ich jedem nur empfehlen. Gerne auch in Podgorica, einer Stadt im Umbruch.

So, jetzt Musik - zwar wenig, aber dafür toll. Und ab!
 
Der Nino aus Wien
(sb) Ich mag ihn einfach. Dafür, dass er aus Banalitäten Großes machen kann. Dafür, dass er all das verkörpert und vertont, was ich an Österreich liebe. Dafür, dass er Zitate für die Ewigkeit produziert. Und jetzt auch noch für sein Album Eis Zeit (VÖ: 24.06.), sein bisher bestes. Manch einem Hardcore-Fan mag das typisch Abgedrehte fehlen, das bisher jedem Werk vom Nino aus Wien innewohnte, für mich aber vereint das neue Album (sein 12.) alle Stärken des Künstlers - und das ohne Abstriche in der B-Note. Egal ob Was passiert ist, Endlich oder Zeit - alle zwölf Songs wissen zu gefallen, ohne einförmig oder langweilig zu sein. Ganz im Gegenteil! Dass Nino zudem ein unfassbar netter Kerl ist, sei hier nur am Rande erwähnt....
 

 
Lina Maly
(sb) Alter Verwalter, wie produktiv kann man sein? Erstaunlich auch, welch hohes Niveau Lina Maly bei diesem ganzen Output hält. Gefühlt (tatsächlich nur "gefühlt"?) haut die 25-Jährige alle paar Monate was Neues raus und hinterlässt den Eindruck, als könne sie gar nicht enttäuschen. Auch auf ihrer Quartett EP (VÖ: 24.06.) sind drei der vier Tracks superstark. Mit den LOFT ARTS Studios in Mainz hat sie vier ihrer Songs als aufwändige Neuinterpretationen mit Streich-Quartett aufgenommen. Die Versionen sind sehr intim, klingen warm und lassen Linas Perlen in neuem Glanz erstrahlen. Da geht das Herz auf.



Donkey Kid
(sb) Mit dieser Rezension sind wir zugegebenermaßen reichlich spät dran. Zur Verteidigung sei angeführt, dass wir die mp3s erst am Tag der Veröffentlichung (20.05.) bekommen haben und dieser Kuschelblog für uns ja lediglich ein Hobby ist. So, jetzt aber raus aus dem Rechtfertigungsmoduns und rein in die Distant Shouts EP von Donkey Kid.Ganze 19 Jahre jung/alt ist der Künstler und hat bereits geschafft, was andere im ganzen Leben nicht auf die Beine bringen. Ja, es ist "nur" eine EP, aber verdammt: Der Typ ist gut! Deshalb auch live nicht verpassen, sondern dem Hype von Anfang an folgen, damit man danach sagen kann, dass man den schon gesehen/ehört hat, als niemand wusste, wer das ist. Und zwar hier:

17.06. Köln
18.06. Hamburg
19.06. Berlin
25.06. Darmstadt
01.07. Erfurt (freier Eintritt)
08.07. Pegnitz (freier Eintritt)
09.07. Wiesbaden (freier Eintritt)
29.07. Leipzig
04.08. Hannover
05.08. Friedland
06.08. Heidelberg
 



Freitag, 3. Juni 2022

KW 22, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: wikimedia.org
(ms/sb) Ein schwaches Gift, das langsam wirkt. Davon singen Kante. Es gibt unzählige Sorten Gift, die durch unsere Welten strömen. Ein besonders fieses Gift ist jenes, das Bedeutungen umdreht und uns durch ständige Wiederholung als wahr verkauft will. Wir konsumieren dieses Gift so lange, bis es sich ganz normal und wie immer schon da gewesen anfühlt. Windige Geschäftsmenschen machen sich dieses Gift zu nutze, um uns ein sensationelles Kauferlebnis, scheinbare Bauernschläue und wirtschaftliche Weitsicht suggerieren. Ein Beispiel, das mir besonders sauer aufstößt ist der Gebrauch des Wortes "sparen" in Werbung oder direkt im Einkaufsladen. Jedes Angebot lockt damit, dass ich, wenn ich zuschlage, sparen würde. 5€ weniger. 10% im Preis gesenkt. Sie sparen 99 Cent. So ein umgedrehter Wahnsinn lauert jeden Tag auf uns. Ja, der Preis ist dann niedriger. Als sonst. Aber sparen tue ich gar nichts. Bei keinem Angebot. Noch nie. Denn "sparen" bedeutet, Geld nicht auszugeben und stattdessen an die Seite zu legen für größere Investitionen oder so. Sparen und Geld ausgeben gleichzeitig. Das scheinbar Unmögliche will uns die Werbewelt als machbar verkaufen. Um uns ein gutes Gewissen unterzujubeln, dass wir mit diesem oder jenem Kauf richtig clever waren. Ich finde das ekelig. Widerwärtig. Im Namen des Umsatzes ist den Menschen nichts zu schade. Dummdreist werden wir angelogen, Bedeutungen werden bewusst manipuliert und uns als neue Wahrheit verkauft. Dieses Gift kann ich mir sparen.



Beatsteaks
(ms) Haben Bands irgendwann ihren Zenit erreicht? Ist irgendwann der Zauber verflogen, weshalb ich sie mal ziemlich cool gefunden habe? Muss man sich irgendwann von Bands trennen? Hm, alle Fragen kann ich so nicht beantworten. Aber wenn ich das neue Lied der Beatsteaks höre, denke ich: Brauche ich nicht mehr. Und das schon seit längerer Zeit. Ihr Album Yours hat mir schon gar nichts mehr gegeben. 2017 ist diese ihre letzte Platte erschienen. Vermisst habe ich sie nur zum Teil. Für ihre alten, geilen Tracks, die mich bereits durch viele, viele Sommer getragen haben. Der Zauber aus dem Studio ist für mich verflogen. Kommando Sunshine… Ganz ehrlich, da schreckt ja schon der Name ab. Aber okay, es ist zu hören, dass sie die alten Zeiten ein wenig versuchen wieder aufleben zu lassen. Aber es bleibt meines Erachtens beim Versuch. Schade. Doch von einer Sache bin ich überzeugt: Live haben sie es immer noch drauf wie vor zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren.


The Damned Don‘t Cry
(ms) Vor einigen Wochen habe ich hier behauptet, dass mit der Beförderung/Aufnahme von Kurt Ebelhäuser vom Produzenten zum Bandmitglied der Sound von The Damned Don‘t Cry wesentlich an Zug und Dynamik gewonnen hat. Bei dieser Behauptung bleibe ich und ich habe nun auch noch ein Argument im Gepäck. Bevor am 24. Juni ihr Album Scaryand erscheinen wird, ist nun daraus der erste ganze Track zu hören. Mesmerized ist genau die kraftvolle Gitarrenrocknummer, die man sich erwünscht hat. Klar, der Sound ist etwas behäbig und schleppend. Aber genau so soll er auch sein. Ein klassischer Ebelhäuser. Insbesondere durch die Synthies verdichtet sich der Klang sehr, sehr gut und wird viel prägnanter. Für meinen Geschmack könnte noch mehr Wumms spürbar sein. Sollte das Trio irgendwann mal auf Tour gehen, gehe ich stark davon aus, dass es dann ordentlich scheppern wird! Stark!

 
Nouveaux
(sb) Für mich verkörpern ja Camouflage den Synthie Pop der 80er Jahre wie keine andere Band. Love Is A Shield, The Great Commandment - gehört hat das jeder schonmal, oder? Ein paar der Hymnen von damals höre ich heute noch gerne, wenn ich irgendwo drüber stolpere. Aber brauchts ein Revival dieses Genres? Oder war es niemals weg? Der kanadischen Band Nouveaux ist das einerlei, denn sie knüpfen im Jahr 2022 gnadenlos da an, wo OMD, Soft Cell, Alphaville oder auch Depeche Mode damals aufgehört haben. Und ja, verdammt, das klingt über weite Strecken richtig gut! Auf seinem selbsbetitelten Debütalbum (VÖ: 24.06.) mischt das Trio aus Vancouver munter Wave-Elemente, fast schon romantisch anmutende Texte und melancholische Untertöne.
 


Wanda
(ms) Die lyrischen Fähigkeiten von Michael Marco Fitzthum sind unbestritten stark. Doch sie haben auch so ihre Phasen. Nicht alles zündet immer so richtig durch. Vielleicht fehlt mir beim Wandahören manchmal der Pegel, um mich schön im Text zu verlieren. Insbesondere die letzten beiden Alben liefen bei mir nicht mehr so regelmäßig. Dennoch bleibt Wanda für mich eine Band in einem eigenen Kosmos. Ein gutes Beispiel für die textliche Divergenz sind meines Erachtens die beiden Singles aus dem neuen Album, das im September kommen soll. Rocking In Vienna, da ist mir gar nichts zu eingefallen. Bei Va Bene nun ziehe ich wieder voll mit. Richtig geil. Schön dramatisch und irgendwie ein bisschen fatalistisch blickt der Sänger drein ins Sein und ins Werden und haut dann noch voller Inbrunst Allgemeinplätze raus. Wofür SportlerInnen immer gechasst werden, damit überzeugen Wanda, denn die Emotionalität, die diese Durchhalteparolen zugrunde liegt, packt mich richtig. Im Einfachen das Besondere finden. Das ist vielleicht das Geheimrezept der Wiener. Geil, gefällt mir. Immer mal wieder schwankend. Aber jetzt wieder richtig gut!


Oehl
(ms) "Ach, dann bist du also so ein richtiger Fan, oder?" Diese Frage habe ich letztens gehört, als ich erzählte, dass ich mal wieder zu Kettcar gehe. Fan. Was für ein seltsames Wort. In meiner Wahrnehmung ist es ein Wort für die Kindheit oder Jugend. Ich würde mich auch nicht als Fan meines Fußballvereins. Es ist halt mein Verein. Punkt. Fan klingt so nach Bravo. Nun ja. Egal. Was ich sagen will: Vielleicht ist Oehl eine Band, bei der ich zumindest dieses Gefühl so richtig stark fühle. Ich freue mich immer ungemein, wenn Neues zu lesen und insbesondere zu hören ist. Ich freue mich ungemein auf die neue Platte und wenn ein neues Lied draußen ist, ist die Vorfreude vor dem Hörens immens. Und irgendwie gefällt mir das. Die Band gibt es ja noch gar nicht mal so lange. Und hat schon viel erlebt. Nach dem Ausstieg von Hjörtur ist es ein Soloprojekt von Ariel und man hört auch, dass der Klang der neuen Lieder schon anders ist. Nicht schlechter oder besser. Anders halt. Und sehr, sehr gut. Ich finde diese Musik ungemein charakteristisch. Sie hat in meinen Ohren einen hohen Wiedererkennungswert. Sowas gefällt mir sehr, sehr gut. Wenn das Außergewöhnliche wahrnehmbar ist. Das spüre ich hier ganz deutlich. Mit Schönland ist ein weiterer neuer Track vom neuen Album heute erschienen. Dieses Mal wird wieder ganz anders erzählt mit einem gehörigen Schuss österreichischer Traurigkeit und Sehnsucht in den Worten. Ach, komm, was solls: Ich bin Fan!

Mittwoch, 1. Juni 2022

Everything Everything - Raw Data Feel

Quelle: Kit Monteith
(ms) Erwartungen und das, was dann passiert. Manchmal sind das zwei verschiedene Dinge. Nein, ziemlich oft sind das zwei verschiedene Dinge. Beim Schreiben über Musik verfolgen mich immer wieder gewisse Themen und Ansätze. Das eine ist der große Bereich der Genres, an dem ich mich abarbeite. Der andere sind die bereits erwähnten Erwartungen. Damit direkt zum Thema: Die britische Band Everything Everything hat mit Raw Data Feel ein neues Album herausgebracht. Es erschien bereits am 20. Mai. Doch kleine zeitliche Räume und meine eigene Erwartungshaltung eben hat eine intensive Auseinandersetzung immer weiter gedehnt. 2017 haben sie mit A Fever Dream eine schier unglaubliche Platte veröffentlicht, die ich mir immer noch sehr, sehr gerne anhöre. Wie frech sie darauf mit Rhythmen, Lautstärke und Dynamiken gearbeitet haben, hat mich ziemlich begeistert. Das ist ganz, ganz große Kunst. Kein Wunder, die vier Bandmitglieder haben Musikwissenschaft studiert, sind also vom Fach, wie das alles möglichst geschickt funktioniert. Dass sie es so beeindruckend umsetzen können, spricht für Fleiß und Talent. Ja, dieses Album hat mich umgehauen. Und meine Erwartungen an alles, was danach passiert sehr hoch geschaubt. Von der Intensität und vom Sound. Ich möchte bei Everything Everything wilde Gitarren, gegenläufige Rhythmen und verschnörkelten Gesang hören.
Dass sie nun so stark elektronisch geworden sind in ihrer Grundauslegung hat mir den Zugang zum Album nicht leicht gemacht. Nur noch selten sind die Gitarren in der vorherigen Form zu hören. Ein klarer Bruch. Klar, so können Erwartungen auch gar nicht erfüllt werden, wenn der Klang so neu, anders ist. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kann das nicht so gut. Okay, ich spreche hier für mich allein.

Raw Data Feel also. Sie machen es mir nicht leicht. Ein neuer Sound und ungeheure 54 Minuten Spielzeit! Nun: Auf High Rotation wird dieses Album bei mir nicht laufen. Dafür gibt es für meinen Geschmack zu viele Längen und zu wenig mitreißenden Wumms. Dennoch stechen einige Lieder heraus, die wirklich toll sind! Beispielsweise I Want A Love Like This. Es ist ein ziemlich poppiger Song, der aber ungeheuren Zug hat. Und das reißt mich mit. Von der Art und Weise, wie dieses Stück aufgebaut ist, lässt sich ein wenig ableiten wie sie ihre Lieder schreiben. Ein grooviger Beat und tänzelnde Melodien gepaart mit der unverwechselbaren Stimme von Jonathan Higgs und einem sehr gut geführten Crescendo in der Dynamik der Musik, nicht mal in der Lautstärke. Wenn ab Minute 2:30 tiefere Bassläufe einsetzen, haben sie durchaus einen Sinn: aufmerksam machen und in den Bann ziehen. Beinahe psychedelisch.
Erst dachte ich auch, dass die Gitarren völlig verschwunden seien. Nein, das ist zum Glück nicht der Fall. Jennifer entpuppt sich da als recht entspannter Indietrack, auf dem eigentlich gar nicht so viel passiert, doch genau diese feine Monotonie überzeugt mich irgendwie. Faszination Musik.
Ja, vielleicht ist Raw Data Feel die poppigste Platte, die die Briten je gemacht haben. Shark Week ist ein weiteres Anzeichen dafür. Satte Synthie-Hooks und leichte Allüren zum Dub gestalten dieses ziemlich gute Stück! Das macht echt Spaß und bleibt in jedem Fall hängen. Ähnlich funktioniert auch Cut Up. Es zieht schon nach vorne und der Gesang bleib definitiv im Gedächtnis haften. Doch insgesamt muss ich feststellen, dass das gewisse Etwas fehlt, damit ich wirklich ausraste. 
Ups, okay. Geduld zahlt sich mal wieder aus, wenn Hex erklingt. Ja, die brutale Stringenz eines solchen Liedes erwarte ich auf einem Everything Everyhing-Albums. Dass sich viele Elemente abwechseln, sich gegenseitig stärken, ergänzen und einfach einen saustarken Klang entfalten, der ungeheuer viel Spaß macht. 

Hach... aber so richtig über die gesamte Spielzeit zündet dieses Album leider nicht. Ja, es enthält viele wirklich gute Lieder, die viel Freude bereiten, deren Sog ich gerne aufnehme, mich ummanteln lasse, zu deren Dramatik ich gerne auch tanzen gehen würde. Doch in meinen Ohren sind so viele eingängige, ja, langweilige Lieder auf derm Album enthalten, dass es nur ganz, ganz schwer haften bleibt. Sehr schade, dass meine Erwartungen da andere waren und ich mich auch nich zu 100% auf diesen neuen Klang einlassen konnte.
Gerne würde ich mir das aber live reinziehen, da ich davon überzeugt bin, dass das Quartett da ziemlich abgehen wird!