Freitag, 6. August 2021

KW 31, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: https://de.123rf.com
(ms/sb) Dass Urlaub eine phantastische Sache ist, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Das ist genauso ideenlos, wie übers Wetter zu palavern. Aber ich mache es trotzdem, einfach weil es geht! Wo ich war und was ich da gemacht habe, gehört hier nicht hin. Für einen Zwischenstop waren wir in einer Jugendherberge, die derart weit weg von der Zivilisation war, dass es nicht mal sauberen Handyempfang gegeben hat. Klar, auch ich schaue im Urlaub regelmäßig auf das kleine schwarze Ding mit dem leuchtenden Bildschirm. Sicher auch mehr, als es gut wäre. Das weiß ich alles. Doch erst, wenn die äußeren Bedingungen nichts anderes zulassen, kann ich es genießen. Es einfach hinnehmen, dass dort nichts auf der Mattscheibe ankam, tat gut. Mehr in die Wolken gucken, einfach mal den Moment genießen ohne ein pseudomodernes Wort wie Entschleunigung, Achtsamkeit oder Selfcare zu nutzen. Das hebt einen schönen, leisen Moment viel zu sehr in ein ach-so-wichtige Ebene, die es nicht braucht. Einfach mal genießen. Punkt. Manchmal auch erst mit Zwang.

Es ist Freitag. Wir zwingen alle, die Selektion zu genießen! Neue Musik, alles mal wieder sehr gut!
 
Jack In Water
(sb) Pop as pop should be! Jack In Water war mir vor Erhalt der Promo-Mail gänzlich unbekannt und dass ich mir sein Album You Don't Feel Like Home (VÖ: 27.08.) komplett anhören konnte, war eher Zufall. Wie dem auch sei: Klasse Ding! Manchmal ein wenig Coldplay-esk, aber insgesamt etwas gedämpfter und (genau deswegen?) deutlich angenehmer. Beim Briten ist nicht alles Friede Freude Eierkuchen, auch sexueller Missbrauch, Alkoholismus und der Tod werden thematisiert. Besonders berührt haben mich der Titeltrack des Albums sowie der Song Just Smile. Würde mich sehr freuen, wenn Will Clapson (so der bürgerliche Name des Künstlers) nicht als Geheimtipp endet, sondern eine breitere Masse mit seiner Musik erreicht.


Max Richter
(sb) Bei der englischen Vokabel Exiles kam mir bisher folgende Textzeile meiner Lieblingsband Therapy? in den Sinn: These exiles that we are / Isolated on a distant dying star! 
Dies ändert sich nun nachhaltig, denn Max Richter veröffentlicht heute ein gleichnamiges Album, das mich vom ersten Hören an in seinen Bann gezogen hat. Ich kann noch nicht mal näher definieren, was genau mich so fasziniert, doch gelingt dem deutsch-britischen Komponisten das Kunststück, gleichzeitig ungemein beruhigend als auch aufwühlend auf den Hörer einzuwirken. Das Baltic Sea Philharmonic spielte das 33-minütige Werk unter der Leitung von Kristjan Järvi in Tallinn ein und verleiht der Musik die den Motiven der Stücke angemessene Intensität.
Exiles nahm seinen Anfang vor zehn Jahren, mit der Hoffnung, die der Arabische Frühling brachte. Erschüttert von der Not von Millionen, die bis heute fern der Heimat Zuflucht suchen, wurde die Arbeit des renommierten Komponisten und Aktivisten zu einer langen musikalischen Auseinandersetzung mit der Tragödie der "Migrantenkrise".
Für mich bisher eins der stärksten Alben des Jahres 2021 - lasst Euch das nicht entgehen, wenn Ihr ein Faible für Klassik habt!


Swiss + Die Andern & Diggen
(ms) Der Ausflug zum Linksradikalen Schlager von Swiss war genauso genial wie abgrundtief grauenvoll. Die Idee war natürlich super, aber hörte sich dann doch einfach nur furchtbar an. Gut, dass das nur eine Episode war und er sich nun wieder dem Punkrock widmet. Was ich an Swiss + Die Andern so mag ist die kompromisslose Härte und Provokation. Längst würde ich nicht jeder Aussage aus seinen texten zustimmen, aber sie packen mich dennoch. Zwei Mal habe ich sie live gesehen und sie bringen eine Energie auf die Bühne, die kaum zu fassen ist. Sehr geil! Nun also (endlich) wieder harter Punkrock und nicht allein das. Zusammen mit Diggen von Slime bringen Swiss + Die Andern am 1. Oktober eine EP namens Keine Gewalt Ist Auch Keine Lösung raus. Sie greifen gemeinsam an gegen laute Krakeeler, rechte Deppen, Fehler im System und Polizeigewalt! Ab heute ist die Doppelsingle Keine Gewalt / Plenum zu hören und sie hält, was sie verspricht! Voll auf die Zwölf! Endlich wieder!


Montreal
(ms) Am 14. März 2008 war ich im Bielefelder Jugendzentrum Kamp, um Montreal zu sehen. Ich meine, dass es zwischendurch finanziell sehr knapp um das Kamp aussah. Es war und ist eine wichtige Institution der Bielefelder Kultur und ein astreiner Laden. Die Hütte damals war ziemlich gut besucht, sehr warm, sehr geil. Es war eine der ersten Berührungspunkt mit Montreal für mich und sicher auch der Bleibendste, als wir Drummer Max Power mit drei, vier Leuten durch den Raum getragen haben, damit er an der Bar einen Schnaps trinken kann. Stark, dass sich die Band immer noch so gut behaupten kann und unermüdlich tourt, Songs aufnimmt, Alben veröffentlicht. 2003 hat sich die Gruppe gegründet, Zeit also für einen kleinen Blick zurück, die gute, alte Werkschau. Am 24. September erscheint Bestandsaufnahme 2003 - 2021! Schon der Prozess dahin zeigt, was die Musizierenden auszeichnet: Ein wichtiger Draht zu den Hörenden. Die konnten abstimmen, welche Lieder auf dem Best Of zu hören sind. Oben drauf gibt es drei neue Tracks. Einer davon, Danke Für Die Nase, ist seit dieser Woche zu hören! Drücken wir die Daumen, dass auch alle kommenden Konzerte genauso stattfinden können, dass Max Power nicht durstig nach Hause gehen muss!

06.08.21 Eschwege, Insel Flair
07.08.21 Elend, Rocken am Brocken
08.08.21 Koblenz, Kulturfabrik
10.08.21 Köln, Kantine Open Air
11.08.21 Osnabrück, Hafen Sommer (Ausverkauft)
12.08.21 Hannover, Komm Raus
13.08.21 Georgsmarienhütte, Hütte Rockt (Ausverkauft)
14.08.21 Stemwede, Stemwede Open Air
21.08.21 Rietberg, Getöse Festival
27.08.21 Hamburg, Lattenplatz
28.08.21 Meppen, Picknick Festival
04.09.21 Geesthacht, Pegasus Waterkant
18.09.21 Leipzig, Dreck & Glitzer Open Air


Zahn
(ms) Seit einiger Zeit lassen mich viele Musikvideos absolut ratlos zurück. Sie sind mit einer ganz bewussten schlechten Optik garniert. Was soll das? Alles ist retro geworden, Schlaghosen und Bauchfrei wieder in und nun auch die optische Untermalung eines wirklich knallharten Stücks Musik? Das muss echt nicht sein. Logisch, ein Lyric Video würde für Zahn nicht passen, da das Trio ausschließlich instrumentale Musik macht. Und was für welche! Hier empfehle ich mal wieder das Hören über Kopfhörer. Die Wirkung ist sehr gut, schnürt einem die Atemwege zu und dröhnt ordentlich durchs Oberstübchen! Aykroyd ist nicht nur ein kryptischer Name, sondern auch die erste Auskopplung der kommenden Platte (VÖ 20. August), die auf den Bandnamen hört. Druckvolle Gitarrenmusik, die mit Schwere glänzt und dazu absolut hypnotisch, psychedelisch wirkt! Richtig gut!


Hippo Campus
(ms) Auch das folgende Video zeichnet sich durch eine miese Optik aus. Aber es scheint modern zu sein und zum Glück ist Kunst ja immer noch Geschmackssache. Mein Geschmack wird hier von Hippo Campus musikalisch in jedem Fall angesprochen, da sie unverschämt lässige Gute-Laune-Musik machen, bei der man an gar nichts denken, sondern ausschließlich genießen muss. Heute erscheint die neue EP Good Dog, Bad Dream der Band aus Minnesota. Die Gruppe besticht halt durch eine Musik gewordene Coolness und Leichtigkeit, die so selten zu vernehmen ist. Bei Indiepop ist natürlich das goldene 00er-Jahrzehnt die absolute Leitlinie. Hier greifen die Fünf direkt an, ein Gesang, der auch mal in Spoken Word-Manier daher kommt und irre catchy packt. Gitarren, die sich durch die Takte schlängeln ohne als allzu virtuos rüber kommen zu müssen, sondern einfach nur im Hier und Jetzt stattfindet. Richtig, richtig gut!


Goldroger
(ms) Sehr sympathisch, Teil 1: Wenn ein Track aus einem Album ausgekoppelt wird, das schon längst erschienen ist. Sehr sympathisch, Teil 2: Wenn Musik als Eigentherapie genutzt wird und knallhart ehrlich ist, allen und vor allem sich selbst gegenüber. Sehr sympathisch, insgesamt: Goldroger! Brandlöcher ist schon längst auf seinem aktuellen Album zu hören und nun mit Video zu sehen. Viele Rapper texten über ihre Drogenerfahrungen, von Zugezogen Maskulin bis sookee. Nun auch Goldroger, der über seinen exessiven Graskonsum berichtet. Eine Droge, die lange Zeit sein gesamtes Dasein bestimmt hat, den Tagesablauf und gar den Sex. Natürlich ist das traurig, auch wenn der Rausch noch so schön ist. Der Droge hat er nun den Rücken gekehrt. Ich denke, dass Musik nie den Anspruch haben muss, moralisch zu sein. Auch dieses Stück nicht. Musik muss nicht belehren. Aber sie kann helfen. Und wenn sie dem Interpreten hilft, ist das immer eine gute Sache. Sehr mutig, sehr gut!

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