Freitag, 24. Juni 2022

KW 25, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: zeit.de
(sb/ms) These: Je kleiner ein Gegenstand ist, desto eher denkt man nicht daran. Was profan klingen mag, beweist der Alltag. Denn es ist nunmal so: An neue Gelbe Säcke zu kommen, ist gar nicht so leicht und wird offensichtlich von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt. Ich habe schon erlebt, dass auf eine Mülltonne ein entsprechender Zettel zu kleben sei, der den Müllwerkern signalisiert: Obacht, hier herrscht akuter Mangel! Oder: Es gibt sie einfach an jeder Ecke und wenn man lieb fragt, wird einem dort mit dem Mangelstoff weitergeholfen. In meiner Wahlheimat ist es nochmal anders. Und zwar so: Zu Beginn des Jahres bekommen alle Haushalte (sicher gemessen an der Anzahl der Bewohnenden), einen postkartengroßen Zettel, wo Gelbe-Säcke-Coupons drauf sind. Diese, drei Stück in meinem Fall, müssen ausgeschnitten und können bei bestimmten Anlauforten eingelöst werden, sodass das gelbe Plastik wieder am Start ist. Erste Herausforderung: Das ganze Jahr über muss dieser kleine Zettel sehr, sehr gut aufbewahrt werden. Sonst scheint dieser Müll nirgends untergebracht werden zu können. Zweite Herausforderung: Wissen, wo man sie bekommt. Ich habe Glück, dass der nächste Supermarkt in Sichtweite ist. Aber dann kommt der alles entscheidende Praxistest: Diesen kleinen Abschnitt abtrennen, mitnehmen, einlösen. Bei mir scheitert es seit einigen Tagen an Punkt Nummer zwei: mitnehmen. Er liegt wachsam drapiert in meiner Küche und mindestens ein Mal am Tag denke ich: Achja! Und dann, nach dem Einkauf: Oh, nee! Daher die anfangs genannte These. Mein Gegenvorschlag: Es sollte ein immens großer Gegenstand sein, der als Coupon dienen könnte. Sodass er kaum zu übersehen ist. Ein Heißluftballon beispielsweise. Oder eine Leiter. Oder eine Giraffe. Nur so als Vorschlag.

NinaMarie
(ms) Was tun, wenn einem die Nachrichtenlage mal wieder überfordert? Was tun, wenn wieder herausgekommen ist, welch rechte Strukturen es bei der Polizei gibt?! Was tun, wenn wieder Zäune gebaut werden, um Menschen nicht reinzulassen?! Was tun, wenn die Wirtschaft mal wieder wichtiger ist als der Mensch?! „Träum dich davon!“ Das empfehlen uns NinaMarie und sie legen uns mit der Sehnsucht nach Eskapismus einen Vorschlag vor, der sehr gut funktioniert, wenn man sich nur drauf einlässt. Das mag schwer sein, wenn die Wände näher kommen, aber der Plan kann aufgehen. Vielleicht aufs Rad setzen, ans Meer fahren, den Berg besteigen, in den Wald gehen. Was nach Schrott wie Entschleunigung oder Work-Life-Balance klingt, ist einfach nur ein guter Rat, nicht durchzudrehen. NinaMarie sind Thomas Götz von den Beatsteaks und Marten Ebsen von Turbostaat, die seit nun mehr 18 Jahren gemeinsam musizieren. Immer dann wenn Raum und Zeit und Muße dies zulassen. Für die beiden bevorzugt an Silvester, wenn andere wieder Erwartungen nachhechten, die nie erreicht werden. So kam auch vor einer Woche ihr Mini-Album Was Für Land, Welch Ein Männer beim sehr guten Label Rookie Records raus. Eine Platte, die kein Punkrock ist, sondern einfach tut, was sie will und gut kann. Okay. Dann ist es also doch Punk?! Egal, es ist gut. Und darauf kommt es an!


Nils Frahm
(ms) Ich wollte hier schon so richtig abhaten. Das kann ich sehr gut. Mich über scheinbar nichtige Dinge gewollt oder etwas gekünstelt aufregen. Dann aber so richtig. Ich war kurz davor. Die Zeilen waren alle schon bereit. Denn beim Lesen schwollen die Pulsadern bedrohlich an. Meinen ganzen Hass wollte ich hier entladen. Und dann wurde mir auf allersanfteste Art und Weise der Zahn gezogen und ich bin sehr dankbar drüber. Schuld an beidem ist der großartige Nils Frahm. Der bringt im September ein neues Album raus. Das ist an sich schon eine gute Meldung wert. Doch man darf bei Frahm auch immer sehr gespannt sein, was es denn wird. Als vor kurzem ein Album mit alten Liedern erschien, war ich ein wenig geknickt, weil ich dachte: Verwertungsmaschine. Aber egal. Seine letzte richtige Studioplatte ist aus 2018 und All Melody ist ein wahres Meisterwerk. Ich vermute, dass im Frühherbst/Spätsommer ein neues kommt. Music For Animals heißt das Album. Das war der Grund, warum ich hassen wollte. Ich bin ein großer Tierfeind. Ich mag keine Tiere, darum esse ich sie nicht. Insbesondere Hunde und Katzen. Doch als wenig später Right Right Right erklang und ich den Begleittext zum Album las, machte sich enorme Ruhe in mir breit. Was für eine Wonne. Was für ein Wohlgefühl. Was für eine Herausforderung. Denn das neue Werk wird drei Stunden Spielzeit haben! 180 Minuten! Oha! Das ist enorm. Und der Gedanke beschleicht mich, dass es großartig wird. Denn Nils Frahms Grundgedanke für dieses Album ist der Moment der Ruhe an sich. Einen Wasserfall beobachten. Bäume, durch die der Wind zieht. Eine sanft wehende Blumenwiese. Der langsam aufgehende Mond. Momente, die lange dauern. Die zum Innehalten da sind. Klar, Frahm ist genau der richtige, wenn es um die Vertonung solcher Momente und Gefühle geht. Erstaunlich ist, dass er dabei nicht das Klavier benutzt hat, was sonst so wichtig für ihn ist. Das könnte ein ganz, ganz großer Wurf werden!!!

 
ME REX
(sb) Puh, wie steig ich da jetzt ein? Wenn eine Band als Debütalbum ein Opus mit 52 Titeln veröffentlicht, die so angelegt sind, dass sie im Idealfall im Shuffle-Modus abgespielt werden, um jedes Mal wieder ein neues Gesamtwerk zu ergeben, dann ist ein gewisser Nerd- und Abgedrehtsfaktor nicht zu verleugnen, oder? Insofern muss man die weitere Release-Strategie von ME REX aus London ja fast schon als seltsam normal und gewöhnlich beschreiben. Nach der tiptop Pterodactyl EP folgt nun ein weiterer Extended Play namens Plesiosaur. Und erneut trifft das Quartett genau meinen Nerv! Musikalisch pendelt das zwischen Maximo Park, Blink 182 und Jimmy Eat World, wobei ich die beiden Letztgenannten eigentlich gar nicht so oft höre. Die Melange ist aber sehr attraktiv und man hört quasi das Augenzwinkern durch die Boxen. Großartig, unerwartet, abwechslungsreich und durchgehend tolle Melodien!
 


Hotel Rimini
(ms) Das Finden des passenden Bandnamens, wenn man neu auf die Bühne tritt, ist sicher eine immense Herausforderung. Einmal dafür entschieden, kommt man so schnell nicht mehr davon los. Wie kamen die Sechs von Hotel Rimini wohl auf diesen Namen? Sicherlich nicht, um sich international von einer Übernachtungsmöglichkeit in Japan zu unterscheiden. Das wird die Band aus Leipzig und Hamburg aber sicher noch ausführlich berichten, denn im Sommer erscheint erst ihre erste EP. Wie schön ist es, dass immer und überall Neues entsteht. Angeführt von Sänger und Texter Julius Forster macht die Gruppe poppige Indiemusik, die sich bei vielen anderen Genres ein wenig was klaut. Beim Chanson oder der Klassik. Alles Bleibt Wie Es War ist ein melancholisch-schmunzelnder Song über das Leben in der Großstadt, das gut vernetzt dennoch sehr langweilig und einsam aussehen kann. Und dann spielt es sich doch allein im Internet ab. Kann alles passieren. Dabei klingt die Musik so herrlich frisch und unverbraucht, dass die EP Die Zeit Schlägt Mich Tot Aber Ich Schlag Zurück sicherlich ein extrem hörenswerter Einstieg in diese Musikwelt sein wird! Ich freue mich drauf!


EF
(ms) Das Wirken einer Band ist ganz schwer einzuordnen, wenn man nur ein Album kennt aus fast zwanzig Jahren des Bestehens und dieses Album ist dann auch noch von 2010. Das ist ungefähr ganz grob zusammen gefasst mein Verhältnis zur schwedischen Band EF und ihr damaliges Album Mourning Golden Morning. Was für ein brillantes Werk. Da kann man nur den Hut vor ziehen. Innehalten und Ausrasten auf einer Platte ganz dicht beieinander. Länger war es still geworden um die Gruppe. Kinder kamen zur Welt, Krankheiten mussten durchstanden werden. Dann haben sie sich wieder zusammengesetzt und einfach ganz frei und ziellos drauf los gespielt. Das Ergebnis wird am 4. November auf dem Album We Salute You You And You zu hören sein. Bislang gibt es nur ein paar Klangschnipsel zu hören. Die sind aber so mächtig, dass da Großes kommen wird. Das liegt ihnen halt. Stimmungen, Dichte, Dynamik, Gefühl zu kreieren. Und das in den allermeisten Fällen ohne Gesang. Sondern „nur“ mit einer enorm intensiven Melodieführung und dem genau richtigen Einsatz eines kraftvollen Crescendos. Wow! Markiert euch dieses Datum fett im Kalender. Es könnte krachen an dem Tag!

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