Freitag, 16. April 2021

KW 15, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: depositphotos.com
(ms/sb) Hier werden wegen C. demnächst auch wieder die Geschäfte geschlossen. War ja irgendwie vorhersehbar und irgendwie ist mir nun (leider) auch alles egal. Noch vor zwei Wochen schlenderte ich bei gutem Wetter durch die Innenstadt, erledigte dies und jenes bis mich eine Szenerie vollkommen lahm gelegt hat. Eher geistig statt körperlich. Denn an dem Bild wollte ich schnell vorbei, hatte meine Besorgungen eh alle schon parat. Erst vor Kurzem hat die Click-And-Meet-Zeit begonnen und ich war wirklich erschüttert, wo die Menschen in Schlangen gewartet haben, um endlich ihr hart erarbeitetes Geld zu verpulvern! Vor der Kleiderkette Zara standen wirklich viele Leute an. Ich war baff! Wieso um alles in der Welt?! Wieso begeistert Schrott kaufen für einen Kleiderschrank, der sicherlich mehr als voll ist. Gerne hätte ich die Anstehenden allesamt gefragt, was sie in der Hölle wollen?! Was treibt sie da hinein?! Haben sie nur noch ein zerrissenes Shirt? Was macht die Menschen so unfassbar scharf darauf, Klamotten zu shoppen? Und dann noch dort? Sicher ein Laden ohne jeglichen Fairtrade-Standard, weder bei den Mitarbeitenden und erst recht nicht bei den Produzierenden. Ja. C. hat auch Gutes. Dass der Laden wieder zu ist kommende Woche.

Glücklicherweise geht's hier nichts ums Aussehen - Eitelkeit steht mir nicht. Luserlounge. Musik!

Charlotte Adigéry
(ms) Musik einfach mal gut finden. Klingt unglaublich einfach, ist aber eine riesige Herausforderung. Klar, ich kann da nur für mich sprechen. Doch wenn irgendwo Pop oder R'n'B drauf steht, bin ich nicht zwingend zugeneigt. Doof, oder? Ja, total! Charlotte Adigéry zertrümmert alle meine Zweifel und meine bizarre Voreingenommenheit! Das gelingt ihr mit einem unfassbar cathcy Track, der nicht nur schnell den Kopf wackeln lässt sondern auch sehr tanzbar ist. Der private Dancefloor sollte also mal wieder gebohnert und die Anlage bitte fein im Bass aufgedreht werden. Das Geniale: Es ist nicht nur Pop und R'n'B, sondern hat diesen beneidenswert ansteckenden Effekt, den ich so nur von den Gorillaz kenne: Es ist groß aber auch unglaublich gut, sehr klug arrangiert und birgt einen Klang, der aus der Zukunft gegriffen klingt. Beat With Me (And I Stand Bare For You) ist auf dem kommenden (VÖ: 7. Mai) Album Foundations erhalten, das das Label DEEWEE veröffentlicht! Satte 27 Tracks gibt's zum Jubiläum der 50. Erscheinung! Gratulation! Was für ein Track!



Marquis
(ms) Diese Band fällt für mich in die Kategorie: Zu jung, um vorher schon mal bewusst etwas von gehört zu haben. Marquis war als Marquis De Sade von 1977 bis 1981 aktiv! Knapp zehn Jahre später wurde ich erst geboren. Nach Presse-Infos soll die Band um Philippe Pascal und Frank Darcel zwei tolle und einflussreiche Alben veröffentlicht haben; darauf folgte die Auflösung und 2017 (!) die Wiedervereinigung! Allein das ist schon irre. Noch irrer: Kommenden Freitag (VÖ: 23. April) erscheint ihr neues, drittes Album. Nach 40 Jahren. In Worten: Vierzig! Und es kommt noch irriger, aber leider auch trauriger, denn Pascal erlebt dies nicht mehr mit, starb während der Aufnahmen. Darcel besann sich, das Material war so gut wie fertig, andere MusikerInnen und Sänger wurden aquiriert und Aurora steht kommende Woche zum Hören bereit. Ein Gitarrenalbum vom Allerfeinsten: Vielseitig in jeglicher Hinsicht. Klanglich überzeugt es mich nicht auf volle Distanz, aber sprachlich überrascht die Platte immer wieder sehr originell. Es wird auf Englisch, Französisch und Deutsch gesungen! Find ich klasse! Wenn Nostalgie, Andenken und gute Musik zusammenfinden!

 
Jon Allen
(sb) Samstagsausflug nach Ulm, also endlich mal Zeit, im Auto in Ruhe Musik zu hören. A wie Allen wird als erstes abgespielt. Jon Allen, um genau zu sein, und zwar dessen neues Album ...meanwhile (VÖ: 21.05.). Nach zwei Tracks tendiere ich zum Skippen, hör mir aber doch noch Nummer 3 (Cruel World) an und bleibe dann hängen. Schon witzig, wenn ein Album Fahrt aufnimmt, indem es Fahrt rausnimmt. Je ruhiger Allen seine Songs gestaltet, desto besser sind sie. Der Engländer, entdeckt vom legendären Mark Knopfler (Dire Straits), überzeugt insbesondere durch seine Stimme, die natürlich umso besser zur Geltung kommt, je mehr sie durch zurückhaltende Instrumentierung in den Vordergrund gedrängt wird. Insgesamt ein sehr angenehmes, wenn auch unspektakuläres (aber das ist nicht negativ zu verstehen!) Album, das man bestens nebenher laufen lassen kann.
 

Baked Cat
(ms) Jede Diskussion und jeder Aufsatz darüber, wie wichtig es ist, mit Konventionen zu brechen ist gut, weil das Thema so dringend ist! Die Erwartungen, die an einen gestellt werden, sind oft kaum auszuhalten. Und ständig rufe ich mir die Frage ins Gedächtnis: Woher kommen sie eigentlich? Wer erwartet eigentlich genau was von mir und warum erwische ich mich dabei, dass ich den ganzen Quatsch auch noch mitmache?! Als weißer Kerl mit festem Job und ohne Kinder ist das eine wahnsinnig billige Aussage, das weiß ich auch. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es als benachteiligte Person ist. Die Facetten dazu sind irre. Irre beängstigend. Daher lese ich, um dem nahe zu kommen. Lese Stokowski, Abdollahi, Rekless, Bola, Gümüşay. Alles nur wärmstens zu empfehlen! Wie wunderbar, dass ein Quartett aus Hamburg nun genau das musikalisch zum Ausdruck gebracht hat. Baked Cat haben vor Kurzem ihre Single Say veröffentlicht! Ein temporeicher Gitarren-Indie-Track, der harmonisch gute Laune macht, sehr wahr ist und obendrein auch noch mit einem phantastischen, weil so eindrücklichen Video daher kommt! Weil es so gut, wahr, catchy ist, wünsche ich mir: Headliner 2022. Überall!

 
Dustin O'Halloran
(sb) Auch diesmal darf Klassik nicht fehlen! Mit Dustin O'Halloran stellen wir Euch einen Künstler vor, der in seiner Vita bereits eine Oscar-Nominierung für die Filmmusik zu Lion - Der Lange Weg nach Hause vorweisen kann. Kein unbeschriebenes Blatt also. Mit Silfur (VÖ: 11.06.) legt der amerikanische Pianist nun seinen ersten Release bei Deutsche Grammophon vor. Darauf enthalten sind zwei neue Stücke sowie Neueinspielungen einer Auswahl von O’Hallorans bisherigen Soloalben. Vier von ihnen wurden mit zusätzlichen Streicherarrangements gepimpt. Aufgenommen in O'Hallorans Wahlheimat Island, ließ er sich von der Abgeschiedenheit und der einzigartigen Atmosphäre der Insel inspirieren. Das klingt ungemein filigran und strebt doch nach emotionaler Klarheit in ihren Melodien. Einfach nur wunderschön!

 
Wie ein Fremder - Doku
(ms) Morgen ist Samstag! Ich bin ein extrem eingefahrener Mensch und brauche immer einen Plan für alles mögliche. Das geht beim Essen los, zieht sich über den ganzen Tag und wenn ich mir Dinge nicht aufschreibe, kann ich dafür garantieren, dass ich sie vergesse. Daraus kann man lernen. Und sich Folgendes notieren: Morgen ist Fernsehabend! Aber vom Allerfeinsten! Es geht um die sehr berührende Dokumentation von Aljoscha Pause Namens Wie Ein Fremder - Eine Deutsche Popmusik-Geschichte. Wir haben schon mal ausführlich darüber berichtet. Und weisen auf die TV-Ausstrahlung sehr gerne hin, denn es lohnt ungemein. Egal, ob man Roland Meyer de Voltaire kennt oder nicht, wer empathisch ist und wirklich fesselnde Einblicke in ein kreatives, oft heikles Leben und die Musikbranche gewinnen möchte, dem sei gesagt: Morgen läuft die gesamte Doku, also alle fünf Teile, nacheinander auf 3sat! Beginn ist natürlich um 20.15 Uhr! Noch nie war ein Abend besser geplant als morgen, oder?


Rita Tekeyan
(ms) Aus den eigenen Fehlern lernen. Schwer, aber möglich. Letzte Woche wies ich mich selbst darauf hin, dass meine musikalischen Hörweiten recht eingeschränkt, eingegrenzt sind. Also werfen wir einen Blick in den Libanon, beziehungsweise nach Armenien. Im ersten Land ist Rita Tekeyan aufgewachsen, im zweiten lebt sie nun. Tatsächlich: Aus dem Libanon kenne ich keine Band, aus Armenien nur System of a Down und die zählen ja nicht so wirklich. Tekeyan spielt dunkle, leicht getragene Musik, in der ihre Stimme und das Klavier im Vordergrund stehen. Der Bandsound rundet das Klangbild ab, die Gitarrenlinien ergänzen es und geben den Tönen einen mäandernden Charakter. Zwischen Nick Cave, Nina Hagen und finsteren Balladen und einem sehr sympathischen Hang zum Bösen musiziert sie. Kommende Woche erscheint ihr zweites Album Green Line. Devil's OB ist der perfekte Reinhör-Track, den man am besten mit geschlossenen Augen genießen sollte, damit er seine ganze finstere Kraft entwickeln kann!

 
iconAclass
(sb) Normalerweise höre ich so gut wie gar keinen englischsprachigen Hip Hop. Als dann vergangene Woche die Promo zu Changing Culture With Revolvers von iconAclass eintrudelte, war ich also völlig unbeleckt. Also rein damit in den CD-Player und Start. Und wow, was für ein geiles Ding! Also doch mal kurz recherchieren, was es damit auf sich hat... Hinter dem Projekt steckt Will Brooks aka MC dälek und den kennt man dann halt doch wieder. Zudem ist das Album keineswegs neu, sondern aus dem Jahr 2015 und wird am 07.05. erstmals auf Vinyl veröffentlicht. Ganz ehrlich: Wenn amerikanischer Hip Hop öfter so klingen würde wie das, dann könnte ich mich doch noch damit anfreunden. Da passen Beats und Lyrics, da kommt alles aus einem Guss. So aktuell kann also sechs Jahre alte Musik klingen!


Remember Sports
(sb) Remember Sports - klingt beim Blick auf die wachsende Wampe zunächst nach einer verschwimmenden Erinnerung daran, dass man einst ja mal zwanzig Jahre lang Fußball gespielt hat und das gar nicht schlecht. Wenn man die Wehmut dann aber beiseite lässt und sich auf die Musik konzentriert, handelt es sich aber um eine vierköpfige Indie-Band aus Philadelphia. Ihr neues Album Like A Stone (VÖ: 23.04.) beinhaltet einige richtige Perlen (v.a. Pinky Ring), verströmt aber über weite Strecken - wenn es lauter wird - auch das Gefühl einer Grunge-Schülerband. Kein Wunder, denn die vier Bandmitglieder kennen sich bereits seit gemeinsamen Collegezeiten. Auch auf ihrer neuen Scheibe verfolgen sie einen multiinstrumentalen Ansatz und tauschen die Instrumente durchgängig aus. Das spricht für die Band und macht die Sache spannend. Hörts Euch am besten selber mal an.
 

Rantanplan
(sb) Zarte 26 Jahre haben Rantanplan mittlerweile auf dem Buckel, von Altersmüdigkeit jedoch keine Spur. Das neue Album ist zwar erst für 2022 angedacht, bereits heute gibts jedoch eine neue Single. Nüchtern betrachtet ist ein typischer Track der Hamburger, auch wenn der politische Ansatz diesmal gänzlich der Erkenntnis weicht, dass Alkohol manchmal halt doch eine Lösung ist. Zwar nicht für die Probleme der Welt, aber durchaus für die Gestaltung eines schönen Abends. Deshalb: Nicht lang schnacken, Kopf in'n Nacken! 



Alex Mayr
(ms) Eine (bittere) Erkenntnis der Schreiberei über Musik: Wir konsumieren unfassbar viel, lauschen in ganz viel rein und versuchen darüber ein Urteil zu fällen. Neben einem kräftezehrenden Job (und bei sb Familie) ein durchaus manchmal anstrengendes, aber immer schönes Unterfangen. Nun die Erkenntnis: Wenig davon dehnt sich langwierig auf die persönliche Höragenda aus. Würde ich aus dem Stehgreif gefragt werden, über wen wir freitags vor zwei, drei Monaten berichtet haben.... keine Ahnung. So viel bleibt leider oft nicht. Denn - Hand aufs Herz: Man hört doch den gleichen Kram wie vor 5, 10 oder 15 Jahren. Doch dann passiert es! Und es passiert nicht oft! Dann schaffen es Bands und KünstlerInnen wirklich anzudocken und auf wundersame Art und Weise da zu bleiben! Ein tolles, weil sehr gutes und schönes Beispiel aus dem letzten Jahr für mich ist Alex Mayr. Irgendwo drüber gestolpert, neugierig geworden, hinein vertieft, begeistert gewesen! Vor fünfzehn Monaten erschien Wann Fangen Wir An und ich bin immer noch in diese Platte verliebt! Umso besser, dass es im Juli Nachschub gibt! Am 9. Juli erscheint ihr neues Album Park. Und: Never change a winning team - erneut mit Konrad Henkelüdeke und Konstantin Gropper (ewige Bewunderung!) produziert! Breit, laut, fein und bestechend sind die ersten Eindrücke mit Eingang, das ab heute zu hören ist! Juhuuu!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.