Foto: Yannic Poepperling |
Dagegen muss nicht nur angeschrieben werden, sondern hauptsächlich angesungen werden; mit ausgetüftelten und dennoch leicht zugänglichen Melodien, Köpfchen und insbesondere vielseitigen, unterhaltsamen Texten und solchen Zeilen, die direkt ins Herz gehen. Das macht Mine seit einigen Jahren sehr erstaunlich und mittlerweile zurecht erfolgreich.
Alex Mayrs Musik ist mit der von Mine nur äußerst bedingt vergleichbar, aber die einzige, irgendwie nennbare Referenz, die mir bei ihrem großartigen Debut einfällt. Wann Fangen Wir An? erscheint auf dem eigenen Label an diesem Freitag (31. Januar) und ist ein bemerkenswertes Album. Das liegt zum Einen logischerweise an den Texten - kommen wir gleich zu. Zum Anderen an den sehr fein arrangierten Melodien, Harmonien und Zusammensetzungen an Instrumenten. Und dafür ist neben Mayr und ihrem Drummer Konrad Henkelüdeke Konstantin Gropper verantwortlich. Wer diesen Blog länger verfolgt, weiß von meiner großen Bewunderung ihm und seiner Band Get Well Soon gegenüber. Und die dauert seit zwölf Jahren an. Mit jedem Album hat er eine neue Dimension des Alternative Pop/Rock geschaffen und gefüllt. Als Produzent trat er für Sizarr, Casper oder Sam Vance-Law in Erscheinung. Gibt schlechtere Aufträge.
Nun also Alex Mayr. Und das hat verdammt gut geklappt mit der Kooperation. Der hörbare Beweis dauert gut 50 Minuten und beschwingt den Alltag mit Liedern zwischen Provinz, purer Liebe, Beziehungsrettungsversuchen und anderen Geschichten mitten aus ihrer Biographie. Wann Fangen Wir An? ist ein äußerst persönliches, ja, intimes Album. Und das macht es halt so glaubwürdig. An vielen Stellen fällt es leicht, sich zu identifizieren.
Mayr und Gropper haben einige Gemeinsamkeiten und Parallelen in ihrer (musikalischen) Biographie. Beide sind Multiinstrumentalisten, kreisen sich seit der frühen Kindheit um die Welt der Töne und haben ihr erstes Album (mehr oder weniger) in Eigenregie produziert. Gropper mit 26, Mayr mit 34, doch was ist Alter nur für eine irrelevante Kategorie!?
Startschuss also mit Ein Pilot. Ein Lied, das vor musikalischer und textlicher Schönheit nur so strotzt. Und verzeiht mir dieses nerdige Geschreibe, doch ich höre eine rhythmische Ähnlichkeit im Refrain zu Groppers Roland, I Feel You (dort eben diese Peitschenhiebe). Die immer wieder gestellte Frage im Refrain ist die des Albumtitels und eine Gute, Mutmachende endlich damit anzufangen.
Japan ist nicht nur irgendwie schräg, sondern hat ein ebenso schönes Video vorzuweisen. In dem selbstgemachten Kostüm steckt übrigens Drummer Henkelüdeke. Eine Reise unternehmen, um die zerschellende Beziehung zu retten? Puh, da muss man erstmal drauf kommen. Klar, einen Traum in Erfüllung aufgehen zu sehen, ist schön. In der Konstellation aber auch explosiv. Nichtsdestotrotz ist es ein feiner, kluger, wunderbarer Song mit ordentlich Ohrwurmcharakter!
Ging es bislang sanft-poppig zu, wird es nun tanzbar und musikalisch fröhlich. Doch irgendwie erzählt Deine Schuhe natürlich eine traurige Geschichte über eine überstandene Beziehung. Die bereitet Mayr jedoch so unglaublich humorvoll, locker und leichtfüßig auf, das man ums Schmunzeln nicht herumkommt. Wunderbar, ehrlich! Gewonnene Freiheit versus teurere Taxifahrten plus hervorragender Keyboardbeat!
Weiter: Ironie wird hier groß geschrieben. Wer Landjugend (Inhalt des Liedes ja selbsterklärend) mit so einem Billo-Konserven-Sound beginnt, weiß was sie tut! Alex Mayr ist im Bremer Umland großgeworden. Eine mitunter triste Gegend. Ich selbst bin woanders aufgewachsen, doch die Geschichten kommen mir bekannt vor. Wenn das Schützenfest nicht nur tragisch und grausam aber eben auch ein Pflichttermin ist...
Dass das Genre Pop hier ganz breit definiert wird, zeigt One Way Ticket. Die beginnenden Takte erwecken den Eindruck, dass der Track in einem Saloon in bester Westworld-Manier aufgenommen wurde. Und die schon dezent hörbare Gitarre wird später aber richtig kräftig aufgedreht. Uhi! Das war bei den vorherigen Songs so nicht zu erwarten, denn im gleichen Lied werden auch R'n'B-mäßige Ah-Ah-Ahh-Gesänge heraufbeschworen.
Zu Was Soll Man Sagen kann ich nur eines sagen: Das ist eines der schönsten, direktesten, wärmsten deutschsprachigen Liebeslieder, das ich in den letzten Jahren gehört habe (Kettcars Rettung ist halt schon neun Jahre alt).
Und es wird noch runder: Opferland ist - natürlich - ein politischer Song. Kommt dabei jedoch in höchstgradig beschwingter Art und Weise daher. Die bekannte Devise: Von den Verbitterten nicht verbittern lassen!
In Ganz Schön Kaputt geht es hymnisch nicht etwa um einen guten Freund, eine wundervolle Liebe zu einem irgendwie schrägen Menschen. Obwohl - Stopp! Um Liebe und Freundschaft geht es doch. Die dem Lieblingsshirt gegenüber. Schön, wie dennoch viele Ebenen der Interpretation dabei eröffnet werden. Ein weiterer bemerkenswerter Beweis für kluges, wohlbedachtes Songwriting.
Wann Fangen Wir An?
Eine gute Frage. Am besten jetzt direkt. Mit dem Begeistertsein dieser Platte gegenüber. Mit dem Kauf derselben und einem dazugehörigen Tourticket. Denn diese selten-großartige Musik muss live gehört werden. Man darf gespannt sein, wie Alex Mayr und Konrad Henkelüdeke dies zu zweit auf die Bühne bringen. Ich schaue in Hamburg vorbei und werde berichten!
12.02. Heidelberg // Karlstorbahnhof
13.02. Wiesbaden // Schlachthof
14.02. Darmstadt // 806qm
15.02. Koblenz // Kulturfabrik
17.02. Wuppertal // Utopiastadt
18.02. Hannover // Lux
19.02. Kassel // FranzUlrich
20.02. Rostock // Helgas Kitchen
21.02. Hamburg // Nochtwache
22.02. Greifswald // Boddenhus
25.02. Berlin // Musik & Frieden
26.02. Nürnberg // MUZclub
27.02. Augsburg // Soho Stage
29.02. Stuttgart // clubCANN
01.03. München // Heppel & Ettlich
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