Freitag, 31. März 2017

Claire - Tides



Albumcover "Tides"
(sf) Nur ein Jahr nach Bandgründung landeten CLAIRE aus München mit ihrem Debüt “The Great Escape” (VÖ 2013) direkt auf Platz 38 der Deutschen Albumcharts und etablierten sich so bereits als einer der aufregendsten Newcomer-Acts Deutschlands. Es folgten Support-Shows u.a. für WOODKID und BASTILLE, eine restlos ausverkaufte Deutschlandtour, aber auch internationale Auftritte wie beim renommierten Kunst- und Musikfestival „SXSW“ in Austin oder beim New Yorker “CMJ Festival”. Für ihr zweites Studioalbum “Tides” kooperierte die Band u.a. mit Produzent Dave McCracken (Depeche Mode, Florence + The Machine). Ab 07.04. ist das Album erhältlich, wir haben heute schon mal für Euch reingehört.

Elektropop klingt ja zunächst mal nicht so sexy und arg nach 80’s, dazu noch die Info, dass die Sängerin einst bei einer Casting-Show mitgemacht hat – was kann man da schon erwarten? Aber hey, Klischees sind da, um sie zu kicken und CLAIRE gelingt es schon beim Album-Opener „Friendly Fire“, meine Füße und Hüfte in Bewegung zu versetzen. Glaubt mir, ich bin überzeugter Nichttänzer, aber ja, das gefällt mir. „End Up Here“ kannte ich vorher schon und fand es von Beginn an geil – sehr sphärisch, sehr atmosphärisch, sehr eingängig. Die Stimme von Josie-Claire Bürkle veredelt die Klänge ihrer vier Mitstreiter perfekt und verleiht dem Sound den noch fehlenden Schliff. Das ist großes Synchronschwimmen, echt.

Ich würde jetzt lügen, wenn ich behauptete, dass mir jeder Song des Albums voll zusagt, aber insgesamt bin ich megaüberrascht, dass ich mit „Tides“ als Gesamtwerk so viel anfangen kann. Für mich lebt Musik von Gitarren und/oder guten Texten - Erstere kommen selten vor, auf Zweitere habe ich bisher nicht geachtet, aber das Gesamtbild ist verdammt stimmig und den Münchnern gelingt es durchgängig, mich als kritischen Hörer zu fesseln. Wie konnte das nur geschehen?

Foto: Christoph Schaller (Universal Music)
Auf „Tides“ kreieren sich CLAIRE ihre eigene Soundwelt. Nachdem dem Quintett während seiner
UK-Konzertreise im September 2014 in London der Bandbus samt komplettem Equipment gestohlen wurde, geht man mit frischen Inspirationen neue Wege und hat Software gegen Hardware, und digitale Rechner gegen analoge Synthesizer ausgetauscht. Konsequenz: ein organisches, warmes und kantigeres Klangbild. „Wir arbeiten heute auf eine komplett andere Art, als auf unserem Debüt“, erklärt Keyboarder Nepomuk Heller. „Wir haben mit diesen alten Maschinen sehr viel rumgetüftelt. Alles braucht viel länger, als auf digitalem Weg. Doch auf diese Art muss man sich gezwungenermaßen sehr viel Zeit für ein Lied nehmen und sich viel intensiver mit den Stücken beschäftigen, als wenn die Songs am Rechner entstehen. Wir haben uns die Zeit genommen, die Songs reifen und sich entwickeln zu lassen; ihnen Luft zum Atmen gegeben. Es war uns wichtig, ein Stück eine gewisse Zeit liegen zu lassen, um es dann mit ‚neuen Ohren‘ zu hören. Dafür klingt heute alles lebendiger und echter. An einigen Stellen rauscht und brummt es; wir haben diesmal viele Fehler und Nebengeräusche einfach drin gelassen, weil sie den besonderen Charakter des Albums ausmachen.“

Da hat er Recht, der gute Mann. Das klingt gut, das klingt charismatisch und das ist kaufenswert!

In Kürze habt Ihr zudem die Möglichkeit, CLAIRE auch live zu erleben:

27.04.2017   Frankfurt – Zoom
28.04.2017   Köln – Luxorbereits
29.04.2017   Dresden – Beatpol
01.05.2017   Leipzig – Naumanns
02.05.2017   Hamburg – Mojo Club
03.05.2017   Berlin – BiNuu
05.05.2017   München – Muffathalle
06.05.2017   Stuttgart – Im Wizemann Club
08.05.2017   Nürnberg – Hirsch
11.05.2017   Mannheim – Feuerwache
12.05.2017   Regensburg – Mischwerk


 

Dienstag, 28. März 2017

Hello Piedpiper - "The Raucous Tide"

Fabio Bacchet alias Hello Piedpiper. Quelle: scheune.org
(ms) Denkt man an Musik aus Italien - egal welches Genre - kommt man nicht umhin, ein ganz schlimmes Bild vor Augen zu haben. Es ist geprägt von schmalzigen Balladen, ein bisschen Mama Mia und vielleicht etwas Amore. Hinzu kommt ein ganz furchtbarer Sänger, der mit Nachnamen wie ein durchschnittlicher Kräuterlikör heißt. Da stellen sich Nackenhaare mit den Fußnägeln zusammen aufrecht hin: Brrrr....
Dieses vorurteilsbehaftete Bild muss eindeutig gesprengt werden.
Und keiner ist dafür besser geeignet als der in Köln lebende Fabio Bacchet, der sich musikmachend Hello Piedpiper nennt. Am kommenden Freitag bringt er über K&F Records sein zweites Album "The Raucous Tide" heraus. Wie klingt es? Kurz und knackig und ohne Umschweife: So wie ein heißer Kandidat für die Top 5 der Alben des Jahres. Nicht mehr, nicht weniger!



Was bewegt uns zu dieser tollkühnen Behauptung?
Bacchet liefert hier nicht nur ein Album mit vielen erstklassigen Songs ab. Nein. Es könnte ganz große Filmmusik sein, so ausgewogen spielt er mit Stimmungen, Hochs, Tiefs und einem herausragenden Sinn dafür, wann welches Instrument oder seine Stimme im Vordergrund stehen sollte. Dabei bewegt er sich zwischen der dramaturgischen Klangwelt von Get Well Soon - nur ohne Gitarrenlast und Lautstärke - und feinstem Folkpop, wie wir ihn lieben.
Dieser besticht in vielen Nummern, wie dem Opener "Hunter", in dem das wandelnde Gitarrenspiel den Hörer positiv gemeint einlullt, wie eine liebe Spinne, die einem ein Netz webt, damit man sich darin niederlassen kann. Gitarren werden gezupft, leicht angeschlagen oder bieten die Grundlage für einen herrlichen Rhythmus. Dazu gesellt sich seine sehr gesettelte Stimme, die leise brilliert und laut beeindruckt.
Selten habe ich ein Song, der das Ableben eines lieben Menschen behandelt, so nah erleben können wie "Light Wood". Es trotzt nicht vor melancholischer Traurigkeit, sondern stellt ihr auch eine erlösende Leichtigkeit entgegen: Groß! Andere ernste Themen, wie der Einsatz von Soldaten, die zwischen Befehl und Gewissen stehen ("Ask For Them"), machen das Album inhaltlich breit. Erstaunlich aktuell und gesellschaftspolitisch kommt "Lampedusa" daher, das - schnell zu erahnen - die Geschichte eines Geflüchteten beinhaltet.
Leicht ist die Musik von Hello Piedpiper, sie geht wundervoll ins Ohr, überzeugt mit kleinen Chorsequenzen, Klavierparts und dem spatanischen Einsatz von Bläsern im Hintergrund. Zeit geben muss man den Liedern dennoch, dann entfalten sie ihre ganze Schönheit. Man kommt nicht umhin, diese Platte ganz groß zu finden. Hier biedert sich niemand an, sondern schlägt mit Raffinesse und Können um sich, aber sachte.

Schaut Euch Fabio mit Band bitte an. Hier:

14.04. - Stuttgart - Café Galao (+ Honig Solo)
15.04. - Aachen - Raststädte (+ Honig Solo)
20.04. - Erlangen - E-Werk (+ Honig Solo)
21.04. - Rorschach (CH), Treppenhaus (+ Honig Solo)
23.04. - Köln - Artheater (+ Honig Solo)
24.04. - Hamburg - Prinzenbar (+ Honig Solo)
25.04. - Berlin - Privatclub (+ Honig Solo)
26.04. - Dresden, Scheune (+ Honig Solo)
27.04. - Osnabrück - Kleine Freiheit (mit Spaceman Spiff + Patrick Richard)
28.04. - Mannheim - Kulturbrücken Jungbusch (+ Honig Solo)
29.04. - Wiesbaden - Walhalla Spiegelsaal (+ Honig Solo)
30.04. - Münster - Pension Schmidt, Münster (+ Honig Solo)

Montag, 27. März 2017

Nick & June - "My November My"

Der Blick so verträumt wie die Musik: Nick & June
(ms) Wenn ein Album vom gleichen Produzenten wie Philipp Poisel produziert wurde, spricht das nicht zwingend für das Album. Poisel nervt mit seinem pseudogefühlvollen Gejaule im Radio so brutal, dass es immer eine Challenge ist, den Rundfunkempfänger so schnell wie möglich auszuschalten oder auf Deutschland Radio zu wechseln, da wird man wieder herausgefordert.
Dass Udo Rinklin - ebenjener Produzent - auch ganz anders kann, beweist er eindrucksvoll auf dem zweiten Album des Duos Nick & June, die am Freitag über AdP Records "My November My" verlöffentlichen.
Es sind zwölf Songs, die mal melancholisch daherschwingen, mal voller Aufbruchstimmung glänzen oder zur romantischen Zweisamkeit einladen, ohne kitschig zu werden! Aber es sind nicht nur Lieder. Es sind Kapitel, kleine Bücher, Geschichten, die die Gedanken und Gefühle des November Boys schildern, der ein wenig fertig ist von der Welt und sich von dieser schlussendlich auch verabschiedet. Das erklärt auch die etwas sperrigen, sich dann aber erklärenden Titel wie "The Manifest: The Great Gatsby" oder "The Town: London City, Boy, It’s Killing Me".
Diese beeindruckende und ausgefuchste Idee, lassen auf ein großes, spannendes, abwechslungsreiches Album hoffen. Und ja: Diese Erwartungen werden tatsächlich erfüllt!



Schon bei ihrem Debut, "Flavour & Sin" wurden sie - nicht zu unrecht - mit dem Klang von Angus and Julia Stone vergleichen. Auch diese beiden schlagen in die Folkpop-Kerbe ein, die stimmungsvoller Filmmusik gleichkommt. Bei vielen Songs kommen einem auch schnell die Kanadier Stars in den Sinn (Was machen die eigentlich?).
So beginnt das Album mit einem sphärenvollen Intro und mündet in dem ersten schönen Lied, in dem der November Boy vorgestellt wird. Nick und June wechseln sich in den Gesangsparts ab, manchmal singen sie auch klassisch im Duett. Viele der Songs bauen sich - fast wie von allein - auf, die Akustikgitarre gibt dabei den Ton an, leise, schwebende Bläser sind oft das Sahnehäubchen!
Laut können sie auch, insbesondere im Finale von "The Universe: Tiger", gerne möchte man dazu tanzen gehen! In wirklich großem Gewand kommt "The Departure: Ships & Flags" daher, das mit "Ohh-ohh-ohhh"-Gesängen beginnt und sich zu einer herrlichen Perle des Albums entwickelt.
Wenn man an den November denkt - der zum Glück in diesem beginnenden Frühling noch weit, weit weg ist - kommt eine leise Ballade sehr recht. Diese Rolle nimmt "The Exitus: Autumn Bird" ein, dass es fast weh tut.
"My November My" ist ein schönes, abwechslungsreiches Folk-Pop-Album mit zwei herrlichen Stimmen, die sich ergänzen und toll miteinander harmonieren!

In diesen Städten und Clubs sind Nick & June bald unterwegs:

01.04. - Fürth – Kopf & Kragen
02.04. - Trier – Melodica Festival
06.04. - Hannover – Lindwurm
07.04. - Hamburg – Pooca Bar
08.04. - Bremerhaven – Findus
15.04. - Leipzig – Neues Schauspiel
22.04. - Griesheim – Kulturwerk
28.04. - Frankfurt – Lotte Lindenberg
29.04. - Wermelskirchen – Kattwinkelsche Fabrik
05.05. - Fürstenwalde – Club im Park
12.05. - Schweinfurt – Stattbahnhof
13.05. - Regensburg – W1
17.05. - Erlangen – E-Werk
19.05. - Magdeburg – Moritzhof
20.05. - Greifswald – Boddenhus
25.05. - St. Georgen – Bar Fümreif
27.05. - Thun – Café Mokka
30.05. - München – Heppel & Ettlich
01.06. - Gütersloh – Die Weberei
02.06. - Essen – Weststadthalle
08.06. - Berlin – Privatclub
17.06. - Salzburg – Corner

Freitag, 24. März 2017

Mighty Oaks - Dreamers


 (sf) Ich gebe es zu: ich bin kein großer Radiohörer. Überall "die besten Hits aus den 80ern, 90ern und von heute", überall Werbung und gefühlt stündlich die gleichen sogenannten Hits, die zu weiten Teilen auch nur deswegen gespielt werden, weil halt seitens der Labels dafür gezahlt wird. Hinzu kommt natürlich, dass mein Musikgeschmack sich jetzt nicht zwingend mit dem des durchschnittlichen Bayern 3- oder Antenne Vorarlberg-Hörers deckt. Soll ich Euch mal was verraten? Zuhause läuft - wenn überhaupt - Internet Radio (Array Radio, Indie Rewind, PULS, FM4, Substanz) oder Bayern 1. Ja, Bayern 1, dieser Sender, auf dem früher volkstümlicher Rotz verbreitet wurde, der jetzt aber tatsächlich ein Programm an den Start bringt, das mich nicht aufregt. Was das alles mit den Mighty Oaks zu tun hat? Hm, lasst es mich so ausdrücken: wenn mehr Musik wie die der drei Wahl-Berliner im Radio liefe, würde ich das Gerät möglicherweise auch öfter einschalten.

Klar, Ian Hooper und seine Mitstreiter Claudio Donzelli und Craig Saunders haben das Rad mit ihrem heute erscheinenden Album "Dreamers" nicht komplett neu erfunden, klingen über weite Strecken harmlos, aber das ist bitte nicht falsch zu verstehen. Die Mighty Oaks machen von A bis Z wunderschöne Musik und haben mit dem Vorgängeralbum nicht umsonst die Top 10 gestürmt. Sie sind also bereits bei den Großen angekommen und gelten dennoch nachwievor als Geheimtipp, als Underdogs. Ihre Songs brillieren mit handgemachter Musik und der Liebe zur Natur, von Folkmusik und Akustikgitarren, von Texten über Freiheit, Abenteuer, Fernweh und die Liebe, von Mandolinen und Harmoniegesang, von drei Jungs, die es aus ihren Heimatländern England, Italien und den USA über den Umweg Hamburg nach Berlin verschlug, um fortan gemeinsam auf der Bühne zu stehen.

Dennoch ist dieses neue, zweite Album sehr viel mehr als die Summe eben dieser Teile. Oder, um es mit Ian Hoopers Worten zu sagen, so viel „größer“ als diese. Zumal die Band sie konsequent ergänzt, ausgebaut und auf den Kopf gestellt hat – wobei die Veränderung sowie die Gewissheit, dass nichts jemals bleibt, wie es war, letztlich sogar zu einer Art Grundmotiv des Albums wurden.

Denn 2016 war ein Jahr der Zäsuren und Umbrüche. Ein Umstand, den Ian, Claudio und Craig selbst hautnah erlebten, als sie sich nach zwei Jahren des pausenlosen Tourens eine Auszeit nahmen und Berlin eine Zeit lang den Rücken kehrten, um in ihre Heimatländer zurückzukehren – ursprünglich mit dem Ziel, neue Energie zu tanken. Aus der Pause zum Durchatmen wurde eine Phase, die für das Songwriting zum kommenden Album ganz besonders prägend sein sollte. Denn gerade die USA, Großbritannien und Italien gehören schließlich zu den Ländern, welche die gesellschaftlichen Umwälzungen ganz besonders zu spüren bekamen.

All das hört man auch in „Dreamers“ – Sehnsucht, Wandel und Vergänglichkeit sind wiederkehrende Themen und werden in einer faszinierenden Schönheit mal herzzerreißend, mal verträumt und mal einfach nur voller Wärme dargeboten. Zwischendurch (bei mir persönlich ist es der Track „Don’t Lie To Me“) wünscht man sich, das Album möge nie enden, aber Gott sei Dank gibt es ja die Repeat-Funktion und man kann von vorne beginnen.

Und auch live können wir uns bald von den Mighty Oaks überzeugen lassen:

12.04.2017    Hamburg - Große Freiheit
25.04.2017    München - Muffathalle
28.04.2017    Frankfurt - Batschkapp
29.04.2017    Köln - Live Music Hall
30.04. 2017   Stuttgart - Wizemann
02.05.2017    Leipzig - Felsenkeller
03.05.2017    Berlin - Astra

 

 

Mittwoch, 22. März 2017

Krakow Loves Adana - "Call Yourself New"

Krakow Loves Adana
(ms) Kurzer unumständlicher Einstieg zum Thema "Faszination von Stimmen":
Ich schaue gern die Serie New Girl, der Humor ist spitze, die Schauspieler super und es ist herrlich kurzweilig. In der ersten Staffel spielt Lizzy Caplan für ein paar Folgen die Freundin von Nick. Im Deutschen hat sie eine herausragende Synchronsprecherin. Die Stimme ist ein Mix aus verführerisch, geheimnisvoll, jemand, mit dem man sich gern unterhalten möchte, weil man gerne zuhört. Und ja - sie klingt auch sexy. Das kann ein Nachmittag bei Kaffee und Kuchen sein, oder ein Abend mit zwei, drei, vier Bier, weil auf den Zuhörenden eine stimmliche Faszination ausgeübt wird.
Damit sind wir automatisch bei "Krakow Loves Adana", der Hamburger Band um Deniz Cicek und Robert Heitmann. Denn singen tut nur sie, Deniz. Und wie!
Diesen Freitag, am 24. März, bringen sie auf dem eigenen, neuen Label Better Call Rob ihr drittes Album "Call Yourself New" heraus mit zehn wundervollen Songs voller Gefühle, Intensität und raumeinnehmendem Sound.
Der ist auch mal schroff und etwas rau, entwickelt aber in beinahe jedem Song eine Herrlichkeit, der kaum zu entgehen ist.
Der charakteristische Klang macht sich im Einsteiger des Albums "Darkness Falls" bemerkbar: ein etwas schrammeliges Schlagzeug, treibende Gitarren, darüber ein paar Saiten- und Klaviereffekte. Auf diesem Teppich breitet sich Deniz' Stimme aus, die wunderbar voll und tief ist. Im Refrain setzen im Hintergrund noch ganz dezent Bläser ein, die Krakow Loves Adana den letzten Schliff geben.



Bevor es mit den anderen Songs weitergeht, ein kurzer Ausflug zum Titel des Albums und zum Namen der Band. Beide hängen eng miteinander zusammen. Deniz und Robert haben sich des Nachts in Bielefeld kennengelernt, leben länger schon in Hamburg und sind nicht nur ein Paar sondern auch diese Band. Deniz' familiäre Wurzeln liegen in der Türkei, Roberts in Polen, sodass der Name klug und schön ausgewählt ist. Ein bisschen mehr europäische, liebevolle Völkerverständigung kann es dieser Tage gut gebrauchen!
"Call Yourself New" heißt es nun. Eine Neuerfindung seiner selbst klingt schnell nach einem esoterischen Kalenderspruch. Wirklich umgesetzt haben die beiden dieses Motto: Trennung vom alten Label, Gründung eines eigenen, stärkere Konzentration aufs Songwirting. Also alles in eigenen Händen halten - klappt wunderbar!
In "Oh What A Drag" spielt das Album seine Indie-Seite auf, es ist etwas ruhiger; ähnlich auch "Dirty Drug". Die dunkelste und mysteriöseste Seite der Platte ist sicherlich auf "Never Quite Right" zu hören, das den aufmerksamen Zuhörer in einen Sog ziegt, aber nicht nach unten.
Dass die Band ihre Videos in einem schwarz-weißen Gewand hält, passt wirklich gut zur Musik. Die Songs laden ein zum Tanzen, zum ruhig innehalten, meinetwegen auch zum melancholischen Besäufnis allein. Das Album ist gerade mal etwas länger als eine halbe Stunde mit seinen zehn Songs, doch man möchte, dass es gar nicht mehr aufhört!

Dort spielen die beiden demnächst live:

25.04. - Hamburg - Nachtasyl
26.04. - Berlin - Monarch
27.04. - Dresden - Ostpol
16.- 20.08. - Köln - c/o pop Festival

Hier ein älterer Song:

Dienstag, 21. März 2017

Dear Reader - "Day fever"

Quelle: project140.co.za
(ms) Der Anfang dieser Geschichte nimmt vor gut acht Jahren in Nijmegen (Holland) seinen Lauf. Da ich immer spät dran war, hatte ich noch keinen Führerschein, wollte aber dringend Get Well Soon auf Tour live sehen. Mit Mühe und Not konnte ich in wochenlanger Belagerung mit der Erwartung eines tollen Konzertes meinen Vater überreden, nicht nur den Fahrer zu spielen, sondern auch das Konzert mit anzusehen. Wir wurden belohnt mit einem tollen Club - dem Lux - und einem unfassbaren Konzert.
Als Vorband spielten Dear Reader. Ihr Debut "Replace Why With Funny" ist gerade erst erschienen und meines Wissens wohnte Cherilyn noch nicht in Berlin, sondern in Südafrika. Angetan vom Konzert, hielt ich die Band im Fokus und wurde - man muss es so sagen - Fan und sah sie bislang acht Mal live. Umso größer natürlich die Freude, dass ein neues Album erscheint. Die Ankündigung gab es letztes Jahr, "Day Fever" erschien im Februar. Der erste Vorbote, "I Know You Can Hear It" überraschte dann ziemlich stark. Statt großem Indiepop mit umfassender Besetzung, ging es hier extrem ruhig zu. Die ganzen 3:45 Minuten habe ich auch das Hoch des Songs gewartet, es kam nicht. Hm. Auch die zweite Auskopplung, "Then Not Now" ging in eine ähnliche Richtung. Vom alten Stil nichts zu erhören.



So kam ich anfangs schwer ins Album rein, trotz dass es sich im schillernden Magenta auf dem Schallplattenspieler drehte und drehte.
Fürs Verständnis des Albums half ein Interview mit Deutschlandradio Kultur. Das Songwriting war weniger programmatisch als beim Vorgänger "Rivonia", der Aufnahmeprozess in Los Angeles auch! Ihr wurde ans Herz gelegt, die Instrumentalisierung zu reduzieren. Und dann nochmals. Und noch ein weiteres Mal. Das Ergebnis ist zu hören. In jedem Song, in jedem Takt!
Auch, dass sich Sam - der mit Wallis Bird auf Tour ist/war - und Emma nicht mehr so an Bord der Liveband befinden wie vorher, hatte sicherlich großen Einfluss.
Es dauerte ein paar Wochen und Anläufe, bis sich mir die Schönheit des Albums komplett entfaltet hat. Aber dann mit Wucht! Die dezenten Sounds, das seichte Gitarrenspiel, kaum Schlagzeug, nur ein paar Percussion, lassen Cherilyns Stimme erst recht ihr Können ausbreiten und harmoniert mit dem Chor im Hintergrund phantastisch. Als beste Beispiele gelten "Wake Him" oder das herrlich-schöne "Oh The Sky" zu Beginn. Dass nun ein paar Synthies oder auch ein Akkordeon Teil der Dear Reader-Klangwelt sind, stört überhaupt nicht.
Ein weiterer Aspekt macht sich auf der Platte bemerkbar: Eine Band muss sich weiterentwickeln. Man will wirklich nicht stets das Gleiche hören. Das tut man dann live irgendwann sowieso (außer die alten Songs erscheinen im neuen Gewand). "Day Fever" von Dear Reader ist der absolute Beweis, dass Mut und eigenes Können genau dieses tolle Ergebnis liefern.
Jetzt läuft die Platte bei mir übrigens auf Heavy Rotation und immer wieder "Nothing Melodious" als absolutes Herzstück der Platte!

Hier ist sie mit Band live unterwegs:

21.03 - Cafe Video - Gent
22.03 - Bogen F - Zurich
23.03 - Milla - Munich
24.03 - Early Spring Songwriter Festival - Saalfelden
25.03 - Spielboden - Dornbirn
26.03 - Merlin - Stuttgart
27.03 - Nato - Leipzig
22.04 - Hanse Song Festival - Stade
16.06 - Maifeld Derby - Mannheim

Montag, 20. März 2017

Daniel Brandt - "Eternal Something"

Brandt am Meer. Foto: Andreas Waldschuetz
(ms) Daniel Brandt. Er der erste im Namen des Berliner Experimentalprojekts Brandt Brauer Frick und bringt am 24. März sein erstes Soloalbum auf Erased Tapes raus. Letztes Jahr haben wir schon das neueste Werk der drei Elektrokomponisten besprochen und waren von "Joy" sehr angetan; trotz oder wegen des komplexen Sounds.
Liest man nun, wie "Eternal Something" entstanden ist, bleibt einem nichts anderes übrig als die Behauptung, dass es auch wieder sehr quer, schräg, wild und phasenweise eventuell auch anstrengend angehen kann. Denn ursprünglich sollte es ein reines Becken-Album sein, der Teil des Schlagzeugs, der den Tusch ertönen lässt. Dafür zog er sich anfänglich in die Ferienhütte seines Vaters in den Taunus zurück und experimentierte drei Tage lang. Doch richtig zufrieden schien er mit der Umsetzung der Urspungsidee nicht. Folge: Es sollen mehr Instrumente dazu. Am besten noch an einem anderen Ort!
Oder in den Worten Brandts: "Während eines zweimonatigen Roadtrips durch Kalifornien hatte ich endlich die Zeit, mich außerhalb meines gewohnten Umfelds, an unbekannten Orten und mit für mich zuvor ungenutzten Instrumenten, intensiv mit dieser Idee auseinanderzusetzen."



Das Ergebnis: Acht Tracks, die es in sich haben und musikalische Grenzen einstürzen lassen.
Dafür braucht selbst der erfahrenste Multiinstrumentalist etwas Unterstützung, die er sich unter anderem bei Manu Dealgo, Andreas Voss (Cello) und Florian Juncker (Posaune) holte.
Das erste Stück ist schon nichts für romantische Stunden. "Chaparral Mesa" entwickelt sich über 8 Minuten zu einem komplexen Sound-Wirrwarr. Als Leitlinie fungiert der gleichbleibende Bass, darüber erstrecken sich Sythie-Sequenzen, Percussion und gezupfte Gitarren. Diese Musik ist absolute Typsache, sie kann in ihrer Struktur herausfordernd gefallen oder abstoßend missfallen.
"FSG" hat in seiner wenig fassbaren Form Ähnlichkeiten zu einem Flug im All; der Klang ist leichter, sphärischer - ja, wie in einer fremden Sprache geschrieben.
Es ist daher gar nicht so abwegig, dass er als Support für The XX in London spielt und das Album auf dem selben Label von Nils Frahm oder Olafur Arnalds erscheint.
Nervös geht es bei "The White Of The Eye" zu: treibende Percussion gepaart mit Stakkatoklängen der Posaune lassen einen hypnotisch-gestressten Zustand erahnen, in dem die Augen durchdrehen.
Zum Glück ist auch der Track "Turn Over" auf der etwa dreiviertelstündigen Platte enthalten, der etwas Ruhe einbestellt, wenn auch mit teils disharmonischen Bläsereinschüben.
"Eternal Something" ist reife Filmmusik, für die der Film noch fehlt.
Andererseits ist es dem Hörer so viel einfacher angetan, selbst Bilder im Kopf entstehen zu lassen!

Dieses bis jetzt feststehende Konzert wird sicherlich fulminant:

15.05.2017 Berlin - Kantine am Berghain

Donnerstag, 16. März 2017

Live in Münster: Bender & Schillinger

Bender & Schillinger in der Roten Lola. Foto: Luserlounge
(ms) Die Band heißt Bender & Schillinger, der Club heißt Rote Lola, die Stadt heißt Münster, der Wochentag ist Dienstag. Diese vier Komponenten haben diese Woche so herrlich harmoniert, dass daraus ein furioser Konzertabend im kleinen Kreis geworden ist. Gut fünfzig Leute sind in das Jagdzimmer der Lola gekommen, um zu tanzen, klatschen, träumen.
Linda Bender und Chris Schillinger sind seit Dienstag auf "Mountains & Valleys"-Tour. Die gleichnamige Single ist der erste Vorbote ihres dritten Albums, das das Duo wahrscheinlich im September veröffentlichen wird.
Die Hälfte des kleinen Konzertraumes war mit allerhand Instrumenten vollgeladen: ein Marimaphon, Percussion, Schlagzeug, mehrere Gitarren, Keyboard mit allerhand Effekten und zwei berauschenden Stimmen. Das heißt: es wird geloopt, Plätze gewechselt und Klangwelten nach und nach aufgebaut. Und genauso geschah es aus. Das Ergebnis war ein etwa eineinhalbstündiger Gig, bei dem die Zuschauer manchmal aus dem Staunen nicht raus kamen, so gut waren die beiden an ihren Instrumenten. Das Herzstück des Abends war sicher "Train", das über mehrere Minuten zur Entfaltung gebracht wurde, die neue Single "Mountains & Valleys" und das etwas ältere "It's About Time". Linda und Chris wechselten zwischen Balladen, Folkpop, Indie-Lovesongs und tanzbaren Rocknummern.
Logisch, dass die aufmerksamen Zuhörer schnell eingenommen wurden, so überzeugend waren die beiden, die einen Sound für eine ganze Band heraufbeschwörten. Hier muss das musikalische Talent von Linda und der charakteristische Gesang von Chris gelobt werden: Herrlich!

Die beiden sind noch eine Weile unterwegs.
Nur ein Lump bleibt zuhause und verpasst ein denkwürdiges Konzert!
Gleichzeitig sammeln sie über Startnext Gelder, um das neue Album zu finanzieren. Lieber Leser, mach mit, die Band freut sich und Du bekommst ein tolles Album oder ein Konzert oder oder...

16.03.17 Braunschweig - DRK Kaufbar
17.03.17 Würzburg - Cairo
28.03.17 Frankfurt - Ponyhof
29.03.17 Stuttgart - Galao
30.03.17 Gießen - Ulenspiegel
01.04.17 Trier - Melodicafestival
18.04.17 München - Heppel & Ettlich
19.04.17 Bamberg - Freiraum
21.04.17 Berlin - Barkett
22.04.17 Magdeburg - Volksbad Buckau
25.04.17 Kiel - Prinz Willy
26.04.17 Lübeck - Tonfink
27.04.17 Hamburg – Häkken
29.04.17 Fröndenberg - Kulturschmiede
02.05.17 Köln - Die Wohngemeinschaft

Mittwoch, 15. März 2017

Decaying Days - "The Fire Of A Thousand Suns"

Heute in Schwarz: Decaying Days aus Münster. Foto: Decaying Days
(ms) Direkt ein unangebrachter Vergleich am Anfang einer Rezension: Black Sabbath haben ihr Ende nach 49 Jahren angekündigt! Was für Pioniere mit Höhen und Tiefen und immer noch nachwirkenden Einflüssen auf die Musikgeschichte. Insbesondere auf den Hardrock, Metal und das Erschaffen eines eigenen Genres: Doom Metal.
Nicht in der Tradition von Ozzy und Co., aber im irgendwo gleichen Stil beheimatet sind Decaying Days aus Münster, die an diesem Freitag ihr erstes Album "The Fire Of A Thousand Suns" unter Eigenregie veröffentlichen.
Nein, viel mehr gemeinsam als die lexikalische Bezeichnung der Musikrichtung haben beide Bands nicht. Wahrscheinlich sind Black Sabbath einfach zu alt und - hier ist einer der Stellen an der man das mal sagen darf - legendär, um irgendeinen (!) Vergleich heranzuziehen.

Gegründet hat sich die Band im Kern vor sieben Jahren, haben Ideen entwickelt und wieder verworfen, Musiker kamen und gingen wieder bis Nico, Hannes, Daniel, Manuel und Tobias vor zwei Jahren ihrer Leidenschaft ein professionelles Gewand gaben.
Decaying Days spielen Doom Metal mit melodiösen Elementen, standfestem Growling, harten Gitarren und einem oft treibenden, satten Schlagzeug. Genauso soll es sein. Doch, Halt! Es wäre zu einfach der Band nur einer Unterart des Metal zuzuschreiben. Klüger wäre es, Song für Song abzuwarten und dann zu sortieren.



Nach einigen, kleineren Gigs in der Vergangenheit haben sie sich im Januar ins Studio eingeschlossen, um ihr 11-Track langes Debut aufzunehmen.
Ruhig, düster und neugierig machend beginnt das Album mit einem etwa einminütigen instrumentalen Intro, das nahtlos in "Eye Of The Storm" mündet. Und hier wird ihre Gangart schon mit mehr Konturen versehen: eine harte, tiefe Rhythmusgitarre, Growling, eine Melodiegitarre, die das Motiv des Songs bildet. Gepaart mit Bass und Schlagwerk, ist der Hörer schnell geneigt im Takt mit dem Kopf zu nicken. Stark!
Brachialer, mit mehr Wumms geht es auf dem folgenden Track "Waves Of Neglect" zu (s.o.). Der Abwechslungsreichtum ist oft zu hören, wie wenn zum Beispiel in "Empty World" eine Radio- oder Fernsehkommentar im Hintergrund eingespielt wird oder klarer Gesang am Anfang von "A Thousand Suns". Letzteres überrascht auch mit ruhigeren Bridges, die jedweder Eintönigkeit jeden Raum nimmt.
Noch ein Wort zum Gesang: Growling heißt auch dieser Platte nicht stumpfes Rumgeschreie, bei dem überhaupt nichts mehr zu verstehen ist, was an vielen Metalbands tierisch nervt. Nein, hier ist viel zu verstehen beim Text. Und wer mitbrüllen will, dem ist im Booklet weitergeholfen. Vom Gesang zu den Lyrics. Nein, lieber Leser, es geht nicht um Satan, Tod oder einem anderen Klischee-Metal-Thema. Vielmehr beschäftigen die Songs sich mit dystopischen Zukunftsvorstellungen wie einem nuklearen Fallout, aber auch persönlichen Elementen wie Reue und Isolation. Absolut menschlich, absolut groß!
Ein kurzes Gitarrenintermezzo wie bei "Forever Gone" tut nicht nur der Platte gut, es kann auch live als kurze Verschnaufpause dahin halten.

Und so hat man in keiner Sekunde auf dem Album das Gefühl, dass hier Amateure am Werk sind. Der Band ist von tiefstem Herzen zu wünschen, dass sich ein Label und Vertrieb findet. Es gibt keinen Grund zur Annahme, wieso sie in Zukunft nicht auf mittelgroßen Festivals spielen sollten.
Bis dahin spielen sie hier demnächst live:

17.03 - Münster - Triptychon
26.03 - Münster - Rare Guitar
22.04 - Gronau - Jugendzentrum Stop

Das Album könnt ihr via Bandcamp bestellen!



Freitag, 10. März 2017

Adna - "Closure"

Cover vom neuen Album.
(ms) Das Musik-Geschäft ist sehr schnelllebig geworden. Klingt nach einer Plattitüde, erweist sich oft genug jedoch der Wahrheit. Beim Stöbern und Nachforschen entdeckt man Künstlerinnen und Künstler, die den Hörer mit einem Song zusagen, überwältigen, der dann auf Heavy Rotation daheim läuft und zack! hat man sie oder ihn aus dem Auge oder dem Ohr verloren.
So ist mir das mit der Schwedin Adna ergangen, die seit einiger Zeit in Berlin lebt. Wir haben sie sogar für 2015 im Auge behalten und verloren.
Jetzt ist sie wieder da mit einem neuen, ihrem dritten Album "Closure", was abschließen oder der Verschluss bedeutet. Wovon, mag man sich fragen. Oder auch: Was treibt die junge Dame an, sich herrlich düstere, leicht melancholische und daher faszinierende Musik zu schreiben?! Ihr früherer Song "Night" und die Live-EP "Smoke" lassen keinen Zweifel daran, dass hier Talent und Passion verschmolzen sind. Ihre Stimme ist warm und kräftig, kann laut und leise und steht bei ihren Liedern im Vordergrund. Sie wird von normaler Bandbesetzung und einigen Synthie-Effekten unterstützt.



Lediglich neun Songs groß ist "Closure".
Doch mehr braucht es hier tatsächlich nicht, um Stimmungen zu erzeugen, Bilder im Kopf zu projizieren und ein wenig Weltschmerz herauf zu beschwören.
Ihre Stimmung und auch ihr Gesangsstil bewegt sich zwischen Cherilyn MacNeil (Dear Reader) und Lana Del Rey. Beides Frauen, die wirklich unterschiedliche Musik machen, doch gesanglich treffen sie sich bei Adna.
Bevor wir zu einzelnen Stücken des Albums kommen, kann vorher schon festgehalten werden, dass sie besser nicht in Ottonormal-Clubs spielen sollte und nur wenige Festivals wie das Maifeld Derby oder Traumzeit Festival würden ihr eine ehrwürdige Bühne geben für diese Art von Musik. Für eine Tour sollte sie in Kirchen singen. Denn die musikalische Begleitung ist herrlich dezent, bricht nie heraus, alle Instrumente lassen die Stimme im Vordergrund ihre Wärme und Kraft entfalten. Warum nicht in hohen Gewölben und etwas Sakralem?!
So beginnt das Album mit dem Titeltrack "Closure", mit eine Hi-Hat, sanftem Klavier und dann ihrer Stimme, die den Raum einnimmt. Gitarren und Percussion komplettieren die Instrumentalisierung. Im Refrain fragt sie: "Are you somewhere else now?" Die Stimmung lässt eine Verneinung der Frage erahnen; Melancholie bäumt sich auf, wird aber nicht zur Traurigkeit.
Erstaunlich leise und dafür um so kraftvoller geht es bei "Leave" zu. Leicht wäre es, dies als die Quoten-Ballade abzustempeln, der Song ist jedoch genauso Herzstück des Albums, präsentiert er die Stärken der Schwedin: eine harmonische Ausgeglichenheit des Sounds, der dunkel und schön ist.
Bei "If" sind eindeutig Sythie-Effekte zu hören, das der Qualität des Albums kein Abbruch tut.
"Closure" ist ein Album, das den Hörer nicht runterzieht, auch wenn man das nach den ersten Tönen meinen könnte. Man sollte viel mehr jeden Track genießen wie einen reifen Käse oder einen vollmundigen Wein; mit der oder dem Liebsten oder auch allein.




Mittwoch, 1. März 2017

Mit Chilly Gonzales und Jarvis Cocker auf "Room 29"



Quelle: exclaim.ca
(sf) "You are such a jerk, you're a tearjerker. You don't need a girlfriend, you need a social worker."
Schon die ersten paar Zeilen des Tracks "Tearjerker" geben die Richtung vor, die Chilly Gonzales und Jarvis Cocker auf ihrem Album "Room 29" einschlagen. Es geht um Randgestalten unserer Gesellschaft, allerdings anders als man erwarten würde: das wohl spannendste Projekt des noch jungen Musikjahres ist nichts anderes als ein ungemein intelligentes und unterhaltsames Konzeptalbum, das den Zuhörern auf eine Reise durch die Geschichte des am westlichen Ende von Hollywoods Sunset Boulevard gelegenen Hotels Chateau Marmont mitnimmt.

Aber was erwartet uns dort? Nicht mehr und nicht weniger als ein Liederzyklus für das 21. Jahrhundert, der das Leben einiger früherer Bewohner von Zimmer 29 wieder zum Leben erweckt und die Fantasiewelt Hollywoods beleuchtet - aber auch dessen raue Realität.

Schon Howard Cohn, der Gründer von Columbia Pictures, sagte im Jahr 1939: "Wenn Du Ärger haben willst, dann am besten im Chateau Marmont." 2012 inspirierte der Aufenthalt in einem der Zimmer den britischen Texter und Sänger Jarvis Cocker (PULP), sich mit der Geschichte des Hauses und seiner Gäste zu beschäftigen und führte schließlich zur Kollaboration mit dem kanadischen Komponisten und Piano-Virtuosen Chilly Gonzales. Dass in Zimmer 29 ein Flügel stand, inspirierte ihn schließlich zu diesem Werk, das am 17. März bei Deutsche Grammophon erscheinen wird.

Cocker stellte sich die Frage, wie es wohl wäre, wenn eben dieses Instrument in der Lage wäre, von den Ereignissen im Raum zu "singen". Diese Idee regte auch Chilly Gonzales' Phantasie an und schickte die beiden Künstler auf eine dreijährige kreative Reise, auf der sie Einzelheiten über Gäste wie Jean Harlow, Mark Twains Tochter Clara oder den mit Hollywood-Größen befreundeten Gangsterboss Meyer "Mickey" Cohen aus Los Angeles ans Licht brachten.

Die Lieder erzählen einige dieser Geschichten, erfassen aber ebenso die Einsamkeit, die dieses Hotelzimmer spiegelt, und die Art, wie bewegte Bilder die Menschen auf ihnen kaum begreifliche Art "bewegten". Auch wenn uns die Protagonisten der Songs größtenteils unbekannt sein dürften, so erkennt man doch die Einsamkeit, die Verzweiflung, aber auch gelegentliche Jubelsprünge wieder und begleitet fremde Menschen auf einem Teil ihres Weges. Teilweise klingt das Album wie eine vertonte manische Depression - und das ist irgendwie verdammt sexy.

Quelle: chillygonzales.com
Gonzales und Cocker nutzen die Form des Liederzyklus aus dem 19. Jahrhundert, die genug Raum
bietet für das große Spektrum von Emotionen und geistigen Verfassungen, die durch die realen oder fiktiven Dramen in einer nicht alltägigen Hotelsuite entstehen. "Room 29" wird zum Sinnbild eines Ortes, den jeder von uns in sich trägt, wo unsere tiefsten Wünsche und Fantasien beheimatet sind.

Wer dieses Spektakel live erleben möchte, der hat 2017 auf einigen Sommerfestivals und an folgenden Terminen die Chance dazu:

17.03. Hamburg, Kampnagel
18.03. Hamburg, Kampnagel
19.03. Hamburg, Kampnagel
23.03. London, Barbican Theatre
24.03. London, Barbican Theatre
25.03. London, Barbican Theatre
27.03. Berlin, Volksbühne
28.03. Berlin, Volksbühne
29.03. Berlin, Volksbühne
07.04. Paris, La Gaite Lyrique