Freitag, 12. Dezember 2025

KW 50, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / NajmunNahar
(Ms) Festivals kommen und gehen. Beide Schritte haben oft ähnliche Gründe. Gründe für das Kommen: Bock, Bands eine Bühne geben, die (Sub-)Kultur fördern. Gründe für das Gehen: Meistens sind sie wirtschaftlicher Natur. Dass das Appletree 2027 pausiert, kommt bestimmt auch nicht von ungefähr. Genauso das Aus des Maifield Derbys in seiner vorherigen Form. Rheinkultur, BootBooHook, die Liste ist lang. Doch sie tut ein bisschen weniger weh, wenn klar wird, dass es auch immer noch genug passionierte Menschen gibt, die neue Festivals aus dem Boden stampfen. Zum Beispiel das Fairweather Fest in Bremen. Es war in diesem Jahr ein super spannendes Wochenende. Ich kannte so gut wie keine Band, habe viel kennengelernt und viel davon hat mich stark überzeugt. Flight Mode laufen regelmäßig daheim hoch und runter. Eine Band, die ich sonst sicher nicht auf dem Schirm hätte. Ein Datum für kommendes Jahr gab es direkt am Ende des diesjährigen Wochenendes: Am 5. und 6. Juni wird es wieder laut im Lagerhaus, Calavera, Eisen und in der Lila Eule. Und bereits in dieser Woche verkündeten die Organisatoren einen großen Schwung an Namen: Brockhoff, Between Bodies, Abramowicz, Swoon, Still Talk, Harker, Emperor X, State Power und noch viel mehr. Geil - ich kenne wieder kaum was und bin nun schon wieder ganz gespannt, wer mich im Sommer 2026 im Viertel überraschen wird. Danke an die Energie dieses Teams!

Fatoni
(Ms) Man könnte sagen: Fatoni ist wieder da! Doch er war nie weniger weg als in diesem Jahr. Nur halt nicht solo. Mit Juse Ju und Edgar Wasser veröffentlichte er BAWS und spielte Sonntagmittag auf dem Watt En Schlick. Stark! Nun haut er mit Nachos den nächsten Banger raus! Und was hat Dexter für einen unglaublichen Beat dazu gebastelt. So viel Kopfnickerqualität war lange nicht zu hören - geil! Dazu ein Track, der hellwach unsere Gesellschaft analysiert und zeigt, wie die Faschos an die Macht kamen und wer mit unserer unendlichen Bildschirmzeit Geld verdient. Das haut zum Einen richtig gut in die inhaltliche Kerbe und holt mich auf der Anderen musikalisch auch richtig doll ab! Klar, da wird noch eine Platte folgen in kommenden Jahr. Die Sneak Peak-Tour ist seit Langem angekündigt und sollte auf jeden Fall besucht werden. 2026 - Fatonis Jahr?

05.03. - Erlangen, E-Werk
06.03. - Wiesbaden, Schlachthof
07.03. - Münster, Sputnikhalle
12.03. - Wien, Arena
13.03. - München, Muffathalle
14.03. - Stuttgart, Wagenhallen
19.03. - Köln, Carlswerk Victoria
20.03. - Hannover, Capitol
21.03. - Hamburg, Große Freiheit 36
27.03. - Leipzig, Felsenkeller
28.03. - Berlin, Columbiahalle


Fjørt
(Ms) Wenn die Töne dieser Band und insbesondere dieses Tracks erschallen, bleibt mein Herz kurz stehen, die Hände werden schwitzig und ein scharfer Stich geht durch mein Herz. Fjørt hauen den nächsten Kracher ihrer kommenden Platte belle époque raus und treffen mal wieder den Nagel auf dem Kopf. Ich finde es extrem beeindruckend, wie selbstkritisch diese Band in vielen ihrer Texte ist, so gut wie jedes Mal fühle ich mich auf selbigem Fuß falsch ertappt. Messer heißt ihre neue Single, in der sie uns in der Pechschwarz-Ära willkommen heißen. „Ich kann das nicht besser / Bin mal wieder mein eigenes Messer.“ Stark auch, wie viel Interpretationsspielraum sie uns bieten. Denn das Messer kann in diesem Fall sehr viel sein: Selbstzweifel, zu viel Grübelei, fehlendes Vertrauen. Gefühlt dreht die Aachener Band mit ihren neuen Tracks die Wucht eben jener noch ein Grad weiter auf - beeindruckend!

11.03. München, Technikum
12.03. Jena, Kassablanca
13.03. AT - Wien, WuK
14.03. Leipzig, Werk 2
18.03. Berlin, Festsaal Kreuzberg
19.03. Wiesbaden, Schlachthof
20.03. Dortmund, FZW
21.03. Hamburg, Gruenspan
25.03. Bremen, Schlachthof
26.03. Hannover, Capitol
27.03. Stuttgart, Im Wizemann
28.03. Köln, E-Werk


Naked Lunch
(Ms) Vor 33 Jahren erschien das erste Album von Naked Lunch, zuvor veröffentlichte die österreichische Band bereits eine EP. Diesen Herbst brachten sie ihre neuste Platte raus. Was hat diese Band nicht alles erlebt. Wechsel in der Besetzung, der Beinahedurchbruch, der reelle Niedergang, die Neuerfindung, das an-sich-glauben. Puh! Songs For The Exhausted ist sicher das Album, das die Band am meisten zu sich selbst gebracht hat nach dem ganzen internationalen Hochgejazze. Insbesondere God ist ja bis heute ein unglaubliches Lied. So viel Wucht, so viel Schönheit, so viel Brutalität, so viel Zärtlichkeit. Vor 21 Jahren erschien diese Platte und sollte nichts anderes als einen erfolgreichen Neuanfang markieren. Nun veröffentlicht Tapete Records dieses wunderbare Album erneut und das erste Mal überhaupt auf Vinyl. Wenn man ein Album dieser Band in der Sammlung stehen haben sollte, dann sicher dieses.


Grim104
(ms) Hinsetzen für diesen Track. Denn die Energie von Grim104 haut einen schnell mal um. Diese Giftigkeit in seiner Stimme und wie er so gut wie jede Zeile dahin keift - das ist schon sehr beeindruckend und in den Bann ziehend. Grim104 als der Rapper, für den keine Grenzen mehr gelten, das Monster aus dem norddeutschen Sumpf. „Ich fress als Henkersmahlzeit das ganze Schafott.“ Was für Zeilen aus diesem Typen nur kommen. Ein dunkler Moloch, der sehr viel Sogkraft erzeugt und unmissverständlich seinenStandpunkt zur Musikindustrie klar macht. Mantra heißt seine neue Single, die ab dieser Woche wuchtig ballert und den nächsten Vorgeschmack auf seine neue Platte No Country For Old Grim bietet. Hui, das wird heftig!


Hi Mum
(Ms) Manchmal rauschen doch recht seltsame Gedanken durchs Hirn, oder? Vor einigen Jahren dachte ich, ich lerne nichts mehr dazu. Was für ein brutaler Quatsch. Ich habe auch keine Ahnung, aus welcher Hirnwindung das denn kam. Jeden Tag kommt was Neues dazu, ich Depp. Und vor einiger Zeit lernte ich hinzu, dass ich Shoegaze sehr gern mag. Diese breiten, kräftigen Soundflächen, die von wuchtigen und oft eher langsamen Gitarren dominiert werden. In den Strophen nehmen die sich oft ein wenig zurück, um dann nur umso stärker wieder auszubrechen. Heutiges Superbeispiel: Hi Mum! Die Nachfolge-Band von Maffai legt am 26. März ihr Debut hin und Ghostwood könnte überragend werden, wenn der Klang der ersten Singles darin fortgesetzt wird (wovon ja irgendwie auszugehen ist). Viel Kraft, viel Intensität, viele aufgedrehte Regler, viel Krach in dem ich mich ganz schnell verlieren kann. Was für eine irre Schönheit der Lautstärke!

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Oehl - Dunkle Magie

Foto: Tim Cavadini
(Ms) Weihnachten steht vor der Tür. Ein teils bizarres Fest, bei dem Gemütlichkeit und entspanntes Zusammensein auf Knopfdruck geschehen sollen. Festlich gemeinsam die Tage verbringen und füreinander da sein. Ja, wenn das mal so einfach wäre… Zugleich unterliegt diesem Fest ein absurder Kaufrausch und das Motto: Futtern, futtern, futtern. Dabei kann es so schön sein, mit seinen Liebsten ein paar Tage fernab der Alltagshektik zu verbringen. Am besten auch mit der passenden musikalischen Begleitung. Weihnachtsmusik ist so ein ganz eigenes Genre. Neben den großen Klassikern von Kirche, Pop und Rolf Zuckowski versuchen viele KünstlerInnen sich an diesem Genre. Und scheitern. So wie Ariel Oehl mit seinem neuen Album Dunkle Magie, das ein ausgewiesenes Weihnachtsalbum sein soll und diesen Freitag erscheint.

Eine negative Rezension zu schreiben, macht wirklich gar keinen Spaß. Aber es ist mit dennoch ein Anliegen, da ich seit Wolken die Musik von Oehl absolut faszinierend finde und gerne in seine nuschelnde Welt eintauche. Aber nicht bei dieser Platte. Zumindest nicht auf voller Länge, es gibt zwei, drei schöne Lieder - mit Beigeschmack.

Was sind die Erwartungen an ein Weihnachtsalbum? Welche Musik möchte ich an den Feiertagen und davor hören? Klar, hier wird es subjektiv, aber ich gehe einfach mal davon aus, dass mir einige Menschen zustimmen werden. Ich möchte entspannte, fröhliche, besinnliche Lieder mit zauberhaften, unterhaltenden oder berührenden Texten hören. Oder Instrumentales, das mir Ruhe und Andacht verschafft. Dabei stelle ich mir auch die Frage, welche Musik ich abspielen würde, wenn die Verwandtschaft kommt oder Freude oder man gemeinsam backt und kocht. Sicher nicht die neue Oehl-Platte. Und das aus einem leider sehr triftigen Grund: Sie ist mir viel zu melancholisch, ja, sie zieht mich gar runter. Beim ersten Hören musste ich die Musik aus machen, weil es mich so bedrückt hat. Die Zeit, in der Melancholie vielleicht noch irgendwie cool war, ist doch vorbei. Oder? Ich möchte in der Adventszeit und an den Feiertagen nicht betrübt in der Ecke sitzen und voller Schwermut Geschenke auspacken. Das passt alles nicht.

Dennoch wirklich schön anzuhören ist hingegen das Duett mit Tristan Brusch. Auch das instrumentale Pobozno Jodlanje (Andachtsjodler) hat ganz tolle Harmonien. Auch Alle Jahre Wieder Stille Nacht zusammen mit Romi Rabić und Niklas Apfel würde ich an den Feiertagen abspielen. Die Gemeinsamkeit dieser drei Stücke ist, dass Ariel Oehl verhältnismäßig wenig zu hören ist. Irgendwie bezeichnend.

Ach, ich habe mich so auf das Album gefreut, weil ich die Oehl‘sche Musik wirklich mag. Aber dieses Album wird nicht ein Mal in Gänze bei mir abgespielt werden.


Sonntag, 7. Dezember 2025

Live in Bremen: Die Höchste Eisenbahn

Foto: luserlounge
(Ms) Mittwochabend, Bremen, Schlachthof. Auf dem Weg dahin kam der Gedanke auf: Hui, klar, Die Höchste Eisenbahn ist nicht unbekannt, aber dass auf der Straße davor gar nichts mehr ging, war durchaus verwunderlich. Aber schnell gelöst: Nebenan, in der ÖVB-Arena, gab Teddy Teclebrhan ein Stelldichein. Nebenan, im tollen Schlachthof, wurde es aber auch gemütlich, nicht zu eng, nicht zu luftig, genau richtig für ein Konzert unter der Woche.

Allein das Bühnenbild machte schon große, große Vorfreude. Sonnenschirme aus Pappe, die Ich-Komm-Gleich-Nach-Schnecke und hinten ein großer Himmelsbanner. Die gute Laune ließ nicht lang auf sich warten. Denn pünktlich um 20 Uhr betrat Francesco Wilking die Bühne, um die musikalischen Gäste anzukündigen. Es war das Trio Morley aus Essen und Köln. Die drei Damen haben für eine gute halbe Stunde die aufmerksamen ZuhörerInnen mit kleinen, feinen Liedern unterhalten. Mit Bass, Akustikgitarre, Ukulele und ganz viel Stimme sangen sie unter anderem vom Klimaschutz und ihrer Heldin Robin, die ihn nicht aus den Augen verliert. Zudem waren sie unglaublich sympathisch, sodass die leise und dennoch kraftvolle Musik ordentlich wirkte.

Mit genau der gleichen, ausgelassenen und entspannten Stimmung ging es dann kurze Zeit später weiter. Ich sah Die Höchste Eisenbahn noch nie live (warum eigentlich?!) und war ab dem ersten Takt einfach nur unglaublich glücklich. Als ich die anderen Gesichter im gut gefüllten Schlachthof beobachtete, wurde mir klar, dass ich damit nicht alleine war. Neben mir stand ein Typ, Anfang/Mitte fünfzig, der wohl einen außerordentlich tollen Abend hatte, er sang so viel mit und strahlte übers ganze Gesicht.
Das ist halt auch sehr einfach, wenn man den Eisenbahn-Liedern so zuhört. Kleine, feine Geschichten mit ganz viel Humor und genau der richtig ausbalancierten Mischung aus Tragik und Komik. Hinzu kommt, dass Moritz Krämer, Felix Weigt und Francesco Wilking halt auch sehr gute Entertainer sind. Drummer Max Schröder hielt sich eher im Hintergrund auf. Ob es um den Aufbau des Schlachthofes und die damit einhergehende Anordnung des Publikums geht oder noch nicht umgesetzte Merchandise-Artikel (Hotpants) - solch Kurzweil tut einfach gut. Klar, liegt auch an der phantastischen Musik, die die Band macht und aus dem vollen schöpfen kann inklusive aus dem tollen, neuen Album. Die Lieder des Abends waren super gut gemischt. Für mich ging es an diesem Abend nicht mal um einzelne Songs, sondern um ein höchst entspannt-ausgelassenes Gefühl, das diese Band mit ihren Songs entfaltet hat. Selten bin ich vergnügter nach Hause gefahren, auch wenn ich das Konzert nicht ganz bis zum Ende schauen konnte (aktuelle Bahnproblematik im Nordwesten). Es war ein toller Abend, der ganz doll glücklich gemacht hat!

Letztes Konzert des Jahres:
19.12.2025 Berlin, Huxleys

Samstag, 6. Dezember 2025

KW 49, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / riajulislam
(Ms) Heute morgen bin ich durch die Gegend gefahren und habe mal wieder Deutschlandfunk Kultur gehört. Es sei nochmals erwähnt: Was für ein phantastischer Radiosender! Es ging im Gespräch über Höflichkeit. Mit vielen anrufenden HörerInnen ergab sich ein großes Bild, das eines ganz deutlich zeichnete: Es geht ganz viel um die Perspektive. Ein Anrufer meinte, dass die Höflichkeit hier im Straßenverkehr katastrophal wäre, er kam aus England. Die Moderatorin, aus Russland kommend, konnte das ganz anders bewerten. Ein aus Kassel nach Bremen gezogener Anrufer kommt nicht gut mit dem kurz Angebundenen hier im Norden zurecht und meinte, dass das wunderbare Moin zwar ein universeller Gruß sei, aber wer ihn halt nicht verstehe, habe schlichtweg Pech gehabt. Nun lebe ich selbst im Norden und komme ursprünglich gar nicht hier her und erlebe die Menschen hier gar nicht als so wortkarg. Will sagen: Perspektivwechsel sind oft der Schlüssel zu (miss-)verstandenen Höflichkeit. Heißt aber auch wiederum nicht, dass es angebracht ist, stets freundlich zu allen Menschen zu sein. Sie haben uns doch meist nichts getan. Moin! 

Amanda Bergman
(Ms) Manche Musik weiß ganz unterschwellig zu wirken. Die von Amanda Bergman zum Beispiel hat bei mir ganz leise, aber auch ganz mächtig eingeschlagen. Seit ihrem letzten Album läuft ihre Musik immer wieder bei mir und beruhigt mich auf ganz wunderbare Weise. Es ist ein bisschen Folk und ganz viel Pop und ganz viel Eigenständigkeit. Es sind sanfte Lieder mit einem tollen, warmen Klang, der den Puls in trubeligen Zeiten immer wieder runterzufahren weiß. Nun erscheint am 16. Januar schon ihre neue Platte. Embraced For A Second As We Die heißt sie und wird sicher wieder viele Gefühlswelten eröffnen und bedienen. Das alles in einem sehr runden, unaufgeregten aber unglaublich schönen Sound. This Is How You Said You‘d Be Gone ist eine von zwei neuen Singles, die seit ein paar Tagen zu hören ist und das Schwere ist hier ganz leicht verpackt:


My Ugly Clementine
(Ms) Ist doch immer geil, wenn Genrelabels nicht passen. Austria Pop ist ja auch ein völlig überzogenes Ding. Die gesamte Popmusik eines Landes mit einem bestimmten Sound verallgemeinern zu wollen… unmöglich! Doch auch zum Klang vieler anderen Bands aus Österreich passen My Ugly Clementine überhaupt nicht. Sie klingen größer, internationaler. Nun legt das Trio ihre neue Single vor und You Won ist ein melancholischer Kracher, der stark an einen Gitarrensound der 00er Jahre erinnert. Großartig! Ein Track über das Ende einer Beziehung mit der harten Frage „Is that what you want? You won!“ Die Niedergeschlagenheit dieser Situation macht sich in der Atmosphäre der Single bemerkbar, dennoch versprüht sie viel Groove - toll austariert! Im kommenden Jahr wird es ein neues Album geben und damit einhergehend sicher auch eine ausgiebige Tour. Ich sah sie vor ein, zwei Jahren in Bremen und es war schlicht großartig! Eine unglaublich sympathische Band, die live alles rausholt! Vorfreude: An!


SAFI
(Ms) Im Oktober luden Jürgen und Anne zum Rookie Fest in den Hamburger Knust ein und es war ein großes Fest! Klar, der Gig von Love A war ein Knaller, aber noch mehr gestaunt habe ich bei SAFI, die vorher spielte. Ein paar Male habe ich mich schon an ihre Musik herangewagt, aber ich war immer ein wenig abgeschreckt. Zu roh? Zu ungewöhnlich? Zu arhythmisch? Zu schrill mitunter? Zu derb? Ja, all die Zuschreibungen passen wohl, aber spätestens nach dem Gig konnte ich das „zu“ streichen. Denn das, was die Musikerin mit ihrer Band auf die Bühne gebracht hat, war große, umfassende Energie! Wow - extrem beeindruckend und in den Bann ziehend! Nun erschien zu Ich Will Ein Leben das letzte ihrer Proberaum Session-Videos. Ein schneller Schnitt und toll eingesetztes Licht machen dieses Video äußerst sehenswert. Zudem untermauern diese Effekte die Intensität des Songs in seiner Gänze. Ja, vielleicht braucht es ein paar Anläufe, um bei SAFI anzukommen. Dann eröffnet sich aber eine irre Text- und Klangwelt!

28.12.25 Leipzig, Moritzbastei
23.01.26 Oberhausen, Druckluft
27.06.26 Bocholt, Alte Molkerei


Kapa Tult
(Ms) Wenn ein Lied mit den ersten zwei, drei Zeilen direkt einschlägt, sprechen wir über Kunst und Größe. Tatsächlich habe ich das in dieser Intensität von Kapa Tult gar nicht erwartet. Umso schöner und größer die Überraschung. Die Leipziger Band weiß sehr gut, komplexe Gefühle und Unausgesprochenes in ihre Lieder zu packen. Niemand ist ihre neuste Single und ein Stück über Trauer. Über eine liebe verstorbene Person, die es in einem Friedwald zu besuchen gilt und es immer wieder komisch ist. Diese Besuche, die Gespräche darüber, die man eigentlich gar nicht will. Oder zumindest nicht zulassen möchte. Hui, Kloß im Bauch. Aber großartig umgesetzt. Direkt, ehrlich, einfühlsam, intensiv!
Am 13. Februar erscheint ihr neues Album Immer Alles Gleichzeitig und könnte ganz großartig werden!

Mittwoch, 3. Dezember 2025

Tom Smith - There‘s Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light

Foto: Edith Smith
(Ms) Am 18. Juni 2007 erschien die Single Smokers Outside The Hospital Door von den Editors. Bis heute hat der Track, sicher nicht nur für mich, wenig an Energie verloren. Die Gitarren, die Energie, der Text. Und natürlich die Stimme! Die Stimme von Tom Smith prägt seit gut zwanzig Jahren den Sound dieser britischen Band. Bei all dem Wandel in ihrem Sound blieb sie und glänzt immer wieder, bei den elektronischen und bei den analogen Tracks.
Das oben genannte Stück war das erste, das ich von dieser Band hörte, ich sah sie öfter live und habe viel gestaunt. So ein Bandleben macht natürlich auch etwas mit ihren Mitgliedern. Zusammen mit Andy Burrows hat Sänger Tom Smith bereits zwei Alben abseits der großen Band herausgebracht. Nun folgt diesen Freitag die erste Platte, die nur seinen Namen trägt, an dessen Klang er weitgehend alleine gewerkelt hat. There Is Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light heißt das Werk, das 10 Tracks und gut 40 Minuten Spieldauer aufweist. Der Titel hat eine dezente Ying-und-Yang-Atmosphäre, oder?

Wie dem auch sei… Es geht ruhig zu auf diesen Liedern. Viel Akustikgitarre, ein bisschen Bass, hier und da mal Streicher und Bläser, wenig Schlagzeug, viel Stimme. Dadurch entsteht auch viel Nähe. Und Ruhe. Etwas, was in diesen Tagen, die vor Trubeligkeit nur so platzen, stark vonnöten ist.
Nah am Herzen ist diese Musik gebaut. Musikalisch als auch inhaltlich. Es geht um Verbundenheit, Trennung, die großen Fragen des Lebens, Liebe, genutzte und verpasste Chancen. How Many Times ist zum Beispiel ein toller Track, der zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig Halt geben. Dass wir in guter Art und Weise voneinander abhängig sind. Dazu ist dieses Lied wunderbar arrangiert, es kommt immer eine Ebene hinzu und am Ende strahlt es hell und leuchtend! Eine großartige Hymne aufs Leben ist Life Is For Living. Egal, wie es läuft, es gilt unsere limitierte Zeit auf dieser Erde zu füllen. Mit Gutem, für all die Menschen, die für uns da sind inklusive Gänsehautgarantie, wenn die Streicher erklingen, ein Chor singt und Tom Smiths Bariton sein volles Volumen darbietet - wow! Lights Of New York City ist ein schmerzhafter Blick zurück in eine Zeit, die nicht mehr aufgewickelt werden kann. Sehnsucht, Melancholie, Nostalgie, abgeschlossene Vergangenheit - garniert mit tollem Trompetensound! Saturday, das letzte Stück, ist eine tolle filmische Szene. Eine Bühne, Rampenlicht, Applaus. Doch das einzige, was das lyrische Ich will, ist mit seinem nahen Gegenüber, seiner Liebe (?), zu reden, bis man endlich zu Hause ist. Mit dem Versprechen, dass das Ich zuhört. Hach… wie schön!

Die Stärke dieses Albums ergab sich in meinen Ohren nicht direkt beim ersten Hören. Dafür fehlt mir etwas Energie im Sound. Das Reduzierte ist schön, packt mich aber nicht. Doch die Tiefe der Texte packt mich, sie sind im besten Sinne einfach gehalten, sodass sie ganz unmissverständlich sein können. Tom Smith legt hier abseits des großen, wummernden Sounds der Editors eine tolle Platte hin, die Verletzlichkeit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt rückt und dadurch glänzt - Hut ab!

11.03.2026 Köln - Kulturkirche (ausverkauft)
13.03.2026 Schorndorf - Manufaktur
19.03.2026 AT-Wien - Simm City
25.03.2026 Berlin - Passionkirche (ausverkauft)
26.03.2026 Hamburg – Christiankirche (ausverkauft)


Montag, 1. Dezember 2025

Stainer & Madlaina - Nah Dran

Foto: June Fischer
(Ms) Hinhören. Zuhören. Zwei Fähigkeiten, die vielen Menschen in unserer Zeit zunehmend abhanden kommen. Letztens las ich Momo von Michael Ende. Das Buch ist aus den 70ern. Es könnte auch eine phantastische Fabel auf unsere Zeit sein. Wer setzt sich denn schon hin und hört den anderen zu? Insbesondere denen, mit denen man nicht übereinstimmt. In der Regel wird verbal draufgehauen und die eigenen Hörkanäle werden blockiert. So kommen wir nicht weiter. Zuhören also. Gesellschaftlich wichtig.

In der Kunst genauso. Denn je aufmerksamer wir der Kunst lauschen, desto größer werden die Welten, die sich in ihr verbergen. Und wir können eintauchen und anfangen zu staunen. Ist das nicht eines der schönsten Dinge auf der Welt?! Ja, oder? Gut, dass es Steiner & Madlaina gibt. Ihr neues Album Nah Dran gehört mit zum Schönsten, was dieses Jahr an neuer Musik erschienen ist. Anfang November kam diese Platte ans Tageslicht. Sie ist textlich groß und musikalisch breit und ein großer Beweis von wahrem Künstlerinnentum!

Es geht sehr puristisch los. Da Bist Du heißt das erste Stück, nur Stimme und Klavier. Und die Stimme singt einen Text, der direkt den Atem stocken lässt. Ein Lied über die Liebe, ein Lied über das, was Menschen zusammen hält. Ein Lied übers Ich-bin-für-dich-da. Auf der einen Seite zart und zerbrechlich, auf der anderen Seite voller Stärke und Halt. Wow, der erste Treffer sitzt! Zuhören lohnt sich auch bei Hend Mir Nur Wele Glücklich Si? Ich finde es so toll, dass die beiden immer wieder auf Schweizerdeutsch singen. Als in NRW Geborener und nun im Norden zu Hause-Seiender verstehe ich so gut wie kein Wort. Aber es lässt sich dieses und jenes erahnen, mitlesen ist ganz hilfreich. Was mich hier aber stark begeistert, ist der wundervoll arrangierte Refrain. Das Stück ist eher leise und melancholisch gehalten. Der Refrain lebt von Energie und Dringlichkeit. Wow, wie toll ist das denn bitte gemacht?! Gänsehautgarantie dank Kontrabass und Bläsern! Ich Hab Alles Und Die Liebe Satt ist ein herrlich-schmerzvoller Track über das Gefühlschaos am Ende einer Liebe. Das lyrische Ich läuft durch die nächtliche Stadt und mäandert zwischen Sehnsucht und Endgültigkeit. Wer kennt es nicht?!
Vor Stell Sie Mir Vor gilt es den Hut zu ziehen. Dieser Text ist großartig. Ein wenig nebulös und voller interpretatorischer Tiefe. Ich glaube, es geht auch um die Liebe und all den Seiten, die da mitschwingen. Stolz, Kummer, Zweifel. Außerdem ist auch dieses Stück einfach meisterlich arrangiert. Mit Kinderchor, Streichern, großen Gefühlen und sehr viel musikalischem Sachverstand. Man kann sich nur vor Nora Steiner und Madlaina Pollina verneigen - was für Künstlerinnen! Apropos Arrangement! Fairplay ist auch so ein Hammer - ein Stück aufgebaut wie ein großes Crescendo. Was holen die beiden nur raus aus dem musikalischen Werkzeugkoffer?! Uh La La Träum Von Dir ist nicht nur ein toller Beweis, dass die beiden auch die Gitarren knallen lassen können, sondern auch ein ganz seltenes Fundstück, dass es durchaus sehr gut möglich ist, mit der deutschen Sprache Intimität zu zeigen. Und wie! 

Logisch, Nah Dran ist ein Album, bei dem es viel um die Liebe geht. Aber nicht verträumt und naiv. Es ist kaum zu glauben, wie klug die beiden Musikerinnen hier texten. Vor diesem musikalischen Werk gilt es, sich auf die Knie zu senken und dankbar zu sein, dass es solche Lieder gibt. So stark arrangiert. Textlich so tief und groß aufgestellt. Diese Platte gehört sicher zu den Schönsten und Schlausten, was seit langem veröffentlicht wurde! Zuhören… es lohnt sich!


Sonntag, 30. November 2025

Orbit - Countless Feelings But So Few Words

Foto: Marc Bischoff
(Ms) Es gibt Genres, die hier aus unerfindlichen Gründen wenig repräsentiert sind. Fast alles Elektronische beispielsweise. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Dabei wohnt Techno, Electro oder wie man das auch immer nennen mag, so viel Kraft inne. Insbesondere wenn es nicht ganz so sehr einer Spielart verfestigt ist.

Damit sind wir beim Bremer Künstler Orbit, der Mitte November sein erstes Album veröffentlicht hat. Countless Feelings But So Few Words. Allein dafür sollte man ihn über alle Maßen loben. Was für ein schöner Titel. Ja, was wenn all den Emotionen die Worte fehlen?! Und das nicht, weil man sich nicht ausreichend damit auseinandersetzt sondern weil es sie einfach nicht gibt. Oder nur begrenzt. Das Fühlende benennen, entzaubert ja auch die Magie. Und magische Momente sind auf diesem Album einige vorhanden. Summertime, der Opener, beginnt gar mit sanfter Gitarre bis er sich immer weiter aufbaut. Ja, es ist super Sommer-Abhäng-Musik, doch sie funktioniert in der dunklen Jahreszeit genauso gut. Bei einem Track namens Berlin ist klar, dass Großstadtvibes kommen. Doch es sind eher die, die den Großstadtlärm von einem fern halten. Viel mehr lässt sich damit als Soundtrack herrlich gut das Treiben beobachten, von dem man nicht Bestandteil ist. Clever - und geht auf! Das Kernstück der Platte ist Youth, weil es den wunderbaren Rausch der elektronischen Musik in Perfektion darbietet. Behutsam baut sich der Track zusammen, gewinnt an Größe und strahlt dann einfach nur noch in all seiner Pracht. In diesen Melodien, in diesem Rhythmus möchte ich versinken und erst morgens früh wieder aufwachen. Magie! Auch auf Formula verbindet der Bremer Soundtüftler analoge Gitarrenklänge mit Synthieüberbau. Das ergibt ein wunderbar organisches Gesamtbild, zu dem Träumen ein Muss ist! Cato hingegen eröffnet auf unter drei Minuten nochmal einen gewaltigen Rausch - pure Hingabe!

Dabei wird es nie derbe auf den 40 Minuten. Es bleibt alles sehr rund, sehr harmonisch, sehr sanft mitunter. Das zeichnet einen Typus von elektronischer Musik aus, der vielfältig hörbar ist, kaum an einen Ort oder eine bestimmte Situation gebunden ist. So offen muss Musik erstmal sein. Dieses Album ist nichts anderes als ein kleines, schwelgendes Wunder!

01.12.2025 Wien, WUK
02.12.2025 München, Muffathalle
03.12.2025 Stuttgart, Im Wizemann
04.12.2025 Köln, Live Music Hall
10.12.2025 Hamburg, Übel&Gefährlich
11.12.2025 Berlin, Huxleys
13.12.2025 Bremen, Modernes

Freitag, 28. November 2025

KW 48, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / Shuvo.Das
(Ms) Die Frage der letzten Tage und Wochen war ja: Bei welchem Black Friday Angebot soll ich zuschlagen? Wo spare ich so richtig viel? Wo schießt mir das Shoppingdopamin so richtig derbe durch die Adern?
Ja, eigentlich nur bei den Dingen, die einen langfristig glücklich machen, oder? Klar, die ein oder andere Turbosünde ist auch geil oder ein Getränk mehr trinken als geplant. Aber shoppen um des Shoppen Willens ist doch irgendwie bescheuert, oder? Nirgends habe ich irgendwas gekauft. Außer frischen Grünkohl, aber der war auch nicht im Mega Sale. Der hat nur charmante 3,33 Euro gekostet. Ein ganzes Kilo, also auch ein super Angebot! Naja. In der Familie schenken wir uns nichts (mehr) zu Weihnachten und ich freue mich eigentlich immer „nur“ auf die nächste Platte oder das nächste Buch. Da sind Rabatte vergeblich. Aber die Momente, die mir die Kunst schenkt, sind umso intensiver. Wie diese hier:

Grey Flamingo
(Ms) Vielen Dank an alle Bands, die uns anschreiben. Es ist schlichtweg unmöglich, alles zu hören und noch unmöglicher, über all das zu schreiben. Uns erreichen rund 100 Mails pro Woche mit neuer Musik. Eine davon kam letztens von der Band Grey Flamingo. Kurz und knapp, aber sehr freundlich war sie gehalten. Irgendwas hat mich daran neugierig gemacht. Gut möglich, dass es der Name war. Hey Poul heißt deren aktuelle Single und es ist ein total verrücktes Lied. Es befinden sich ganz viele kleine Elemente darin, die ein richtig schönes, sehr, sehr rundes Hörerlebnis erzeugen. Wunderbare Synthie-Melodien, leichte Schlagzeugbegleitung, ein wenig Gitarre. Es wird immer mehr, aber es ist nie zu viel, alles bleibt stets sehr harmonisch! All das in einem herrlich schleichenden Prozess. Der Track dauert 3 Minuten und 4 Sekunden und es ist wertvoll geschenkte Zeit für wundervolle Musik. Bitte anhören. Mehrmals!


Ecca Vandal
(Ms) Setzt euch hin für diesen Track - dann fallt ihr nämlich um! Und das geht nach einem einfachen, aber sehr wirkmächtigen Rezept! Zutat Nummer 1: Eine wunderbar schief klingende Gitarre, die in dieser Schiefheit sehr viel Wucht entfacht. Zutat Nummer 2: Eine Stimme, die alles gibt. Eine Stimme, die die Musik als Offenbarung feiert. Wer so schreit und ruft, dem ist die Kunst wahrlich wichtig. Zutat Nummer 3: Ein weiterhin top arrangierter Track, der in seiner Dringlichkeit auf den Punkt wirkt. Es geht um Ecca Vandal und ihre aktuelle Single Molly. Die in Australien lebende Südafrikanerin sollten alle, die es mit Punk, Rock, Leidenschaft und Elementen des Jazz halten, auf dem Schirm haben. Sie ist bald mit Limp Bizkit unterwegs, kommt nächstes Jahr zu Rock am Ring und sollte sich in den kommenden Jahren ebendort einen recht späten Slot erspielt haben. Wollte es nur gesagt haben.


My Own Sphere
(Ms) Vor zwölf, dreizehn Jahren habe ich elektronische Musik belächelt. Mein versnobtes, studentisches Ich war von der elektrischen Gitarre ein wenig zu sehr überzeugt. Was habe ich alles an starken Tracks und Alben verpasst?! Denn gut eingesetzte Synthies können eine enorme Wucht entfalten. Können hypnotisch sein. Tief ballern. Einen phantastischen psychedelischen Rausch entstehen lassen. Die Leipziger Band My Own Shpere weiß diese Instrumente sehr gut zu bedienen. Wer dazu nicht allzuschnell tanzt oder zumindest den Körper im Vibe der Musik bewegt, ist ein Banause. Das ist Fakt! Kommende Woche veröffentlicht die Band ihre erste, nach dem eigenen Namen benannte Platte raus, die mich beim ersten Hören schon ganz doll abgeholt hat! Ganz viel Leichtigkeit. Ganz viele Tracks, die geheimnisvoll und unglaublich gut poppig sind. Oder darkwavig, je nach Song. Das wird sehr gut:


Karwendel
(Ms) Weihnachten im Pop ist ein zweischneidiges Schwert. Oder gar dreischneidig. Zum Einen gibt es die ganz großen Superpoptracks, die wirklich geil sind. Wer was gegen Last Christmas hat, ist ein Banause. Das ist Fakt. Dann gibt es so gewollte Weihnachtslieder. Das ist die andere Seite. Die schmerzt, die tut weh, das muss wirklich nicht sein. Und dann gibt es eine Dritte. Charmante Lieder, die alle Seiten der Festtage beleuchten. Erdmöbel sind ganz groß darin. Auch die Hamburger Band Karwendel spielt in diese Kerbe. Kommende Woche erscheint die EP Das Fest, die mit wunderbaren, sanften, unterhaltenden Liedern aus der Weihnachtszeit überzeugen kann. Alles Was Ich Will ist der Vorbote, der vielen - mir auf jeden Fall - aus dem Herzen spricht, wenn Sänger Sebastian Król singt: „Alles, was ich will, ist meine Ruhe.“ Oh ja! Doch sie besingen auch die wahrhaft schönen Seiten der festlichen Tage, hört die Musik unbedingt! Denn die Band weiß mit ihren Instrumenten einen ganz wohligen Klang zu erzeugen. Das liegt am Kontrabass, am weichen Sound der Wurlitzer- und Rhodes-Pianos und an den schönen kleinen Geschichten!


The Notwist
(Ms) Vor Kurzem sah ich das erste Mal The Notwist als Pocketband. Sie spielten die Tracks ihrer frühen Alben. Roh, derbe, wuchtig, schnell. Ihr Schaffen aus den letzten Jahren sollte bekannt sein. Am 13. März erscheint ihre neue Platte, sie wird News From Planet Zombie heißen und geht klanglich eindeutig Schritte in ihren Sound der 90er Jahre. X-Ray heißt die erste Single, die seit dieser Woche zu hören ist und hui… es knarzt, es ist in Schieflage, mehr Moll als Dur. Dringlichkeit, Tempo, Niedergang. Es empfiehlt sich, das Stück aus einem ruhigen Zustand heraus zu hören, sonst kann es durchaus anstrengend werden. Doch The Notwist wären nicht The Notwist, wenn nicht mindestens der Refrain einen Hoffnungsschimmer durchblicken ließe. Der Albumtitel kann natürlich als phantastische Erzählung begriffen werden, aber auch als Metapher unserer gesellschaftlichen Gegenwart. Dann ergibt der Sound auch wieder Sinn. Viel Schieflage, aber in all dem Düsteren auch helle Lichtblickt! Man darf sehr gespannt sein, was diese Platte noch mit sich bringen wird! 

Mittwoch, 26. November 2025

Wenn Konzerte nicht so kicken…

Foto: luserlounge
(Ms) Über Erwartungen. Über verzerrte Berichte. Über Emotionen. Über Identifikation. Über Überraschungsmomente.

Was, wenn ein Konzert nicht so kickt? Nicht so begeistert, wie man es sicher erhofft hat? Nicht so mitreißt? Was, wenn der Funke nicht überspringt? Was, wenn man sich wie ein Englishman in New York fühlt?

Klar, in erster Linie passiert dann gar nichts, weil es ja auch „nur“ um eine schöne Freizeitbeschäftigung geht. Aber Musik ist für viele, wie für mich, einfach auch etwas anderes. Es ist mehr. Es hat unmittelbar mit dem eigenen Leben zu tun. Sie ist Kraftquelle und vor allem Ort der Katharsis. Daher sind die Erwartungen oft recht hoch. Nicht nur bezüglich der musikalischen Qualität, des Sounds, der Lichttechnik. Sondern eine Erwartung, dass ich danach mit einem anderen Gefühl nach Hause fahre. Aufgetankt. Glücklich. Verändert.
Manchmal kickt es nicht. Dennoch - und da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und spreche für viele - sagen wir danach: „War super, hat richtig Spaß gemacht, gute Energie.“ Auch wenn es gar nicht stimmt. Nur um dem Besonderen einen besonderen Geist zu vermitteln und das Mittelmaß oder die Enttäuschung gar nicht zu akzeptieren. Leugnung gewissermaßen.
Da springen die Emotionen nicht so richtig an. Das mag am eigenen Tag liegen. Am Sound. Am Club. Vielleicht hat die Band auch ausnahmsweise nicht so viel Power. Vielleicht zündet der Rausch auch einfach nicht so sehr. Ist so. Nichts ungewöhnliches. Ein Grund kann auch sein, dass die Verbindung zur spielenden Band nicht so groß ist, die Lieder mir nicht so bekannt. Dann mag auch die Identifikation fehlen.

Das ist mir zuletzt zwei Mal passiert. Zum Einen Anfang des Monats bei Anda Morts. Hier fehlte mir auf jeden Fall die Verbindung. Ich kannte wenig Lieder der Wiener Band. Ich war neugierig, was sie so können, wie es knallt, was passiert. Wollte mich überraschen lassen, fand es dann aber überraschend fad. Die anderen 399 Leute sahen das anders. Englishman in New York. Ich bin sogar früher gegangen. Das zweite Mal war am Wochenende in Münster. Die Donots luden zum großen Slam, Halle Münsterland, riesengroß, 3 Euro Becherpfand! Schon Heisskalt kickten mich nicht so sehr. Das lag aber eher vermutlich an der großen Halle und es war definitiv noch nicht laut genug. Danach haben Großstadtgeflüster gespielt und das war einfach nur enorm! Enorm geil! Was haben die denn da bitte abgerissen?! Anschließend die Gastgeber. Ich fand es von Anfang an öde. Mir war das zu sehr Ekstase auf Knopfdruck. Mir war das zu gewollt. Vielleicht war es auch nicht mein Tag und die Donots sind jetzt auch nicht eine meiner Top 10-Lieblingsbands. Dennoch. Ich bin erneut früher gegangen. 

Ja, das passiert. Völlig normal. Doch schade ist es jedes Mal. Mir fehlen dann auch die Ideen, über solche Abende zu schreiben. Vielleicht ist ein wenig realistische Einordnung auch oft hilfreich, um weniger enttäuscht zu sein.

Aber das nächste Mal knallts bestimmt!

Freitag, 21. November 2025

KW 47, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / riajulislam
(Ms) Logisch, Konzerte sind das allerschönste auf der Welt. Sich dort verlieren, in Klang und Sphären abdriften, Katharsis, Verbundenheit und Liebe. Ausrasten, Party, Rausch. Nicht unwichtig ist jedoch der richtige Rahmen dafür. Ich habe den Eindruck, dass bestuhlte Konzerte für gewisse KünstlerInnen und Bands immer mal wieder auftauchen. Mehr als noch vor ein paar Jahren. Klassische Konzerthäuser und so. Klar, tolles Ambiente. Aber. Es kann auch echt richtig träge werden. Man sitzt dann da so rum, oft darf man in die Räume keine Getränke reinbringen. Und es ist kaum möglich, auszurasten. Schunkeln - heiheihei… Wenn nun für das kommende, bereits richtig tolle Konzertjahr Spielstätten angezeigt werden, die bestuhlt sind - ich werde nicht hingehen. Das ist mir zu lahm. Oft ist es dort auch viel teurer. Ich will stehen, mich bewegen können, den Körper durchdringen lassen vom Klang, vom Beat, von den Emotionen.

Momcore
(Ms) Ich bin großer Freund unseres gesellschaftlichen Fortschritts. Trotz (oder genau wegen) aller Kräfte, die viel daran setzen, diese aufzuhalten und in ein idealisiertes Gestern zu verschieben. Welche Band hat es sich denn schon mal zur Aufgabe gemacht, Musik explizit aus Sicht von Müttern zu machen ohne nach Bastelspaß zu klingen?! Eben. Jetzt ist sie da. Sie nennen sich Momcore und machen extrem tanzbare und zugleich super raffinierte Popmusik. Johanna Amelie und Stephany von Wolf & Moon stecken dahinter, die die Zeit ihrer Elternschaft als kreativen Prozess aufgegriffen haben und daraus Musik erschufen. Stark! Oxitocyn heißt ihre erste Single, die richtig viel Spaß macht! Kommendes Jahr erscheint ihre erste Platte und im Dezember spielen sie ein paar Support-Gigs für Die Höchste Eisenbahn:

04.12.2025 – Faust, Hannover
05.12.2025 – Sputnikhalle, Münster
19.12.2025 – Huxleys Neue Welt, Berlin


Grim104
(Ms) Die Geschichte ist natürlich grandios: Grim104 bekam vor zwanzig Jahren Hausverbot beim Zeteler Markt. Zetel liegt im Nirgendwo zwischen Oldenburg und der Nordsee. Der Zeteler Markt scheint aber ein wahres Saufhighlight zu sein. Nun kam er zurück, um im Festzelt ausgebuht zu werden. Veni, vidi, vici. Nie So Cool heißt seine neuste Single, die er auf dem Volksfest zum Besten gab und die für alle anderen nun auch zu hören ist. Grim104 keift wie eh und je und zieht eine klare Grenze zwischen Ihr und Ich. Gänsehaut. Damit einher geht die Ankündigung eines neuen Albums. No Country For Old Grim wird die neue Platte heißen, die im nächsten Jahr erscheint und mit der er dann auf Tour geht. Ich sah ihn im Sommer beim Watt En Schlick, ein Steinwurf entfernt von Zetel, und möchte sagen: Geht da unbedingt hin. Es wird äußerst intensiv, den Grim104 gibt alles! Versprochen!

17.04. - Hamburg, Knust
18.04. - Leipzig, Conne Island
23.04. - Bremen, Lagerhaus
24.04. - Hannover, Faust
25.04. - Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld
26.04. - Dortmund - JunkYard
30.04. - Nürnberg, Club Stereo
01.05. - München, Ampere
02.05. - Frankfurt, Zoom
09.05. - Berlin, SO36


Fjørt
(Ms) Die Spatzen pfiffen es schon von den Dächern und nun ist es endlich soweit! Fjørt haben nicht nur eine Tour für kommendes Jahr angekündigt, nun folgen auch die ersten neuen Töne seit ihrer letzten Platte. Rau klingt der Gesang, angekratzt - es wird nicht nur geschrien! `43 heißt die Single, die nun samt Video anzuschauen ist. Dass die Aachener Band keine Kompromisse in ihrem Sound machen, sollte allen klar sein, die es mit dieser Band halten. Doch dieses Stück weist durchaus einen neuen Grad der Härte auf. Hui, das knallt aber außerordentlich gut. Bitter der Text jedoch. „Wir leben in Harkenkreuzzeiten / La Résistance, Zeit, Euch zu zeigen / zeigt euch.“ Ja, nichts haben wir begriffen in dieser Gesellschaft, wenn eine Nazi-Partei beinahe die Umfragewerte anführt. Die Wut, die Eindeutigkeit dieses Liedes sind absolut von Nöten, um wach zu bleiben in diesen Zeiten! Am 20. Februar erscheint dann auch eine neue Platte, sie wird Belle Èpoque heißen und alle Boxen und Kopfhörer zum Beben bringen! Huiiiiii, das wird gut! 

11.03.26 München, Technikum
12.03.26 Jena, Kassablanca
13.03.26 AT - Wien, WuK
14.03.26 Leipzig, Werk 2
18.03.26 Berlin, Festsaal Kreuzberg
19.03.26 Wiesbaden, Schlachthof
20.03.26 Dortmund, FZW
21.03.26 Hamburg, Gruenspan
25.03.26 Bremen, Schlachthof
26.03.26 Hannover, Capitol
27.03.26 Stuttgart, Im Wizemann
28.03.26 Köln, E-Werk


Anna Ternheim
(Ms) Dies ist kein neuer Track, aber egal. Er ist wunderschön und verdient einen Platz hier! Der Kollege SB kennt sich wesentlich besser aus mit Anna Ternheim, ich kenne so gut wie keinen Track der schwedischen Künstlerin. Schande auf mein Haupt. Als ich am Mittwochmorgen zur Arbeit wollte, spielte Deutschlandfunk Kultur (ganz viel Liebe für diesen Radiosender) ihren Track What Have I Done und um kurz vor sieben wurde ich mit so viel musikalischer Schönheit durchströmt, dass sie mich durch einen langen, anstrengenden Tag getragen hat. Ich knie nieder vor dir, du wunderbare Kunst!

Dienstag, 18. November 2025

Nagelschmidt & Lambert - Nur Für Mitglieder

Foto: Andreas Hornoff
(Ms) Kein Hörbuch. Kein Musik-Album. Keine Buchvertonung.
Ja, was ist das hier?!

Im September hat Thorsten Nagelschmidt sein neues Buch Nur Für Mitglieder veröffentlicht. Anfang November kam dazu eine musikalische Veröffentlichung zusammen mit Lambert heraus. Und das ist wirklich ein richtig spannendes Produkt eines kreativen Schaffens. Sieben Tracks, 31 Minuten Spielzeit. Diese Eckdaten machen schon mal klar, dass das kein Hörbuch sein kann. So schnell kann keiner 230 Seiten vorlesen.

Für den Genuss dieses Hörerlebnisses ist es nicht notwendig, das Buch gelesen zu haben. Die Handlung ist schnell erklärt: Der Ich-Erzähler flieht vor Weihnachten und fliegt nach Gran Canaria, um in einem Hotel alle Staffeln von The Sopranos zu schauen. Genialer Plot! Und sicher auch ein guter Hinweis, wie die ach-so-feierlichen Tage zu begehen sein könnten. Feierstimmung auf Knopfdruck klappt halt nur bedingt. Die Geschichte ist mit viel Ironie des Zwischenmenschlichen und Allzumenschlichen gespickt.

Nun sind sieben Tracks zu hören. Doch was genau, erwartet einen da?! Was zuerst überrascht, ist, dass die Musik von Lambert keineswegs so verträumt-mystisch ist wie seine letzte Platte. Sie ist zu großen Teilen ziemlich elektronisch, viel Beat, viel Bass, viele Synthies. Weitere Überraschungen lassen nicht lange auf sich warten. Thorsten Nagelschmidt schafft es, (sicher) prägnante Stellen des Buches - ich habe es (noch) nicht gelesen - auszuwählen und als Spoken Word vorzutragen. Das heißt, er liest nicht nur, sondern spielt durchaus mit Melodie in seiner Stimme. Er spickt sogar einzelne Zeilen raus, um sie als Refrains umzubauen. Das ist super genial und eine ganz großartige, selten zu betrachtende Kunstschleife. Mir ist wirklich kein Pendant bekannt, das nur ansatzweise so erschaffen wurde. Es macht äußerst viel Spaß, diesem Hörerlebnis zu lauschen. Es macht auch Lust auf das Buch, da ja einige Stellen fehlen. Aus meiner Sicht macht es auch am meisten Sinn, diese halbe Stunde am Stück zu genießen, damit der rote Faden ersichtlich ist. Einzelne Songs in eine Playlist zu packen, finde ich aus Gesamtkunstperspektive gesehen, wenig verlockend, klappt aber auch.

Nur Für Mitglieder ist definitiv eine außergewöhnliche Veröffentlichung im Zwischenbereich von Literatur und Musik - oder ein genial verbindendes Element. Im Dezember gehen die beiden damit auf Tour und es dürfte sehr spannend werden, wie sie einen Abend füllen werden. Liest Thorsten Nagelschmidt noch etwas? Gibt es Muff Potter-Stücke zu hören? Legt Lambert noch ein Set ein? Werden kollektiv Lebkuchenhäuser gebastelt oder Urlaubspläne geschmiedet?! Dies kann nur hier erlebt werden und ein Besuch sollte sich lohnen:

08.12.2025 Köln, Gloria
09.12.2025 Hamburg, Kampnagel
10.12.2025 Bremen, Schlachthof
11.12.2025 Dortmund, Domicil
12.12.2025 Wiebaden, Museum
13.12.2025 Darmstadt, Centralstation
14.12.2025 Neunkirchen (Saar), Stummsche Reithalle
15.12.2025 Münster, LWL Museum
16.12.2025 Erfurt, Haus Dacheröden
17.12.2025 Berlin, Peter Edel
20.12.2025 München, Deutsches Theater
21.12.2025 Leipzig, Conne Island


Sonntag, 16. November 2025

KW 46, 2025: Die luserlounge selektiert nochmal

Quelle: flaticon.com / rialjulislam
(Ms) Es ist doch kein Wunder, warum unsere aktuelle Bundesregierung noch unbeliebter ist als die vorherige, oder? Allein das ist ja schon eine erschreckende Aussage. Klar, Reformen sind gut und notwendig. Aber doch bitte die richtigen. Wer das Deutschlandticket auf 63 Euro erhöhen lässt und gleichzeitig die Flugticketsteuer senkt, der hat einfach nichts begriffen. Oder nichts begreifen wollen. Vielleicht sind das ja auch ganz gezielte Entscheidungen: Sollen die großen Flugunternehmen ein klein wenig mehr verdienen und die Menschen entweder sich kein Zugticket mehr leisten können oder… ja, sollen sie halt fliegen statt die Bahn zu nehmen. Oh, man. Von der CDU habe ich eh nichts anderes erwartet als ein nicht unerhebliches Maß an Klientelpolitik. Aber dass die SPD da so mitmacht, ist gruselig. Muss sich keiner wundern, wenn deren Beliebtsheitswerte so niedrig sind. Die Suppe haben sie sich selbst eingelöffelt. Hoffen wir, dass es noch besser wird… 

A.S. Fanning
(Ms) Eine tolle Stimme macht noch lange keine gute Musik. Sie muss im besten Sinne in Szene gesetzt werden, ihre Kraft ausgeschöpft, ihr Glanz zum klingen gebracht werden. Nicht nur melodiös - auch wenn das eines der wichtigsten Dinge ist - sondern auch textlich. Dann ist Gänsehaut garantiert, dann ist es leicht, alles links und rechts um einen herum zu vergessen. Dann läuft A.S. Fanning mit seiner neuen Single Today Is For Forgetting. Dieser tiefe, durchdringende Bariton ist perfekt eingesetzt in all der Melancholie und Schwere des Tracks. Kein besonders aufbauendes Thema, das der Titel mit sich bringt, aber das Arrangement bringt auch einen Hoffnungsschimmer mit sich. Ein insgesamt eher langsamer Song, der durch die Synthies viel Lebendigkeit erfährt. Das ist einfach phantastisch gemacht vom irischen Musiker. Am 6. Februar erscheint seine neue Platte Take Me Back To Nowhere und wird sicherlich hervorragend!

16.03.26 Langenberg – KGB
28.03.26 Altenkichen – KulturSalon Stadthalle
21.04.26 Hamburg – Knust
23.04.26 Dresden – Ostpol
25.04.26 Oberhausen – Gdanska
29.04.26 Wien – Rhiz
30.04.26 Salzburg – Rockhouse
02.05.26 Berlin – Neue Zukunft


Feige Flittchen
(Ms) Konzerte sind nicht nur die Essenz der Musik, die sich so viele Menschen ausdenken, sondern auch immer der beste Ort, um Neues kennenzulernen, das einem nicht zwingend über den Weg laufen würde. Nicht aus Ignoranz, sondern weil es einfach so unfassbar viel gibt. Gut, dass Bands selten allein auf Tour gehen. So haben Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen letztes Jahr im Zwischendenjahrenkonzert in Bremen Feige Flittchen mitgenommen. Und das hat richtig gut gezündet. Humor, Punkrock, Alles-egal-Haltung, Rafinesse, Unterhaltung. Das Hamburger Trio hat viel gespielt dieses Jahr und nun ihre erste EP draußen. Live In der Pyramide heißt die Sammlung der vier Tracks. Und weil sie halt so viel live spielen ist es nur sinnvoll, dass es wirklich Live-Aufnahmen sind. Wie cool, so eine Band als erstes zu hören. Pur, roh, direkt, ungefiltert. Das macht richtig viel Spaß, ist mal verträumt und schrammelt genau im richtigen Level!


Tom Smith
(Ms) Na Herbst, da bist du ja. Und schlägst an diesem Wochenende auch recht gewaltig zu. Ein ewiges Grau da draußen, dazu Wind und Regen. Bilderbuchherbst. Leichte Melancholie in der Luft, Energieauftanken auf dem Sofa. Tee und Spekulatius - das ganze Programm. Und dann kommt dieser Sänger mit diesem Lied daher - frech! Haut einfach noch richtig in diese eh verletzliche Kerbe. Tom Smith, Sänger der Editors, bringt Anfang Dezember sein erstes Solo-Album raus und mit Broken Time ist die neuste Single zu hören. Akustik-Gitarre, Cello, Stimme, Gänsehaut. Das ist wunderschön, zutiefst traurig aber auch aufbauend. Das sind doch Charakterzüge, die nur die Musik schaffen kann. Was für ein großer Zauber. Am 5. Dezember erscheint There Is Nothing In The Dark Which Isn't There In The Light und bringt den großen Glanz der Editors-Tracks in einem ganz gedimmten Arrangement! Wow!

11.03.26 Köln - Kulturkirche
13.03.26 Schorndorf - Manufaktur
19.03.26 Wien - Simm City
25.03.26 Berlin - Passionkirche
26.03.26 Hamburg - Christiankirche


Vlimmer
(Ms) Es gibt Musik, die einfach zu einhundert Prozent in eine ganz spezifische Stimmung passt. Letzte Woche auf dem Weg zur Arbeit: Es war ungeheuer nebelig. Die Sichtweite betrug maximal 50 bis 70 Meter. Das verlangt viel Konzentration, hat aber natürlich auch etwas herrlich mysteriöses. Manchmal fühlt es sich dann an wie im Film. Hätte dann Cystacanca von Vlimmer im Auto ertönt, wäre die Szenie perfekt. Alexander Donat geht mit jedem Track seines Hauptprojekts einen Schritt weiter, es macht sehr viel Spaß, dabei zuzuhören. Auf dieser Single zeigt er sich programmatischer im Textaufbau und noch etwas anspruchsvoller, reifer im Sound. Ein paar mehr Elemente, die den Klang bilden und einen immer klareren Gesang. Das tut seiner Musik sehr gut. Und irgendwie passen diese Zeilen hervorragend in den morgendlichen Nebel: „Nimm das Übel mit /Wasch die Erde rein / Lass uns zusammen sein.“ Doch kein neuer Vlimmer-Track ohne einen kleinen Bonus. So ist zugleich ein deutsches Cover von Arcade Fires No Cars Go erschienen. Dieser Tausendsassa…


Jo The Man The Music
(Ms) Immer wieder versuche ich hier in dieser wöchentlichen Rubrik Perlentaucherarbeit. Die Suche nach dem Besonderen, Ungewöhnlichen, Kunstvollen oder gar Avantgardistischen. Doch mal kurz innehalten ist auch nicht verkehrt. Denn immer nur nach dem außerordentlich Speziellen zu suchen, ist ja auch langweilig. Jo The Man The Music aus Österreich hat letztens ihre neue Single Shoulders veröffentlicht. Das soll nun nicht dispektierlich klingen: Aber das ist einfach ein ganz wunderbarer, warmer, gitarrenpoppiger Song, der wie eine kleine Streicheleinheit daher kommt. Das Stück ist nicht kompliziert, nicht außerordentlich wild arrangiert. Und genau in dieser wunderbaren Schlichtheit liegt die Stärke und Schönheit. Eine Ballade, die mitsamt viel Wärme daher kommt und zu dieser Zeit, in der viel Kälte zu spüren ist, genau richtig ist. Am 16. Januar erscheint ihre erste EP Soft Skin

Freitag, 14. November 2025

KW 46, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: Gästebuch.com / arnikahossain
(Ms) Brennt die Funkmasten nieder! Hinfort mit den Handys und Smartphones. Weg mit diesem Mist! Nervosität auf Stand-By. Pseudo-Erreichbarkeit. Zeitfresser-Programme überall. Niemand braucht das.

Derzeit lese ich Momo von Michael Ende. Das Buch ist aus den 70er Jahren. Wahnsinn! Ich wusste, dass es eine zauberhafte Geschichte sein wird, aber diese Aktualität habe ich im Vorhinein unterschätzt. Was die Grauen Herren von der Zeit-Spar-Kasse von vor fünfzig Jahren waren, sind die mobilen Endgeräte der Jetztzeit. Sie klauen uns ganz bewusst das wertvollste, was wir haben: unsere Zeit! Und wir füttern riesige Konzerne mit Daten und leeren Augen. Es braucht eine Herrschar an Momos unserer Zeit, die uns darauf aufmerksam machen, wie unfassbar viel Zeit wir an diesen Teilen verschwenden. Wir haben nichts davon außer gestörte Hirnareale, verminderte Konzentrationsfähigkeit und fehlende Geduld. 

Imarhan
(Ms) Wenn Pop auf Politik stößt, dann wird es meist sehr spannend. Insbesondere weil Musik die Kraft hat, über Grenzen hinweg zu klingen und zu wirken. Bands, die Lieder aus anderen Gegenden der Welt singen, können uns die Augen öffnen. Denn viele Konflikte bleiben uns verborgen oder sind schnell vergessen. Zudem bringen sie eventuell einen Klang mit, der für uns ungewohnt ist, aber ganz viel Schönheit mit sich bringt. Imarhan kommen aus Algerien und machen extrem melodiöse Musik. Schlagzeug spielt eine untergeordnete Rolle, der Rhythmus wird meist durch Gitarren vorgegeben - aber klar, hier und da wird auch getrommelt. Tellalt heißt ihre aktuelle Single und das Wort bezeichnet eine seltene Akazienart aus der Sahara. Wenn sie verbrannt wird, soll sie wunderbar riechen und das Knistern des Feuers scheint unvergleichlich, so Sänger Sadam. Zudem erzählen sie von Geschichten der algerisch-malischen Grenze. Von Menschen, die aus Mali fliehen. Schicksale, die hier selten Aufmerksamkeit bekommen. Imarhan gibt diesen Menschen eine Stimme. Und am 16. Januar erscheint ihre neue Platte Essam bei CitySlang und könnte ganz zauberhaft werden!

14.04.26 - Knust, Hamburg,
15.04.26 - Gretchen, Berlin


Dry Cleaning
(Ms) Ein Bullshit-Job ist eine Tätigkeit, der jeglicher Sinn fehlt. Diese ist dann manchmal auch noch recht gut bezahlt. Ihr gesellschaftlicher Nutzen ist gleich Null. Aber vielleicht haben einige der ArbeiterInnen, die so einen Job haben, dennoch Spaß daran. Darum geht es im neuen Track Cruise Ship Designer von Dry Cleaning. Der Titel verrät es schon: Sängerin und Texterin Florence Shaw berichtet darin über einen Designer für Hotels und Kreuzfahrtschiffe, der seinen Job richtig gut erledigt, aber immer wieder am Sinn seiner Tätigkeit zweifelt. Wie genial ist das denn?! So viel Tragik und Komik in einem Track habe ich lange nicht mitbekommen. Musikalisch wird die Geschichte von groovigen Klängen, die zwischen frühem Punk und Krautrock angesiedelt sind. Obendrein serviert die Band ein großartiges Mittanzvideo! Mehr solcher tollen Klänge und Storys gibt‘s auf ihrem neuen Album Secret Love, das am 9. Januar erscheinen wird! Könnte geil werden!

07.04.26 Berlin, Festsaal Kreuzberg
10.04.26 Hamburg, Mojo



Frau Lehmann
(Ms) Gut Ding hat Weile. Mit etwas Abstand gesehen, ist ja an den meisten Sprichworten doch eine Menge dran. Die Alte Leier heißt die neue Single der Leipziger Band Frau Lehmann. Wobei so neu der Track gar nicht ist. Vor 10 Jahren schrieb Sängerin Fiona Lehmann diesen Text und nun hat er seine Form gefunden - was für eine schöne Geschichte! Das Thema: Liebeskummer und der Kampf dagegen. Zuhören? Ach nein, lieber in die Kneipe gehen und dann stark abdriften. Und der Kummer pocht immer noch genauso stark wie vorher. Manchmal sind Wunsch und Realität zwei verschiedene Dinge, davon handelt das Lied auch. In herrlich melancholischer Manier mit Xylophon und wunderbarer Eingänigkeit. Ein Song, der zum sonst punkigen Sound der Band gar nicht so passt, umso besser ergänzt er ihr Schaffen. Am 30. Januar erscheint ihre neue Platte Trost & Trotz und könnte vielschichtig, unterhaltsam, den-Finger-in-die-Wunde-legend werden!


Amanda Bergman
(Ms) Stutzig werden. Wenn Musik das schafft, dann ist sie wirkmächtig. Wenn sie einen irritiert zurück lässt. Wenn man gerne noch etwas mehr darüber wissen möchte. Wenn der Song dann nochmal läuft. So geschehen beim neuen Track von Amanda Bergman. Die schwedische Künstlerin hat mit Grasp einen wunderbar, saften neuen Song herausgebracht. Zu dem Stück gibt es ein kleines, schönes Video, das mal unterhaltsam, mal niedlich, mal einfach nur schön ist. Doch etwas stimmt hier nicht. Und das ist Folgendes: Text und Musik passen nicht zusammen. Die Musik ist wahnsinnig zurück gelehnt. Zart, ruhig, unaufgeregt. Der Text ist das ziemliche Gegenteil davon. Kein Wunder: Er ist in der Nacht entstanden, als Donald Trump und Elon Musk das Weiße Haus übernommen haben. Eine Schaudergeschichte. Wie der Text des Liedes. Doch kein Grusel ohne Hoffnung. Und das sind ganz am Ende folgende Worte: „Making peace seem like some madness that has no time.“ Da bleibt nur zu sagen: Bring back the madness!

Mittwoch, 12. November 2025

Naked Lunch - Lights (And A Slight Taste Of Death)

Foto: Appolonia T. Britzan
(Ms) Zerbrechlichkeit und Schönheit. Kaum eine Band steht für beide Attribute so stark wie Naked Lunch. Die Schönheit der Zerbrechlichkeit hat diese Gruppe so gut wie perfektioniert. Und es hat zwölf Jahre gedauert, bis sie uns wieder mit neuen Liedern beschenkt. Am 7. November erschien Lights (And A Slight Taste Of Death) und ist sicher die Platte der Österreicher, die am schwersten ins Ohr geht. Wenn sie da aber erstmal angekommen ist, dann offenbart sich ihr ganzer Glanz.

Zerbrechlich waren ihre Lieder immer schon. Die ruhigen und die wuchtigen. Und das lag nicht immer nur am oftmals recht melancholischen Arrangement. Vielmehr gelingt es Oliver Welter seit vielen Jahren mit seiner Stimme den Geist seiner Musik zu 100% rüberzubringen. Man könnte sich bestimmt darüber streiten, ob Oliver Welter ein guter Sänger ist. Da gibt es viele Fürs und Widers, die sich ins Feld führen lassen. Doch eventuell ist das für die Musik, die Naked Lunch seit Jahren so großartig macht, gar nicht mal so wichtig. Immer wieder bricht seine Stimme. Das muss sie auch. Sonst kommt der Inhalt, die Atmosphäre, die Tiefe und das Menschliche aus all ihren Liedern gar nicht so zur Geltung. Das Wacklige ist Programm. Und - machen wir uns mal nichts vor - auch ein großer Teil dessen, was uns zum Menschen macht. Das Berührt- und Verletztwerdenkönnen, die Zweifel. Und bei all der Tragik, die sich immer wieder in ihren Songs ausbreitet, bleibt eines immer unterm Strich: Hoffnung. Liebe. Zusammenhalt. Dankbarkeit. Das ist ein irrer Spagat. Er ist nicht leicht. Aber sie nehmen die Herausforderung an. Mit der neuen Platte ist es ein weiteres Mal geglückt - man muss sich nur drauf einlassen.

43 Minuten Spielzeit hat die neue Platte. 14 Tracks sind darauf enthalten. Einige haben etwa eine Minute Länge, dafür wirken andere umso ausgiebiger. To All And Everyone I Love ist der Opener. Zudem war es die erste Single, die in all ihrer Schönheit brilliert. Ein Kniefall vor allen, die das Leben schöner machen. Eine Danksagung an all die leuchtenden Momente, die ein Leben begleiten. Dies ist ein großes Beispiel, wie wunderbar Musik sein kann! Doch wie der Albumtitel schon vermuten lässt, ist es eine Sammlung an Texten, die zwischen ganz hoch und ganz tief schwankt. Licht und Dunkel. Positiv und negativ. Auf und ab. 12 Jahre hat es gedauert, bis diese Platte ans Tageslicht kam. Oliver Welter zweifelte oft, ob es Naked Lunch überhaupt noch braucht. Dann eine Krebserkrankung und die Geburt seines dritten Kindes. Wow - wie heftig kann es nur zugehen?! Diese Platte ist das Ergebnis genau dieser Zeit.
Das Melancholische und Fröhliche ist teils in einem Stück zu hören. Schleppend und dunkel beginnt We Could Be Beautiful. Nach drei Minuten, ziemlich genau nach der Hälfte, wird Moll zu Dur, wird aus beinahe zäh Lebendigkeit. Wird aus einem Tiefpunkt ein Hoffnugsschimmer und ein ganz wunderbares Lied, an dessen Ende noch Bläser erklingen - hui!
Blackbird ist noch so ein Stück, das ganz viele Ebenen einfängt. Eines, das in meinen Ohren schleichend zum Highlight geworden ist. Trotz (oder gerade wegen?) der immer wieder brüchigen Stimme. Auch wenn es kurios klingen mag, aber die Zeile „Maybe I‘m punished for being a rude man / maybe I did things wrong when I was much younger“ wird so unglaublich schön dargeboten. Anschließend tanzen die Syntheziser und Bläser bringen erneut viel Wärme ins Spiel. Es bleibt zwischendurch festzuhalten - diese neuen Stücke sind enorm stark arrangiert! So vielschichtige Musik gab es von Naked Lunch lange nicht! Auch scheinbar disharmonische Stücke wie If This Is The Last Song You Can Hear offenbaren in ihrem ganzen Soundgewitter viel Sinn für Ästhetik.
Eine weitere Stärke dieser Platte ist, dass es nie langweilig wird. Ich bin erstaunt, wie unfassbar gut die Lieder aneinandergereiht sind! Das ist ja auch eine Art der Kunst. I Saw, auch wieder etwas deftiger aufgebaut, besticht durch die prägnante Gitarre und dem großen musikalischen Lichtblick. Wer bei diesem Album nicht baff staunt, ist ein Banause! So ist auch kurz vor Schluss ein zartes Stück wie Love Don‘t Love Him Anymore purer Glanz! Dieses Chor-Arrangement… wundervoll!

Lights (And A Slight Taste Of Death) ist nichts anderes als ein Meisterwerk. Meine Ohren brauchten etwas Anlaufzeit, um all diese Schönheit auch wahrzunehmen. Ja, es bricht oft. Ja, es quietscht hier und da. Es ist nicht alles perfekt, schon gar nicht rund und glatt produziert. Und genau das ist der große Trumpf. In all dem Zerbrechlichen liegt so, so viel Menschliches. So ist diese Platte eine große Wohltat und hoffentlich noch lange nicht das Ende dieser Band. Sie spielt hier live:

17.01.26 Ebensee - Kino
22.01.26 Wien - Arena
23.01.26 Graz - PPC
29.01.26 Innsbruck - Treibhaus
30.01.26 Dornbirn - Spielboden
31.01 26 Salzburg - ARGEkultur
05.02.26 Leipzig - Naumanns
06.02.26 Berlin - Berghain Kantine
07.02.26 Hamburg - MS Stubnitz
04.03.26 München - Milla
05.03.26 Stuttgart - Merlin
06.03.26 Steyr - Röda
28.05.26 Klagenfurt Festival


Montag, 10. November 2025

Live in Hamburg: The Notwist

Foto: luserlounge
(Ms) Back to the roots. Manchmal ist es sehr sinnig, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Oder auf die eigenen Anfänge. Beides steckt in diesem kleinen Sprichwort. Das denken sich auch die Mitglieder von The Notwist, die immer mal wieder die ganz alten Stücke spielen und dann als Pocketband auf Tour sind. So dieser Tage und dann direkt in den jeweiligen Städten zwei Abende hintereinander in kleineren Läden.
Am Samstag und Sonntag spielten sie im Hamburger Knust und das war mal wieder eine Reise an die Elbe wert.

Wir waren am Samstag früh vor Ort und konnten der feinen Musikauswahl von Markus Acher lauschen, die er im Barbereich auflegte. Dazu lief irgendein Oliver Hardy und Stan Laurel-Film und draußen war tiefster Herbst. Perfekt!
Ab 20 Uhr wurde es auf der Bühne richtig spannend, denn Sinem spielten zur Einstimmung ein kleines Set. Und seitdem denke ich darüber nach, warum ich nicht mehr Indie/Rock-Musik mit türkischer Sprache höre. Es gibt sicher wesentlich mehr als diese Band, die atmosphärisch diese Sprache einsetzen. Ungefähr eine halbe Stunde hat das Trio gespielt und mich ab dem ersten Takt direkt angesprochen! Insbesondere die für mich ungewohnten Harmonien im Gesang ließen mich neugierig lauschen. Zudem war das Schlagzeugspiel absolut mitreißend! Das hat richtig Spaß gemacht und mal andere Töne auf die Bühne gezaubert als alles andere, was sonst so im Pop/Rock-Bereich zu hören ist.

Kurze Umbaupause. Als The Notwist Pocketband spielen Markus und Micha Acher zusammen mit Andi Haberl und für ein paar Stücke mit Christoph Beck. Es ging direkt roh und wuchtig mit den alten Stücken los, als die ganze Soundtüftelei noch keine so große Rolle für die Band spielte. Tatsächlich kenne ich nicht ein Stück aus dieser Phase. Genau das hat den Reiz für den Abend ausgemacht. Denn auch in den durchvolleren, E-Gitarren-lastigeren Stücken lauern viele mitreißende Elemente. Nicht die sphärisch-träumerischen, aber durchaus eine Menge, die auch den Körper durchdringt. Doch auch verhältnismäßig neuere Songs wie Kong fanden in die Tracklist des Abends.
Gerade mal 80 Minuten dauerte der Gig der Weilheimer Musiker. Es war für dieses Set, für diese Zusammenstellung an Liedern genau der richtige Rahmen. Der kleinere Laden - im Frühjahr spielen sie in der Großen Freiheit 36 -, die tolle Vorband und die genau richtige Dauer.
Back to the roots - es hat sich gelohnt!
 

Montag, 3. November 2025

Live in Bremen: Grandbrothers

Foto: luserlounge
(Ms) Sonntagabend, der Herbst hat volle Fahrt aufgenommen und am Bremer Bahnhof ist es rappelvoll. Der letzte Tag des Freimarkts ließ nochmal einige Leute aus ihren Häusern kommen. Und auch der Weg zum Schlachthof führte direkt an Buden und Fahrgeschäften entlang. Dort war es aber erstaunlich ruhig. Seltsam, dass es so luftig in der Kesselhalle gewesen ist. Immerhin kamen die Grandbrothers mit ihrem aktuellen Album Elsewhere vorbei, um die Menschen in den Klavierbann zu ziehen. War es das große Überangebot am Wochenende in Bremen? H-Blockx, Freimarkt, Nina Chuba, Anda Morts, Mental Tracks? Brauchten die musikaffinen Menschen eine Pause? Lag es am Sonntag? Oder ist die Musik von den beiden Klangtüftlern dann doch ein wenig zu speziell? Viele Fragen, wenig Antworten.

So stand niemand vor der Bühne, alle saßen, als Keshavara den Abend eröffneten. Allein das ist schon krass, das habe ich im Schlachthof noch nie gesehen. Dabei ließen sich viele Leute einfach einen großartigen Abend entgehen. Der Einstieg war extrem stark! Keshavara eröffnen viele der aktuellen Konzerte der Grandbrothers als Duo und wissen sehr schnell zu überzeugen. Sie erinnern an Oum Shatt, nur mit indischen statt orientalischen Klängen. Etwas psychedelisch, sehr unterhaltsam und einfach auch extrem sympathisch! Wenn sie in Bandbesetzung im April wieder in den Magazinkeller kommen, sind sicher einige Menschen, die am Sonntag da war, auch vor Ort!

Kurze Umbaupause, die schon einiges entdecken ließ. Die Bühne, wenn Lukas Vogel und Erol Sarp spielen, ist ein Hingucker. Auf der linken Seite der Flügel mit offenem Korpus aus dem allerhand Kabel und Gerätschaften herausschauen. Die Kabel suchen sich den Weg zum Tisch von Lukas Vogel, wo sie in verschiedensten elektronischen Soundboxen landen. Zusammen werden sie einen Klang erzeugen, der viel Sog entfachen wird, aber auch viel Schönheit. Dahinter zwei große Lichtleinwände, die die optische Ebene beschwören. Klar, das ist alles wahnsinnig ausgetüftelt, die Musik der Grandbrothers lässt sicher auch wenig Spiel für Improvisation, aber das Konzept geht voll auf.
Es ist 21 Uhr als die beiden Musiker die Bühne betreten, ein paar mehr Menschen wagen sich direkt in den Raum davor, um mittanzen zu können. Denn das kann sehr schnell passieren. Die eineinhalb Stunden danach waren ein reiner Rausch. Wie ein Live-DJ-Set. Die Lieder gingen ineinander über. Die Melodien und Rhythmen schwebten nur so durch den Raum. Und wenn man sich dort umschaut, sind viele glückliche, versunkene Gesichter zu sehen. Kaum jemand, der sich nicht anstecken lässt von der Energie, die die beiden auf der Bühne erzeugen. Das ist Wahnsinn, sehr intensiv, aber auch nicht zu doll. Viel Schönheit, viele große Melodien und dann immer wieder starker Bass, viel Takt, viele Möglichkeiten, um sich weg zu träumen. In ihren wenigen Ansagen zeigten sie sich nicht nur als passionierte Kirmesbesucher, sondern auch als äußerst dankbare Künstler. Das zollte das aufmerksame Publikum durch viel leises Zuhören, wenig quatschen und viel warmem Applaus zurück. 

Wer kann, sollte dieses Duo auf ihrer aktuellen Tour auf jeden Fall besuchen und unterstützen. Das ist außerordentlich stark, was die beiden aus dem Flügel rausholen und ihren ZuschauerInnen schenken!