Montag, 17. Februar 2025

Shirley Holmes - Mein Bestes Selbst

Foto: Christoph Mangler
(Ms) Folgende Frage stellt sich mir seit Monaten und Jahren in immer regelmäßigen Abständen. Mitunter täglich, je weiter die Zeit voran schreitet. Die Frage: Wie begegne ich den allgemeinen globalen, nationalen, lokalen Negativtrends? Mittlerweile erstarre ich nur noch, wenn ich lese, wie der amerikanische Staat derzeit abgebaut wird. Wenn ich lese, dass es Bestrebungen in der CDU gibt, eine Minderheitsregierung unter Mitarbeit der AfD zu tolerieren. Wenn ich lese, wie Übergriffe instrumentalisiert werden und das Thema Migration völlig aufgepumpt wird, obwohl es (in meinen Augen) ein Männlichkeitsproblem ist. Denn in Dortmund, Bremen, Ratingen gab es auch Messerangriffe, aber halt von „Deutschen“ ausgeübt. Oft hat die Polizei die Schusswaffe dann gebraucht. In weiten Teilen der Medien und Politik tauchen diese Fälle kaum auf.

Wie damit umgehen? Reicht es, auf die großen Demos zu gehen? Dass man dahin muss, ist klar. Muss ein humanes Engagement, das die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen will, noch anders aussehen? Wer Ideen für mich hat: Meldet euch gerne!

Wut ist dabei definitiv ein Gefühl, das sicher nicht nur mich erwischt. Doch wenn die Wut alleine bleibt, bekommt sie Schaum vorm Mund, trampelt auf der Stelle oder führt zu falschen Entscheidungen. Eine Prise Ironie darf dabei nicht fehlen. Ein bisschen Erdung. Eine Möglichkeit, um nicht völlig durchzudrehen. An dieser Stelle kommen Shirley Holmes aus Berlin ins Spiel. Am 14. Februar haben sie ihr neues Album Mein Bestes Selbst veröffentlicht und es ist großartig geworden! Wie das Trio hier Wirklichkeit und Ironie verbindet, ist phantastisch. Denn es ist genau das richtige Maß: Der Witz bleibt so lange lustig, wie die Nervenbahn ihn ans Hirn gesendet hat und dann wiederum im Hals stecken bleibt. Puh! 

Es sind 11 Tracks, die etwas über eine halbe Stunde Spieldauer haben. Es ist Punkrock. Es ist schnell. Es ist laut. Es ist wild. Es ist kompromisslos. Es ist selbstgemacht. Am besten beschreibt die Band ihren Sound auf dem Track Aggressive Musik, denn es ist die, die ihrer Stimmung entspricht. Und wenn man sie woanders nicht findet, dann muss man sie halt selbst machen. Wow, das geht enorm gut auf. Die Band behandelt nicht nur die großen Probleme, sondern auch die Privaten. Auf Übermorgen geht es um die gute alte Prokrastination und manchmal aufflackernde Überforderung bei all den To Dos, die sich sammeln. Manchmal nervt dieses Erwachsenenleben total ab - hier kommt die Erlösung! Die aufkommende Wut lähmt auch manchmal, schlägt mitunter in Furcht um. Darum gehts in Angst & Hobbys. Diese Angst muss mich nicht einfrieren, ab und an ist sie auch gut, um zu schauen, was denn überhaupt los ist. Sie ermöglicht auch einen Blick auf die Realität und wie damit umzugehen ist. Aus der Angst muss immer eine Aktion folgen, sonst gewinnen die anderen. 

Ein paar Songs singen Shirley Holmes auch auf Englisch. So einen Sprachwechsel finde ich manchmal etwas schräg, ist aber nur meine persönliche Empfindung. Ich kann es nicht genau erklären, wieso, aber es geht auf dieser Platte richtig gut auf, wenn Tracks wie Wanna Fck Your Reflection durch die Boxen scheppern. Die ganze Angst, die Wut, die Lähmung, das Versteinern wäre nichts, wenn es nicht auf aufgelöst wird. Sommerstadt (Recharge Me) ist dabei nicht nur der poppigste Track von Mein Bestes Selbst, sondern auch der Positivste. So ist diese Platte wahnsinnig ausgewogen, voller Emotionen, klug getextet, wuchtig arrangiert, inhaltlich super wichtig und live bestimmt enorm!

07.03.25 Dresden, Chemiefabrik (+ Riot Spears / One Hit Rüdiger)
08.03.25 Erfurt, Museumskeller (+ POLL3)
14.03.25 Hamburg, Nochtwache (+ Surreal Fatal)
15.03.25 Bremen, Lagerhaus
27.03.25 Hannover, Lux
28.03.25 Essen, Don't Panic (+ The Destruents)
29.03.25 Würzburg, Immerhin
05.04.25 Berlin, SO36 (+ Fil)
09.10.25 Nürnberg, Z-Bau
10.10.25 Graz (AT), tba
11.10.25 München, Milla
07.11.25 Bielefeld, Forum (+ SAFI)
08.11.25 Köln, Blue Shell
06.06.25 Beverungen, Orange Blossom Special
07.06.25 Merkers, Rock am Berg Open Air
28.06.25 Hergensweiler, Woodstockenweiler Festival
05.07.25 Remchingen, Steinbruch Benefiz Open Air

Sonntag, 16. Februar 2025

KW 7, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(ms) Alles zu viel. Alles zu wild. Mal wieder wird der Kopf völlig überfrachtet von Nachrichten, die schockieren und bedrohlich sind. Wie dabei noch auf dem Boden bleiben? Mit einer kleinen Zeitreise!
Ort: Supermarkt. Als erwachsener Mensch bin ich, wenn überhaupt, im Supermarkt, um recht zweckorientiert einzukaufen. Dinge des täglichen Bedarfs, das, was zum Kochen vergessen wurde, frisches Obst und Gemüse. Vor zwanzig Jahren sah das ganz anders aus. Das sah ich, als ein paar Teenie-Jungs durch den gleichen Gang strömten wie ich. Sorgsam zählten sie ihr Taschengeld, um es möglichst effektiv für Süßigkeiten und irgendwelche Schrottdrinks, die ich selbstredend früher auch alle getrunken und genossen habe, auszugeben. Sie haben auch gemerkt, dass Milka-Schokolade teurer geworden ist. Haben sich dann für Weingummi oder sowas entschieden - selbstredend ein großer Fehler. Warum nichts Salziges? Ist doch viel besser! Herrlich…

Jenny Thiele
(Ms) Im Moment sein. Sich verlieren. Flow-Zustände erreichen. Ein wenig durch die Welt schweben, leicht über dem Boden und vom Rest nicht ganz so viel mitbekommen. Vielleicht jemanden entdecken, der oder die fasziniert. Ein Funkeln in den Augen, eine Aura, die anzieht. Tanzen, tanzen, tanzen. Davon singt Jenny Thiele in ihrer neuen Single Dancer In The Blue. Nein, sie singt nicht auf Englisch, nur ein paar Verse sind nicht auf Deutsch gesungen. Sie sieht den Tänzer im blauen Licht und ist im Sog gefangen, schaut zu, will vielleicht mittanzen in seinem Pulsschlag. Ganz im Moment, versunken und verträumt. Das ganze ist eingebettet in einem frischen NDW-Sound, der vom Bass und Synthies dominiert ist. Pop ohne korrigierende Effekte und mit mehr Sinnlichkeit, als er woanders auftaucht. Das dazu passende Album Platz wird am 27. Juni erscheinen. Dann ist klar, zu welchen Songs die Sommernächte durchgetanzt werden, oder? Genau!

21.03.25 Wuppertal - Songs & Arien (solo)
30.03.25 Emmendingen – Songcafé (solo)
22.05.25 Mannheim – Casino (solo)
23.05.25 Blaubeuren – Zum Fröhlichen Nix (solo)
26.06.25 Darmstadt – Campusfestival (Band)
02.08.25 Dessau – Dessauer Sommer (Band)
18.09.25 Herne – Flottmann Halle (Band)
19.09.25 Langenberg – KGB (Band)
25.09.25 Waiblingen – Schwan (Band)
12.10.25 Karlsruhe – Tollhaus (Band)
05.12.25 Oberhausen – Druckluft (Band)
06.12.25 Wolfsburg – Hallenbad (Band)


Epoilog & Léon The Singer
(Ms) Augen zu. Runterfahren. Langsam sein. Alles ausschalten, was ablenken könnte. Entspannen und Ruhe genießen. Dann nach und nach realisieren, dass Autotune auch richtig gut eingesetzt werden kann. Eine Erkenntnis, die ich mir nie getraut hätte, sie einzutippen. Doch wenn ich Epilog und Léon The Singer mit ihrer neuen Single One Of Them höre, dann wird mir das ganz schnell klar. Der Track mäandert wundervoll durch die Luft, dicht und warm. Ein Lied, das einem beim Hören eine Schutzschicht zulegt, weil es so weich, ruhig und bezaubernd ist. Ein ruhiger Bass schwebt im Hintergrund, leichte Percussion, die kam wahrnehmbar ist und dazu Sythies, die insbesondere im letzten Dritten richtig Energie entfachen. Das ist musikgewordene kraftvolle Ruhe - wow!


Kochkraft durch KMA
(Ms) Zeitreise, die Zweite! 2016. Duisburg. Ruhrgebiet never dies! Mehrere Jahre war ich hintereinander beim Traumzeit Festival im Landschaftspark Nord. Dort habe ich enorm viel Neues und Gutes kennengelernt. Auf der kleinen Bühne, die damals für alle Menschen zugänglich war, spielte eine Band, die Kochkraft Durch KMA hieß. Ich war neugierig, schaute mir das an und war …verwundert? …verwirrt? …sprachlos? Denn das, was diese Band da abgeliefert hat, war extrem! Schnell, wild, exzessiv! Neun Jahre später sind sie immer noch da, haben sich nicht unterkriegen lassen, bringen ihre neue Platte sogar beim Grand Hotel van Cleef raus. Hardcore Never Dies Das erscheint am 11. April und lena_v@gmx.de ist ihre neue Single mit einem enorm geilen Namen! Ein Track über den Druck in der Musikbranche, den man so auch für den eigenen Job übernehmen kann. Zweieinhalb Minuten Power, kompromissloser Krach! Dass das live immer noch wahnsinnig Spaß macht, bewiesen sie unter anderem als Support von Kettcar im letzten Frühjahr. Demnächst gehen sie selbst wieder auf Tour und das wird richtig gut - versprochen!

29.03. Reutlingen, franz.K
30.04. Regensburg, Alte Mälzerei
16.10. Karlsruhe, Substage
17.10. Stuttgart, ClubCANN
18.10. Dortmund, FZW
19.10. Langenberg, KGB
21.10. Wiesbaden, Schlachthfo
22.10. Saarbrücken, Garage
24.10. Konstanz, Kulturladen
25.10. CH - Aarau, Kiff
26.10. CH - Luzern, Sedel
28.10. Augsburg, Soho Stage
29.10. Erlangen, E-WerK
30.10. München, Ampere
01.11. AT - Graz, Music-House
03.11. AT - Wien, B 72
05.11. Leipzig, Naumanns Tanzlokal
06.11. Wolfsburg, Hallenbad
07.11. Erfurt, VEB
08.11. Köln, Club Volta
12.11. Osnabrück, Kleine Freiheit
13.11. Bremen, Lagerhaus
14.11. Hamburg, Molotow
15.11. Berlin, Badehaus



Waving The Guns
(Ms) „Körperkontakt mit dir heißt / Ich bin peinlich berührt!“ Bäm!
Waving The Guns sind wieder da und viel stärker, als ich es mir nur ausmalen konnte. Zwischen Wand Und Tapete erscheint Ende des Monats, am 28. Februar und es wird ein brutales Album. Denn Milli Dance trumpft auf. Er hat einen klaren Blick für alle gesellschaftlichen Schräglagen und bringt sie allesamt auf den Punkt! Auch auf der neuen Single ist das der Fall. Beeindruck Sie Mit Mir ist ein satter Beweis, dass WTG da ist, stark ist und im Rap-Business mitspielt. Und gewinnt.


Herrenmagazin
(Ms) Wenn eine Band viele Jahre nicht da war und dann wiederkommt, ist der Sound von damals ja ein wenig das, was man sich in der besten Variante im Heute wünscht. Mit der ersten Single haben Herrenmagazin das außerordentlich gut geschafft. Gibt es gerade noch eine Band, die ähnlich schreibt wie sie? Mir fällt keine ein und daher ist die Freude immens, dass das Quartett wieder da ist. Nun gibt es ein neues Lied, Alter Debütant heißt es. „Alles, was mit den Blick verstellt, ist mir lange schon bekannt.“ Genau das sind Lieder, die auf wundersame Weise das Sein eines (erwachsenen) Menschen so leicht, klar und klug in Worte fasst, wie es mir niemals gelingen würde. Genau das ist dann doch der Punkt, wo Musik viel mehr als Klang und Text ist. Dann hat sie auf einmal was mit mir selbst als Person zu tun. Sie drückt aus, wofür ich keine Worte finde. Vielen Dank, Herrenmagazin, das tut richtig gut! Du Hast Hier Nichts Verloren erscheint am 28. März und wird heilsam werden!

11.04.25 Frankfurt, Nachtleben
12.04.25 Stuttgart, JuHa West
01.05.25 Hamburg, Uebel & Gefährlich
02.05.25 Hannover, Bei Chéz Heinz
03.05.25 Berlin, Bi Nuu
17.10.25 Dresden, GrooveStation
18.10.25 München, Kranhalle
20.10.25 Leipizg, Naumanns
21.10.25 Kassel, Goldgrube
22.10.25 Essen, Zeche Carl
23.10.25 Köln, Gebäude 9
24.10.25 Bremen, Tower


Vlimmer
(Ms) Vor gut zwanzig Jahren wurde mir mal gesagt, dass ich zu jung sei, um Die Sterne zu verstehen. Das ist richtig. Vor zwanzig Jahren war ich 14, wer soll so jung Frank Spilkers Texte verstehen? Das gelingt mir heute ja gerade mal ansatzweise. Auch Genres brauchen Zeit, um sie zu verstehen - behaupte ich jetzt einfach mal. Dark Wave zum Beispiel. War mir lange zu … ja, was eigentlich? Benennen kann ich es nicht, aber mir fehlte der Zugang. Das hat sich geändert und den tiefen, elektronischen Töne mit dem rollenden Bass kann ich etwas abgewinnen. Irgendwie ist es auch schön, dass nicht immer alles an Text zu verstehen ist. Das Dunkle verströmt Magie, breitet einen Sog aus, in den ich mich gern hineinfallen lasse. Vlimmer ist genau das, was dem Genre gut tut, denn das, was Alex Donat macht, ist sehr abwechslungsreich. Bei allem, was er mit Vlimmer macht, ist vorher nie klar, in welche Richtung es geht. Wird es härter, schneller, krasser, weicher, zugänglicher, tanzbarer?! Am 31. Januar erschien eine neue EP mit sechs Liedern, die wieder eine klarere Version vom Projekt abgibt. Die Songs auf Diskomfort sind greifbar und dennoch bleibt der Klang, der Gesang, die Stimmung im Nebulösen. Das macht den Reiz aus, so wird Musik doch spannend!

Mittwoch, 12. Februar 2025

Tocotronic - Golden Years

Foto: Noel Richter
(Ms) Wenn Golden Years an diesem Freitag (14. Februar) erscheinen wird, ist es das 14. Album in 33 Jahren Bandgeschichte von Tocotronic. Was für eine Zeit! In den letzten zwanzig Jahren war Rick McPhail maßgeblich am Sound der Band beteiligt. Ihn live spielen zu sehen, ist ein Genuss. Wie sehr er in das Gitarrenspiel versunken sein kann, wundervoll! Auf der kommenden Tour wird er nicht dabei sein, da er aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen vorerst aus der Band ausgestiegen ist. Alles Gute auf diesem Wege! Live wird Felix Gebhard von Muff Potter seine Rolle einnehmen - ein extrem würdiger Ersatz!

Golden Years!
Ja, wenn Tocotronic für eins bekannt ist, dann sind es die großen Gesten. Textlich und auch visuell. Insbesondere Dirk von Lowtzow kann wirklich allem mit seinem Körper, seiner Gestik, Mimik, seinem Sein viel Bedeutung verleihen. Viel Pathos. Viel Ernsthaftigkeit. Vielleicht ist es nach all den Jahren mal Zeit, einen etwas anderen Blick auf diese Band zu werden. Können Tocotronic lustig sein? Hat diese Band Humor? Könnte in den Texten etwas zum Schmunzeln drin stecken? Nehmen sie sich vielleicht doch gar nicht mal so ernst?

Wenn die neuen Stücke der Platte laufen, fällt direkt auf: Musikalisch werden wir hier nicht überrascht! Das ist Tocotronic-Gitarrenrock, wie man ihn seit langer Zeit kennt. Wenn nun ein eventueller humoristischer Zug in ihrem Texten erkennbar sein sollte, müssen die Erwartungen dafür klar sein. Hier spielen nicht Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen, die witzige, kurzweilige Geschichten erzählen. Tocotronics Humor funktioniert anders. Auch bei weitem nicht auf jedem Stück, das wäre ja auch falsch. Aber er lässt sich finden und tut dem Bild dieser Band mal ganz gut. Es müssen nicht immer die großen Gesten und die große Bedeutungsaufladung sein. 

Das Titelstück ist zum Beispiel so eins, wo man schmunzeln kann. Ein Rückblick auf zahlreiche Zugreisen und Konzerte, die die Band gespielt hat. Freilichtbühne Recklinghausen, Motel One, Schlafmittel. Dazu beinahe eine Musik, zu der man schunkeln kann. Dass es hier Verse gibt, die mal ein wenig profaner sind, ist schön und nicht einfallslos. Mein Unfreiwillig Asoziales Jahr ist ja per Titel schon unterhaltsam. Worum es genau geht, bleibt im Unklaren. Doch es kann sein, dass es um massiven Handykonsum geht - sitzen und starren auf den tiefblauen Bildschirm. Dazu Dirk von Lowtzows herrlicher Bariton - tolle Kombination! Nach all den Jahren darf man auch definitiv über mäßig gut gelungene Zeilen amüsieren. Zum Beispiel: „Vergiss die Finsternis / Finsternis ist Mist.“ Puh, da gilt es mal eben durchzuatmen. Zum Schmunzeln ist auch Bye Bye Berlin mit all seinen Kischees, um die es im Text geht. Insbesondere von außen darf man ja Berlin als Stadt, als Lebenskonzept gar nicht so ernst nehmen, das tun die BewohnerInnen der Stadt schon zu Genüge. Doch: Schließen Tocotronic hier ihre Berlin-Jahre? Keine Ahnung. Schöne Ungewissheit.

Und dann sind Tocotronic zurecht für gute, wahre, dringend benötigte Parolen bekannt. Dafür brauchen wir diese Band unbedingt. Denn Sie Wissen Was Sie Tun ist die erste Singleauskopplung gewesen und seitdem läuft das Lied immer wieder bei mir, weil es so einfach, so klar, so klug, so wahr ist. Insbesondere die Entwicklungen in den letzten Wochen in Österreich, den USA oder hier Bundestag zeigen, dass es viele recht Hardliner gibt, denen alles vollkommen egal ist. Außer die Superreichen werden noch superreicher. Neben den ganzen faschistischen Einstellungen ist und bleibt die AfD eine Partei der Bestverdienenden, die schonungslos den Staat abschaffen will. Diese Menschen sind gefährlich.
Doch mein ganz persönliches Highlight von Golden Years ist Wie Ich Mir Selbst Entkam. Es ist ein typisches Tocotronic-Lied, das ein Szenario eröffnet, das unklar ist. Ein Lied, das in einem philosophischen Metastadium funktioniert. Das erzählende Ich findet sich im „Asyl für Tagediebe“ ein und findet dort Erlösung. Ein Sanatorium, um sich selbst zu finden. Oder sich zu entkommen. Vielleicht ist beides ja das gleiche, je nachdem, woher man kommt. Die Liebe dieser Erde und die Veränderung begegnen sich dort und beobachten sich. Ein schwer zu greifendes Lied, das mich aber ganz enorm berührt. Mystisch, wundervoll!

Golden Years! Die 14. Platte von Tocotronic kommt ohne einen großen Knall daher. Damit muss diese Band auch gar nicht aufwarten. Wer so lange unterwegs ist und so erfolgreich ist und stets kreativ bleibt, der muss niemandem etwas beweisen. Es ist ein tolles Album zum Schmunzeln, Skandieren und Träumen. Wenn die Band demnächst auf Tour ist, bin ich extrem gespannt, wie sie als „neues“ Quartett funktionieren. Bestimmt gut!

19.03.25 Leipzig, Felsenkeller
20.03.25 Stuttgart, Im Wizemann
21.03.25 Nürnberg, Z-Bau
22.03.25 Wien, Konzerthaus
26.03.25 München, Tonhalle
27.03.25 Freiburg, E-Werk
28.03.25 Zürich, X-tra
29.03.25 Wiesbaden, Schlachthof
09.04.25 Bremen, Schlachthof
10.04.25 Dortmund, FZW
11.04.25 Hannover, Capitol
12.04.25 Köln, E-Werk
20.04.25 Berlin, Columbiahalle
26.04.25 Hamburg, Große Freiheit


 

Sonntag, 9. Februar 2025

Live in Bremen: 100blumen

Unscharfes Foto: luserlounge
(Ms) Bremen. Die Stadt platzte gestern fast aus allen Nähten. Und es gab zahlreiche gute Gründe dafür. Preminale im Schlachthof, Konzerte im Pier2 oder im Club des Theaters. Vor allem aber kamen gestern zwischen 35.000 und 50.000 Menschen auf den Domplatz, um für Solidarität einzustehen. Das war wirklich schön, dass es so viele Menschen gibt, die für das Wir stehen, egal wer wer ist und woher jemand kommt. Mögen einzelne PolitikerInnen das ignorieren. Dann machen wir unsere Gesellschaft halt selbst. Am eindrücklichsten fand ich bei der Kundgebung den Part der Omas Gegen Rechts. Wie cool, aufrichtig, besorgt und kreativ kann man eigentlich sein?! Finde ich genial, inklusive Gänsehaut! Es war kalt, aber egal. Es gibt Wichtiges für das es sich einzustehen lohnt. Auch der Adenauer-Bus des Zentrums Für Politische Schönheit war anwesend und zugegebenermaßen sehr imposant!

Gut, dass es am Abend unter solch solidarischen Menschen, die ihrem Unmut musikalisch Ausdruck verleihen, weiterging. 100blumen aus Düsseldorf sind an die Weser geschippert, haben Es War Mord mitgebracht und die Lila Eule fast zum Einsturz gebracht. Auf das Quartett vom Rhein bin ich erst im vergangenen Oktober aufmerksam geworden, als sie beim Rookie Fest spielten. Hui, was für eine Livemacht - das hat mich sehr beeindruckt! Und was im Hamburger Knust funktioniert, kann im Bremer Kellerclub auch funktionieren.

Leider muss an dieser Stelle ein nicht unwichtiges Aber eingeschoben werden. Um kurz nach Acht haben Es War Mord begonnen, bedingungsloser Punk, der keine Pausen macht. Aber gerne hätte ich verstanden, worum es geht. Insbesondere den Gesang habe ich gestern bei beiden Bands als echt schlecht verständlich empfunden. Ein paar Mal habe ich die Positionen gewechselt, mit und ohne Gehörschutz, aber viel verstanden habe ich leider nicht. Es hätte sich bestimmt gelohnt, so kann ich ganz wenig über den Auftritt sagen, außer dass es cool wäre, wenn der Sänger nicht auf der Bühne raucht.

Was mich bei 100blumen im Herbst so begeistert hat, war die wahnsinnige Wucht, die sie auf die Bühne bringen. Das ist echt kein Punk mehr. Es ist viel intensiver, phasenweise nicht ganz so typisch schnell und in jedem Fall mir viel mehr Bass aus den Synthies, die Sänger Marcel vor sich stehen hatte. Hin und wieder ist sogar das Wort Industrial zu sehen. Falsch ist es nicht. Gut 80 Minuten haben sie gespielt und auch wenn ich nicht alle Texte verstanden habe, hat es tierisch Bock gemacht. Diese Energie, die die Band erzeugt hat, ist enorm! Enorm sind auch die Reaktionen des Publikums auf diese Musik. Einige Menschen stehen recht stoisch dabei, andere wippen punkig den Kopf, wieder andere tanzen wild und ausgelassen und noch ganz andere versorgen die Band mit Schnaps. Sehr gut!
So ging ich mit einem weinenden (wegen des Sounds) und einem lachenden Auge (wegen der Dynamik) nach Hause und freue mich auf das nächste Mal, wenn 100blumen spielen - es sei jedem und jeder ans Herz gelegt!

Samstag, 8. Februar 2025

KW 6, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Wahlplakate. Heikles Thema. Sind sie wirklich notwendig? Findet der Wahlkampf nicht hauptsächlich auf Social Media statt? Aber was ist mit den Leuten, die da nicht sind (möglicherweise auch aus guten, nachvollziehbaren Gründen)? Also wieder pro Plakat. Nun las ich, dass PolitikerInnen verschiedenster Parteien eine sehr hohe Anzahl an zerstörten Plakaten verzeichnet haben. Das sollte sicher jedem von uns bekannt sein, dass sie entweder runtergerissen, zerrissen am Straßenrand liegen oder beschmiert wurden. Das ist und bleibt Sachbeschädigung und damit theoretisch strafbar. Nur: Müssen wir es aushalten, wenn Parteien, die die freiheitlich demokratische Ordnung willentlich zerstören wollen, so Werbung machen? Muss das eine Demokratie aushalten? Ich sage: Nein! Das muss niemand aushalten, es ist einfach nur falsch, dass die AfD Plakate aufhängt, um ihre gesellschaftlich zerstörerischen Ideale zu verbreiten. Weg mit ihnen!

Andreas Dorau
(Ms) Besser spät als nie! Kurz nach Weihnachten war Andreas Dorau Gast bei der Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen auf der traditionellen 3-Städte-Tour und für ein paar Lieder stand er mit auf der Bühne. Logisch, er hat mit der Band ja auch ein Album gemacht! Tatsächlich kannte ich bis dato auch nur Fred Vom Jupiter. Aber das ist ja wirklich lange her. Nach dem Bremen-Konzert der Liga mit Andreas Dorau waberte tagelang ein hartnäckiger Ohrwurm von Flaschenpfand durchs Haus - und alle haben mitgemacht! Nun kommt ein neues Album, samt Konzept dahinter. Und es offenbart sich am Titel direkt: Wien wird es heißen und am 14. Februar erscheinen (nächste Woche!). Ja, es dreht sich alles um die österreichische Hauptstadt. Das Konzept ist nicht objektiv, sondern Andreas Doraus Blick auf die Donaustadt. Die tanzbare, elektronische Single über die prägnanten Straßenlaternen 45 Lux ist schon draußen und wieder sehr ohrwurmig. Ungern zitiere ich Presse-Texte, aber das hier ist einfach zu gut: „Wenn es dann auch noch ein norddeutscher Musiker ist, der ein monothematisches Album über die österreichische Hauptstadt macht, drängt sich fast zwangsläufig die Frage auf: Ist das schon Austro-Pop?“

13.02. Hamburg, Hanseplatte (Q&A mit Gereon Klug)
14.02. Berlin, HHV Recordstore (Q&A mit Maurice Summen)
04.04 Berlin, Monarch
11.04.Hannover, Lux


Horsegirl
(Ms) Female fronted soll eine Musikkategorisierung sein. Warum um Himmels Willen?! Allein, weil eine Frau dabei ist, wird eine Schublade aufgemacht. Das ist doch nicht alles das Gleiche! Dennoch traurig, dass das oft passiert. Dann ist da nämlich eine Schublade, die geöffnet wird und all die Bands, in denen Frauen singen, werden miteinander verglichen. Stellt euch das mal bei Männern vor. Tja. Geht halt nicht.
Also: Horsegirl aus den Staaten. Drei Schülerinnen aus Chicargo gründeten eine Band, wurden von namhaften Leuten produziert und jetzt kommt die zweite Platte! Yeah! Das Trio macht reduzierte, unkomplizierte, verspielte, ohrwurmige Musik, die ein wenig an 90er/00er-Indie erinnert und bei mir sofort Momente von durchtanzten Nächten aufflimmern lässt. Das ist sehr leichtfüßig, beschwingt und einfach richtig schön! Nächste Woche Freitag erscheint das Album Phonetics On And On und könnte richtig gut werden!

10.06.25 Hamburg, Molotow Club
11.06.25 Berlin, Badehaus Szimpla
16.06.25 Köln, Bumann & Sohn


Shirley Holmes
(Ms) Man muss ja nicht mal in die Nachrichten gucken, um zu wissen, dass es hier und global gerade an vielen Stellen den Bach runter geht. Was macht der orangene Mann? Was passiert mit den Blauen und Schwarzen? Ich sehe manchmal nur Rot! Zum Glück geht es anderen genauso. Shirley Holmes zum Beispiel. Die Berliner Band singt in ihrem neuen Track unmissverständlich davon, denn er heißt Angst & Hobbys. Damit ist doch alles gesagt, oder? Fast: Wie gut es das Trio rüberbringt sei unbedingt erwähnt. Druckvoll singen sie davon, dass es schlimm ist, diese Zukunftsangst zu haben. Wobei diese Zukunftsangst unmittelbar greifbar ist. Da hilft nur eins: Diesen Song laut drehen, sich zusammen tun und dagegen angehen! Das ganze Album Mein Besseres Selbst erscheint nächste Woche Freitag bei Rookie Records!

07.03.25 Dresden, Chemiefabrik
08.03.25 Erfurt, Museumskeller
14.03.25 Hamburg, Nochtwache
15.03.25 Bremen, Lagerhaus
27.03.25 Hannover, Lux
28.03.25 Essen, Don't Panic
29.03.25 Würzburg, Immerhin
05.04.25 Berlin, SO36
06.06.25 Beverungen, Orange Blossom Special
07.06.25 Merkers, Rock am Berg Open Air
28.06.25 Hergensweiler, Woodstockenweiler Festival
05.07.25 Remchingen, Steinbruch Benefiz Open Air
09.10.25 Nürnberg, Z-Bau
10.10.25 Graz (AT), tba
11.10.25 München, Milla
07.11.25 Bielefeld, Forum
08.11.25 Köln, Blue Shell


Alicia Edelweiss
(Ms) Klar, Musik ist eines der schönsten Dinge auf der Welt. So facettenreich und wichtig. Und so wunderbar, der Entwicklung von KünstlerInnen zuzuschauen. Oder zuzuhören. Vor Jahren war Alicia Edelweiss Vorband von Voodoo Jürgens und Teil seiner Band. Dann stieg sie bei den Ansa Panier aus und intensivierte ihre bereits begonnenen Solo-Pfade. Die waren vielleicht ein bisschen schräg, weil ungewohnt zu Beginn (bei Songs wie Dreck), doch dann - so vermute ich mal - hat sie immer mehr ihren eigenen Sound gefunden. Es ist folkig, Avantgarde, breit und sphärisch. Nun ist sie bei Glitterhouse Records und hat eine neue Single veröffentlicht. Behind The Gates kommt nicht nur mit einem tollen Video daher, sondern vor allem mit beeindruckendem Klang! Nimmermüdes Schlagzeug, Glocken, Streicher, ganz breit angelegte Arrangements und ein phantastischer, gänsehautiger Gesang darüber! Wow, das ist großartig und sehr beeindruckend, was die Österreicherin hier wieder macht! Am 9. Mai wird ihr Album Furie erscheinen und sicher für große Ohren sorgen - versprochen!

 
Marble Sounds
(sb) Pop as Pop can. So gut. Nicht sonderlich spektakulär, aber ungemein eingängig, dazu eine tolle Stimme, zeitlose Melodien, außerordentlich gutes Songwriting und eine stimmige Linie, die sich durchs ganze Album zieht. Mit Core Memory hauen Marble Sounds am 07.03. eine Scheibe raus, die es verdient hätte, richtig durch die Decke zu gehen. Mastermind Pieter Van Dessel fasst zusammen:
 
"Das Vorgängeralbum zielte auf das Herz ab, während dieses Album auf das Bauchgefühl abzielt und mehrere Verweise auf musikalische Erinnerungen aus meiner Kindheit enthält, insbesondere aus den 80er Jahren.“
 
Hört Euch das an. Von mir aus auch erstmal als Stream und legt Euch dann das Album zu. Das ist ganz großartig!

 
The Roxies
(sb) Mist, voll in die Falle getappt! Nein, The Roxies sind keine Frauenband und es ist noch nicht mal eine Roxy dabei. Am 07.03. veröffentlicht die Band aus Berlin ihr neues Album Keep You Up At Night und lässt aufhorchen. Sehr hörenswerter Powerpop mit Punkrock-Anleihen und (meist) - tadaa - männlichem Gesang. Wem The Cribs gefallen, der wird das lieben. Isso.


Freitag, 7. Februar 2025

Live in Bremen: Blush Always

Foto: luserlounge
(Ms) Dies ist ein Text über die wundervollen Effekte von guten Support-Bands.
Obwohl. Der Name ist ja irgendwie doof, oder? Support, Unterstützung. Martin Bechler von Fortuna Ehrenfeld hat auch schon mal mit dem Namen gehadert. Nein, die Gruppe, die mit einer anderen auf Tour geht und als erstes spielt, ist nicht nur schmückendes Beiwerk. Oft haben sie die Chance, ihre Musik einem größeren Publikum vorzustellen, als sie selbst erreichen würde und oft geht das richtig gut aus. So wie gestern Abend in Bremen.
Begonnen hat das alles aber gut ein Jahr vorher. Da haben My Ugly Clementine im Lagerhaus gespielt und Blush Always war als eröffnende Band dabei, damals solo mit ordentlich Wumms vom Band. Das hat mir enorm gut gefallen, war ein beeindruckender Auftritt, der zudem viel Spaß gemacht hat. Also: Direkt abgespeichert.
Im September kam dann Katja Seifferts zweites Album raus: An Ode To? Ja, genau, mit dem Fragezeichen dahinter. Sie bringt 90er-Jahre-Gitarrenrock auf die Bühne ohne nur im geringsten Maße damit nostalgisch zu wirken. Im Gegenteil! Das, was sie macht, ist sehr frisch und sehr persönlich und sehr gut!

Nun ist sie auf eigener Tour und das natürlich nicht alleine. Als sie am Donnerstag im Tower gespielt hat, hat sie Wohinn? mitgebracht. Ja, auch hier ist das Fragezeichen an der richtigen Stelle. Die junge Hamburger Band hat den Abend vor gut 70 BesucherInnen eröffnet. Und wie?! Das Quartett hatte nicht nur enorm viel Energie, sondern auch eine brillante Instrumentierung. Die eingesetzte Querflöte und allerlei Sounds aus unterschiedlichen Drumcomputern und Synthies haben einen wahnsinnigen Klang erschaffen. Es war dicht und sehr atmosphärisch. Hier wissen vier Leute ganz genau, wie man mitreißende Musik arrangiert, das war genial, hat richtig viel Spaß gemacht! Also: Direkt abgespeichert!

Eine kleine Umbaupause später betraten Blush Always dann die Bühne! Die Gitarren waren gestimmt, das Schlagzeug bereit und dann ging es los. Gut 80 Minuten hat Katja Seiffert mit ihren drei Musikern gespielt und es war ein tolles Konzert! Ja, es ist 90er-Gitarrenrock. Aber: das ist erstmal nur das musikalische Gewand. Dahinter verstecken sich Texte, auf die es zu achten gilt. Zum Glück - denn nicht alles war soo gut zu verstehen - hat die Sängerin zu einigen Tracks etwas erzählt. Katja Seiffert singt in ihren Liedern viel über ihren eigenen Weg. Vom Zweifeln und sich Trauen. Vom Dankbarsein und sich Besinnen. Wie es ist ein Girl In A Band zu sein in einem Musikbusiness, wo ganz schnell gelabelt wird und female frontet bizarrerweise zum Teil ein Genre darstellt. Und die, die früher so oft so schnell errötet ist, steht selbstbewusst auf die Bühne, singt immer wieder aus voller Kehle, hat mir ihrer Band richtig viel Spaß und sehr aufmerksame Menschen vor der Bühne, bei denen viele lächelnde, glückliche Gesichter zu sehen waren. Insbesondere für ein paar jüngere Frauen im Publikum ist Katja Seifferts Geschichte, ihre Musik und das, was sie dazu zu erzählen hat, ein tolles Beispiel von Mut, Kreativität und Zusammenhalt. Zusätzlich auch einfach richtig gute Musik, die wahnsinnig viel Spaß macht!

Zwei Gigs kommen heute und morgen noch dazu, geht da unbedingt hin, es wird toll!

07.02.25 DE - Münster, Gleis 22
08.02.25 DE - Berlin, Neue Zukunft

PS: Wann geht denn Wohinn? auf Tour?





Samstag, 1. Februar 2025

KW 5, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Es ist Samstag am frühen Nachmittag und ich sitze im Kurzurlaub an der Nordsee und schaue aufs Watt. Was für eine Woche?! Die Rede von Merz am Mittwoch im Bundestag habe ich mir live im Fernsehen angeschaut. Das war schon beeindruckend, wie verlogen ein Mensch sein kann, dem scheinbar alles egal ist. Seine persönliche, moralische Integrität. Der Ruf seiner Partei. Bündnisse mit Faschisten eingehen. Und dann kam das allerbeste oder -schlimmste: Er hat, wie ein kleines, beleidigtes Kind, danach die Grünen und die SPD dafür verantwortlich gemacht! Ha, genial wenn es nicht so dumm wäre. Die Logik ist: Wir mussten ja mit den Faschisten stimmen, weil ihr nicht mitgemacht habt. Heißt in der kleinkindlichen, beleidigten Welt: Ich musste mir das Eis ja klauen, weil ihr mir kein Geld gegeben habt. Ich bin nicht Schuld, das war kein Fehler, ihr hättet es ja anders machen können. Alter, Kotzreiz! Zum Glück haben ein paar Menschen in seiner Partei dann ja doch ein Gewissen, er selbst ja nicht. Ich schau jetzt wieder aufs Watt.

AB Syndrom
(Ms) Diese Musik ist vollkommen frei! Es gibt keinen Vergleich, es darf keinen geben, weil es hier keine Regeln gibt. Ob AB Syndrom ein eigenes Genre sind?! Ja, das kann gut sein. Doch es ist schwer zu füllen. Im weitesten Sinne besteht es aus Sprechgesang, vielen ohrwurmigen Melodien und bestechenden Rhythmen! Doch darüber gibt es noch ein Prinzip, das dominiert. Und das liegt in der Art und Weise zu texten: Es ist total frei, sehr nah, zerbrechlich, ehrlich, ungeschminkt. Das beweisen sie schon seit Langem und nun wieder ganz frisch auf I Can Make It Better zusammen mit Futurebae. Woher kommen denn die Idee zu diesen Sounds und so einem Arrangement?! Klar, das ist schon ziemlich Pop, aber das ist auch im wahrsten Sinne genial! Das Album Implosion erscheint am 28. März und wird sicher ein Meilenstein des Jahres sein, nach dem sich noch viele umdrehen werden - versprochen!


Odd Couple
(Ms) Mittwochabend, ich habe einige Zeit die politischen Entwicklungen des Tages verfolgt und konnte nur noch kotzen. Dann war ich ein wenig leer am Abend und brauchte etwas anderes. Anderen Input, einen Schwenk. Musik muss her. Dann lief plötzlich Die Deko von Odd Couple bei mir auf dem Gerät und ich war stockstarr. Was ist das? Was will es von mir? Warum ist das so schrill? Warum finde ich das so gut? Wieso tanzt der Bass so geil? Wie herausragend ist die Gitarre, die sich darüber legt? „Verlieb dich in meinen Kontostand, verlieb dich in Nichts.“ Haha, was ist hier denn los?! Hier wird aufgeräumt, alles muss weg, insbesondere die Deko. Mal wieder klar werden, sich auf das Wesentliche besinnen. Wie auf diesen großartigen Track dieser Band! Es sind dreieinhalb Minuten, die lohnen! Und schnell werden mehr draus - versprochen!


Echolalia
(Ms) Zu viele Köche verderben den Brei?! Klar, an Sprichwörtern ist immer etwas dran aber sie haben ja zum Glück keine universelle Gültigkeit. Wenn gut zehn KünstlerInnen aus der kreativen Szene Nashvilles sich zusammen tun, könnte es magisch werden. Das ist nun eingetreten und zusammen nennen sie sich Echolalia und veröffentlichen am 24. Februar ihr gleichnamiges Album. Miranda Lambert und Spencer Cullum stehen in der ersten Reihe, dahinter haben sich weitere phantastische Musikerinnen versammelt. Und was spielen sie zusammen?! Sie machen eine Zeitreise in die 70er Jahre. Es wird wild, psychedelisch, man denkt sofort an die Energien, die zu der Zeit in Düsseldorf umhergeisterten. Can oder Amon Düül. Ein kraftvoller Sog breitet sich aus und nimmt alles in sich auf, was daher kommt. Wenn die Musik läuft, möchte man schnell Teil davon sein und sich einsaugen lassen. Los, das ist es wert!


Lizki
(Ms) Vor vier Jahren kam eine Single raus, die mich ziemlich doll umgeworfen hat. Press Rewind heißt sie und hat alles, was ein wirklich perfekter Popsong braucht. Wumms, brillante Eingängigkeit und tolle Melodien. In diesem Track ist schon zu hören, dass die Künstlerin viel Gespür für das hat, was sie tut. Mit einem guten Grund: Sie hat Gesang und Klavier studiert. Statt in die Klassik vorzupreschen, hat sich Lizki (bei der ich die ganze Zeit ein t vor das z setzen will) für Popmusik entschieden. Und legt nun nach! Back Out Alive heißt ihre neue Single und sie macht einfach da weiter, wo sie einst begann. Das neue Stück ist nicht mehr ganz so derbe, sondern unterstreicht musikalisch den Inhalt: Die Angst vor dem Verlieben - in welche Richtung geht das und wie geht das weiter… oder wie komme ich da wieder raus?! Die großen Fragen mit großer Musik beantwortet! Yes! 


Kodder
(Ms) Wir rufen nach Erlösung! Bitte komm herab und rette uns! Schick uns deine Kraft und Macht und schlag zu! Schlag doll zu! Laut und kompromisslos und unmissverständlich! Oh Punkrock, komm zu uns und mach alles kaputt! Dann stell die Band Kodder in die erste Reihe und lass ihre Musik scheppern, bis es wirklich alle verstanden haben! Führer In Den Krieg heißt ihr Song, heißt ihre Parole. Und die bringen sie in einer selten da gewesenen Härte im Punkrock zu uns. Hui, das scheppert und knallt aber! Wenn die ganzen Arschlöcher schon Krieg führen wollen, dann sollen sie wenigstens in der ersten Reihe stellen. Oder: „Schickt doch eure Kinder in euren beschissenen Krieg, macht was ihr von uns fordert!“ Verstanden?! Okay! Im April kommt dann ein ganzes Album. Nie war Punk wichtiger!

21.2. - Greifswald, Klex
22.2. - Rostock, Bagehl
28.2. - Neubrandenburg, AJZ
01.3. - Rostock, PWH
07.3. - Berlin, Wild at Heart
08.3. - Hamburg, Monkeys
25.4. - Potsdam, Archiv
26.4. - Halle, Alte Schule
30.4. - Schwerin, Komplex
02.5. - Hannover, Nordstadtbraut
03.5. - Rendsburg, Teestube
09.5. - Dresden, Chemo
10.5. - Chemnitz, AJZ
23.5. - Altenburg, Alte Bremsenwerkstatt
24.5. - Erfurt, TIKO
14.6. - Dahmen, Normalböse Festival
11.7. - Juroto Festival, Schwerin
22.8. - bei Perleberg, Resist to exist Festival
23.8. - OWOC Festival Harz
03.10. - Neumünster, AJZ
04.10. - Ahoi Festival, Husum
17.10. - Hildesheim, Thav
18.10. - Brand Erbisdorf IMI e.V.
23.10. - Oberhausen, Druckluft
24.10. - Köln, Sonic Ballroom

Freitag, 24. Januar 2025

KW 4, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Liebe NordWestBahn,
Ich fahre wirklich gerne mit dem Zug. Es ist meine bevorzugte Möglichkeit von A nach B zu kommen. Selbst muss ich nichts machen, außer pünktlich kein, eine gültige Fahrkarte dabei haben und die Fahrt genießen. Wenn sie denn stattfindet.
Und da kommt ihr ins Spiel. Letzten Samstag wollte ich so richtig gerne nach Osnabrück fahren, um meine liebste Band Kettcar live zu sehen. Die Ampeln standen auf grün, alles war bereit, die Vorfreude ganz, ganz groß! Da dachte ich mir tags zuvor, dass ich nochmal die Verbindungen checke. Mein Plan war um kurz nach elf zurück zu fahren. Entweder Richtung Bremen oder Oldenburg, ist egal, ich wohne in der Mitte dieser Städte. Und dann schaue ich in die App. Und bin schockiert. Statt der Bahn, wie noch wenige Tage vorher, fährt ein Bus. Und das ewige Stunden lang. Warum?! Keine Ahnung, ich habe keine Info gefunden. Das, liebe NordWestBahn kann echt viel besser laufen. Entweder sollte der Grund für den Ersatzverkehr ersichtlich sein oder halt schon vorher diese Alternative einsichtig sein. So spielten Kettcar sicher ein großartiges Konzert im schönen Osnabrück. Ohne mich. Euretwegen.

Dekker
(Ms) Sommer 2024, Schlossplatz Oldenburg. Es war herrlich warm, wir haben einen neuen Cocktail erfunden und waren gut drauf. Was könnte es besseres geben, als dann entspannte Musik draußen zu sehen?! Und dazu noch für lau! Dekker spielte beim Oldenburger Kultursommer und es war ein wunderbares Konzert. Entspannt, zurückgelehnt, beschwingt zum seichten tanzen. Der Mann mit dem großen Hut macht lockeren Pop mit Akustikgitarre und weiß, wie man so richtig entschleunigt. Nun hat er einen neuen Song draußen, Not Feeling Up heißt er. Im Laufe des Jahres soll eine neue Platte erscheinen. Das neue Stück klingt nicht unbedingt mitmachend. Ist es aber. Ich glaube, dass die Gesellschaft in den letzten Jahren erkannt hat: Es ist okay, wenn es dir mal schlecht geht. Du musst nicht immer ballern, leisten, malochen. Man darf auch mal durchhängen, sich zurückziehen und leise sein. Dies soll der Soundtrack dazu sein - er klingt genauso beschwingt wie die Nachricht, die er überbringen will!

25.03.25 Kulturkirche, Köln
26.03.25 Café Cairo, Würzburg
27.03.25 Franz K, Reutlingen
29.03.25 Feinkost Lampe, Hannover
30.03.25 Parktheater im Kurhaus Göggingen, Augsburg
31.03.25 Alte Mälzerei, Regensburg
01.04.25 Objekt 5, Halle (Saale)
02.04.25 Societaetstheater, Dresden
03.04.25 KulturGüterBahnhof (KGB), Langender
12.06.25 Konzerthaus, Dortmund


Tocotronic
(Ms) Duchhalteparolen sind genauso abgegriffen wie die Bedeutung des Begriffs schon. Meistens helfen sie keinem, sind leere Worthülsen, haben einen äußerst begrenzten Wirkkreis. Das könnte man auch meinen, wenn die neue Single von Tocotronic läuft. Bleib Am Leben heißt sie. Doch diese Band wäre nicht Tocotronic, wenn es im Text noch einen guten Twist gäbe. Das Durchhalten hat hier eine andere Ebene, es ist ein Wunsch an das Gegenüber, logisch. Hat aber die Bedingung, dass ich auf jeden Fall dabei helfen werde. Halt durch, ich lass dich nicht allein! Was für eine schöne Aussage, ein tolles Versprechen! Tocotronic zeigen ein weiteres Mal, wie gut sie zwischen den großen und privaten Themen schwenken können. All das zeigen sie auch auf ihrer neuen Platte Golden Years, die am 14. Februar zu haben ist! Im Video zur neuen Single tauchen auch ein paar spannende, bekannte Gestalten auf!

19.03.25 Leipzig, Felsenkeller
20.03.25 Stuttgart, Im Wizemann
21.03.25 Nürnberg, Z-Bau
22.03.25 Wien, Konzerthaus
26.03.25 München, Tonhalle
27.03.25 Freiburg, E-Werk
28.03.25 Zürich, X-tra
29.03.25 Wiesbaden, Schlachthof
09.04.25 Bremen, Schlachthof
10.04.25 Dortmund, FZW
11.04.25 Hannover, Capitol
12.04.25 Köln, E-Werk
20.04.25 Berlin, Columbiahalle
26.04.25 Hamburg, Große Freiheit


Waving The Guns
(Ms) Es ist Wahlkampf und Milli Dance kämpft mit! Die Tage sah ich eine Graphik, die zeigt, was die Parteien für die unterschiedlichen Einkommensklassen tun wollen. Welche Schicht profitiert von welcher Partei und ihrem Programm am meisten. Es ist nicht Neues, aber es ist wichtig: Die AfD ist eine Partei für die Reichen und sehr Reichen! Fischen tun sie in anderen Milieus. Pervers aber wahr. Auch bei der FDP ist das nicht anders, auch nichts Neues. Es gibt leider nur wenige einflussreiche Parteien, die sich wirklich für die ökonomisch Schwachen einsetzt. Das wiederum ist auch vollkommen schräg, da Preise und Gebühren steigen und steigen und steigen und für das Schöne immer weniger bleibt. Theoretisch könnte man mit einem ausgesprochen sozialen Wahlkampf Millionen Stimmen generieren. Theoretisch. Oder man hört einfach Jugendwort Des Jahres von Waving The Guns. Es ist die nächste Single aus Zwischen Wand Und Tapete und erneut kommt sie mit einem richtig starken Beat daher. Zudem kann Milli Dance erneut textlich wieder richtig derbe überzeugen! Selten war er so klar und wütend wie auf den letzten Tracks! Die Platte wird wichtig - versprochen! 

13.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Zusatzshow)
15.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Ausverkauft)
20.03.2025 Dresden - Tante Ju
21.03.2025 Wien (AT) - Flex
22.03.2025 Graz (AT) - p.p.c.
23.03.2025 Innsbruck (AT) - P.M.K
25.03.2025 Zürich (CH) - Dynamo
26.03.2025 Stuttgart - Lehmann Club
27.03.2025 München - Strom
28.03.2025 Nürnberg - Z-Bau
29.03.2025 Jena - Kassablanca
03.04.2025 Dortmund - Junkyard
04.04.2025 Frankfurt - Das Bett
05.04.2025 Heidelberg - Karlstorbahnhof
10.04.2025 Hannover - Kulturzentrum Faust
11.04.2025 Köln - Stollwerck
12.04.2025 Bremen - Schlachthof
17.04.2025 Hamburg - Markthalle
25.04.2025 Leipzig - Werk2
26.04.2025 Berlin - Huxleys neue Welt


Die Anteile
(Ms) Die ersten Takte erklingen, der Kopf fängt an zu wippen und sofort schießt ein Gedanke durchs Gehirn: Wie geil ist das denn?! Wo kommt das denn auf einmal her? Warum sind die nicht ganz weit oben riesengroß und kaufen die großen Hallen aus?! Die erste Frage beantwortet sich von ganz alleine, wenn man Wie Geht Der Tanz hört. Die weiteren Fragen beantworten sich genauso einfach: Das Berliner Duo Die Anteile, die diese catchy-elektronische Popmusik machen, bringen bald erst ihr erstes Album raus. Dafür klingen sie aber schon enorm rund, sehr geerdet im Sinne von: Die wissen schon sehr genau, was sie machen wollen. Hier knallt ein Bass, der dominiert und darüber legen sich Textzeilen, die skandiert werden wollen! Fröhlich und sehr tanzbar! Hinter ihren Geschichten verbergen sich Gestalten und Ecken aus den Städten, die eher am Rande angesiedelt sind, an denen man vorbei fährt und die man übersieht. Ein toller Ansatz, um Musik zu schreiben. Und dann diese Beats! Wow - ich bin sofort Fan. Ihre Platte Pelzwerk werden die beiden bei Tapete Records am 25. April veröffentlichen und auf Tour gehen. Tanzschuhe an und ab geht‘s!

30.04. - Konstanz, Kantine
09.05. - Cottbus, Bunter Bahnhof
10.05. - Leipzig, Noch Besser Leben
29.05. - Oldenburg, Polyester


Die Zärtlichkeit
(Ms) Ich liebe den Kreislauf der Musik. Finde ich Band A gut, gehe ich auf ein Konzert. Dort ist dann Band B Support. Wenn die gut sind, finde ich die gut. Dann gehe ich zu Band B und entdecke vielleicht Band C. Seitdem Die Zärtlichkeit 2023 Vorband von Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen waren, bin ich Fan. Ich mag ihre sanfte Popmusik sehr. Sehr! Sie ist im allerbesten Sinne eingängig, leicht, herrlich zugänglich, schön geschrieben, aus dem Herzen. Es gibt keinen Grund, Die Zärtlichkeit nicht mögen zu können. Nun bringen sie eine neue Platte raus, die den guten und treffenden Titel popsongs heißen wird und am 25. April draußen ist. Neue Lieder, die die Band so beschreibt: „Ein Soundtrack und ein Raum für dich, deine Gedanken, Perspektiven und Gefühle.“ Wow, wer das nicht hört, ist doof. Die erste Single Vienna ist bereits da und ein Lied über die Liebe und Zerrissenheit geworden. Das wird ein tolles Album werden - versprochen!


Noga Erez
(Ms) Shame on us! Letztes Jahr haben wir hier noch großspurig angekündigt, das neue Album von Noga Erez, Vandalist, selbstverständlich zu besprechen. Tja. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Mal wieder nicht geschafft, dann vergessen, jetzt eingeholt. Tut mir leid, weil richtig geil!
Wer Noga Erez kennt, weiß auch, dass sie sich stetig mit richtig guten MusikerInnen umgibt, die ihre wuchtigen Songs richtig gut live rüber bringen können. Beim Appletree Festival vor drei Jahren durfte ich mich selbst davon überzeugen. Wenn ich es nun richtig verstanden habe, trat sie kürzlich bei der israelischen Lotto-Gesellschaft auf, die immer wieder tolle, kleine Gigs aufzeichnen, so wie bei Tiny Desk. Aquarium nennen sie es dann. Dreizehneinhalb Minuten ist sie dort mit Streichern und Bläsern zu hören, wie sie vier Track darbietet. Es ist schlicht und einfach großartig! So tanzbar, so genial, mitreißend und auf einem enormen Niveau! Hui, das macht viel, viel Spaß!


CocoRosie
(Ms) Was für eine beschissene Lage! Da brennt Sierra und Bianca Casady ihr Studio vor einigen Jahren nieder und alle Aufnahmen sind weg. Alles. Alle Ideen für neue Lieder. Alles war dort abgespeichert und unwiederbringlich verloren. So standen CocoRosie mit leeren Händen da, schockiert, verzweifelt. Doch wer die beiden Schwestern kennt, weiß auch, dass sie so viel kreative Energie haben, dass sie schlicht und einfach raus muss. Genau das ist jetzt endlich passiert! Cut Stitch Star ist die neue Single, die wir nun hören und bewundern können. Und wenn die beiden singen, wird klar: Diese Stimmen lassen sich aus tausenden heraushören. So gegensätzlich, so gut ergänzend. Dazu ihre oft phantastischen Arrangements, außergewöhnlich, tanzbar, wunderschön! Sechs Minuten dauert die neue Single, stark! Und überraschend. Denn Cut Stitch Star ist enorm poppig geworden! Also richtig doll poppig. Doch es wäre kein CocoRosie-Song, wenn er hier und da nicht auch ein wenig knartschen würde, wenn es nicht ein bisschen wackelt. Genial! Natürlich folgt dann auch ein Album, es wird Little Death Wishes heißen und schon am 28. März draußen sein! Die Vorfreude ist enorm!

Mittwoch, 22. Januar 2025

tunng - Love You All Over Again

Foto: Paul Hartfield
(Ms) Leise Faszination. Das ist der Kern, um dieses Album zu beschreiben. Am Freitag (24. Januar) erscheint Love You All Over Again von tunng. Passend zum 20-jährigen Jubiläum der britischen Band, veröffentlichen sie eine neue Platte. Zehn Lieder sind darauf enthalten, die allesamt vor Schönheit und Genialität strotzen!
Erst mit dem Vorgänger bin ich überhaupt auf das Sextett aufmerksam geworden und ärgere mich, dass das nicht schon viel früher passiert ist. Denn die Musik, die diese Gruppe macht, ist großartig! Sie selbst nennen es Folktronica. Ein Genre, das irgendwie bescheuert klingt, aber sogar einen eigenen, wenn auch kleinen Wikipedia-Artikel hat. Wie lässt sich die Musik von tunng also beschreiben? Vor allem ist sie sehr unaufgeregt. Es gibt keine großen Gesten, keine überbordende Dramatik, keine großen Hymnen, die vor Energie überflutet sind. All das findet nicht statt. Die zehn neuen Songs (und alles, was sie vorher gemacht haben) sind Zeugnisse von weitsichtigem, klugem Songwriting. Die Musik dieser Gruppe ist sehr detailverliebt. Es gibt ungeheuer viele verschiedene Klänge, die sich in ihre Tracks einschleichen. 

Die Grundlage aller Lieder sind aber ganz feine Gitarren, oft sind sie gezupft. Dahinter verbirgt sich oft ein Rhythmus aus elektronischen Klängen allerart. Da liegen sicherlich zahlreiche Synthies-Spielzeuge im Proberaum rum, wenn die sechs MusikerInnen zusammen kommen. Zudem ist kennzeichnend und hörbar, dass vier von den sechs singen. Das erzeugt ein sehr vielschichtiges Stimmbild und immer wieder den Eindruck, als ob tunng eine 360°-Erfahrung ist. Das ist sehr dicht, sehr nah beieinander. Bass wird sparsam genutzt, wenn er aber erklingt, dann wirkt er direkt durch den ganzen Körper. Auffällig ist, wie gut die Band verschiedene Bläser einsetzt. Querflöten, Trompeten, allerlei. Sie bringen eine gewisse organische Substanz in den Bandsound hinein. Dabei kommt ein Erlebnis heraus, das irgendwo bei The XX und The Notwist zu verorten ist, aber halt in leise und mitunter sehr sanft.

Zehn neue Stücke gibt es auf Love You All Over Again. Zusammen ergeben sie ein tolles Hörerlebnis, es ist schwer einzelne besonders hervorzuheben. Beispielhaft möchte ich dennoch ein paar Tracks beleuchten. Dabei ist mir persönlich der Text relativ egal. Diese Band wirkt für mich ausschließlich über die Musik und diese Wirkung ist immens! Didn‘t Know Why ist sicher der stärkste Song dieses Albums. Knarzige Rhythmussounds zu Beginn werden schnell von der sanften Gitarre abgelöst. Es kommen Glockenspieltöne dazu und der mehrstimmige Gesang. Wow, allein das ist phantastisch. Gesungen wird von der mörderischen Jenny, die sich schon auf anderen tunng-Stücken wiederfindet. Der Klang dieses Liedes hat durchaus etwas hypnotisches, insbesondere wenn sich der Gesang überlagert. Langsam entrückt mich die Musik und ich lande ganz woanders. Ich gebe mich dem gerne hin. Laundry ist durchaus tanzbar! Absolut beeindruckend, wie mehrere Querflöten-Linien hier eingesetzt werden, dazu gesellt sich ein markanter Bass, dann klatschen die MusikerInnen wieder und alles wird vom gezupften Gitarrenspiel zusammengehalten. Keine Ahnung, wann ich zuletzt so gut arrangierte Musik gehört habe - es ist großartig! Deep Underneath ist noch so ein Stück, was einfach unheimlich gut aufgebaut ist. Wer die Chance hat, diese Band bei ihren beiden Konzerten hierzulande zu sehen, denen wünsche ich ein umwerfendes Erlebnis. So genial wie diese Platte ist, so eindrücklich werden sicher auch ihre Livedarbietungen!

09.03.25 - Berlin, Silent Green
10.03.25 - Köln, Gebäude 9



Samstag, 18. Januar 2025

KW 3, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Im Winter sind die meisten Innenstädte noch trister als ohnehin schon. Dann sind CA, HM, Nordsee, Douglas, Primark, Thalia und wie sie alle heißen nicht nur kalt und ausladend, sondern auch noch dunkel und nass. Und schon sind wir in Bremen. Dunkel und nass. Wer noch nicht da war, dem sei jedoch gesagt, dass die Stadt an der Weser total unterschätzt ist. Und das sage ich nicht, weil ich in der Nähe wohne, sondern es einfach ein tolles Pflaster ist. Ein Pflaster, das momentan großartig beleuchtet ist. Lichter der City heißt das Projekt, das mittendrin erstrahlt. In der Bremer Innenstadt gibt es zahlreiche prachtvolle Gebäude. An ihren Fassaden gibt es dieser Tage, wenn es dunkler geworden ist, viel zu sehen. Tolle, sehr farbenfrohe Bilder oder ganze Choreographien, die teilweise noch musikalisch untermalt sind. Das ist richtig toll gemacht und gibt einen schönen Anlass, bei Schmuddelwetter nochmal das Haus zu verlassen!

Andreas Liebert
(sb) Shame on me - aber sowas von! Seit Monaten lag die EP von Andreas Liebert nun bei mir zuhause rum. Erst auf dem Stapel der ungehörten Promos, später wanderte sie dann weiter in Richtung Plattenspieler, setzte Staub an und wurde angesichts der Herausforderungen (Familie, Haushalt, Gesundheit Job, Fußball, Eishockey,...) nahezu vergessen. Ja, es kamen Reminder-Mails von der Promo-Agentur und ich fühlte mich wirklich schlecht - die Zeit wurde dadurch aber auch nicht mehr. Und nun - Monate später - landete das gute Stück doch tatsächlich auf dem Plattenteller und ich ärgere mich, dass ich es so lange hinausgezögert hatte. Eine einseitig bespielte Vinyl-Scheibe, vier Tracks, ein liebevoll gestaltetes Booklet, tolle Texte: Träumchen. Mich erinnert Mondlandung (so der Name der EP) an die Frühwerke von Gisbert zu Knyphausen, ohne genauer definieren zu können, warum das so ist. Die Melancholie? Die Beobachtungsgabe? Die Autarkie? Was auch immer es ist, Andreas Liebert hat das Großes geschaffen, das Lust auf mehr macht. Mein Versprechen: Sollte ich da wieder ne Promo eintrudeln, höre ich sie mir schneller an!
 


AlphaWhores
(Ms) Was für ein unglaublicher Name! AlphaWhores! Da ist natürlich direkt Neugier angesagt. Was könnte sich dahinter verbergen?! Zuerst habe ich auf feministischen Powerpunk getippt, der die Vorzeichen umdreht. Oder so eine ganz abgefahrene Freejazzkombo aus irgendeiner Szene. Tja, weit gefehlt! AlphaWhores kommen aus Panama und machen Stoner Rock. Ich wusste lange Zeit gar nicht, dass ich dieses Genre ziemlich geil finde. Schwere, laute Gitarren, eine Menge verhältnismäßig langsamer Krach. Das Duo veröffentlicht heute ihre ganz eigene Version von Over And Over, im Original von Hot Chip. Laut, knallig, unmissverständlich, richtig stark! Ich wüsste nicht, wann wir hier mal eine Band aus Panama am Start hatten. Heute ist es soweit!


Distant Relatives
(Ms) Der erste Track spart nicht an einem massiven Intro. Und dieses Intro hat es wuchtig in sich! Das Bass rollt, als ob es kein Morgen gibt, die Gitarre kennt kein Erbarmen und knallt richtig gut durch die Kopfhörer! Setzt der Gesang ein, wird mir fast ein bisschen schwindelig. Die Energie ist enorm, die Kraft ohrenbetäubend! Hier spielen Distant Relatives aus Leipzig ihre selbstbenannte erste EP mit satten sieben Tracks! Das Quartett spielt enorm unbeschwert auf, ist sehr kompromisslos im Klang, brettert unmissverständlich durch ihre Lieder. Das ist laut, macht aber auch unglaublich viel Spaß! Versprochen!


Wohnbau
(Ms) Das Schöne an Musik ist ja, dass sie so viel mit Gefühl zu tun hat. Und das ist ja oft schwer zu beschreiben. Mir gelingt es seit vielen Jahren nur mäßig, den Zauber zu beschreiben, warum eine Band nun läuft und eine andere nicht. Es ist dann schwer, wenn die klaren, handfesten Punkte fehlen. Wenn es jetzt kein überirdischer Track wie Bologna ist zum Beispiel. Insbesondere bei neuen, frischen Bands fällt mir das nicht leicht. Und dann noch mehr, wenn sie Musik im Bereich von Post-Punk und New Wave machen. Ich mag das sehr, aber etwas ist in diesem Genre, das es mich schwer beschreiben lässt. Das ist ein Stil, der für mich viel eher erlebbar ist. Dort schlägt die Mainzer Band Wohnbau auf, die nicht nur einen genialen Namen hat, sondern auch heute ihr Album Schwachstellen veröffentlicht! Ihre Texte sind so offen und teils schwer zu greifen wie bei Messer, ihr Klang ist durch einige helle Momente charakterisiert, die durch die größtenteils dunklen Arrangements heraus klingen. Das ist eine super Mischung und ein extrem hörenswertes Debut!

Freitag, 17. Januar 2025

The Weather Station - Humanhood

(Ms) Die großen Gesten. Die überbordenden Melodien. Die ganz klaren Hymnen. Die Lieder, die an Crescendos nicht sparen. Die Songs, die vor Dynamik nur so strotzen. Die Tracks, die das ganz große Gefühl durch ganz große Töne und irre Arrangements erzeugen. Ich liebe sie. Diesen Momenten, diesen Stücken gebe ich mich so richtig gerne hin. Das eindrücklichste, umwerfendste Beispiel dazu ist ein Konzert von Sigur Rós. Ich sah sie fünf Mal live und brauche danach nichts mehr, weil es so umwerfend und intensiv ist. Doch diese großen, breit angelegten Konzerte sind ja auch sehr vorhersehbar. Das geht bei den Editors oder Get Well Soon genauso. Da ist vorher klar, dass das ein irrer Abend sein wird.

Das geht auch anders. Das Große und Imposante muss nicht immer so laut sein, muss nicht immer so vorhersehbar und erwartbar sein. Es geht auch mit leisen Tönen. Mit feinen Klängen. Mit sinnlichen Arrangements. Und an diesem Punkt kommt Tamara Lindeman ins Spiel. Seit einigen Jahren macht sie unter dem Projektnamen The Weather Station Musik. Und was für welche?! Vor drei Jahren erschien ihr letztes Album Ignorance und es hat mich ganz stark beeindruckt. Im Leisen. 
Nun erscheint am 17. Januar der Nachfolger. Die Platte heißt Humanhood und kommt mit 13 neuen Songs daher, wovon vier kleine Interluden sind. Menschheit bedeutet der Titel. Das ist sehr groß gefasst, aber halt auch sehr facettenreich. Geerdet geradezu. Erden musste sich Tamara Lindeman auf jeden Fall ganz dringend für dieses Werk. Denn nach der Veröffentlichung von Ignorance ging es ihr gar nicht gut. Sie litt unter etwas, das Depersonalisation heißt. Ihr fehlte eine Verbindung zur eigenen Identität, zum Selbst. Ihr fehlte Vertrauen. Fühlte sich entfremdet. 

Und sie fand zurück.
Ben Whiteley, Karen Ng, Philippe Melanson, Ben Boye und Kieran Adams halfen ihr dabei. Diese fünf Menschen sind ihre Band und für diesen hervorragenden Klang auf Humanhood verantwortlich. Dass es mit sechs Bandmitgliedern nicht laut und wild sein muss, aber dennoch große Töne angestoßen werden können, das beweist dieses Album. Es ist wirklich gut arrangiert. Themen ziehen sich durch dieses Werk, deuten sich an, erklingen laut, schleichen sich wieder aus. Nach dem Intro geht es mit Neon Signs direkt in die Tiefe. Ein Lied, das ihre harte Phase der Krankheit beleuchtet. Wobei genau dieses Leuchten, so wird im Text deutlich, das war, was sie gar nicht mehr erreicht hat. Klaviermelodien tragen das Stück, darunter oder -rüber Bläser und ganz prägnant: das sanft treibende Schlagzeug. Es sind erneut die großartigen Arrangements, die ein ganz hohes Niveau an musikalischer Klasse zeigen. Mirror ist ein Stück, das mich ganz schnell an Justice Electra erinnert, sehr poppig, sehr griffig mit leichter Melancholie. Wenn eine Klaviermelodie ein Ohrwurm wird, ist sie richtig gut gemacht. Im Stück geht es darum, dass wir uns in allem wiederspiegeln, unsere Handlungen sehen wir in anderen Dingen wieder, entkommen dem nicht. Ribbon ist ein leises, seichtes Stück, worin sich die Erzählerin wieder offenbart, eine persönliche Geschichte erzählt, davon wie sie mit ihrer Angst umgeht. Es lohnt sich wirklich, Tamara Lindemans Texte zu lesen. Sie reimen sich ganz selten. Sie hat eine ganz eigene Art ihre Worte zu intonieren, zu betonen, zu singen, darzubieten. Sehr kunstvoll, sehr ungewöhnlich, ziemlich großartig gemacht! Im Titelstück kulminiert sich die ganze Art des Musikmachens von Lindeman so richtig eindrücklich. Teilweise flüstert sie. Die Bläser improvisieren (so scheint es zumindest), ein Banjo erklingt im Hintergrund, eine großartige Geschichte entspannt sich gänzlich ohne Refrain durch die Takte. Das Schlagzeug sorgt auf der einen Seite für Unruhe, andererseits ordnet es auch das ganze Arrangement. Verrückt, aber es funktioniert. Und das alles im Leisen.

Sicher ist Humanhood nicht das Album, das rauf und runter laufen wird. Dafür ist es tatsächlich auch ein wenig zu unspektakulär. Ein bisschen mehr Punch könnte der Platte gut tun, um sie noch öfter hören zu wollen. Doch es bleibt ganz klar festzuhalten: Dies ist ein großartiges Album, es macht unfassbar Freude, in die Tiefe einzutauchen, die ganzen kleinen Töne zu entdecken und sich vor allem von ihren Geschichten mitnehmen zu lassen! In meinen Augen toppt es nicht Ignorance, aber es ist ganz, ganz nah dran. Im Leisen.

26.02.25 Hamburg - Nochtspeicher
28.02.25 Berlin - Silent Green


Dienstag, 14. Januar 2025

Turbostaat - Alter Zorn

Foto: Andreas Hornoff
(Ms) Alle Jahre wieder gibt es die ganz große Herausforderung im Musikjournalismus: Ein neues Turbostaat-Album wird veröffentlicht und man muss und will darüber schreiben. Aber wie?! Musikalisch sind ihre Lieder - ohne ihnen zu nahe treten zu wollen - nie soo komplex. Die Flensburger haben einen eigenen Sound entwickelt und den ziehen sie mit großer Wiedererkennbarkeit durch. Doch die Texte… sie sind oft schwer zu durchblicken. Wie man solch oft verschachtelte Lieder entziffert, haben wir ja aber alle zum Glück in der Schule gelernt: aus dem Bauch heraus!

Alter Zorn heißt das neue Album, das am 17. Januar erscheinen wird. 11 neue Tubrostaat-Lieder, die in wenigen Wochen lautstark und druckvoll durch die Hallen dieses Landes krachen werden. Wer die Gruppe je gesehen hat, weiß, wovon ich spreche! Die Fangemeinde der Band ist ja derart positiv bekloppt, dass sämtliche Stücke von vorn bis hinten mitgesungen, mitskandiert, mitgefeiert werden! Es wirklich großes Fest!

Für Alter Zorn muss ich jedoch eine Aussage von oben etwas revidieren. Der Sound ist bei weitem nicht allzu Turbostaat-klassisch. Klar: die oft hohen, schnellen Gitarren, der tanzende, sehr variable Bass und das bei manchmal allem aufkommenden Krach zusammenhaltende Schlagzeug bilden nach wie vor die Basis. Darüber hinaus wird auf diesem Album aber auch ab und an experimentiert. Nichts Außergewöhnliches, sondern die richtigen Sounds an den richtigen Momenten für eine noch höhere Unterstreichung der Dringlichkeit in Text und Musik. Das zeigt auch schon das Cover. Darauf blickt ihr langjähriger Produzent Moses Schneider verschmitzt punkig in die Kamera. Leicht vergilbt, aus einer scheinbar anderen Zeit, aber ziemlich Punk! Denn das ist ja das, was die fünf Herren aus dem Norden seit 25 Jahren machen: Punkrock! Das größte Markenzeichen dieser Musik ist ja die Unzufriedenheit und die Wut. Beide spielen auf dem neuen Album eine große Rolle und sie haben sich verlagert. Die vielen Geschichten, die oft am Watt oder der schleswig-holsteinerischen Einöde spielten, spielen nun in der Großstadt, haben eine andere Dynamik, andere Themen.

CUT!

Der obige Text war schon länger fertig, da habe ich Alter Zorn zwei, drei Mal nebenbei laufen lassen. Das verleitete mich zu den Aussagen zum Sound, zu denen ich immer noch stehe. An ein paar Stellen wurde richtig gut was ausprobiert. Doch dann wollte ich nochmal in die Tiefe gehen, die Texte wollte ich verstehen. Die Geschichten finden, ein Timbre des Albums herauskristallisieren. Doch mich umgab beim Hören nur noch gähnende Langeweile. Ein Zustand, den ich so nicht unbedingt bei Turbostaat vermutet hätte. Doch ich musste feststellen, dass mich das ewig Kryptische und der weiter abgespulte Turbostaat-Sound anöden. Geschichten von ihm und ihr und ach… Uhlande hat mich schon nicht so stark vom Hocker gehauen. Bei Alter Zorn nun fehlt mir definitiv eine Weiterentwicklung. Das Klang steht und ist beinahe schon angerostet. Ich hätte nicht gedacht, dass mich Punkrock mal so langweilen würde wie auf diesem Album. Und das tut mir richtig leid, dass ich das schreibe. Ich wollte schon ganz nüchtern und objektiv an diese Platte herangehen, aber es gelingt mir überhaupt nicht.

Ein paar spannende Phasen gibt es dennoch. Subraum ist ein überraschend unkryptischer Track über das Engerwerden in der Großstadt. Namentlich sogar benannt, es geht um Hamburg. Weg von der Küste, ab in die Metropole. Das Griffige tut der Band ganz gut. Klanglich Neues gibt es auch auf Alter Zorn, dem Titeltrack. Eine derart krass platzierte Snare habe ich bei Turbostaat noch nie gehört - wirkt richtig gut! Isolationen und Nachtschimmel sind ganz tolle Lieder. Klassische Turbostaat-Songs halt. Sie machen viel Freude, werden auf den Konzerten wunderbar aufgehen, aber entfachen kein Feuer, das diese Platte richtig strahlen lässt. Musikalisch richtig spannend ist kurz vor dem Ende noch Den Annern Sin Uhl. Erneut kommt diese Überraschung aus der Rhythmusgruppe, rollender, sehr satter Bass, marschierendes Schlagzeug und ein nie zuvor gehörtes Geräusch auf den Tracks der Flensburger.

Alter Zorn. Eine Platte einer herausragenden Band, die mich aber zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd packt und mitnimmt. Die Erwartungen waren groß, sie wurden alle nicht entfacht. Die Vorfreude pochte schon lange, ist aber zum erlahmen gekommen. Das tut mir irgendwie leid. Aber so ist das nun mal. So ist das in dem überzeugten Wissen, dass ihre Konzerte auf der kommenden Tour - dennoch oder trotzdem - großartig werden:

26.02.2025 Münster, Sputnikhalle
27.02.2025 Wolfsburg, Hallenbad
28.02.2025 Marburg, KFZ
01.03.2025 Magdeburg, Factory
02.03.2025 Rostock, Peter Weiss Haus
12.03.2025 Köln, Kantine
13.03.2025 Hannover, Faust
14.03.2025 Leer, Zollhaus
15.03.2025 Wiesbaden, Schlachthof
16.03.2025 Bochum, Bahnhof Langendreer
02.04.2025 Dresden, Tante Ju
03.04.2025 AT-Wien, Das Werk
04.04.2025 Erlangen, E-Werk
05.04.2025 Leipzig, Conne Island
16.04.2025 Jena, Kassablanca
17.04.2025 CH-Winterthur, Salzhaus
18.04.2025 CH-Bern, ISC
19.04.2025 München, Feierwerk
20.04.2025 Karlsruhe, P8
15.05.2025 Berlin, SO36
22.05.2025 Hamburg, Markthalle


Sonntag, 12. Januar 2025

Live in Bremen: B O D I E S

Foto: Timothy Wiehn
(Ms) Nein, an so einem Abend mache ich keine Fotos. Das gehört sich in meinen Augen nicht, passt nicht zur Atmosphäre und warum sollte ich mein Handy während so eines phantastischen Konzerts raus holen? Mit professionellem Equipment aus den ersten Reihen… ja, dann kann ich es verstehen. Es gab ja auch viel zu sehen. Und noch mehr zu hören.

Am Samstagabend zeigte sich die Bremer Innenstadt von ihrer schönsten Seite. Die sogenannten Lichter der City haben die großen, prächtigen Gebäude um den Roland aber auch an anderen Orten großartig illuminiert. Dazu klang teils klassische Musik und genau das war mein Weg zur Glocke. Mitten in der Stadt liegt dieser klassische Konzertsaal mit knapp 1400 Sitzplätzen. Nur wenige waren noch frei als dort im großen Saal um 20 Uhr das Licht ausging und Kat Frankies Projekt B O D I E S die Bühne betrat. Mit ihr standen Albertine Sarges, Barbara Greshake, Erika Emerson, Fama M'Boup, Liza Wolowicz, Tara Nome Doyle und Trinidad Doherty für gut 100 Minuten auf der Bühne und haben Unglaubliches vollbracht.

Spricht man von A Cappella Gruppen, kommen einem eventuell Bands wie die Wise Guys, Basta oder Maybepop in den Sinn. Damit haben B O D I E S wirklich nichts zu tun. Was sonst einen eher unterhaltsamen, mitunter flapsigen, aber dennoch natürlich musikalisch hohen Anspruch hat, hat bei diesen acht Frauen eine sehr sinnliche Seite. Die Künstlerinnen sind alle auch solo erfolgreich unterwegs, doch wirkten zusammen auf der Bühne sehr nach einer Einheit, nach einem Organismus. Oft standen sie nebeneinander. Doch es gab auch zwei große Holzelemente, die zusammen wie der Rumpf eines Schiffes aussahen. Zusammen haben sie sie auseinander geschoben und verschieden platziert. Sehr minimalistisch, sehr wirkungsvoll. Mal saßen die Sängerinnen darauf, mal standen sie, mal war es einfach nur der Hintergrund (s.u.).

Kein Rhythmusinstrument, keine Verstärkung, nur in Handmikrophon, das für den Bass genutzt wurde. Sonst nur die Stimmen der acht Frauen. Doch was heißt hier „nur“?! Mit ihren organischen Instrumenten - dem Instrument des Jahres übrigens - verzauberten sie schnell die aufmerksamen BesucherInnen. Was teilweise sehr leichtfüßig klingt, muss extrem genau sein und hochgradig professionell. Zudem würde jeder Fehler sofort auffallen. Es gab keinen.

Im Mittelpunkt stand Kat Frankie, die dieses Projekt initiiert hat, leitet, arrangiert. Sie erzählte ein wenig zu den Liedern, was dem aufmerksamen Zuhören eine unterhaltende Pause verlieh. Ja, es war kein normales Popkonzert in irgendeinem Club. Das war Hochkultur. Es war Kunst, die auch sehr gut choreographiert war. Es gab einstudierte Bewegungen, seichte Tänze, langsam aber wirkmächtig. Dann stampften sie mit den Füßen auf, schnipsten, klatschten einen Rhythmus. Oder standen sich so gegenüber, dass ein gesungenes Gespräch stattfand. Es war ein Abend, der aus viel Staunen und aufmerksamem Zuhören bestand. Es war auch ein Abend der Gestik und Mimik. Denn es ist gar nicht so leicht, die eigene Stimme zu steuern, wenn gleichzeitig sieben andere etwas anderes singen. Bewegungen der Hände, des Oberkörpers und des Gesichts helfen dabei. Das war spannend zu sehen, wie die acht Sängerinnen sich verschieden bewegten. 

Egal, welches Lied sie sangen. Die Arrangements für B O D I E S oder Kat Frankies Solo-Lieder. Es war ein eindrucksvolles Erlebnis, wie Pop zu klassischem Gesang überging. Es war beeindruckend, wie aus acht Stimmen eine Einheit wurde. Es war sanft und klar. Es war energisch und seicht. Dabei ließ sich beobachten, wie konzentriert die Sängerinnen waren aber auch wie sehr sie sich darüber gefreut haben, dass alles so aufging, wie sie es sich ausgedacht haben. Ich staune immer noch!

Geht da unbedingt hin, wer weiß, wann es die nächste Chance gibt:

12.01.2025 Darmstadt, Staatstheater
14.01.2025 Nürnberg, Löwensaal
15.01.2025 Hannover, Pavillon
16.01.2025 Köln, Philharmonie
20.01.2025 Berlin Philharmonie
25.01.2025 Erfurt, Theater Erfurt
15.02.2025 Dresden, Kulturpalast
21.02.2025 Hamburg, Elbphilharmonie
22.02.2025 Osnabrück, Botschaft
28.02.2025 Leipzig, Gewandhaus
15.03.2025 Gütersloh, Theater Gütersloh
02.12.2025 München, Isarphilharmonie