Freitag, 27. August 2021

KW 34, 2021: Die luserlounge selektiert

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(sb/ms) Einen Fernseher habe ich nicht. Klingt nach so einer unfassbar bescheuerten Selbstpositionierung, die heißt: Nein, berieseln tu ich mich nicht, ich bin besser als das, ich brauche das nicht, da läuft doch nur plumpes Zeug, das mich abstumpft, ich lese nur die Zeit und brandeins und denke über Hegel nach. Oder: Nein, lineares Fernsehen schaue ich nicht mehr. Ich schaue nur noch die 3sat Mediathek leer und genieße mein Abo der Weltkunst. Jaja, so ein Quatsch halt. Dabei kann die gleiche Aussage auch aus einem ganz anderen Blickwinkel stattfinden. Meiner ist eine Sache der Bequemlichkeit und Faulheit. Ein Fernseher passt irgendwie nicht in das Wohnzimmer und irgendwie will ich da auch kein Geld für ausgeben. Ich bilde mir lieber was ein auf das Bücher-, CD- und Vinyl-Regal. Da waber ich lieber durch meinen eigenen dämlichen Standpunkt. Klar, Streaming etc. ist hier auch an der Tagesordnung, macht ja auch Spaß. Was ich sagen will: Im Urlaub war ein Fernseher auf dem Zimmer und irgendwie war es geil, dem ganzen mal wieder ausgeliefert zu sein (Stichwort: Entscheidungsfindung beim Streaminganbieter wegen Überangebot). Einfach mal Schrott gucken. Es gibt offensichtlich eine Sendung die Grill Den Henssler heißt. So so. Oder eine total misslungene Neuauflage von MacGyver. Oder einen schlechten Trash-Film Namens Attac Of The Killer Donuts. Hätte ich vorher nicht gewusst. 

Kulturschmelztiegel luserlounge. Hier wird alles durchlaufen, alles mitgenommen. Abfahrt:

Juse Ju
(ms) Er ist einer der ganz großen Lieblinge des Blogs hier. Zum Einen ist Juse Ju halt unfassbar sympathisch. Man muss sich nur mal seine Auftritte beim Punchline-Quiz anschauen, super Typ. Zum Anderen ist quasi live mitzuerleben, wie er immer besser wird, reifer, genauer, härter, präziser, gewandter. Seit einiger Zeit veröffentlicht er monatlich einen neuen Track. Am 1. Oktober erscheint diese Sammlung auf dem neuen Album JuNi, das sicherlich sehr, sehr gut sein wird. Der neuste Beweis lautet Gargoyle zusammen mit MilliDance. Als großer WTG-Fan hätte ich vorher nie gedacht, dass diese Kollaboration so derart gut aufgeht, es ist schon der zweite gemeinsame Track. Nach dem politischen Edgelord nun ein eher biographisch, brüchiger Track, der mal wieder nahe geht. Er zeigt auch Milli von einer neuen, dieses Mal eher singenden Seite. Noch eine starke Entwicklung: Das Stück zeigt erneut, wie gut Juse als sein eigener Beatproduzent funktioniert. Wie geil ist das denn eigentlich?! 36 Tage noch warten, dann kommt das Ding!

WolfWolf
(ms) Angst. Ängste. Ihr kennt sicher auch diese lustigen, langen Wörter, die dann 'Angst vor dem leeren Bierglas' oder so bedeuten. Schöne Sprachspielerei. Banale Ängste. Auf der anderen Seite solche, die uns einfrieren lassen, bewegungslos, erschüttert zurücklassen. Ich habe zum Beispiel Angst vorm Schwimmen. Ich kann das auch nicht, ich bekomme Panik, wenn mir das Wasser zu hoch steigt. Vor zwei Jahren war ich seit vielen, vielen Jahren mal wieder in einem Schwimmbad und war wirklich besorgt vor dem Besuch. Menschen haben aber auch sicher Angst vor Schwarzen Löchern. Es gibt sie, sie sind ein gruseliges Mysterium mit der Frage im Kern: Was ist dahinter? Wo gelangt das Zeug hin, das verschluckt wurde? WolfWolf aus der Schweiz behandeln diese Frage in ihrem neuen, sinnigerweise Black Hole genannten Stück. Was für eine elektrisierende Nummer. Ich finde es geschickt arrangiert, sowohl wuchtig als auch reduziert auf zwei Instrumente plus Gesang. Und nennt mich nostalgisch: Aber der Gitarrenriff hätte in den 00er Jahren ja eine irre heiße Nummer werden können! Achja: Das Video ist auch top!

Palace
(ms) Hörgewohnheiten und die eigene Entwicklung, ich mag mich dabei selbst gern beobachten. Sicherlich hätte ich zu vor ein paar Jahren und in einer anderen als einer entspannten Situation auf dem Sofa bei Palace schnell geskippt. Doch ihre neuste Single Gravity finde ich ganz gut. Vor allem spricht mich diese ungeheure Zurückgelehntheit im Klang an, wenn ich selbst diese Position halb liegend gefunden habe. Das passt doch ganz hervorragend. Langsamkeit in Musik muss man erstmal aushalten, um sie bloß nicht langweilig zu finden. Ein paar gut eingesetzte Synthie-Klänge, eine schleppend schöne Gitarre, hoher Gesang und ein gewisser Grad an Coolness machen dieses Stück Musik sehr rund und weich. Das Londoner Quartett kündigt hiermit ihr neues, noch unbetiteltes Album an, das Anfang des kommenden Jahres erscheint. Und wie glücklich macht es mich, endlich wieder regelmäßig Konzerte anzukündigen:

19.02.22 Köln - Luxor
25.02.22 München - Strom
02.03.22 Berlin - Heimathafen
05.03.22 Hamburg - Mojo

The Blue Butter Pot
(ms) Wenn es hier um französische Bands geht, spielen sie oft elektronische Musik. Faszinierend, dass dort so eine erfolgreiche und sehr gute Szene lebt und regelmäßig große, gute, tanzbare Hits über die Grenzen spült! The Blue Butter Pot haben nun mit derartig elektronischen Effekten überhaupt nichts zu tun, davon sind sie kilometerweit entfernt. Ein anderes Instrument spielt bei denen die Hauptrolle: Die Gitarre! Und wie! Am 1. Oktober erscheint ihr neues Album Jewels & Glory! Darauf wird zu hören sein, wie die Gitarre perfekt in einem rauen Bandsound in Szene gesetzt wird. Mr Painkiller ist die erste Auskopplung und macht sehr viel Spaß. Von der technischen Seite des Gitarrenspiels habe ich keine große Ahnung, ist mir auch egal. Doch ich kann es sehr genießen, wie schwer und tief sich dieser sehr klare, markante Sound durch das Stück fräst und zusätzlich dem sehenswerten Video die genau passige, cineastische Atmosphäre verleiht! Sitzt, passt, wackelt, hat Luft!

rokotak
(ms) Wir tun jetzt so, als wenn wir hier den Namen Gisbert zu Knyphausen nicht als Referenz angeben, denn das wäre wirklich zu heftig. rokotak also. Das ist Milan Greulich, der es versteht gute, wirklich gute Texte auf deutsch zu schreiben. Denn da bin ich ganz ehrlich: Bei deutschsprachigen Liedern werte ich oft den Text wesentlich stärker als die Musik (die hier auch ganz sanft und harmonisch ist). Emma heißt das Lied, welches uns auf sein Solo-Erstling hinweist, das am 24. September erscheinen wird und den wunderwunderschönen Namen Riech An Blumen (Und Merk Dir Ihre Namen) heißt. Ich ziehe den Hut, was für ein toller, unkitschiger Name. Ich bin ein schlechter Blumenkenner ohne grünen Daumen und dieser Tage erst wurde ich strahlend auf die Nachtkerze hingewiesen. Gerochen und gemerkt. Emma wiederum ist die Begegnung im Leben, die uns Fragen stellt und die wir manchmal selbst gern sein würden, wenn wir mal wieder nicht wissen, wer wir eigentlich sein wollen. Super getextet, schön geschrieben und HIER gibt es das Lied noch samt Bandsound zu hören! Lektion 1: Nachtkerze!

Kiefer
(ms) Ein Genre, dem wir uns länger nicht gewidmet haben, ist der gute, alte Jazz. Stop! Das Wort 'alt' hat hier überhaupt nichts zu suchen. Das, was der Musiker Kiefer Shackelford, der sich für die Kunst einfach beim Vornamen nennen lässt, macht, ist ja nicht alt. Klar, sein neustes Album kommt heute (!) raus, ist also auf profane Weise aktuell. Doch es geht mir viel mehr um den Sound, das Gefühl und die Geschichten, die er mit seinem Klang erzählt. Die Platte heißt When There's Love Around und erzählt von sich selbst. Das Werk hat zwei erzählerische Hälften: Die erste erzählt zum Teil von seiner Jugend, deren Fotos er heute betrachtet und sich in Nostalgie wiederfindet, aber auch von seiner Position in der Welt, die er mitunter als klein und unbedeutend empfindet. Die zweite Hälfte wiederum ist ein spiritueller Ausflug, ein Betrachten von Trauer und Schicksal, das ihn ereilte, als seine Großmutter starb. Solch Gedanken auf instrumentaler Musik zu verwirklichen, finde ich großartig. Als Hörer nur oft schwer wiederzufinden. Da mache ich es mir oft leichter und will meine eigene Geschichte auf die Platte legen, träumen, vielleicht auch fliehen. Das fällt mir leicht bei einem sanften, sehr entspannten Klang, der stark Richtung Easy Listening geht. Das funktioniert sehr gut im Hintergrund oder bei geschlossenen Augen via Kopfhörer!

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