Foto: Timothy Hiatt |
Diese sehr kleine Liste hat sich über viele Jahre gefunden. Nun steht ein Anwärter vor der Tür, den ich so nicht habe kommen sehen: The Joy Formidable aus Wales. Zugegeben: Ich kannte die Band nicht, bevor ich darauf aufmerksam gemacht worden bin. Anlauf brauchte ich kaum, sie hatten mich direkt mit ein paar Liedern komplett im Griff. Ihre Musik ist als physisches Exemplar hier teils schwer zu bekommen, sodass ich letztens das Vergnügen hatte bei meiner Postfiliale Zollgebühren für die Vinyl-Einfuhr zu zahlen. Why not?! Am 20. August erscheint ihr neues Album Into The Blue. Doch bevor ich darauf eingehe, noch ein kleiner Ausflug zur Gruppe und ihrem Klang.
The Joy Formidable ist ein Trio, das seit 2008 fünf Alben veröffentlicht hat. Matt sitzt am Schlagzeug, Rhydian (diese geilen walisischen Namen...) bedient den Bass und das Keyboard, Ritzy singt und spielt Gitarre. Hört man nun ihre Musik, ist kaum zu glauben, dass drei Menschen dahinter stehen. Zehn müssten es sein. Liveauftritte zeigen, dass sie selbstredend mit Effekten und Klängen aus dem Off arbeiten, aber eins ist absolut charakteristisch für die Gruppe: Rhydian spielt den Bass derart heftig, ausgiebig und aufgedreht, dass er stets für eine satte Basis sorgt. Ritzy wuchtet oft noch mit ordentlich Riff oder tänzelt darauf. Ad hoc sind mir kaum Gruppen bekannt, die zu dritt einen derartigen Klang generieren (können). Ah, doch... Sigur Rós...
Absoluter Höhepunkt für mich ist ihre Platte Wolf's Law. Das ist einfach nur ein krasses Brett. Eine Platte, die quasi keine Schwächen zeigt. Der Höhepunkt des Höhepunkts: The Leopard And The Lung. Das habe ich noch nicht gehört. Dieser Track verlangt mir alles ab. Das passiert nicht oft. Stark!
Into The Blue kommt an diese Platte nicht ran. Muss sie aber auch gar nicht. Ich denke, dass Wolf's Law eine Scheibe ist, die eine Band nur ein Mal macht (machen kann). Und: Wieso das gleiche nochmal machen (richtig, Konstantin Gropper)?
Elf Lieder erstrecken sich über 50 Minuten. Und es beginnt direkt mit dem titelgebenden Stück. Der Bass wabert, das Schlagzeug schleppt, darüber das Gitarrenriff und nach gut 20 Sekunden Ritzys klare Stimme. Es ist die Energie, die in der Bridge steckt, wo sich die Gitarren überlagern und schillern. Das ist das Charakteristikum des Trios. Rhydian singt auf dieser Scheibe wesentlich mehr als zuvor, eine tolle Abwechslung. Es ist fast schon dreist, wie die Drums sich durch den Track schleppen und selbiger dennoch völlig stimmig ist.
Es folgt Chimes. Hier horche ich richtig auf. Klar, es ist Gitarrenrock, doch dieser entzieht sich dem üblichen Songwritingschema. Dominant ist das Gitarrenriff, das jedoch nie komplett in einen Bandsound aufgeht, sondern immer wieder begleitet und allein gelassen wird. Stark ist, dass diese Phasen vollkommen unvorhersehbar sind. Sevier wiederum knallt direkt ab der ersten Minute, durchaus störend, und genau das macht den Reiz aus! Es ist an dieser Stelle absolut geboten, die Boxen richtig aufzudrehen, denn dieser harmonische Krach macht sehr viel Spaß! Ich genieße es enorm, diesem Tempo und den schrillen Gitarrentönen ausgeliefert zu sein. Interval dient da fast schon als kleine Hörpause auf extrem hohem Niveau. Auch wenn Farrago mich nicht so sehr umhaut, bin ich bei den Gitarrenwänden, die ganz stark nach den Editors klingen, extrem neugierig, wie sich das wohl live anfühlen wird. Es ist durchaus vorstellbar, das man als andere Person den Abend verlassen wird. Vielleicht mit einem Gehörschaden, vielleicht aber auch mit genau dem Glück im Körper, das nur Musik darbieten kann.
Und wenn Ritzy zu Beginn auf Gotta Feed My Dog geheimnisvoll flüstert, kann eine Gänsehaut die direkte Folge sein. Die Härte des Liedes gefällt mir so derart, ich kann es selbst kaum fassen. Das Stück ist dicht, leicht mystisch angehaucht und mir idealen Klavier- oder Orgel-ähnlichen Tönen garniert. Inklusive Wendung zu einem überraschenden Zeitpunkt! Die drei haben es einfach raus! Punkt!
Somewhere New ist eine Zäsur auf der Platte. Rhydian singt solo zu ruhigen Akustikgitarrenklängen. Ist auch ein Statement der Band: Ja, wir machen das einfach. Wir müssen hier nicht durchgehend zeigen, wie krass wir Postrock (oder was auch immer) perfektioniert haben!
Nein, Into The Blue plätschert danach keineswegs aus. Nur mir fehlen langsam die Worte für Stücke wie Bring It To The Front oder Back To Nothing. Krach, Wucht und Harmonie sind hier dicht aneinander gedrängt und gehen wunderbar auf! Left To Soon ist dann genau der Track, den dieses Album zum Schluss verdient hat. Über sechs Minuten erstreckt sich ein komprimiertes Stück Musik, das mit Lautstärke, Dynamik und Kraft nur so strotzt!
Diese Band macht mich fertig. Und ich lasse mich gerne von The Joy Formidable fertig machen. Hoffentlich kommen sie in absehbarer Zeit in unsere Gefilde. Ich kann es kaum erwarten, mich ihrem energiegeladenen Klang live ausliefern zu lassen! Was für ein Album, was für eine Band, was für ein irrer Sound!
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