Freitag, 15. Januar 2021

KW 2, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: https://www.tvnz.co.nz/livetv/tvnz-2
Bild: https://www.tvnz.co.nz/livetv/tvnz-2
(ms/sb) Wir sind ständig auf der Suche. Klar, hier in erster Linie nach (neuer) guter Musik. Aber auch nach guten Nachrichten. Ja, sie sind momentan rar gesät, aber es gibt sie. Denn viele mutige, zielstrebige, willensstarke Menschen im Norden haben sich zusammengeschlossen, um uns endlich wieder das zu geben, was uns so wahnsinnig stark fehlt: Livemusik! Tatsächlich, ja. Sogar in gar nicht so weiter Entfernung. Und hier wird jetzt nicht gezweifelt oder schwarzgemalt, bitte!
Die Rede ist von der Initiative 'Club 100'. BetreiberInnen unterschiedlichster Clubs aus Bremen haben etwas auf die Beine gestellt, was sehr gut ausschaut. Sie alle haben sich gedacht: Wir brauchen wieder Musik live auf die Ohren. Wie schaffen wir das momentan? Klar, bis Ende des Monats (oder sogar Ende Februar, das weiß ich gar nicht so genau) sind Konzerte mit Publikum eh untersagt. Ohne geht es aber. Im Pier 2 in Bremen. Dort finden seit gestern (mit Wladimir Kaminer) Veranstaltungen statt, die sowohl gestreamt als auch tatsächlich, wenn es soweit ist, besucht werden können. Sie haben ein aussichtsreiches Hygienekonzept erarbeitet und eine Vielzahl an MusikerInnen überzeugen können, die dort bald spielen und bei uns auch groooß auf dem Radar sind: Thees Uhlmann (ruckzuck ausverkauft); Grillmaster Flash, Sofia Portanet, Madsen, Antilopen Gang undundund... Es klingt wie ein kleines Festival, das über mehrere Wochen geht. Drücken wir allen Beteiligten fleißig die Daumen. Wir sehen uns bald vor Ort! Versprochen!

Hier gibt's erstmal Neues auf die Ohren. Seid ihr auch gespannt. Wir schon. Selektion. Freitag. Los:
 
Another Sky
(sb) Erster Gedanke: Klingt a bisserl wie Keane. Erste Erkenntnis nach kurzer Recherche: Huch, das ist ja ne Frau, die da singt. Hören Another Sky sicher auch nicht zum ersten Mal, aber die Stimme ist echt sehr untypisch. Gut, blenden wir das aus, denn die Songs der Londoner geben an sich schon genug her, um darüber zu sprechen/schreiben. Das Songwriting ist sehr klar, die Attitüde auf ihrer neuen EP Music For Winter Vol. 1 (VÖ: 01.01.) schwankt zwischen Rückzug und Aus- bzw. Aufbruch, zwischen Furcht und Melancholie auf der einen und Hoffnung und dem unbändigen Willen, seine Probleme zu lösen, auf der anderen Seite. Um die sechs Tracks zu verstehen, bietet es sich an, sich wirklich intensiv mit den Texten und ihrer Vielschichtigkeit zu beschäftigen. Spannend.
 
 
Shame
(sb) Ende 2020 hatten wir Euch in der Selektion schon mal auf Shame aufmerksam gemacht, jetzt liegt endlich auch das komplette Album vor. Um es vorwegzunehmen: Es bestätigt den überaus positiven Eindruck der Vorab-Single. Auf Konventionen wird ziemlich geschissen und trotzdem pendelt sich Drunk Tank Pink (VÖ: heute) irgendwo zwischen Art Brut, Hot Hot Heat und The Hives ein. Gibt schlimmere Referenzen. Das funktioniert auf Platte schon fein, so richtig zum Tragen kommen werden die treibenden Rhythmen dann aber wohl live - wenn es denn mal wieder möglich sein wird... Geplant ist ja eine Social Distancing-Tour im UK im Februar, aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen fällt es schwer, daran zu glauben.

United Worldwide Vol. 2
(sb) Was hab ich Vinyl-Splitsingles früher in meiner Jugend geliebt! Auf diese Weise lernte ich Bands wie Knochenfabrik oder die Wohlstandskinder kennen und auch heute noch bedient sich vor allem die Punk- und Hardcore-Szene gerne dieses Mediums, um neue Acts zu pushen oder Freundschaften auszuleben. Im Falle von United Worldwide Vol. 2 (VÖ: 05.02.) ist es eine politische Message, die die vier teilnehmenden Bands verbindet. Internationale Solidarität als Triebfeder für musikalischen Output, in diesem Fall insbesondere die Proteste in Belarus (Weißrussland). Mit Solidari-Ska von Los Fastidios wurde zwar leider der schwächste der vier Tracks als Video veröffentlicht, aber in Sachen Popularität macht den Italienern halt keiner was vor. Zudem sind What We Feel (Russland), Mister X (Belarus) und MyTerror (Deutschland) am Start, die mit dem russischsprachigen Hardcore-Knüppler Иди и смотри  (Come And See) den Höhepunkt der EP abliefern.
 

Saint Vice
(sb) Das Musik-Business steht derzeit auch Kopf - und zwar sowas von. Beispiel gefällig? Saint Vice haben ihr Album Nighttime HWY seit geraumer Zeit fertig, das gute Stück ist quasi "ready for release", die tatsächliche Veröffentlichung wird allerdings erst im Herbst 2021 folgen. Der Grund ist klar: Ohne die Möglichkeit, das Album live auf die Bühne zu bringen, macht ein Release gerade für kleinere Bands wenig Sinn. Verständlich, aber schade, denn die Scheibe weiß zu gefallen und überzeugt mit radiotauglichem Indie-Sound. Wenn ich nen Sender hätte, würde ich es spielen. Definitiv. So aber bleibt zu hoffen, dass die Band aus Rosenheim/München einen langen Atem besitzt und die Zeit bis zum Ende der Leidenszeit gut und produktiv nutzen kann. Wir präsentieren Euch heute das brandneue Video zu Calling For Backup, das heute Premiere feiert.


Melt Downer
(ms) Seit Jahren mache ich kein Sport. Einfach keine Lust, zu faul. Nun gut, bei passendem Wetter sind größere Radtouren drin, aber sie beruhigen eher das Gewissen, als dass da ein Leistungsgedanke hinter steht. Bewegung also. Insbesondere jetzt eher ein Mangelfaktor. Wie dagegen anwirken? Wir haben da eine Idee: Die Wohnung zerlegen! Ja, genau gelesen! Alles kaputt hauen, mindestens die Hälfte davon braucht man eh nicht. Dazu liefern wir auch den richtigen Soundtrack Melt Downer! Das österreichische Trio erzeugt einen ungeheuren Drang in ihrer Musik. Der Klang ist derart dicht, impulsiv, kraftvoll und ansteckend sich dringend dazu bewegen zu wollen, dass ihr drittes Album III, das am 22. Januar erscheint, ideal in diese Zeit passt. Darauf ist nicht nur satter, durchaus melodischer Krach zu vernehmen, sondern auch standhafte Aussagen gegen das Patriachat und den kapitalistischen Lebensstil. Die Wut der Texte findet in ihrem musikalischen Wesen den perfekten Weg der Umsetzung! Lass mal ein paar Phallussymbole zerstören!

Buzzy Lee
(ms) Popmusik ist eine ewige Liebe. Das ist so. Sie ist vielleicht nicht Amore numero uno, aber sehr weit oben. Weil sie so vielfältig ist und fast immer funktioniert. Funktion von Musik ist eh ein unglaublich spannender Gedanke. Sie kann selbst auch dann eine Funktion haben, wenn sie gar nicht so sehr auffällt und man einfach so, ganz unbedarft und gut gelaunt dazu mitwippt. Dann ist schon eine Menge erreicht. Das schafft auf wirklich sehr feine, pfiffige, groovige, äußerst entspannte und sehr harmonische Weise Buzzy Lee mit ihrem ersten Album, das am 29. Januar erscheinen Wird. Auf Spoiled Love sind nur neun Lieder enthalten. Doch oft braucht es auch gar nicht mehr. Was quälen einen Alben, die kurzatmig mit Lückenfüllern gespickt werden. Dann lieber aufs Wesentliche konzentrieren. Und das tut die Musikerin hier in vollem Maße. Feine, frühlingshafte Melodien ziehen sich durch die kurzweiligen Lieder und entfalten genau den Zustand, den man gerade gut gebrauchen kann: Entspannung, gute Laune, Sorglosigkeit. Eine tolle Popperle ist hier zu vernehmen. Wer muss da noch erwähnen, dass es sich dabei um Sasha Spielberg, der Tochter des Regisseurs, handelt? Eben.
 

Don Cherry
(ms) Bedienen wir uns zuletzt dem Genre, mit dem wir uns nicht besonders gut auskennen, es aber immer wieder versuchen, da wir nicht müde werden, neugierig zu bleiben: Jazz. Seit gut eineinhalb Jahren diskutiere, debattiere, tausche ich mich mit einer wundervollen Seele über dieses Genre aus. Sie ist Expertin, ich Novize und es ist ungeheuer spannend, wenn man sich drauf eingelassen hat. Denn Jazz findet nicht nur in irgendwelchen verrauchten, heimeligen Kellern statt, sondern streift immer wieder R'n'B, Soul, Pop, Chanson. Nicht wegzudenken aus dem Jazz: die freie Improvisation! Und wer ist deren König? Klar, Don Cherry! Free Jazz, das war sein Ding. Spielte mit Größen wie Coltrane, wurde selbst zu einer. Von 1965 gibt es eine seltene Radio-Liveaufnahme, die nun erstmals der Welt zur Verfügung steht: Cherry Jam erscheint als 4-Track-Vinyl und CD am 26. Februar. Was soll man da noch sagen? Einfach hinhören! Wie lässig kann man sein?! Ein Glück, dass seine (Stief-)Kinder Eagle-Eye und Neneh seinen Geist in ihrer Musik tragen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.