Freitag, 30. Oktober 2020

KW 44, 2020: Die luserlounge selektiert

Quelle: soundcloud.com/club-44
(sb/ms) Ja, es ist die emotionale Seite, die sich gerade ein wenig gefunden hat, um wieder Energie zu spenden. Und nun fehlt sie wieder. Viele Entscheidungen, die nun getroffen wurden, sind bestimmt richtig. Als Musiknarr sitzt man jedoch auf heißen Kohlen. Bislang gab es schöne Zwischenlösungen, um Konzerte stattfinden zu lassen. Klar, nicht mit dem gleichen Zauber wie einst, aber es wurde gespielt, gesungen, ein ganz wenig getanzt. Und eben ganz viel genossen. Das ist auch mein großer Antrieb, so gerne und so oft vor irgendeiner Bühne zu stehen und zu lauschen: Genuss. Das füllt die Energiespeicher auf, die unter der Woche dann wieder leiden. Es ist die wundervolle Kunst, die ich bestaunen möchte. Es ist die mystische Energie zwischen Musikerinnen und Publikum, die sich während eines Konzerts aufbaut und zuschlägt. Vor eineinhalb Wochen wollte ich zu Staring Girl nach Hamburg fahren, das Konzert fand auch statt. Doch die steigenden Zahlen erzeugten ein mulmiges Gefühl, da auch noch ein Familienbesuch anstand und der Beruf mit vielen Menschen verbunden ist. Gestern sollte dann Götz Widmann vor Ort spielen. Mensch, was habe ich mich gefreut und dachte morgens noch, dass das ja theoretisch noch ginge, Einschränkungen ja erst ab Montag. Doch auch dort wurde abgesagt.
Durchatmen, verstehen. Und Solidarität mit den Künstlern und Menschen im kulturellen Betrieb zeigen.

Jetzt erstmal Freitag. Jetzt Luserlounge. Jetzt das Ergebnis der Selektion bestaunen, belesen, hören.
 
Steiner & Madlaina
(ms) Ein wirklich gutes Liebeslied. Das ist die wahre Kunst. Und zur Liebe gehört auch immer das Ende einer Beziehung dazu. Der wirklich harte Part, der so schleichend kommt. Und dann doch krachend Einzug erhält. Wenn man weiß: Das hier lebt gerade noch, aber definitiv nicht mehr lange und aus einem Wir werden wieder zwei Ichs. Diese Zeit, diese Momente und Erkenntnisse musikalisch wirklich gut umzumünzen... das schaffen nur wenige. Spontan fallen mir Enno Bunger und Alin Coen ein. Mit Steiner & Madlaina reiht sich nun das Schweizer Duo in diese Riege ein. Ihr neues Lied Prost Mein Schatz befasst sich genau mit diesen Trennungserkenntnissen. Und das Alkohol auch ein absolut probates Mittel ist, um mit diesem ganzen Chaos irgendwie zurecht zu kommen. Es ist wundervoll, solch große Kunst zu hören, die nah geht und so harmonisch arrangiert ist: bedrückend und doch melodisch. Am 29. Januar erscheint ihre neue Platte Wünsch Mir Glück! Das tun wir selbstredend und freuen uns sehr auf das neue Album!


Decaying Days
(ms) Viel zu lange geht es hier im Blog schon zu kuschelig zu. Zu harmonisch. Zu fein, zu leise. Oder? Finden wir auch und haben endlich erneut taugliches Material gefunden, das einem wieder die Schuhe ausziehen kann. Was auch immer Melodic Death Doom Metal sei... Decaying Days aus Münster machen sehr gute Musik. Und das wirklich Bemerkenswerte dabei ist: Klar, es ist sehr gitarrenlastig und tief und wuchtig. Aber halt auch enorm melodisch. Es ist genau die Art von Metalmusik, bei der ich mich (völlig ohne Ironie) sehr gut konzentrieren kann, was ich gerne anhöre und sich dabei alles bei mir gewissermaßen entspannt. Das mag irrwitzig klingen, aber vielleicht versteht mich ja wer da draußen? Das Gute ist: Nach ihrem starken Debut The Fire Of A Thousand Suns legt das Quintett nun nach. Am 20. November erscheint der Nachfolger Namens The Unknown Beyond
Die Auskopplung Reflections zeigt dabei die Qualität ihrer Musik aufs Beste: Sie gestalten siebeneinhalb (!) Minuten auf spannende Art und Weise. Die unterschiedlichen Parts gehen nahtlos ineinander über, der growlige und normale Gesang bilden eine stabile Einheit. Wünschen wir den Jungs von Herzen, dass sie bald wieder live spielen können und ihre Zuhörer mit ihrer Kraft wegblasen werden. 


Myd
(sb) Gute Videos haben ja nicht nur die Aufgabe, den Zuseher zu unterhalten, sondern manchmal auch den überaus positiven Nebeneffekt, dass sie von der unterlegten Musik ablenken. Aktuelles Beispiel: Moving Men von Myd (feat. Mac De Marco). Ohne Bewegtbild für mich eher ein Skip-Track, dank Video aber äußerst amüsant und plötzlich doch recht interessant. Das Album folgt 2021, davor soll es aber noch den ein oder anderen Single-Release geben. Mal schauen, ob die ähnliche gechilled daherkommen...

 
Calexico
(ms) Wir befinden uns in einer heiklen jahrenzeitlichen Phase. Klar, es ist Herbst. Klar, der Sommer ist rum. Klar, Erntedank haben wir auch dieses Jahr nicht gefeiert. Und auch klar: Hallooween am Samstag nervt komplett ab. Und dennoch: In den Konsumläden ploppen die Regale über mit Weihnachtssschoko, Adventskalendern, winterlichen Karten und allerhand Gedöns. Gruselig. Klar auch: Spekulatius ist super, doch gerne erst ab Dezember. Was dann im Musikgeschäft ebenso furchtbar wird: Weihnachts-Alben. Argh, Instant Gänsehaut, aber die von der unschönen Seite.
Doch es gibt ein Trostpflaster. Und das gibt es ja bekanntermaßen immer nur von Bands, denen man solche Sachen verzeiht, weil man sie seit Jahren gut findet und sie auch objektiv sehr stabil abliefern. Heißt: Calexico in diesem Fall. Seit Jahren bin ich ihren sanften Klängen aus Americana, mexikanischen Trompeten und sehr geschmackvollen Harmonien erlegen. Am 4. Dezember veröffentlichen sie nun also mit Seasonal Shift ein Weihnachts-/Neujahrs-/Silvesteralbum. Logischerweise heißt die erste Auskopplung auch Hear The Bells. Und auch hier zeigt sich wieder, dass Joey Burns und Co. ein wirklich herausragendes Gespür für Text, Harmonie und den richtigen Einsatz von Bläsern haben! Ich hole dann doch mal die Spekulatius raus...
 

Lachinos
(ms) Erstaunliches passiert, wenn man Lieder hört, deren Texte man nicht versteht: Man kann sich nur noch vom Klang berauschen lassen. Das kann nun mit dem französischen Sextett Lachinos passieren. Sie leben in Paris, singen aber nicht auf Französisch. Sowieso: Es ist kaum Frankophiles in dem Wesen ihrer Musik zu erhaschen. Vielmehr bewegen wir uns hier vom Geist eher in Süd- und Mittelamerika. Diese Woche erschien ihre erste EP Namens America Lachina. Es sind nur vier Lieder, doch alle schäumen nur so vor zarter Energie. Es sind nicht die Songs, die mit der Tanzbrechstange durch die Boxen knallen, sondern auf beinahe mysteriöse Weise und mit unheimlich viel Hüftcharme überzeugen. Ob es mal eine Flöte ist, die verspielt zum Bewegen einlädt oder die zurückgelehnten Percussion... Hier hat wirklich jedes einzelne Stück einen ganz einen Charakter, der schnell vor Feuer übersprüht! 



Chris Mayer and the Rockets
(sb)  Es gibt sie noch, die richtig schönen Popsongs, die zur Jahreszeit passen und die man immer wieder hören möchte. Autumn Riot ist so einer und ich hoffe wirklich sehr, dass der Track die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Schon vor Jahren lief die Demoversion des Songs auf Heavy Rotation auf Bayern 3, jetzt erscheint er endlich als Single und markiert gleichzeitig das Debüt von Chris Mayer and the Rockets, einer Band aus dem Raum Starnberg (Oberbayern). Feelgood-Folk-Rock mit ganz viel Herz und Verstand, der für das im kommenden Jahr folgende Album einiges verspricht.

 
Ghøstkid
(sb) Letzte Woche Woodkid, diese Woche Ghøstkid - eine gewisse Konstanz braucht der Mensch. Dass es diesmal jedoch deutlich brachialer zu Werke geht, liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, dass hinter dem Projekt kein Geringerer steckt als Sushi, Ex-Sänger von Eskimo Callboy (ja, das sind die, deren Drummer mal bei der Bachelorette gewonnen hat!), der sich zudem noch Verstärkung in Form von Mille Petrozza, Marcus Bischoff (Heaven Shall Burn), Timi Hendrix (Trailerpark) und Johnny 3 Tears (Hollywood Undead) ins Boot geholt hat. Das Debütalbum Ghøstkid (VÖ: 13.11.) ist also eher nix für romantische Abende zu zweit, wenn man sich aber gelegentlich gerne mal anschreien lässt, ist man hier genau richtig. Und wie mein Vater zu schön auf Bairisch zu sagen pflegt: "Wems gfoid, fia den is riesig!"
 

Common
(ms) Was sind die entscheidenden Elemente, die einen aufmerksam zuhören lassen? Ich glaube, dass es stets andere ausschlaggebende Punkte sind: mal die Melodie, dann wieder der Rhythmus, oft der Text. Das Unterschwellige, was dann begeistert und das man nicht so richtig in Worte fassen kann, würde ich mit Groove, Drive oder als catchy beschreiben; wenn es einen packt. Beim neusten Song von Common ist es definitiv der unglaublich bestechende Bassbeat, der über vier Minuten das Lied Say Peace dominiert. Es ist frisch und dennoch oldschool: Wooooha! Um diesen heißen Bass bauen sich mit allerhand kleinen Elementen, dem stabilen Rap und ein paar Snippets ein wirklich beachtlicher Song. Laut funktioniert er am besten! Wer (wie ich) vorher noch nie von Common gehört hat, dem sei dies gesagt: Oscar für den besten Filmsong 2015, zwei gewonnene Grammys, Autor zweier Kinderbücher und Schreiber für die New York Times. Zusammengefasst haben wir es hier mit einem klassischen Tausendsassa zu tun! Heute (!) erscheint neue Musik von ihm unter dem Namen A Beautiful Revolution Pt 1! Ja, genau. Genau das brauchen wir gerade. Ab dafür:

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