Freitag, 31. Juli 2020

KW 31, 2020: Die luserlounge selektiert

Bild: https://steamcommunity.com/
(ms/sb) Ein Buch liegt immer auf dem Nachtschrank. Oder auf dem Sofa. Will sagen: Irgendwas lese ich immer. Und regelmäßig flattern Tipps rein oder man liest über Lesenswertes. Das schreibe ich mir auf eine Liste, die stetig wächst und beizeiten wieder in der Buchhandlung meines Vertrauens abgearbeitet wird.
Letztens tauchte dann der Name Alice Munro auf. Kurzgeschichtenschreiberin, Literaturnobelpreisträgerin, Koryphäe. Ich kannte mich mit ihrem Werk nicht aus, informierte mich, kaufte Jupitermonde. Meine Hoffnung und Erwartung: Spannende, kurze Geschichten, die einen vielleicht zum Nachdenken anregen und weiter bringen. Die Realität: Bitte Enttäuschung, eine riesige Qual. Vielleicht habe ich das Buch auch zur falschen Zeit gelesen (viel Trubel im Privaten), aber ich hatte stets den Eindruck, dass die Geschichten auf gar nichts hinaus laufen. Und es tauchen viel zu viele Personen auf für viel zu wenig Zeiten. Langwierig, quälend. Und dabei offenbarte sich eine Schwäche: Ich kann kein Buch einfach so weg legen. Ich muss das zu Ende lesen. Argh, das hat viel zu lang gedauert. Grauenhaft. Doch nun ist es geschafft. Gibt es Tipps für gute, spannende, lesenswerte Sommerlektüre?

Buch aus. Musik an. Luserlounge hier. Selektion. Freitag. Wird gut, versprochen. Abfahrt:

Jonas David
(ms) Vor vielen Jahren las ich, dass die Produktion eines Musikvideos standesgemäß einen niedrigen fünfstelligen Betrag kosten würde. Ich kenne mich in den Hintergrunddaten dabei nicht aus, vermute aber, dass es heute nicht mehr so exorbitante Beträge nach sich zieht. Mit einem guten Handy lässt sich ja mittlerweile ein ansehnliches (Musik-)Video drehen. Was ich sagen will: In den besten Fällen unterstreicht das Video ja die Stimmung oder gar Handlung aus dem Track. Dann entsteht eine wunderbare Symbiose. Und was Jonas David hier geschaffen hat, lässt einen baff zurück. Eigentlich passiert im Video zu all in all in all nicht viel. Doch man wird ziemlich schnell in das Schicksal des Protagonisten hineingezogen und nimmt Anteil an seiner - durchaus ausweglosen - Lage. Am besten selber schauen.
Und diese traurige Stimmung, diese Sackgasse, in der der Typ steckt, wird ideal mit der musikalischen Atmosphäre in Verbindung gebracht. Es ist wie ein Kurzfilm. Das Lied wird auf seinem kommenden Album Goliath vertreten sein. Und wenn dann mal wieder Konzerte vollumfänglich stattfinden dürfen, dann ploppen bei diesem Stück sicher sofort diese Bilder auf. Keine Garantie, dass dann keine Tränen rollen. Aber okay. Jonas Davids Musik hatte immer schon den wunderbaren Sog, dass man sich einfach darin fallen lassen kann. Ganz sanft. Und dann wird man ein Stück aus der Realität entrückt. Film ab:


Rooks
(sb) So, um zur kanadischen Band Rooks zu kommen, muss ich jetzt gaaaaaaaaaaanz weit ausholen! Mein Arbeitgeber richtet jedes Jahr (wobei: 2020 ist alles anders...) in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Veranstalter ein kleines Musikfestival aus, auf dem Musiker von Weltruf auftreten und das Publikum begeistern. "Weltruf" ist dabei aber nicht so zu verstehen, dass da die Stones, Pearl Jam oder die Rihanna kämen, sondern Künstler, die in ihren Nischen von Kritikern hochgelobt werden, kommerziell jedoch mäßig erfolgreich sind. Thomas Blug ist da das beste Beispiel - super Typ, super Musiker! Und genau in diese Kerbe schlagen eben auch die Rooks. Die drei Musiker wissen genau, was sie tun, jeder Handgriff stimmt und keine Frage: Leute, die auf die Rockmusik der 70er Jahre abfahren, werden The High Road (VÖ: 06.11.) lieben. Da steckt einfach wahnsinnig viel Qualität drinnen, auch wenn das Rad alles andere als neu erfunden wird. Leider dürfte genau das den Kanadiern zum Verhängnis werden, denn das klingt schon verdammt nach Feuilleton-Liebling, nach einer Band, der großes Talent und bestes Know-How zugeschrieben wird, die es jedoch nicht über den Status des Geheimtipps hinausschaffen wird. So schade es auch ist, aber wenn ich mir die Musik der Rooks anhöre, habe ich unweigerlich das Publikum des oben angesprochenen Open Airs vor Augen: musikbegeisterte Altrocker jenseits der 50, die ihre Jugend wiederaufleben lassen. Sei ihnen gegönnt, aber meins wars halt leider nie so wirklich.



Anna von Hausswolff
(ms) Im luserlounge-Postfach ist Sommerloch. Es läuft ja so: Uns wird eine Menge zugespielt von Agenturen oder auch direkt von Bands, wir schauen, hören, urteilen, selektieren. Doch diese Woche ist da tatsächlich nicht viel los. Leider macht diese Fixierung genau auf diesen Prozess auch ganz schön faul, mal wieder selbst auf die Suche zu gehen. Bei Anna von Hausswolff war es gewissermaßen so. Die Suche hat die junge Schwedin jedoch selbst eingeleitet in den vergangenen Tagen und ihre Online-Präsenzen mit Inhalten gefüllt, die zu Spekulationen führten. Im Musikbusiness kann es dann ja aber meist nur ein Ergebnis geben: Es gibt neuen Stoff. Und das ist auch hier der Fall. Juhu. Endlich wieder! Denn wenn Anna von Hausswolff zuschlägt, dann wird es mächtig, groß, außergewöhnlich, opulent. Ja. All das trifft zu. Unumwunden. Am 25. September erscheint ihr fünftes Album All Thoughts Fly. Und ihre musikalische Entwicklung ist absolut nachvollziehbar. Startete sie noch mit einem Werk, das vom Klavier dominiert wurde, steigerte sie sich immer tiefer in die großen, düsteren Orgelklänge rein und reizte das Instrument schon deutlich aus. Immer garniert mit Rhythmuselementen, brachialen Gitarren und wildem Gesang.  Die Konsequenz: Nur noch die Orgel sprechen lassen. Purer Klang. Das hat sie auf Källan schon bewiesen, dass sie es will und kann. All Thoughts Fly wird nun ein pures Orgel-Album. Kein Gesang. Keine anderen Instrumente. Aber eine Geschichte dahinter, die mit dem ersten Track Sacro Bosco eingeleitet wird. Dieser italienischer Name verweist auf einen geheimnisvollen Skulpturengarten nördlich von Rom. Dort stehen große, düstere, geheimnisvolle Steinskulpturen, die Gesichter zeigen, Botschaften beinhalten. Sie faszinieren, beängstigen gewissermaßen. Genau das richtige Material für die Schwedin. Juhu. Sommerloch gefüllt. Die Vorfreude beginnt ab jetzt!


Angel Olsen
(ms) Die Musik, die in den letzten Wochen und Monaten erschien - und das ist jetzt mal nur so ins Blaue geschrieben, ohne das untersucht zu haben -, ist ruhiger als sonst. Einiges ist sicher einfach zu Hause entstanden. Anfangs war die Nutzung eines Studios bestimmt auch ein Problem. Und auch die Geschichten, die sich aufdrängten, mussten schnell raus, da war keine Zeit für großes Tamtam.
Die neue Platte Whole New Mess von Angel Olsen entstand leise, die aktuelle gesamtgesellschaftliche Ausnahmesituation hat damit nichts zu tun. Doch es passt hervorragend ins Bild. Nun könnte man verdutzt fragen: Was, schon wieder ein neues Album von Angel Olsen? Hat sie nicht erst letztes Jahr All Mirrors herausgebracht? Ja, das stimmt. Und einige Texte davon werden auf der neuen Platte auch zu hören sein. Nur anders. Gewaltig anders. Denn, wie gesagt, es ist leise. Die Wucht, der orchestrale Charakter vom Vorgänger ist nicht zu finden. Die neuen Lieder und die alten im neuen Gewand tragen die DNA einer persönlich schwierigen Lage der Musikerin. Die gleichnamige Singleauskopplung verkörpert diese Stimmung sehr gut. Sie ist klar, aber irgendwie auch bedrückend. Aufgenommen wurde in einer alten Kirche, die zum Studio umfunktioniert wurde. Der Klang - so ist für die ganze Platte zu hoffen - wird breit und direkt sein. Möglicherweise in Mark und Bein gehen. Aber das ist gut. Dann schließt sich ja vielleicht der Kreis, woher die Songs stammen. Am 28. August erscheint das Album und ich bin jetzt schon sehr gespannt, was die Stimmung dessen mit mir machen wird.


Korn
(ms) Nashville, Tennessee. Diese Stadt ist die absolute Wiege der Country-Music und des Folk. Elvis und Leonard Cohen sind mit der Stadt verbunden, Johnny Cash ist dort gestorben. Und auch ein anderer trieb dort sein Unwesen: Charlie Daniels. So wie er Country spielte, genauso habe ich es mir immer vorgestellt. Der typische Hut passt zur visuellen Vorstellung, es ist verspielt, temporeich, tanzbar mit Fiddle und einer richtigen Geschichte im Track. Unter anderem in seinem größten Hit: The Devil Went Down To Georgia. Der erschien vor 41 Jahren, 1979. Nun ist im vergangenen Monat Charlie Daniels verstorben, er wurde 83. Natürlich starb auch er in Nashville.
Und solche bedeutsamen Tode in der Musikwelt ziehen Effekte nach sich. Immerhin war The Devil Went Down To Georgia ein riesiger Erfolg und sogar für den Grammy nominiert. So kondolieren auch Formationen, die man mit dem Stil so gar nicht verbindet. Die dem Meister aber dennoch die Ehre erweisen. Wir sprechen von Korn. Der Nu-Metal-Formation. Genau. Die Fiddle wurde durch eine temporeiche Gitarre ersetzt. Den Gesang im Refrain übernimmt der Rapper Yelawolf, sodass eine düstere Nummer daraus wird. Doch die Typen um Jonathan Davies sind gute Menschen. Der Track erscheint ausschließlich via Bandcamp (klar, Ableger woanders lassen nicht lang auf sich warten). Aber dort kann man den Song auch kaufen. Der Erlös geht zu hundert Prozent an Awakening Youth, einer Organisation, die sich um vom Schicksal mitgenommene Jugendliche kümmern. Gute Sache. Guter Song.



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