Donnerstag, 16. April 2020

Great News - Now And Them

Foto: Jonathan Vivas Kiise
(ms) Skandinavien und seine Vorurteile. Da kommt man einfach nicht umher. Auch nicht, wenn man sich Musik anschaut. Da ist das Hirn schon so gepolt, dass beim Stichwort Norwegen eher Dimmu Borgir oder Immortal aufpoppen statt beispielsweise Erlend Øye. Gegen dieses Vorurteil muss angeschrieben werden. Die ewige Wand aus nicht enden wollender Nacht und einer verträumten Verklärung der atemberaubenden Landschaft muss durchbrochen werden. Wir brauchen ein anderes Narrativ statt dunklen Tod. Wir brauchen Tempo, Gitarre, Synthieflächen und energiegeladene Tanzbarkeit. Wir brauchen auch etwas unkonventionelle Leidenschaft und neu entdeckte Liebe zur Musik, die nicht um alles in der Welt und jeden Preis in den Feuilletons behandelt wird wie das Beispiel Erlend Øye, sondern auch einfach mal für sich steht. Das fehlt natürlich nicht nur der norwegischen Musik, sondern jedem Genre. Ein bisschen Abstand zur zwingenden Vermarktung und dem unbedingten Willen, davon leben zu wollen; Selbstverwirklichung. Man muss es nicht immer so wahnsinnig kompliziert machen und die Dinge auf einer Eso-Ebene verschieben. Man kann es auch einfach aus Bock machen. Bock auf gute Musik. Fertig. Kompromisslose Passion. Die findet man unter anderem beim Trio Great News aus Bergen. Wie schon beim Erstling Wonderfault von vor zwei Jahren, muss erneut darauf hingewiesen werden, was das für ein toller Bandname ist. Großartige Neuigkeiten. Ja, so ist es. Denn die gibt es auch jetzt am 17. April. Da heißt das Motto Now And Them und erscheint erneut beim Label Eget Selskap. Der Sound ist nicht mehr so wahnsinnig psychedelisch wie beim Vorgänger, doch es kann vom ersten bis zum letzten Ton überzeugen!



Now And Them startet mit einem sphärischen Synthie-Intro, das schon einen klanglichen Eindruck der Platte vermittelt. Die effektgetränkte Gitarre steht nicht mehr so, so sehr im Vordergrund, aber ihre Rolle ist stark. Ich bin ein ganz schlechtes Mainstream-Indie-Lexikon, doch die ersten dreißig Sekunden von Never Going Back klingen für mich wie eine Mischung aus The Killers und MGMT (mag auch ganz anders sein), es sind unter anderem die elektronischen Drums, die bei mir für diesen Eindruck sorgen. Doch danach geht's ab beim Trio aus Bergen: Tempo, breiter Sound, klarer Gesang. Poppiger Einstieg in das Album, wo die Hook vom Keyboard und die Strophe elektronisch getragen ist. Auf der ersten, sehr nachvollziehbar ausgewählten Single Greedy Little Thing (s.o.) geht es um die Vorteile vom Minimalismus, also direkter Gesellschafts- und Konsumkritik, die zu gefallen weiß. Klar, das ist sehr modern, aber halt auch sinnvoll. Der Klang hier ist etwas glatter als beim Debut, aber keinesfalls beliebig; wäre ja auch öde, wenn man zwei Mal die gleiche Platte macht. Sehr energiegeladen und tanzbar!
Reality Show (s.u.) ist auch super groovy und lässt schnell den Kopf nicken und den Fuß wippen. Wenn man wieder darf, will ich dazu draußen oder drinnen die wunderbaren Sommernächte durchtanzen. Doch so ein fading-out am Ende habe ich schon lange nicht mehr wahrgenommen. Wieso nicht?!
Ja, es herrscht eine gute, urlaubige, ausgelassene, lässige Stimmung auf dem Album. Doch die Themen des Albums haben durchaus einen melancholischen, nachdenklichen Beigeschmack. Sänger und Texter Even Kjelby verarbeitet auf den elf Songs den Moment, als er wusste, dass seine Beziehung zuende geht. Das ist hart. Dieses Bewusstsein. Dann dachte er an all die lieb gewonnenen Leute, die ihm einst viel bedeutet haben, zu denen er aber irgendwann keinen Kontakt mehr hat. Das kennt jeder.
Der 'neue' sehr ausgefeilte, definierte und elektronische Indie-Pop-Rock kommt auf TV sehr gut zur Geltung. Es ist wuchtig, dynamisch und nach vorne preschend! Für den hymnischen Charakter auf Restless Eyes bin ich ja sehr schnell zu haben und sofort angefixt: Trommelwirbel an den richtigen Stellen gepaart mit breit angelegten Synthie-Flächen. Ja, das erinnert stark den den prägenden Sound der 00er Jahre! Wundervoll! Great News!
Das Thema des Albums macht sich dann noch bemerkbar in Someone Good. So ein einfacher und wahrer Titel für ein Lied. Und ein sehr guter Track, der zum nahenden Ende des Albums nochmal atmosphärisch auftrumpft!

Now And Them ist ein extrem rundes Album. Ohne überflüssige Pausen. In einem Rutsch. Es geht sehr oft direkt in die Beine und zu den richtigen Momenten in den Kopf. Die Spielzeit liegt auch nur grob über einer halben Stunde. Perfekt für das Genre, das sie selbst Daze-Pop nennen. Meinetwegen. Ich weiß nicht was das ist. Aber ich weiß, dass das hier ein extrem gutes Album ist!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.