Freitag, 15. November 2019

KW 46, 2019: Die luserlounge selektiert!

Quelle: logowiki.net
(sb/ms) "Alles zieht vorbei, alles zieht vorbei..." singt Fatoni. Und wie so oft hat er Recht. Statt der eigenen Karriere und der verschwindenden Kindheit und Jugend, ein kurzer Ausflug in die Schnelllebigkeit des Musikgeschäfts.
Man wird ja nicht nur im Radio zugeballert mit Neuigkeiten. Auch online ist das nicht anders. Mix der Woche bei Spotify, Deutschrap Hotlist bei YouTube. Da dudeln für ein paar Tage die brandneuen Töne durch, einige haben das Glück und bleiben, die anderen verschwinden irgendwo im Orbit. Und niemand wird ihnen gerecht. Das ging mir dieser Tage so mit dem aktuellen Niels Frevert-Album Putzlicht. Nach wie vor bin ich stark davon überzeugt, dass das eine ganz herausragende Platte ist. Sie kam erst vor zwei Monaten raus. Anfang September scheint aber schon wieder eine Ewigkeit her zu sein. Ich bin kein wehmütiger Mensch und erst recht kein Nostalgiker. Worum es geht: Um die lang anhaltende Wertschätzung von musikalischem Genie. Das fällt schwer. Manchmal braucht es Wochen, Monate, eventuell Jahre um einen Song erst zu verstehen oder wenigstens für selbst eine passende Interpretation gefunden zu haben. Dafür muss man tief in den Text gehen, die Magie zwischen den Takten spüren und vor allem eines haben: Geduld und Muße. Rar aber wertvoll.
Wir sind (dennoch) die luserlounge und präsentieren euch natürlich Neues. Es ist Freitag. Hier ist die Selektion!

Memoriez
(ms) Problem: Vorschusslorbeeren. Sie schrauben die Erwartungen irre hoch. Nur selten werden die dann auch erfüllt. Doch man braucht ja Vergleiche, um Neues schmackhaft zu machen. Fällt der Name Damon Albarn wird es nochmal happiger. Doch, keine Sorge: Joachim Zunke wird diesem Vergleich mit einer irren Leichtigkeit gerecht. Der gebürtige Hamburger lebt nun in Los Angeles und veröffentlicht mit seiner Band Memoriez am 20. Dezember das zweite Album HOLYMODERNNOTHING. Ja, alles groß geschrieben. Die Musik klingt genau nach dieser rotzigen Lässigkeit, die stets das Werk von Albarn auch ausmacht. Leicht verzerrte Gitarren, die Stimmung erzeugen, aber nicht nerven. Ein etwas schrammelig, aber sympathisches Schlagzeug. Ein Mix aus Indie, Wildwest, Country und eine genügende Portion Eigentümlichkeit. Das klingt so locker, dass es fast schon überhört werden kann. Doch wir raten: Unbedingt mehrmals durchhören! Ist groß!!!



FKJ
(ms) Thema Lässigkeit, Runde 2! Dass Namen abschrecken können, darüber haben wir schon mal referiert. Heutiges Beispiel: French Kiwi Juice. Und weil das so dermaßen beknackt klingt, hat sich der Künstler kurzerhand dazu entschlossen eine Abkürzung zu nutzen: FKJ! Der Mann dahinter: Vincent Fenton. Der Franzose macht alles selbst: Arrangements, Produktion und natürlich auch den gesamten Sound. Was dabei herauskommt ist ein unbestimmbarer Mix aus Soul, Neo-Klassik, Jazz und Ambient Pop. Es schwingt zwischen Meditation, lässiger Lounge-Musik und Eskapismus. Irgendwie großartig. Diesen Dienstag kam seine neue EP Ylang Ylang auf den Markt. Die sechs Tracks sind angenehm abwechslungsreich und schööön entspannt. Die große Frage ist nur, wo das wohl läuft? Auf den großen Pop-Wellen ja kaum. Bei den Kultursendern vielleicht oder halt bei euch zu Hause via Streaming. Das macht er nämlich recht erfolgreich, Millionen Streams darf er sein nennen, die Währung hier im Netz. Überzeugt euch, gebt Geld dafür aus. Es ist gut investiert!



Leitkegel
(sb) Schluss mit "entspannt", hier kommen Lichtkegel: Und ja, fuck, sie haben mich mit ihrem Songtitel Tocotronic darf niemals siegen getriggert. Während der luserlounge-Kollege ms ja Fan der Hamburger ist, war mir das immer zu verkopft und Herr von Lowtzow kann einfach nicht singen. So, nun aber zurück zu Leitkegel und ihrem Album Wir sind für dich da (VÖ: 13.12.): Beim ersten Anhören ungemein schwierig, weil ich was ganz anderes, deutlich ruhigeres, erwartet hatte. Stattdessen bricht das Quartett regelmäßig aus, driftet phasenweise fast schon in den Hardcorebereich ab, bevor es wieder in den heimischen Indie-Hafen zurückkehrt. Wichtig: Unbedingt auf die Texte achten, denn die Tracks haben nicht nur aufsehenerregende Titel (z.B. Ich hab 99 Probleme und das Mädchen hat mich oder OJ Simpson (Waffen töten keine Menschen)), sondern größtenteils auch sehr unterhaltsame und intelligent durchdachte Lyrics. Alles in allem ist das Album aber sehr komplex und bedarf der ganzen Aufmerksamkeit des Hörers. Das ist nichts für nebenher oder zwischendurch - das ist für hier, jetzt und ganz.


Julian le Play
(sb) Extreme und uneingeschränkte Radiotauglichkeit, Support für die unsäglichen Revolverheld und James Blunt - ich gebe zu: ich bin mit sehr großer Skepsis an die Sonne Mond Sterne EP (VÖ: heute!) des österreichischen Sängers Julian le Play herangegangen. Nach mehrmaligen Durchhören fällt das Urteil nun aber sehr mild aus, denn die Songs sind weit mehr als nur "nicht so schlimm wie erwartet". Nein, die EP ist wirklich unterhaltsam, die Tracks schmiegen sich geradezu an, verleihen Wärme wie ein gemütlicher Mantel und sind doch von der jahreszeittypischen Nachdenklichkeit geprägt, die wir alle doch nur zu gut kennen. In Österreich hatte der 28-Jährige bereits drei Zop 5-Alben, hierzulande wird der ganz große Durchbruch noch folgen und diese EP ist ein weiterer wichtiger Schritt dazu.


Talco
(ms) Über diese italienische Erscheinung muss eigentlich nicht viel gesagt werden. Talco sind der Beweis, dass unsere Freunde im schönen Süden keineswegs nur Schnulzen als musikalischen Exportschlager in petto haben. Talco sind Wucht, Haltung und eine Riesensause, wenn man sie live sieht. Und genau dafür gibt es hierzulande im Dezember noch genau zwei Möglichkeiten, die man wahrnehmen sollte. Ich weiß noch gut, dass beim Open Flair letztes Jahr ein Kumpel seiner Freundin seine Brille zugesteckt hatte und wie nicht gescheit in den tanzenden Mob hineinsprang. Fand er gut. Fand sie nicht gut. Doch bei Talco kann man nicht anders. Die Bläser. Der Gesang. Das Schlagzeug. Der Bass. Die Gitarren. Der Livebeweis hier sollte genügen zum Ticketkauf!

06.12. - Berlin, Huxley's Neue Welt
07.12. - Hamburg, Große Freiheit 36

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