Freitag, 30. August 2019

KW 35, 2019: Die luserlounge selektiert

Bild: signsandpainting.co.uk
(sb/ms) Diese kurze Einleitung nutzen wir für Schwachsinn, Politik, Bewegung im Musikgeschäft und als netten Lückenfüller. Sehender Blindtext quasi. Es ist ab und an wie ein guter Smalltalk. Und genau darüber haben die Menschen bei ZEIT online einen kurzen Text geschrieben. Darin sind 20 Fragen zu finden, wie man den sonst als dröge beschriebenen Smalltalk aufpeppen kann. Die Grundannahme dabei ist, dass Smalltalk oft schlecht gemacht ist. Es gibt aber auch super Smalltalk, unverbindlich und kurzweilig, vielleicht ein guter Flirt. Schauen wir uns ein paar dieser rhetorischen Kniffe an. Beispiel 1: "Welche App hat Ihr Leben wirklich besser gemacht?" Puh, ich bin so oldschool, dass die Frage halt unglaublich dämlich und wannabe-cool ist. Den Gesprächspartner fände ich dubios, der mir diese Frage stellt. Beispiel 2: "Was ist Ihr geheimes Talent?" Kruzifix, geht dich gar nichts an, deshalb ist es ja geheim, du Depp. Beispiel 3: "Wie bekommen Sie Kleidermotten in den Griff?" Hallo, sind wir beim Ü65-Yoga? Daher folgende These - und man sieht es auch an der Höflichkeitsform der Fragen: Dieser Kurzartikel ist pure Ironie. Was anderes darf er nicht sein. Bitte, liebe ZEIT, bitte lasst es Ironie sein!
Nun gut. Wir hingegen sind die luserlounge. Wir mögen Musik. Es ist Freitag. Wir haben selektiert!

Xul Zolar
(ms) Bereits letzte Woche kam eine neue EP der Kölner Xul Zolar auf digitalem Wegen raus. Doch auch um sich ein Urteil über nur drei Tracks machen zu können, nehmen wir uns Zeit: Denn diese vierteldutzend Lieder machen (wieder) sehr neugierig. Mein erster Berührungspunkt mit dem Quartett war ein Gig im Vorprogramm zu Rangleklods. Die Jungs brachten eine wahnsinnige Dynamik auf die Bühne. Ihre Tides EP ist immer noch große Klasse. Während ihr LP-Debut bei mir persönlich nicht so sehr gezündet hat, spielt Nightfalls wieder genau mit der Vielschichtigkeit, die die Band so im Blut hat. Auf allen drei Tracks ist wieder mehr Bandgefüge und weniger elektronisch-sphärische Spielerei zu hören. Ich will nicht böse sein, aber auch die unterschwellige Lethargie, die sich irgendwie durch Fear Talk zog, ist bei den drei neuen Liedern weg. Auf Perfume harmonieren zielgerichtetes Schlagzeugspiel mit ganz klarer Gitarre und dem nötigen Synthie-Sound. Und ist das ein leichter 80er-Klang auf dem Song Nightfalls? Der Text könnte auch in ein Horrorschauspiel passen. Your Ways ist dann wieder herrlich catchy, geht leicht ins Ohr und bleibt unter Umständen auch da. Eine super EP haben die vier Domstädter da abgeliefert, deren Tracks man bald hier live belauschen kann:

25.09.2019 – Köln, Bumann & Sohn
26.09.2019 – Darmstadt, Schlosskeller
27.09.2019 – Nürnberg, Club Stereo
28.09.2019 – München, Heppel & Ettlich
29.09.2019 – St. Gallen, Grabenhalle
02.10.2019 – Berlin, Berghain Kantine
03.10.2019 – Dresden, Groovestation
04.10.2019 – Leipzig, Moritzbastei
05.10.2019 – Hamburg, Nachtasyl
10.10.2019 – Göttingen, Nörgelbuff
11.10.2019 – Frankfurt, Lotte Lindenberg


Ilgen-Nur
(sb) Mein erster Gedanke: Wie kommt man denn auf so einen Namen? Ilgen-Nur? Des Rätsels Lösung ist ganz einfach: Die junge Frau aus der Nähe von Stuttgart, die mittlerweile in Hamburg lebt, heißt tatsächlich so. So, da das nun geklärt ist, wenden wir uns endlich der Musik zu, denn darum solls ja hier in erster Linie gehen.
Power Nap (VÖ: heute!) heißt das Debütalbum der Künstlerin, die erst vor zwei Jahren erstmals auf der Bühne stand, dann aber einen Raketenstart hinlegte, mit ihrer EP No Emotions Publikum und Fachpresse gleichwohl begeisterte und inzwischen nicht nur namhafte Festivals beehrte, sondern auch als Support von Annenmaykantereit und Tocotronic glänzte. Läuft.
Auch wenn der PR-Text von Parallelen zu Pavement und Built To Spill spricht, fühle ich mich doch eher an The Donnas und Melissa Auf Der Maur erinnert - und das ist sehr positiv zu interpretieren. Es gefällt mir sehr gut, was Frau Borali in ihre zehn Songs reinpackt: das ist ebenso stimmig wie stimmungsvoll und verdient sich die Bezeichnung "Slacker-Rock-Attitüde" redlich. Das ist lässig, scheißt gepflegt auf Konventionen und klingt genau so, als würde es das Leben und die Einstellung der Künstlerin reflektieren. Noch Geheimtipp, bald auf großen Bühnen. Ganz sicher.

08.09. Berlin, Lollapalooza
27.09. Worms, Pop Up Festival
28.09. Wolfsburg, Sauna Klub
12.10. Nürnberg, Pop Festival
15.10. München, Import Export
29.10. Essen, Weststadthalle
30.10. Dresden, Groovestation
04.11. Erfurt, Engelsburg
05.11. Wiesbaden, Schlachthof
06.11. Köln, Bumann & Sohn
07.11. Bielefeld, Movie
08.11. Braunschweig, Eule
09.11. Paderborn, Wohlsein
14.11. Heidelberg, Karlstorbahnhof
15.11. Augsburg, Soho Stage
16.11. Schorndorf, Club Manufaktur
23.11. Münster, Gleis 22
27.11. Bremen, Lagerhaus
30.11. Hamburg, Molotow
06.12. Chemnitz, Atomino
07.12. Berlin, Berghain Kantine


Lingua Nada
(ms) So wird man auch auf neue Bands aufmerksam. Die Mail hatte einfach den perfekten Betreff: Die ideale Band für die/den fortgeschrittene/n Hörer/in. Wir sagen ab und an über uns: Guter Geschmack garantiert. Das beweist sich nun (und dann kommen wir von unserem hohen Ross auch wieder runter, versprochen).
Das Trio Lingua Nada aus Leipzig präsentiert sich auf ihrem neuen Album Djinn (VÖ: 27. September über Kapitän Platte) als Band, die sich dagegen wehrt ein bestimmtes Genre zu bedienen. Verglichen werden sie unter anderem mit Portugal. The Man. Den Vergleich sehe ich nur so halb, allerhöchstens mit den alten Platten à la Church Mouth. Vom experimentellen Charakter - nicht von der Musik - sind daher auch mit The Hirsch Effekt vergleichbar. Die Stilrichtungen wechseln innerhalb der Songs. So auch bei Dweeb Weed, das die Band in Marokko zeigt. Ihre Musik wird mit "Surf-Core" beschrieben, was immer das auch sein mag, es hört sich  großartig und vielleicht so an:



DZ Deathrays
(sb) Kennt einer von Euch noch das legendäre Atomic Cafe in München? Mittwochs und freitags legten da Marc Liebscher und Henning Furbach auf, der Britwoch und der Smart Club waren Institutionen und ich im Zeitraum rund um die Jahrtausendwende sehr lange Stammgast. Und jetzt, rund 20 Jahre später, sitze ich im Auto auf dem Weg zur Arbeit, höre das neue Album der DZ Deathrays und mein erster Gedanke ist: "Das wäre damals sicher im Atomic gelaufen!"
Die Australier legen Indie-Hymnen am Laufband vor - kein Wunder also, dass Positive Rising: Part 1 (VÖ: heute) hier gut abschneidet! Von der ursprünglichen Hard Rock-Attitüde der Band ist indes recht wenig übrig geblieben, was altgedienten Fans etwas sauer aufstoßen mag; ich hingegen feiere das Album gerade ziemlich und fühl mich gleich nochmal zwanzig Jahre jünger. Ordentliche Riffs, uneingeschränkte Partytauglichkeit, Retro-Feeling - kauft das und hört es Euch an.


Deichkind
(ms) Ob Deichkind nun ein neues Album raus bringen oder nicht, ist mir im Grunde genommen ziemlich egal. Vielleicht bin ich zu alt geworden für ihre Musik. Es gibt die unerfindlichsten Gründe. Warum wir der Band hier dennoch Platz einräumen: Sie haben ein weiteres großartiges Video abgeliefert. Und es wäre nie (NIE!) so genial gewesen, wenn Lars Eidinger nicht nochmal mitgemacht hätte. Die Idee zu Keine Party ist einfach super. Eidinger springt wie nicht gescheit durch Berlin mit Retro-Kopfhörern auf und das die gesamte Spieldauer des Liedes. Einfach und genial. Was muss der junge Mann geschwitzt haben. Und sicher war der Muskelkater nach Drehschluss auch nicht von schlechten Eltern. Ahja: Der Song ist doch auch ganz okay geworden und der Bass ballert gut. Voilà:



Sudan Archives
(ms) "Erstaunlich poppig", dachte ich, als ich den Track Confessions zum ersten Mal gehört habe. Und auch der zweite und dritte Durchlauf bestätigten meine erste Assoziation. Wenn man sich entsprechende Berichte und Vorschusslorbeeren über Sudan Archives durchliest, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass es hier brutal avantgardistisch zugeht. Wenn von nordafrikanischen Geigentönen, experimenteller elektronischer Musik und R'n'B die Rede ist, könnte es halt schnell kopf- und feuilletonlastig werden. Doch die Multiinstrumentalistin Sudan Archives bringt dies so locker und selbstverständlich zusammen, dass es leichtfüßig, beschwingt und unverkrampft klingt. Enorm! Daher macht nicht nur dieser Track enorm Bock auf das anstehende erste Album. Ein Datum und ein Namen für die Platte gibt es noch nicht - reichen wir nach - aber Tourdates. Voilà:

12.11. - Berlin, Säalchen
13.11. - Köln, CBE
14.11. - München, Rote Sonne



Eamon McGrath
(sb) Ach Folk-Pop, Du Luder, immer wieder kriegst Du mich mit einzelnen Künstlern, obwohl ich Dich eigentlich gar nicht so gerne mag. Bei Mumford & Sons (oder wie wir sie redaktionsintern nennen: Manfred & Hans) stellen sich mir beispielsweise die Nackenhaare gewaltig auf. Mitunter ganz schlimm, dieses Rumgeheule.
Umso schöner, dass man von anderer Seite dann quasi aus dem Stand so positiv überrascht wird: Eamon McGrath veröffentlicht am 06.09. sein Album GUTS und das hat mich - solange es nicht zu sehr ins Country-eske abdriftet - vom ersten Hören an überzeugt. Schöne Songstrukturen, ansprechende Lyrics, eine angenehme Stimme und eine wenig aufdringliche Instrumentierung erinnern an Okkervil River oder auch The Decemberists und sind zu keiner Zeit langweilig, was bei dem Genre ja durchaus mal passieren kann.
Nachdem ist das Album nun gehört habe, freue ich mich umso mehr, den Kanadier demnächst zusammen mit No King. No Crown. live in Rorschach zu sehen. Hier die Tourdaten:

09.10. Berlin (DE), Cassiopeia
10.10. Bremen (DE), Kapri Bar
11.10. Bremerhaven (DE), Kapovaz
12.10. Brüssel (BE), Rock Classic
15.10. Oberhausen (DE), Druckluft
16.10. Dortmund (DE), Rekorder
17.10. Vaduz (FL), Zwei Bar
18.10. Bad Ragaz (CH), Beatz
19.10. Rorschach (CH), Treppenhaus
20.10. Schaan (FL), Black Pearl


Adam Green
(ms) Es gibt Musiker, Bands, Künstler, die immer irgendwie da waren, aber nie zu greifen waren. So geht mir das mit Adam Green. Der Name ist mir natürlich geläufig, aber ich kann nichts damit anfangen, kein Lied zuordnen, nicht mal einen Stil. Das ändert sich jetzt, denn der New Yorker veröffentlicht kommenden Freitag (6. September) sein zehntes (!) Studioalbum, das auf den Titel Engine Of Paradise hört. Klar, er hat auch Filme gemacht und Bücher geschrieben. Parallel zu den neuen Klängen wirft er auch seine Graphic Novel War And Paradise auf den Markt. Man sieht den roten Faden. Doch die Musik bleibt sein Kerngeschäft. Und die Platte ist erstaunlich kurz: Die neun Songs haben eine Spieldauer von nur gut 22 Minuten. Alle Tracks gehen super leicht ins Ohr, klassischer Folkpop, den er mit lockeren Texten auffüllt. Charakteristisch dabei: Die sanften Streicher und das irgendwie damit einhergehende Retrokorsett. Es ist die ideale Musik für zwischendurch, für nebenbei und für ganz bewusst. Super vielseitig und im besten Sinne eingängig. Wir alten Indie-Hasen legen Euch das ans Herz! Adam Green ist demnächst für zwei Shows in Deutschland zu sehen:

28.10. - Hamburg, Stage Club
29.10. - Berlin, Bi Nuu


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