Montag, 14. Oktober 2024

Live in Bremen: PeterLicht

Foto: luserlounge
(Ms) Am Freitag hielt der Wahn Einzug in Bremen! Er kam als Duo zu zweit aus Köln und dehnte sich über zwei Stunden im Lagerhaus aus. Wobei es lange Zeit gar nicht danach aussah…

Vor einer Woche erst hat PeterLicht sein neues Album Alles Klar veröffentlicht und uns neun wunderschöne, sanfte Lieder geschenkt! Natürlich gibt es auch aus seinem ganzen Schaffen wesentlich mehr zu besingen! Das zeigt er momentan auf seiner Tour und am Freitag machte er Halt in Bremen. Das Lagerhaus war gut gefüllt, nicht ausverkauft, genau so, dass es nicht zu eng war. Tiptop! Seit vielen Jahren geht PeterLicht als Duo auf Tour, Benedikt Filleböck ist live die geniale Person an seiner Seite, die für viel musikalische Tiefe sorgt. 

Das Konzert war zweigeteilt und das war für die Emotion, mit der man später nach Hause gegangen ist, von entscheidender Bedeutung! Die erste Dreiviertelstunde war sanft, sinnlich, bedacht, zum Teil sogar ernst und mit kleinen Stichen ins Herz versehen. Mit den ruhigen Songs startete der Kölner Musiker in den Abend. Ein entspanntes Candy Käsemann, ein humanes Dämonen, ein aufrechtes Lied Vom Ende Des Kapitalismus, Das Absolute Glück. Da steckt viel Herz drin, viel Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit. Doch in ein paar Versen auch ein wenig Verzweiflung. Die sprach mich besonders bei Wir Schulden Euch Nichts an. Der Opener der aktuellen Platte ist hart in einem weichen Klangkostüm. Wenn PeterLicht singt „Ihr habt euch alles genommen / gebt sie (die Welt) uns wieder“ dann ist das ein klarer Ausruf, eine klare Aufforderung. Doch im Publikum ist halt kein Adressat. Das ist ja normal bei solchen Liedern und Konzerten, doch irgendwie fand ich das bitter. Da steht jemand, der großartige Kunst erschafft, sie singt und nur wenig Wirkung erzielt. Das meinte Marcus Wiebusch auch schon mal bei einem Kettcar-Konzert, dass Musik nichts ändert, sondern allerhöchstens ein ummantelndes Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen kann. So auch am Freitag in Bremen.

Eine andächtige Stimmung war eindeutig zu erfühlen. Und sie wurde gekonnt in große Unterhaltung transformiert mit all den Liedern, die PeterLicht zum Schmunzeln bereithält. Eine lange und sehr lustige Ankündigung zu Benimmunterricht inklusive ausführlichem Mitmachteil leitete den zweiten Konzertteil ein. Denn es folgten einige mitunter sehr tanzbare Klassiker wie Safarinachmittag, Sonnendeck, Wettentspannen, Gerader Weg, Problemlöser oder Kontolied. Es lässt sich recht einfach zusammenfassen: Das hat sehr, sehr viel Spaß gemacht! Wie er dort tanzt, ankündigt, spielt. Auf der großen Akustik- oder den kleinen E-Gitarren! Wie er mit Benedikt Filleböck ein richtig gutes Team ist, das Freude bereitet, phantastische Unterhaltung darbietet, große Kunst, oft um Ecken denkt (und hoffentlich ankommt).

PeterLicht ist ein vielschichtiger, großartiger Künstler. Wer die Möglichkeit hat, ihn live zu sehen, sollte das dringend tun! Leicht nachdenklich, aber auch mit großem künstlerischem Genuss aufgeladen, geht es Heim!

18.10.24 - Köln / Gebäude 9
22.10.24 - Weinheim / Cafe Central
23.10.24 - Winterthur / Albani
24.10.24 - Luzern / Schüür
30.10.24 - Jena / Trafo
31.10.24 - Berlin / Festsaal Kreuzberg
01.11.24 - Leipzig / NAUMANNs im Felsenkeller
02.11.24 - Dresden / Beatpol

Samstag, 12. Oktober 2024

Famous - Party Album

Foto: Jack Lovekin
(Ms) Folgende These: Große Krisen können große Kunst hervorbringen.

Wenn wir dieser These einfach mal ohne Einspruch folgen, ploppen einige Nachfolgefragen auf. Auch aus ethischer Sicht im weitesten Sinne. Denn wenn ein Mensch eine schlimme Episode seines Lebens durchschreitet und auch wirklich leidet - ist es dann okay, das Ergebnis eines kreativen Schaffensprozesses, der sich diesem Leid anschließt oder aus ihm entspringt, gut zu finden?!
Das ist natürlich schwer zu beantworten, da ich als Hörer einer mir fremden Person nicht helfen kann. Habe ich überhaupt Einfluss darauf? Sicherlich nicht. Und es ist ja auch nicht so, dass ich mich an dem Leid eines anderen laben würde, so weit kommt es ja nicht.
Doch viele großartige Alben entspringen ja aus einem dunklen Tief der Person, die sie geschaffen hat. Heikel, heikel. Und leider gehen ja auch viele Personen an dem öffentlichen Rummel oder den abgründigen Seiten des Musikbusiness zugrunde.

Warum ich überhaupt diese schweren Fragen aufwerfe, hat einen recht einfachen Grund: Jack Merrett hat am Freitag (11. Oktober) mit seiner Band Famous sein erstes Album veröffentlicht. Und der Weg dahin war dunkel und krisengezeichnet. Seine Kunst verarbeitet das und ich hoffe inständig, dass es ihm hilft. Denn so viel steht fest: Party Album ist eine unglaubliche Platte! Wie viel Dringlichkeit, Energie und Härte stecken denn in diesen 31 Minuten?!
Jack Merrett kommt aus London und ich liebe diesen Akzent, der immer wieder in seiner Stimme zu hören ist. Apropos Stimme: sie ist ein wahnsinniges Alleinstellungsmerkmal. Tief, sonor, eindringlich und dennoch bricht sie immer wieder, wenn er über seine Krisen als Endzwanziger singt, brüllt, flüstert. Die neun Tracks der Platte sind gezeichnet von einem recht rohen Sound, an dem wenig glatt geschliffen wurde. Wenn das Klavier klingt, dann als ob es direkt neben mir stehen würde. Wenn die Gitarren, der Bass und die Drums scheppern, dann so, dass ich in diese wilde Szenerie am liebsten eintauchen möchte und auch ausrasten will.
What … The Rest Of Your Live ist ein herrlich pulsierender Alternative-Rock-Track, der mit einer richtig guten Keyboard-Hook glänzt und spätestens auf der zweiten Hälfte zeigt, was Merrett alles mit seiner Stimme anstellen kann - beeindruckend! 2004 setzt dem nochmal die Krone auf. Denn wie dieses Stück sich entwickelt, ist einfach richtig gut arrangiert. Ich verfalle sehr schnell Songs, die wie ein großes Crescendo aufgebaut sind und dies hier ist ein Paradebeispiel, durch das sich ein markantes Gitarrenriff zieht. In der Mitte des Tracks kommt der Eindruck auf, dass es dann so bleibt, aber bei weitem nicht - hinten lauert die Explosion! Richtig knarzig, wild, ruppig geht es auf God Hold You zu! Ein Lied wie dieses kann doch nur aus einem persönlichen Abgrund entstehen. Irre! Doch am Ende kommt die große Einsicht: Love Will Find A Way heißt das letzte Stück, hat einige sanfte Phasen. Doch auch eine Menge Verzweiflung mischt da mit.

So ist Party Album die bittere Einsicht, dass die Party vorbei ist. Die Zeit der durchzechten Nächte da acta gelegt. Da kommt ein bisschen Wehmut auf, doch eines ist viel wichtiger: Diese Platte strahlt vor heilenden Momenten, denn auf den neun Liedern bricht alles heraus, was sich bei Jack Merrett angestaut hat. Und ich wünsche ihm nur das beste, dass er seine Musik als Kanal nutzen kann, um seine Krisen wirklich verarbeitet zu haben. Und so bleibt die bittere Erkenntnis: Ja, ich kann das gut finden oder sogar brillant, wofür jemand anders gelitten hat.


Freitag, 11. Oktober 2024

KW 41, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Ich liebe das Ankündigungsspiel, wenn eine Band neue Musik veröffentlichen wird. Meist kommen erstmal neue Bilder auf den Social Media-Plattformen. Dann gibt es manchmal einen kleinen Schnipsel eines Songs zu hören, dann Albumtitel, Datum, Tour, undsoweiterundsofort… Das geschieht gerade bei Tocotronic. Es wird wohl bald ein Lied geben, das Denn Sie Wissen Was Sie Tun, was mal wieder eine glasklare Analyse der Realität ist. Es gibt gefährliche Menschen, die bewusst den Terror sähen. Nur einen kleinen Ausschnitt gibt es bei Instagram zu hören und dazu ein paar geniale Bilder (seht selbst!). Doch die spannende Neugier wird reichlich getrübt, denn die Band ließ letztens auch verkünden, dass Rick MacPhail aus privaten und gesundheitlichen Gründen eine Bandpause einlegen wird. Natürlich wird hier nicht spekuliert, es bleibt nur eine Sache zu sagen: Alles Gute und gute Besserung, lieber Rick!

Kettcar 
(Ms) Bislang war es sicher das umtriebigste Jahr der Bandgeschichte von Kettcar. Erst die neue Platte, allerhand Promo-Gespräche und -Auftritte und dann zwei riesige Tourblöcke. Erst durch die Hallen, dann über die Freiluftbühnen und das an einigen wirklich spannenden Orten, die sonst weniger auf Konzertplakaten erscheinen (Würselen, Taarstedt, Bad Zwischenahn). Doch überall kommen die Menschen hin, sind - wie ich - seit vielen Jahren begeistert von den Texten, die sie schreiben und der Energie, die die fünf Hamburger auf die Bühne bringen. Ich war drei Mal dabei dieses Jahr und natürlich ist dann die Freude groß, wenn eine neue Konzertreise angekündigt wird. So dieser Tage geschehen: Kettcar gehen im Januar wieder auf Tour. Wie es mir scheint teilweise in ein paar kleinere Läden als noch in diesem Frühjahr und mal wieder an Orte, wo sonst kaum jemand dieser Größenordnung spielt. Aurich zum Beispiel und die neue Halle im Bunker an der Feldstraße in Hamburg! Genial! Dann wird noch ein Mal richtig Lärm gemacht!

17.01. Düsseldorf, Stahlwerk
18.01. Osnabrück, Botschaft
19.01. Aurich, Stadthalle
21.01. Ulm, Roxy
22.01. CH - Zürich, Kaufleuten
23.01. CH - Bern, Bierhübeli
24.01. Heidelberg, Halle 02
25.01. Frankfurt, Batschkapp
26.01. AT - Graz, Orpheum
28.01. Potsdam, Waschhaus
29.01. Magdeburg, Factory
30.01. Rostock, M.A.U. Club
31.01. Hamburg, Georg Elser Halle


Hannes Wittmer
(Ms) Gute Texte auf Deutsch zu schreiben, ist für jeden, der es je versucht hat und alle die es hören, eine große Herausforderung. Natürlich kennen wir all die Namen, denen es sehr gut gelingt. Wer dabei vielleicht nur ab und an auftaucht, ist Hannes Wittmer. Früher noch als Spaceman Spiff bekannt, tritt er seit vielen Jahren nur noch unter seinem bürgerlichen Namen auf. Da er wenig auf Social Media auftaucht, ist vielleicht auch gar nicht so präsent, dass er dieses Jahr ein tolles Album veröffentlicht hat: Sag Es Allen Leuten heißt es und ist wieder einmal großartig geworden. Hannes Wittmer ist einer der Künstler, die sich selbst in die Texte legt und das sogar auch erklären ohne sich zu rechtfertigen. Das finde ich sehr spannend, sehr ehrlich, immer wieder sehr krass, da sich Hannes Wittmer sehr stark öffnet. Gegenüber dem Publikum und automatisch gegenüber der ganzen Welt. Manchmal tun seine Texte weh, manchmal sind sie einfach nur wunderschön. Zusätzlich ist er ein unglaublich sympathischer Kerl, der zu Ich Du Er Sie Ich ein kleines Video gemacht hat. Bald geht er auch auf Tour, da sollten möglichst alle Menschen hingehen. Und für die Leute, die gerade nicht so viel Geld zur Verfügung haben, gibt es etwas preiswertere Tickets im Angebot. Sehr fair, sehr gut!

28.10. München - Feierwerk 
29.10. Würzburg - Cairo 
30.10. Köln - Helios 
31.10. Langenberg - KGB 
01.11. Bremen - Tower 
03.11. Leer - Zollhaus 
04.11. Münster - Pension Schmidt 
05.11. Hamburg - Hafenklang 
06.11. Leipzig - Naumanns Tanzlokal 
07.11. Hannover - Lux 
09.11. Berlin - Privatclub


neànder
(Ms) Manche Musik braucht gar keinen Text. Das habe ich recht eindrücklich letztens beim Hellseatic Festival in Bremen erleben können. Dort traten einige Bands auf, die rein instrumental agieren. Auch neànder hätten hervorragend in das Line-Up gepasst. Aus zwei sehr guten Gründen: Zum Einen spielen sie ihre Musik auch ohne Text, zum anderen würde ich ihren Sound auch im weitesten Sinne unter Heavy Music abspeichern ohne eine genauere Genrebezeichnung nutzen zu wollen. Denn das, was die Berliner Band seit einigen Jahren tut, ist nicht so speziell zu klassifizieren. Denn die harten, breiten, epischen Phasen ihrer Lieder werden immer wieder durch sehr melodische Parts abgelöst ohne kitschig oder melancholisch zu werden. Unterm Strich bleibt die große Reise der harten, großflächigen Klanglandschaften. Am 8. November wird die Gruppe ihr neues Album veröffentlichen, das auf den simplen Titel III hören wird und es könnte großartig werden, denn die Single Ultra ist genau das: eine wahnsinnige Klanglandschaft!


Turbostaat
(Ms) Ein bisschen müßig ist es schon, noch etwas über Turbostaat zu schreiben, was woanders nicht steht. Und das wird mir hier auch unter keinen Umständen gelingen. Doch egal: Es sind ja auch die persönlichen Verbindungen, die zählen. Für mich habe ich die Flensburger Band erst so richtig mit ihrem Live-Album Nachtbrot entdeckt, obwohl ich sie vorher insbesondere auf Festivals schon einige Male sah. Doch irgendwelche Umstände waren dafür verantwortlich, dass sie zu Hause bei mir nie liefen. Dabei erinnere ich mich noch sehr gut, dass sie im April 2008 in der Westfalenhalle Dortmund Vorband der Beatsteaks waren und Sänger Jan Windmeier danach unter einer schlimmen Stimmbandentzündig (oder so) litt. Letztes Jahr sah ich sie beim enormen Angst Macht Keinen Lärm Festival in Wiesbaden und es ist einfach kaum zu glauben, mit was für einer Energie diese Band spielt! Am 17. Januar erscheint dann Alter Zorn, die neue Platte! Seit heute ist ihre Single Jedermannsend draußen. Wie gewohnt sprachlich-kunstvoll in der Wortschöpfung, wie gewohnt etwas kryptisch im Text, doch diese Zeilen sind klar zu verstehen. Was tun, wenn jemand Liebes stirbt?! Vor allem Ratlosigkeit steht im Raum, irgendwie möchte man fliehen. Und das bringt das Video dazu gut zum Ausdruck. Ein Streifzug durch ein verzerrtes, verbautes, teilweise totes Berlin.
Im kommenden Jahr gibt es dann eine richtig große Tour, bei der es wieder ordentlich scheppern wird!

26.02.2025 Münster, Sputnikhalle
27.02.2025 Wolfsburg, Hallenbad
28.02.2025 Marburg, KFZ
01.03.2025 Magdeburg, Factory
02.03.2025 Rostock, Peter Weiss Haus
12.03.2025 Köln, Kantine
13.03.2025 Hannover, Faust
14.03.2025 Leer, Zollhaus
15.03.2025 Wiesbaden, Schlachthof
16.03.2025 Bochum, Bahnhof Langendreer
02.04.2025 Dresden, Tante Ju
03.04.2025 AT-Wien, Das Werk
04.04.2025 Erlangen, E-Werk
05.04.2025 Leipzig, Conne Island
16.04.2025 Jena, Kassablanca
17.04.2025 CH-Winterthur, Salzhaus
18.04.2025 CH-Bern, ISC
19.04.2025 München, Feierwerk
20.04.2025 Karlsruhe, P8
15.05.2025 Berlin, SO36
22.05.2025 Hamburg, Markthalle



Mittwoch, 9. Oktober 2024

Live in Bremen: The Notwist

Foto: luserlounge
(Ms) Der Rausch hat einen Namen. Er lautet: The Notwist!
Am Dienstag spielte die siebenköpfige Band im Bremer Schlachthof und es war schlicht ein irrer Auftritt. Es ist sehr gut, dass The Notwist ohne Vorgruppe unterwegs sind. Sie brauchen einfach niemanden, der vorher spielt. Was soll diese potentielle Gruppe denn auch darbieten, wenn danach der Wahn Einzug erhält? Eben.

Doch kurz einen Schritt zurück. The Notwist ist wirklich keine Band, die regelmäßig bei mir zu Hause läuft. Wieso das so ist, weiß ich gar nicht. Ist ja genial, was diese Gruppe seit vielen, vielen Jahren macht und auf die Bühne bringt. Doch anscheinend ist da etwas in mir, was nicht auf die Idee kommt, deren Platten zu Hause aufzulegen. Tatsächlich kenne mich auch nur so lala mit deren Diskographie aus.

Welche Lieder sie schlussendlich live spielen, ist mit (daher) auch einerlei. In meinen Augen geht es bei einem Gig von The Notwist eher um zwei andere Sachen: Die reine Kunst der Musik und den Rausch, den sie entfachen kann. Denn das beherrscht die Band in ihrem Genre wie keine andere. Es ist einfach perfekt, was sie spielen. Und vor allem wie sie spielen und wie ihre Songs live arrangiert sind. Sie spielen ihre Stücke eher in Blöcken, die richtig gute Übergänge aufweisen, mal hart, mal weich, aber immer passend und klar. So kann der Rausch erst richtig Fahrt aufnehmen. Und er gewinnt an Energie, wenn die Tracks abwechslungsreich sind. Und das reizt die Band enorm aus! Dort stehen sieben so gute MusikerInnen zusammen, die mit ihren Instrumenten jeweils ganz verschiedene Ebenen in die Lieder hineinbringen, dass es gar nicht langweilig werden kann. Für mich als Laien ist es immer ein wenig schleierhaft, was genau Max Punktezahl und Cico Beck an ihren Reglern, Knöpfen und Keyboards machen, aber es knallt gewaltig. Genauso wenn Markus Acher mal wieder alles aus seiner E-Gitarre rausholt oder wenn Andi Haberl in seinem Schlagzeugspiel versinkt. Die absolute Ruhe auf der Bühne strahlt in jedem Fall Micha Acher aus, egal ob am analogen oder digitalen Bass oder erst recht am Susaphon! Apropos Bläser: Der Klang von Theresa Loibls Bassklarinette ist magisch! Sie bringt mit ihrem Instrument so viel Wärme und eine gewisse Exotik in den Klang der Band, dass es kaum auszuhalten ist! Doch was Karl-Ivar Refseth am Vibraphon macht, überrascht mich jedes Mal aufs Neue! Vor einiger Zeit sah ich ihn zusammen mit Gisbert zu Knyphausen und ich konnte mich gar nicht mehr auf die Texte konzentrieren, da sein Spiel mit den Bögen und Schlägern so faszinierend ist!

Was ich damit sagen will: Wenn diese sieben Menschen zusammen spielen, bleibt kein Stein auf dem anderen. Es ist - und da wiederhole ich mich sehr gern - der absolute Rausch! Es ist laut, mitunter wild, dann wieder extrem präzise und leise-harmonisch. Doch vor allem ist es außerordentlich gut arrangiert! Ideal, um die Augen zu schließen, sich mitnehmen zu lassen und tief in diese Soundwelt einzutauchen! Enorm!

Freitag, 4. Oktober 2024

KW 40, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: pixabay.com
(Ms) Das letzte Viertel des Jahres hat begonnen. Es gibt leider genügend Gründe, um stirnrunzelnd in die nahe Zukunft zu blicken. Die Wahlen in den USA, die Pläne der gewählten Parteien in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Seltsame Viren, die unterwegs sind. Allgemeine Unsicherheit und Ziellosigkeit. So fühlt es sich für mich zumindest ab und an an (Ja, kann man so schreiben…). Doch ich freue mich auch auf den Herbst und Winter. Endlich wieder kuschelige Pullis tragen, weniger schwitzen, guten Gewissens nicht raus gehen, Urlaubspläne für das kommende Jahr schmieden, die erste Mandarine pellen, die die ganze Bude dann in ihren herrlichen Duft taucht. Klar, das sind Kleinigkeiten, die das Grauen da draußen nicht heilen werden. Aber etwas Weiches, Sanftes und Warmes braucht der Mensch. Und manchmal ist es eine Mandarine oder ein warmer Pulli. 

Mietze Katz
(Ms) Sommer 2009. Ich war noch 18 Jahre jung und mal wieder auf dem Open Flair! Tatsächlich hat mir zelten zu diesem Zeitpunkt wesentlich weniger ausgemacht als heute. Damals waren auch noch vier, fünf Tage Festival kein Problem. Aber Dinge ändern sich, ganz normal. Damals spielten MIA. auf der Freibühne meines Wissens. Es war ein großartiges Konzert, hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, voller Leichtigkeit und Freude. Vor vier Jahren kam ihr letztes Album Limbo raus. Nun singt Mietze Katz unter ihrem eigenen Namen! Dazu holt sie sich eine Weggefährtin dazu, die ebenso lang unterwegs ist: Eva Briegel von Juli. HellSehen heißt ihre gemeinsame Single, die sehr elektronisch, sehr dicht daherkommt. Sie singen darüber, dass das alles ganz schön viel ist, was auf uns einballert. Irgendein Schrott auf Social Media, die Nachrichten aus der realen Welt, politische Unsicherheiten. Wie kommen wir dadurch? Am besten gemeinsam! „Ich glaub, ich schaff das nicht allein.“ Eine gute, richtige Einsicht. Ein guter Anlass, sich jemanden dazu zu holen! Ob da noch mehr kommt, ein Album oder dergleichen, werden wir sehen, hell sehen!


Philemon
(Ms) Hamsterrad, Hamsterrad! So lange es läuft und sich dreht und wir darin unsere Energie verbrauchen und langsam ausbrennen, erkennen wir nicht, was wir da eigentlich tun. Und vor allem: wofür! Für uns selbst wohl kaum. Bilanzen und Zahlen müssen stimmen, Vorgaben eingehalten, Regeln umgesetzt, die Bürokratie gefüttert. Erst wenn das Tempo ein wenig runter geht, ein wenig Ruhe einkehrt, schauen wir zurück und denken dann: Was ist bloß mit der ganzen Zeit passiert?! Warum habe ich nicht das gemacht, was ich will und mit gut tut?! Die Antwort kompliziert, vielschichtig, aber man sollte sich ihr stellen. Darüber singt Philemon in seiner Single Gone To Waste. Und das in einem unfassbar gutem Arrangement, das die Dringlichkeit der Frage musikalisch total gut zuspitzt. Die Melodie unterstreicht die gewisse Verzweiflung des Singenden in hervorragender Manier! Dahinter steckt der Belgier Anton De Boes, der unter seinem Künstlernamen im kommenden Frühjahr sein erstes Album rausbringt. Könnte richtig gut werden, könnte aber auch weh tun!


Thees Uhlmann
(Ms) 533 mal fünf. Das sind 2665. 2665 Menschen hatten in den letzten Tagen richtig viel Glück. Die Internetleitungen in Hamburg haben geglüht, gefunkelt und gebrannt. Doch diese Leute sind mit ihrem Glück dadurch gekommen. All jene Menschen haben Karten bekommen für die fünf Konzerte von Thees Uhlmann im St. Pauli Theater im Januar 2025. Fünf Tage hintereinander wird Thees Uhlmann dort spielen, wird feiern. Vor 30 Jahren wird dann das erste Mal Tomte zusammen gekommen sein, vor 15 Jahren begannen die Solopfade. Na, wenn das kein Grund zum anstoßen ist?! Eben! Dass der Ansturm auf diese besonderen Konzerte groß sein wird, wussten auch die Menschen beim Grand Hotel van Cleef, dennoch ist alles zusammengebrochen, wurde wieder zusammen geschraubt. Die anderen lassen sich dann halt davon erzählen. Von Momenten, die Tränen in die Augen schießen und dem Zeitpunkt direkt danach, wo man wundervoll lacht! All das geht nur mit und bei Thees Uhlmann. Allen KarteninhaberInnen: Viel Freude!


The Weather Station
(Ms) Das Ankündigungsspielchen auf Social Media ist doch irgendwie ganz gut, oder?! In der Regel wird erstmal die Ankündigung angekündigt. Ein paar Bilder, ein paar gewollt kryptische aussagen, ein Datum schwirrt im Raum, ein kurzes Video. Solche Sachen eben. Das scheint mittlerweile der Mechanismus zu sein, anstatt einfach zu verkünden: Hallo, ich bringe ein neues Album raus. Nun, wie dem auch sei…
Tamara Lindeman aka The Weather Station macht da natürlich auch mit und das natürlich auf sehr gefühlvolle Art und Weise. Es gab ein paar Bilder, wo sie eine Decke mit ihrem einen Gesicht aufgestickt zur Seite zog. An sich selbst rührte. Das ist schon clever gemacht, denn nun ist klar, worauf das hinausläuft. Klar, es gibt ein neues Album, Humanhood erscheint am 17. Januar! Wahrscheinlich wird es ein wunderschönes, sehr kunstvolles, fein durchdachtes Werk. Die erste Single, Neon Sings, gibt es schon mitsamt beeindruckendem/bedrückendem Video zu sehen! Wer das Wirken von Tamara Lindeman ein wenig verfolgt, weiß, dass sie sehr persönlich schreibt. Das neue Werk ist sehr nah an ihr selbst angelehnt und geschrieben, als sie mit ihrer letzten Platte Ignorance auf Tour. Album und Konzerte waren sehr erfolgreich. Doch sie als Mensch litt darunter, wusste sich nicht so sehr zu verorten zwischen Erfolg und Genuss und hatte psychische Probleme. Die sind nun eingefangen auf 13 neuen Liedern, die im Januar zu hören sein werden. Ignorance hat mich 2021 schon sehr, sehr begeistert! Die Chancen stehen also gut, dass der Nachfolger es auch wird. Für zwei Konzerte kommt sie hier her:

26.02.25, Hamburg - Nochtspeicher
28.02.25, Berlin - Silent Green


Kabinett
(Ms) Der Sommer ist rum, oder?! Da können wir uns einig sein, ist ja immerhin auch schon Anfang Oktober. Doch kaum ist die Sonne weg, ist die Sehnsucht nach ihr größer als vorher. Es wird früher dunkel, langsam kann man die Heizung anmachen und wesentlich mehr Tee trinken. Wie kommen wir aber noch zu diesem herrlichen Gefühl der Leichtigkeit und Sorglosigkeit?! Ganz einfach: Die neue EP  Sunflowers von Kabinett liefert genau die Songs dafür! Drei Tracks, die den Spätsommer feiern. Insbesondere Hide & Seek besticht durch eine freche Eingängigkeit. Noch mal eben zu Hause übers Parkett tanzen, während die dicken Socken rausgekramt wurden?! Mit diesen Liedern gar kein Problem! Selten war es einfacher… also: Los!


Ben Lukas Boysen
(Ms) Es gibt Musik, die lässt sich nur erspüren. Sie ist so vielschichtig und wunderschön, dass sie zwar durch die Synapsen schwebt, aber das Worte zu finden, sehr schwer ist. So geht es mir schon seit einiger Zeit, wenn ich Ben Lukas Boysen höre. Seite EP Clarion von 2022 hat sich richtig in meinem musikalischen Hirn eingebrannt. So wunderbar schön und gleichzeitig tanzbar ist das, was der Berliner Musiker auf seinen Stücken zusammenbaut. Es sind Melodien und Rhythmen, zu denen sich am besten die Augen schließen lassen. Entweder verzaubern einen dann der durchaus satte Bass oder die himmlisch-zarten Melodien. Oder beide. Wie auf der neuen Single Fama, die sein kommendes Album Alta Ripa ankündigt, das am 29. November erscheinen wird. Sechs Minuten zum tanzträumen, zu meditieren, schweben, frei sein, versinken, strahlen. 

12.10.2024 - Münster, LWL Museum
23.11.2024 - Berlin, Ritter Butzke

Dienstag, 1. Oktober 2024

PeterLicht - Alles Klar

Foto: Christian Knieps
(Ms) Trailer für Kinofilme sind immer länger geworden. Oder? Zwar war ich schon lange nicht mehr im Lichtspielhaus, aber die meisten Trailer nehmen mir auch die Lust darauf. Was der kleine Köder machen soll, ist völlig klar: Lust, Neugier und Spannung erwecken. Das in dem Maße, dass der Film noch genügend Überraschungen zu bieten hat, dass nur ganz grob angerissen wird, was den Clou ausmacht und der Rest soll sich dann bei einer Tüte Popcorn und 90 Minuten von selbst zeigen. Doch diese langen Trailer verraten ja schon die Hälfte. Oder sie vertuschen nur, dass der Streifen eventuell mies ist. Vor allem fehlen die Überraschungsmomente.

Darum geht es auch, wenn wir uns die Musik von PeterLicht anschauen: Überraschungen und die große Frage, was da denn kommen mag auf Alles Klar. Denn wenn der Kölner Musiker neue Musik präsentiert, passiert alles, doch klar ist gar nichts. Wird es schräg, wird es gaga, wird es schön, wird es heiter, wird es unterhaltsam, wird es ehrlich und ernst? Das alles ist möglich! Und nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch. Wird es sanft oder doll? Zart oder derbe? Akustisch oder elektronisch? All das war schon aus PeterLichts Feder zu hören. Was sich auf all seinen Platten zwischen den noch so schrägen Liedern zeigt, sind immer wieder wunderschöne Melodien. Große Melodien, viel Herz, Sanftheit, ganz viel Gespür. Die Sprache Der Augen, Die Nacht, Wir Sollten Uns Halten. Das sind unsagbar schöne Lieder.

Auch auf Alles Klar sind diese Melodien zu hören. Insgesamt muss zum Sound gesagt werden, dass er genauso klar geworden ist wie der Name der Platte. Wenig elektronische Spielerei, wenig Überbordendes, viel reduzierte Poparrangements, die toll zu den Texten passen. Die sind ja seit jeher das Zentrum seines Schaffens. Die Überraschungsmomente. Die sind auf den neun neuen Liedern selbstredend auch zu finden. Mal zum Schmunzeln, mal zum Träumen, mal zum Nachdenken.

Klaviertöne zu Beginn. Wir Schulden Euch Nichts ist der Anfang dieses Albums mit einer ganz klaren Ansage an alle großen Entscheidungsträger: Gebt uns die Welt zurück, geht bitte. Vielleicht wird dann ja alles klar. Das Stück ruht auf einem herrlich sanften Arrangement, auf dem die Gitarren träumen und das Schlagzeug schwelgt, ein Kinderchor wiederholt die Forderung des Liedes. Das ist sehr heilsam und ein richtig sanfter Start in diese Platte. Damit alles klar wird, muss träumen erlaubt sein. Selten gelang das so gut auf einem PeterLicht-Album wie mit Ich Seh Den Horizont. Wow, was für ein wunderbares Lied zum dahinträumen, wie sanft er singt, wie beruhigend die Bläser erklingen! Ich halte das Versinken in einer möglichen, schönen Zukunft für unerlässlich, um oftmals die Gegenwart zu ertragen - das ist der Soundtrack! Doch wenn es im Hier und Jetzt problematisch wird, gibt einen guten Rat aus dem Hause Licht: Geh runter an den Fluss und wirf einen Baum hinein. Ja, wieso denn eigentlich nicht? Wie das genau geht, verrät er auf Baum Im Fluss. Statt an den Rhein können wir auch an die Elbe, Oder, Isar, Weser undundund gehen, Hauptsache werfen!
Das Thema Schlafen oder Nichtschlafenkönnen ist schon öfter Teil seiner Musik gewesen (zum Beispiel auf Morgenlied). Auch Schlaflos geht in diese Richtung und ist eines dieser bezaubernden, wunderschönen, melodiereichen Stücke - wow! Hier beweist PeterLicht, was für ein gefühlvoller Musiker er ist! Dass er Humor hat, sollte hinlänglich bekannt sein. Problemlöser ist wunderbar und mit vielen langen ööööös! Tja, was tun, wenn ein Problem auftaucht? Genau, lös es einfach. Dann ist alles wieder gut. Einfach mal einfach denken!
Gibt es beim Preis für Popkultur oder beim Polyton eigentlich eine Kategorie, in der die Kreativität für. Liedertitel ausgezeichnet wird? Wenn ja, möchte ich dort PeterLicht für sein Lebenswerk ausgezeichnet sehen. Oft erscheint einfach nur lied in den Titeln. Wie in Einfaches Lied. Ja, wieso nicht?! Damit ist doch alles gesagt. Wenn der Inhalt manchmal schon kryptisch ist, muss es der Titel ja nicht sein. Dieses Stück eignet sich hervorragend zum mitsingen, dazu ruft der Künstler in seinen Versen sogar auf.
Zu PeterLichts Kunst gehört auch, dass nicht immer alles verständlich ist oder gar verständlich sein muss. Durch Klar (So Bist Du) steige ich persönlich zum Beispiel nicht durch.

Alles Klar ist eine Platte, die in einer Zeit kommt, in der äußerst wenig klar ist. Deshalb ist sie richtig und tut gut. An so vielen Stellen ist dieses Album enorm sanft, heilsam, wohltuend, aufklarend! Wie das live aussehen und klingen mag, darf man hier bestaunen:

03.10.24 - Stuttgart / Im Wizemann
04.10.24 - Nürnberg / Club Stereo
06.10.24 - München / Ampere
07.10.24 - Frankfurt / Mousonturm
09.10.24 - Düsseldorf / Zakk
10.10.24 - Hamburg / Uebel & Gefährlich
11.10.24 - Bremen / Lagerhaus
12.10.24 - Husum / Speicher
18.10.24 - Köln / Gebäude 9
22.10.24 - Weinheim / Cafe Central
23.10.24 - Winterthur / Albani
24.10.24 - Luzern / Schüür
30.10.24 - Jena / Trafo
31.10.24 - Berlin / Festsaal Kreuzberg
01.11.24 - Leipzig / NAUMANNs im Felsenkeller
02.11.24 - Dresden / Beatpol