Donnerstag, 25. Januar 2024

Monta - Pacific

Foto: Ingo Pertramer
(Ms) „Musik und Leben sind zwei Paar Schuhe - dass ich nicht lache, lass mich in Ruhe.“ - Kettcar

Das Zitat als solches ist ja klar. Aber das hier ist ein Härtefall. Objektive Berichterstattung ist bei diesem Album leider nicht möglich.
Und irgendwie finde ich das gut. Die letzte Monta-Platte The Brillant Masses ist von 2007. Das sind siebzehn Jahre her! Funfact: Da war ich selbst erst siebzehn, habe es aber - auch als Heranwachsender - mit all meinen Sinnen aufgesogen. Noch krasser war es bei Where Circles Begin von 2004, das ich logischerweise noch nicht mit 14 gehört habe, aber später noch eine sehr große Rolle in meinem Leben spielten sollte. Es half beim ersten großen Liebeskummer und den tiefen melancholischen Phasen, die am Ende der Schulzeit vor lauter Orientierungslosigkeit auftauchen. Zu der Zeit ließen einige Leute ihre Musik von last.fm scrobbeln. Monta war stets mein Platz 1 und auch diese Platte von vor nun mehr 20 Jahren. Klar, das hat sich im Laufe der Zeit alles geändert und in der Zeit, als Tobias Kuhn bei und mit anderen Musikern aktiv war und über einen langen Zeitraum nichts Neues mehr von ihm direkt kam, traten die Monta-Platten bei mir auch in den Hintergrund. Doch vergangenes Jahr wurde Where Cirles Begin zum ersten Mal auf Vinyl veröffentlicht und ich habe mich unglaublich stark gefreut, als ein lieber Mensch es mir schenkte. Als die Lieder dann über den Plattenteller rollten, kamen genau die gleichen starken Gefühle auf wie damals. Welch wunderbarer Zauber doch in der Musik lebt! Seine Musik ist in meiner Wahrnehmung sehr, sehr warm. Sie tröstet und bestärkt mich. Ich verbinde so viele Erinnerungen mit ihr, dass die Klänge sich stark in mein Selbst eingebrannt haben und bis heute mit einem bestimmten Lebensgefühl verbunden sind. Die Musik von Monta schwebt für mich in einer übergeordneten Dimension. Bis heute.

So lange wurde über einen Nachfolger von The Brillant Masses gemunkelt. Immer wieder gab es ein paar neue Stücke, doch kein ganzes Album. Als Pacific dann letztes Jahr angekündigt wurde, war die Freude kaum zu beschreiben. Endlich geht die Reise weiter, endlich wieder Lieder, die dieses Gefühl weiterführen. In einem erwachsenen Leben, das Orientierung bekommen hat und die ganz großen Fragen kleiner geworden sind. 

Doch diese Erwartungen sind vielleicht etwas rosarot und verträumt. Dass Tobias Kuhn sich musikalisch entwickelt hat, ist klar. Mit wem er was wann gemacht hat, lässt sich auf Wikipedia wesentlich besser nachlesen. Thees Uhlmann, Die Toten Hosen, The Kooks. Alle wollen Kuhn als Produzenten! Zurecht. Als Hörer habe ich mich natürlich auch entwickelt. Diese schweren, melancholischen Töne brauche ich gar nicht mehr so sehr wie damals. Wünschen tue ich sie mir dennoch. So viel ist zu sagen: Sie sind auf Pacific nicht zu finden. Irgendwie ja auch ganz logisch. Dafür ist halt zu viel passiert und sicher hat Tobias Kuhn auch gar keinen Antrieb mehr, solche Lieder zu schreiben. Pacific ist ein verhältnismäßig fröhliches Album mit klassischer Indiepop-Instrumentierung. Als ich es das erste Mal hörte, war ich schon ein wenig enttäuscht, da es mich so wenig angesprochen und bewegt hat. Mit jedem Hören ändert sich aber meine Sichtweise, immer mehr löse ich mich vom alten Monta. Das hier ist ein Neuer. Beflügelt bin ich von Pacific immer noch nicht, aber es sind wirklich viele schöne Phasen darauf eingefangen. Doch genug des persönlichen Vorgeplänkels… wie hört es sich denn an, das erste Album nach 17 Jahren?!

Leicht, locker, fröhlich. Nach Sommer und Sorglosigkeit. Dragonfly heißt das erste Stück und kommt ganz ohne Schlagzeug daher, nur ein ganz wenig Bass und - wenn ich richtig höre - Glockenspiel und etwas Percussion. Es mag sein, dass auf diesem Album auch viele biographische Streifzüge stattfinden, das ist in einigen Zeilen hier auch zu hören. Doch woher der Anlass? Offenbar hat er alte Super-8-Aufnahmen gefunden, die ihn in die Vergangenheit katapultierten. Tobias Kuhn war schon immer viel unterwegs, das fängt er hier ein. Nach mehrmaligem Hören kam ich beim nächsten Lied auf folgenden Gedanken: Textlich könnte Every Little Lie Hits Before It Hurts genauso auf seinen früheren Platten aufgetaucht sein, nur ohne die Ohhohh-Parts und die unsagbar leichtfüßige Instrumentierung. Ein bisschen Schwere ist also geblieben, das Außen ist anders. Das Titelstück danach berührt mich nur ganz wenig. Es plätschert gut drei Minuten neben mir her, bis es auf ganz zauberhaft leise, verträumte Weise ausklingt und mich in diesen ruhigen Momenten am meisten ergreift.
Dann kommt das zweiteilige Herz dieser Platte: If The Sun Doesn‘t Shine Anymore. Erst kommt Teil zwei, später der Erste. Tobias Kuhn hat viel Pop produziert in den letzten Jahren. Das hier ist großer Pop, aber auch ganz große Emotion. Im Hintergrund hüpfen ein paar Synthie-Sounds durch die Takte, im Vordergrund seine oftmals leicht brüchig erscheinende Stimme und dann türmt sich dieses Lied zum Refrain auf und ein Chor strahlt für die dunklen Stunden. Was tun, wenn die Sonne nicht mehr schein?! „Go Where The People Dance“. Ein einfacher wie genialer Rat. Es ist sicher das eingängigste, aber auch das strahlendste, bleibendste Lied dieser Platte. Und wunderschön zugleich!
Julia und Shimmering Lights sind auch ziemlich poppige Stücke, die kaum bei mir haften bleiben. Vielleicht liegt es ja daran, dass er halt auch sehr viel Pop produziert hat in den letzten Jahren. Das muss er ja auch irgendwie automatisch gut gefunden haben. In meinen Ohren klingt es wenig Monta-mäßig, es ist eher ein bisschen langweilig. When You Know ist ein weiteres Liebeslied, das zwar auch im Refrain eine schöne Aussage vermittelt, aber musikalisch nimmt es mich nicht mit. Anschließend geht es mit dem Herzstück des Albums weiter, Teil eins nach Teil zwei. Es ist nicht nur so, dass hier das vorher schon so tolles Lied nochmal strahlt, ich nehme auch Kuhns Stimme viel wärmer wahr, so wie früher. Was für eine doofe Aussage, aber ich komme nicht davon weg. Richtig warm und zart wird es noch auf Burn For You, klingt zwar auch nicht nach dem alten Monta, ist aber dennoch wunderschön!
Das letzte der zehn Stücke, die ein wenig mehr als eine halbe Stunde Spielzeit haben, ist Woodframe. Das ist erstaunlich sommerlich nochmal. Wieder locker, leicht und unbeschwert. Und erinnert wahnsinnig stark an Dope Lemon! 

Dann ist diese Platte vorbei. Das Album, auf das siebzehn Jahre gewartet wurde. So gerne wollte ich mit der neuen Musik von Tobias Kuhn meine eigene Nostalgie feiern, aber das ist ja auch echt ein käsiger Gedanke! Nicht möglich. Ich bin zum Glück seitdem jemand anders und Monta auch. Das ist immer noch schwer zu verdauen und ich mache keinen Hehl draus: Pacific packt mich nur an ganz wenigen Stellen. Natürlich ist das schade, aber ich habe auch eine große Hoffnung. Die Hoffnung, dass ich beim weiteren Hören diese Lieder irgendwann abgekoppelt von dem alten Material verstehen und bewundern kann.



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