Montag, 18. September 2023

Captain Planet - Come On, Cat

Foto: Maxe Probst
(Ms) Ist das noch Punk? Soll das Punk sein? Die Frage, ob das wichtig ist, ist berechtigt. Doch wir Menschen denken halt in Schubladen, ganz automatisch, und so stellt sie sich halt. Ich würde sagen: Nein, Captain Planet machen keinen Punk. Dafür fehlen mir ein paar Elemente. Es ist mir nicht kräftig genug, die Wut fehlt an einigen Ecken. Das ist keine Wertung, nur ein Eindruck. Lange war ich auf der Suche nach einem vergleichbaren Sound. Am ehesten ist dieser aus meiner Warte bei Herrenmagazin zu finden. Auch die haben nie Punk gespielt. Beide sind eher im Indierock zu finden. Klar definierte Gitarren, Texte zwischen Gesellschaft und Ich, die dann doch teils eher ins Poetische, Persönliche gehen. Keine Fronten, keine Anklage, viel mehr ein Wechsel zwischen Innen und Außen.
Das Quintett hat nun ein neues Album veröffentlicht: Come On, Cat! Das Letzte erschien vor sieben Jahren, die letzte Show ist über drei her. Wahnsinn! Aber dennoch großartig, dass sie einfach immer weiter machen. Und zwar irgendwie vorwärts. Das suggeriert ja zumindest der Titel. Aber nur zur Hälfte, denn es ist ein Zitat aus Alien, und damit ein Wink, dass es zwar weiter geht, aber der nächste Schicksalsschlag wartet halt nicht lang.
Elf neue Lieder sind auf diesem Album zu hören. Sie sind schnell. Sie machen Spaß. Sie lassen mich aber auch nachdenken, denn ihre Texte sind der Kern des Schaffens. Einige lassen Raum zur Interpretation, andere sind glasklar. Irgendwie ist es ja programmatisch, dass der erste Track Neujahr heißt. Also dann, auf ins Werk! Verzerrte Gitarren für ein paar Momente, dann setzen die Instrumente ein. Bass, Schlagzeug, Gitarre, Stimme. Auch diese Neujahrshymne (beim Thema muss ich immer an Gisbert zu Knyphausen denken) ist keine, die sich gute Vorsätze nimmt. Eine gewisse Art der Resignation auf der Einen, ein Rest Hoffnung auf der anderen Seite. Ein Lied, das schön nach vorne geht, die Rhythmusgitarre ist schnell, das Nachlesen des Textes eine gute Idee. Apropos Lyrik. Die Tiefe der Zeilen wird mir persönlich echt erst in der Nachlese bewusst. Höre ich die Lieder, steckt mich eher die Stimmung an - in der Masse pogen wollen - der Text kommt viel später. In Am Wald geht es gewissermaßen um Eskapismus, Wegseinwollen, am besten allein, weil man den Rest satt hat. Doch dann bereitet man sich darauf vor, zieht es durch und… fühlt es sich gut an?! Ist es die richtige Entscheidung? Diese Frage wird hier gestellt, eine ziemlich Gute obendrein! „Befindlichkeitsfixiert“ ist ein Begriff, den Marcus Wiebusch genutzt hat. Ein Wort, das halt nicht zum Punk passt, sondern eher zur Rockmusik, zum Introvertierten, in-sich-gekehrt-sein. Und das trifft auch auf Drinnen/Draußen zu, einem wahnsinnig nach vorn treibenden Track. Das muss nochmal festgehalten werden, das Tempo ist hoch, die Rhythmusgitarre eine Macht, die im Zusammenspiel mit dem Schlagzeug das starke Grundgerüst des Bandsounds bildet. Über diesem Klang in diesem Lied ein Text über einen Streit, eine üble Auseinandersetzung. Hier geht es nicht um ein Missverständnis, doch hier heißt es: „Hab so sehr gehofft, es wäre heute anders / Lichtjahre aneinander vorbei gelebt.“ Das ist ein hartes Urteil. Es tut weh. Ja, dass es auch echt ungut ausgehen kann, darüber geht es auch in Tag Der Offenen Herzen, zugegeben auch ein saustarker Titel! Der Blick zurück auf eine wundervolle Zeit zu zweit, die aber vorbei ist, und daher unsagbar wehtut. Erinnerungen gibt es auch an ehemalige Weggefährten, an Arne Rattenmann zum Beispiel, ein verstorbener Weggefährte der Band. Tuffi ist ihm gewidmet, einem Menschen, der offensichtlich seiner Zeit voraus war, der Kraft gab, gewissermaßen Inspiration war. Eine energiegeladene Erinnerungshymne, die die Faust ballen lässt. Das starke an solchen Texten, die ja schon eine klare Intention haben: Sie sind oft auch so offen geschrieben, dass ich als Hörender sie mir auch anders aneignen kann. Bei diesen Punkten kann man von ausgefeiltem Songwriting sprechen! Apropos Interpretation. Kadaver ist ein Stück, das vieles zulässt. Je nach dem, welchen Part des Textes man sich denn herauspickt. Ich sehe darin einen berauschenden Ausflug zu zweit, eine Zeit, die dicht, erlebnisreich, intensiv war, in der alles andere - beispielsweise die Tristesse, in der man sich landschaftlich befindet - keine Rolle mehr spielt. Alle anderen Sichtweisen sind selbstredend ebenso erlaubt.

Ja, beim ersten Hören ist mir die Tiefe, die Härte, die Dramatik dieser Platte gar nicht bewusst geworden. Das Lesen der Texte, die Auseinandersetzung mit den Versen hat stark dabei geholfen, dieses Album nah zu betrachten. Ich empfehle es jedem. Denn insbesondere dann eröffnet sich hier eine Platte, die nicht zwingend aus musikalischen Hits besteht. Aber aus Liedern, die zum Einen stark voran gehen und doch lyrisch die Kehle zuzudrücken vermögen. Auch das ist Kunst. Come On, Cat ist ein enorm starkes Album. Punkt. Live spielt die Band bald hier, geht da unbedingt hin!

30.09.23 Hannover, Béi Chéz Heinz
01.10.23 Berlin, Frannz Club
02.10.23 Dresden, Chemiefabrik
13.10.23 Kiel, Hansa 48
14.10.23 Münster, Gleis 22
15.10.23 Köln, Artheater
16.10.23 Darmstadt, Oetinger Villa
17.10.23 Karlsruhe, P8
18.10.23 Nürnberg, Desi
01.12.23 Wolfsburg, Sauna-Klub
02.12.23 Leipzig, Conne Island
15.12.23 Hamburg, Hafenklang
16.12.23 Hamburg, Hafenklang
04.01.24 Bremen, Tower
05.01.24 Dortmund, FZW
06.01.24 Göttingen, Musa


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