Mittwoch, 8. März 2023

Niklas Paschburg - Panta Rhei

Foto: Natalia Luzenko
(Ms) Wenn ich irgendwo „Komm raus aus deiner Komfortzone“ oder andere leistungstreibende Slogans lese, die im Endeffekt oft nur Gewinnmaximierung in sich tragen, dann wird mir flau im Magen. Der Zwang dahinter stört mich so sehr. Gewinnmaximierung jedoch auch.
Worauf ich hinaus will: Ich mag Komfort. Sehr. Gemütlichkeit muss sein. Alles schön entspannt, bitte. Ich möchte mich nicht selbst dazu zwingen, mich verkrampft mit etwas auseinander zu setzen, wofür ich gar nicht offen bin. Je mehr ich das versuche, desto kräftiger verschließe ich mich.
Ist es daher nicht umso schöner, wenn das automatisch passiert? So ganz fließend, ohne groß darüber nachzudenken. Natürlich sind Änderungen gut, doch am besten sind sie, wenn sie einfach so passieren, am besten ohne erkennbaren Grund, einfach, weil es sich gut und richtig anfühlt.
So geht mir das in den letzten Jahren beim Musikhören. Vor zehn Jahren war ich sicher viel dogmatischer in der Auswahl dessen, was ich höre. Und auch darin, wofür ich mich öffne. Damals war alles gut, wo eine Gitarre und Gesang dominiert haben. Ziemlich eng in der Ansicht, das weiß ich, aber so war das nun mal. Also: Das ändert sich seit einiger Zeit. Ich bin regelrecht neugierig geworden, was Neo-Klassik, Krautrock und elektronische Musik anbelangt. Oft schlummert darin ein Zauber, den ich viel besser spüren als ausdrücken kann. Mal ist es der andächtige Charakter, den ich schätze, mal möchte ich mich tanzend im Groove verlieren. Ob es dann auch mal bluesig, poppig oder jazzig werden kann, ist mir relativ egal. Hauptsache das Originelle in der Musik herrscht vor und es packt mich.

Ja, fließend soll es sein. Wie bei Niklas Paschburg und seinem neuen Album Panta Rhei, das am 17.März erscheinen wird. Auf diesem wunderbaren Album, fließen die 13 Stücke nur so ineinander über, oft ist der Übergang gar nicht zu vernehmen. In meinen Ohren könnte dies gut ein 40-minütiges Riesenwerk sein, nichts spräche dagegen, außer eine gewisse schwere Handhabung, wenn man einen bestimmten Part hören möchte.
Der Komponist, in Hamburg geboren, mittlerweile in Berlin beheimatet, hat vorher zwei andere Platten veröffentlicht. Auch sie standen jeweils unter einem bestimmten Motto. Nun soll alles fließen, wie Heraklit schon gesagt hat. Seine Musik war vorher stets vom Reisen inspiriert, nun ging das nicht, als Covid strenge Regeln mit sich brachte. Daher ist dieses Album eine Reise ins Innere des Musikers. Es beleuchtet die dunkeln und hellen Seiten den Menschlichen. Die, die ruhiger sind und die, die uns euphorisch tanzen lassen. Alle Facetten haben Raum auf diesem Album. Das macht es ziemlich faszinierend und einfach, sich darin wieder zu finden. Auch in der Auswahl der Klänge und Instrumente. Hier ist nichts festgelegt, analoge und digitale Klänge geben sich stets die Klinke in die Hand.
Auf drei Liedern wird gesungen, verbunden werden sie durch Instrumentale, die mal ruhiger, mal dramatischer und ernster sind. Stücke wie Sunrise, Zimt, Istria oder Flaneur sind herrliche Entspannungsinseln. Mit Delphi Walz zieht die Ernsthaftigkeit herein, Serafico ist eher melancholischer, auf Lunatic Circus und 21 Of June könnte man tanzen oder sterben, so dicht sind diese Stücke. Ihre Gemeinsamkeit ist der instrumentale Charakter. Extrem unterschiedlich sind all diese Lieder und genau das finde ich großartig. So eine große klangliche Vielfalt ist auf Alben anderer Neo-Klassik-(oder wie auch immer)-Künstler kaum zu hören.
Die drei Songs mit Gesang bleiben sicher ein wenig stärker haften, da sie schlichtweg mehr Ohrwurmcharakter haben. All The Secrets Left Untold mit Bianca Steck ist eine herrlich sanfte Pop-Nummer, die sehr gut zu den Entspannungsinseln passt. Neben der Stimme scheint immer wieder ein herrlich plätscherndes Klavier hindurch, beides fusioniert mit einem schwebenden Beat, der das Lied erhebt. Auf Every Morning (Night 6) singt Kaktus Einarsson. Lange Zeit breitet sich darin ein elektronisches Grundgerüst aus, wie ein sanfter Frühlingsmorgen mit leichtem Wind. Mit Einsetzen des Gesangs wird es ziemlich klarer elektronischer Pop, der sanft über die Seele streichelt. Damit endet dieses herrliche Album. Doch stop! Ein Lied fehlt noch. Es befindet sich knapp auf der Hälfte der Spieldauer und ist das absolute Highlight dieser Platte. Es ist Dark Side Of The Hill zusammen mit lùisa. Oh weh, wie schnell kann man sich eigentlich in ein Lied verlieben?! Der zarte Beginn, der schnell an Tempo aufgenimmt. Die vielen versteckten Soundschnipsel. Die kurze Auflösung mit einsetzendem Gesang, der mit dem Klavier gleich geht und auch wieder an Fahrt aufnimmt. Spannung wird aufgebaut. Ich drehe vorsitchtshalber schon mal lauter. Und dann knallt es, nach gut eineinhalb Minuten strahlt hier ein herausragender Track, der voller Dringlichkeit und Groove strotzt. Seit Tagen tanze ich dazu und er entfacht in mir ungeheuer gute Laune und wahnsinnig viel Lust, mich mal wieder in abenteuerlichen Nächten zu verlieren!

Panta Rhei. Hui, dies ist wirklich eine bemerkenswerte Scheibe! Wie leicht hier die ernsten, melancholischen Parts neben extrem fröhlichen und pulsierenden Passagen nebeneinander stehen, beeindruckt mich. Das klingt sehr, sehr rund und macht unheimlich viel Spaß! Eine sehr große Empfehlung!

11. April - Hamburg, Nachtasyl
12. April - Berlin, Säälchen


1 Kommentar:

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