Samstag, 4. März 2023

KW 9, 2023: Die luserlounge selektiert

Quelle: Wikipedia.org
(Sb/ms) Wo kaufe ich ein Ticket für das nächste Konzert? Das scheint, insbesondere nach der tollen Arte-Reportage, eine Frage zu sein, die an Dringlichkeit zunimmt. Dynamische Preisentwicklung ist natürlich ein genialer Geschäftszug, für alle Besuchenden aber ein ekeliger Trick der schamlosen Ausbeutung. Ticketmaster geht schon so vor, CTS Eventim wird vielleicht nachziehen und AEG (der dritte große Player auf dem Markt) schließt das auch nicht aus. Die Alternativen sind die kleinen, lokalen Anbieter, das ist klar. Doch manche Tickets haben die gar nicht im Angebot und vielleicht habe ich nicht immer die Zeit, zu deren Läden zu fahren. Also: eine weitere Alternative scheint angebracht zu sein. Heute Abend gehe ich zu Oehl ins Bremer Lagerhaus, auf das Konzert freue ich mich seit einiger Zeit, ein toller Künstler. Erst tags zuvor habe ich mir ein Ticket gekauft. Nicht bei Eventim oder Ticketmaster, sondern über eine App namens dice.fm. Es ist natürlich sehr schade, dass dieses Ticket ausschließlich elektronisch existiert, nichts, was man an die Pinnwand klatschen kann. Doch das Unternehmen, das aus London kommt, hat eine schöne Philosophie: den Versuch zu starten, keine Karten überteuert auf dem Zweitmarkt ergattern zu können. Wenn ich nicht hingehe, dann kann ich das Ticket über die App zurück geben, es existiert parallel eine Warteliste für andere Interessenten. Sonst könnte ich es nur Freunden überschreiben, soweit ich das erlesen habe. Wie das aber funktioniert - keine Ahnung. Offenbar scheint kein größerer Konzern dahinter zu stehen, sondern ein paar Tech- und Data-Nerds, die es gut meinen. Zudem kann ich über die Plattform auf Konzerte stoßen, die mich interessieren könnten, der gute alte Algorithmus. Also: Geben wir dem ganzen mal eine Chance.

Kapa Tult
(Ms) Das erste Date. Zwei Menschen sitzen sich gegenüber, verbringen ein paar Stunden miteinander. Man gibt ein bisschen was von sich preis, möchte sich selbstredend auch ein wenig gut verkaufen, vielleicht begehrlich wirken oder Begehrlichkeiten erwecken. Man kramt ein paar gute Geschichten raus, die immer schon für ein paar Lacher gesorgt haben. Doch dann wird dieses Zusammensein komplett unterschiedlich wahrgenommen. Ich will die Anerkennung und etwas für dich sein, aber du… du nicht zwingend. Wie bitter. Das ist doch irgendwie scheiße und ungerecht. Und genau darüber singen Kapa Tult (Ja, die Band heißt immer noch so) ein herrliches Lied: Kaffee Und Was Süßes. Der Track beginnt mit Stimme und sanfter Gitarrenbegleitung und entwickelt sich dann - genau wie die Emotionen im Text - zu einem nachvollziehbar enttäuschten Wutausbruch. Ich finde es immer wunderschön, zu hören, wie kreative Menschen es schaffen, so scheinbar kleine Situationen in Musik zu transformieren. Das macht die Vorfreude auf ihr Album Es Schmeckt Nicht, das am 23. Juni erscheint, umso größer!


Still Talk
(Ms) Ab welchem Punkt darf man eigentlich von Nostalgie sprechen? Gerade wenn man erst Anfang dreißig ist, wird das doch irgendwie schwierig, oder? Auf der anderen Seite: Wenn plötzlich ein Klang in die Ohren rauscht, die man selbst als Teenager wahrgenommen hat, dann darf man diese Vokabel doch nutzen, oder? Genau, finde ich auch. So ging es mir nämlich, als ich Headcheck von Still Talk dieser Tage zum ersten Mal hörte. Rebellischer Skatepunk à la Avril Lavigne macht sich auf einmal breit. Ich bin ganz ehrlich: Hätte ich das vor vier oder fünf Jahren gehört, hätte ich es sofort weggeklickt. Aber irgendwie finde ich es geil. Liegt es daran, dass die Freitagabende beispielsweise nicht mehr zwingend bis früh morgens in Kneipen oder Clubs durchgezecht werden?! Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass Musik immer ein kleines Geheimnis mit sich bringt, und das finde ich gut! Die Kölner Band hat letztes Jahr bereits eine EP herausgebracht. Diese Single ist nun die Ankündigung ihres ersten Albums, das dieses Jahr noch erscheinen wird, Titel und Datum folgen dann. Live kann man mit dieser Band auch die eigene Jugend ausleben, hier:

11.03. Wolfsburg, Sauna Klub
14.03. Stuttgart, Cafe Galao
16.03. Karlsruhe, Kohi
18.03. Ulm, Gold
24.03. Oberhausen, Druckluft
31.03. Hürth, JuZe
08.04. Jülich, Kuba
13.04. Hamburg, Astra Stube
14.04. Flensburg, Volksbad
13.05. Kassel, Kulturfabrik Salzmann
19.05. Langenberg, KGB
17.06. Bamberg, Live Club
18.06. Offenbach, Hafen 2
19.10. Dresden. Bärenzwinger
21.10. Wiesbaden, Kreativfabrik


Yves Tumor
(Ms) Wie macht man sich als MusikerIn auf sich aufmerksam? Klar, da gibt es zahlreiche Mittel. In irgendeiner Weise krass zu sein, ist sicher der einfachste Weg, denn so wird über einen gesprochen. Oder es ist „einfach nur“ der geniale Sound einer Band, der sich wie ein Lauffeuer herumspricht. Hier haben wir nun einen Künstler, bei dem eventuell beides zutrifft: Yves Tumor. Der Amerikaner, der seit einiger Zeit in Turin lebt, macht auf jeden Fall mit seinem Äußeren auf sich aufmerksam. Schrill, bunt, extravagant, androgyn, knallig. Was nach großer Popwelt klingt, macht sich im Klang ganz anders bemerkbar. Auf seiner neuen Single Heaven Surrounds Us Like A Hood spielt er leicht psychedelischen Punk, der jedoch nicht wütend nach vorne drescht, sondern mit hoher Stimme verletzlich scheint. Natürlich gibt es zu seinem schicken Äußeren auch ein grelles Video, das sich in meinen Ohren zu einem schönen Widerspruch zur Musik entwickelt. So macht man auf sich aufmerksam. Finde ich stark, macht sehr, sehr neugierig, was sein neues Album Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume anbelangt, das in zwei Wochen (17. März) erscheint. Hier wird die Ästhetik des Glitzerpops mit dem Sound des Indierocks zusammen gebracht - wenn das nicht spannend ist?!


Accidental Bird
(Ms) Wer jahrelang Musik hört, erkennt natürlich gewisse Stimmen aus einer großen Anzahl immer wieder heraus. Denn derart Markantes bleibt halt hängen, da haben sich irgendwelche Synapsen mal zusammen geschlossen. Doch wenn nicht nur die reine Stimme einen Wiedererkennungswert hat, sondern der gesamte Klang einer Band oder eines Projekts, dann ist mehr passiert. Dann hat sich diese Band auch irgendwo ins Herz hineingespielt. Durch ihre Melodien und ihr innewohnendes Alleinstellungsmerkmal. Das hat Stefan Honig mit seiner ehemaligen Band auf jeden Fall geschafft. Ein Honig-Song war schnell zu erkennen und das liegt nicht nur an seiner Stimme. Es liegt an der Art, wie er seine Lieder arrangiert. Da liegt eine eigene Handschrift in der Dramatik und der Art wie eine Melodie aufgebaut ist. Ich finde es wunderbar, dass er sich diesen Klang für sein neues Projekt Accidental Bird behalten hat. Trotz des neuen Namens fühlt es sich an, als ob man es seit Ewigkeiten kennt. Das tut richtig gut. Stefans Musik schwingt schon immer irgendwo zwischen Hoffnung, Liebe und Zusammenhalt. Das vermittelt diese Musik für mich. Auch Pools, die neue Single, die mit dieser feinen Live-Darbietung (s.u.) daherkommt, erweckt in mir diese Gefühle. Daher freue ich mich sehr, wenn das dazugehörige Album The Old News Shrug am 21. April beim Grand Hotel Van Cleef erscheinen wird. Dazu werden auch einige Konzerte gespielt. Ich habe Stefan häufiger live gesehen und lege allen den Besuch dieser Gigs ans Herz:

15.04. Düsseldorf, Zakk
21.04. Karlsruhe, NUN
09.05. Münster, Pension Schmidt
19.05. Mainz, Schon Schön
20.05. München, Heppel & Ettlich
21.05. Stuttgart, ClubCANN
27.05. Hamburg, Molotow Skybar
28.05. Beverungen, Orange Blossom Special


Steiner & Madlaina
(Ms) Hach, das gute alte Verliebtsein. Es ist vielleicht eines der schönsten Gefühle, die der Mensch überhaupt fühlen kann. Dieses ununterbrochene Denken an genau diese andere Person, die einem gerade das Hirn krumm macht. Diese irren Glücksgefühle, die einen (scheinbar) unbesiegbar machen. Dieses wundervolle warme Lächeln im Gesicht, das andere irgendwann tierisch nervt. Aber egal, denn es ist halt voller Zauber! Manchmal hält es lange oder gar für immer. Wann anders ist es für kurze Zeit der intensiv. Und gerade diese kurze Intensität hat seine Tücken. Insbesondere wenn man klammheimlich weiß, dass es zu nichts führt. Dass die Anziehungskraft immens ist, aber diese Beziehung keinen Bestand haben wird. Gibt man das dann sofort auf oder fängt man an zu träumen? Ich denke, dass das erste vernünftig und das zweite menschlich ist. Und genau über diese kurze aber auch hoffnungslose Zeit haben die wunderbaren Steiner & Madlaina ein tolles, kleines, wirkungsvolles Lied geschrieben. Es heißt Unter Uns und wird Teil ihres neuen Albums sein. Risiko erscheint am 14. April und man darf sich über allerhand andere Liebeslieder freuen, sicher auch auf die, die gut ausgehen werden! Ich freue mich sehr!


Kaisers Orchestra
(Ms) Erste Geschichte zu dieser Band. Dafür müssen wir mal eben die Uhr tatsächlich achtzehn Jahre zurück drehen. Ich war ein Teenie, grün hinter den Ohren, die Passion zur Gitarrenmusik ist noch jung und ich müsste heute meinen Eltern viel mehr danken, als ich es tue. Denn: Was sind die für Wege gefahren?! Der bekloppte Sohn frönt seiner Leidenschaft und sie fahren. Was für liebe Menschen. Im Sommer 2005 brachten sie mich mit einem Freund nach Gelsenkirchen. Dort fand an einem Tag das sogenannte ‚Sport und Freunde Festival‘ statt. Was für eine irre Besetzung: Neben den Gastgebern, den Sportfreunden Stiller, spielten geniale Bands wie Nada Surf, Cosmic Casino, Boltzplatz Heroes, Monta, Die Sterne und auch Kaizers Orchestra aus Norwegen. Letztere waren sicher die seltsamste Band an diesem Tag. Zum Einen verstand man kein Wort, zum Anderen trug der Pianist Gasmaske und sie droschen immer wieder auf die markanten Ölfässer ein. Ein tolles Konzert, bleib stark im Gedächtnis hängen (By the way: Ein Ticket für den ganzen (!) Tag kostete 30€!). Danach kaufte ich mir ein paar Alben und die Faszination blieb. Bis zu ihrer Auflösung vor zehn Jahren. Zugegebenermaßen habe ich sie auch vorher schon etwas aus den Augen und Ohren verloren.
Zweite Geschichte zu dieser Band. Ja, es lässt sich schon erahnen. Kaizers Orchestra sind wieder da. Hierzulande waren sie nie eine große Nummer, der große Durchbruch blieb ihnen leider verwehrt. Im Gegensatz zu ihrer Heimat. Dort sind sie nicht weniger als absolute Giganten. Sie haben ein paar Hinweise verteilt, dass sie wieder spielen und satte 80.000 Tickets waren innerhalb von 14 Minuten ausverkauft. In dieser Größenordnung spielt diese Gruppe. Und noch krasser: Sie spielen vier Monate hintereinander im gleichen Venue. Je einen Monat in Stavanger, Oslo, Trondheim und Bergen. Gut 14 Konzerte pro Monat. Was für eine bekloppte Idee. Und wie herausragend sie aufgegangen ist! Dazu ging ein sehr sehenswerter Kurzfilm online (s.u.). Zusätzlich erscheinen all ihre Alben in überarbeiteter Version auf Vinyl! Je zwei alle zwei Monate in Deutschland. Ich wünsche mir nichts weniger, dass sie im kommenden Jahr mit einer neuen Platte hier auf Tour gehen. Daumen drücken Für die dritte Geschichte mit dieser Band.


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