Freitag, 24. Februar 2023

KW 8, 2023: Die luserlounge selektiert

Quelle: Wikimedia.org
(Sb/ms) Gestern Abend hing ich mit toten Augen so auf YouTube rum. Wenn man mit dem Cursor über ein Video streift, beginnt ja eine kleine Vorschau. Von PULS gibt es eine sogenannte Musikanalyse. Es geht um die Aktualität von Deichkind. Finde ich gut, spannend, relevant, da habe ich dann mal drauf geklickt. Und nach fast eineinhalb oder zwei Minuten wieder auf Pause gedrückt, um das ganze komplett zu beenden. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann dem Moderator einfach nicht zuhören. Es ist nicht die Art, wie er spricht. Sondern die Auswahl des Vokabulars. Wer schreibt denn solche Texte? Und für wen sind sie gedacht? Sicher nicht für langjährige Deichkind-Fans. Die verstehen das nicht. Der schmeißt nur so mit „coolen“ In-Wörtern um sich, dass ich wirklich den Inhalt gar nicht mehr verstehe. Schauen sich die 17-Jährigen von heute die „PULS Musikanalyse“ an? Wenn ja, Glück gehabt. Aber für alle, die eine feine Einschätzung über das künstlerische Schaffen der Band haben wollen, tut es mir nur leid. Wer drei Mal im Satz „weird“ nutzt, dem ist nicht zu helfen. „Die Bühnenshow sind easy härter“, danach mache ich aus. Was soll das? Oder in seinen Worten: „What The Fuck“? Oder ist das Video eine „gigantische crazy ass Kunstperformance“? Wer verarscht hier wen? Das ist doch nicht hörbar. Und vor allem nicht echt! Oh je…

Eydis Eversen
(Ms) Und wenn man sich über solch Nichtigkeiten wie oben aufregt, braucht der Mensch eine Pause. Okay. Die sind auch notwendig, wenn ganz andere Dinge des Alltags auf einen einprasseln. Schreckliche Nachrichten, schlimme Schreiben, volle Supermärkte, verspätete S-Bahnen. Dann lohnt es sich sehr, das alles schnell mal zu vergessen. Am besten natürlich mit dem passenden Soundtrack. Ich finde instrumentale, seichte Musik immer ideal, um so richtig runter zu fahren. Alles, was so im Bereich Neo-Klassik sich seit ein paar Jahren abspielt, ist tendenziell toll. Klar, einiges ist so ähnlich, dass man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Aber. Manches sticht heraus. Eydis Eversen zum Beispiel. Die Isländerin erweitert den modernen Piano-Sound um ein paar andere Elemente. Wie zarte Streicher oder Bläser. Und offenbar soll es auf ihrem kommenden Album The Light (VÖ: 26. Mai) auch Gesang geben. Es bekommt schon beinahe etwas Folkloristisches. Untermalt wird ihre schöne Single Tephra Horizon von einem herrlich isländischen Video. Wobei ich sagen muss, dass dieser brennende Kreis gar nicht sein muss. Das Video an sich auch nicht. Also, klar, es ist toll, wunderbare Aufnahmen. Doch der Genuss der Musik funktioniert meines Erachtens auch hervorragend ohne. Live geht das auch. Die Musikerin kommt für ein paar Termine demnächst nach Deutschland:

10.06.23 Hamburg, Elbphilharmonie, kl. Saal
15.06.23 Darmstadt, Centralstation
16.06.23 Köln, Stadtgarten
17.06.23 Berlin, Silent Green
18.06.23 Leipzig, UT Connewitz


Robocop Kraus
(Ms) Hach, ein bisschen nostalgisch bin ich ja auch ab und an drauf. Klar, man muss dieses Wort ins Verhältnis setzen. Und wenn ich mich Anfang dreißig gern an die Zeit von vor zehn Jahren erinnere, mag das für manches Ohr schräg klingen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nur um musikalische Sehnsucht, ich möchte niemals nochmal Anfang zwanzig sein! Egal! Es war einfach eine tolle Zeit, die viel hervorbrachte. Viele Bands haben einen tollen wiedererkennbaren Sound entwickelt, der sofort aufhorchen lässt. Und das ist nicht nur bei den großen Namen der Fall. Sondern auch bei den mittelkleinen wie Robocop Kraus. Seit gut fünfundzwanzig Jahren ist die Band schon dabei. Und ihre letzte Platte ist tatsächlich vor fünfzehn Jahren herausgekommen. Nostalgie an allen Ecken und Enden. Nun erscheint am 14. April The Smile und ich hab Bock. Es ist der gleiche treibende Bass, die gleichen catchy Girarren, das gleiche wirbelnde Schlagzeug. Und wenn ich so leicht in das Album reinhöre, dann bin ich baff! Fast schon frech ist, mit welch Leichtigkeit diese Band spielt. Endlich geht es mal wieder um gar nicht so viel. Keine große Programmatik oder Gefallenwollen. Hier ist in jedem Takt wahnsinnig viel Spielfreude zu hören, die ansteckend ist. Da wippt das Bein, da nickt der Kopf. Und doch! Dann möchte ich doch sorglos wie Anfang zwanzig durch die Clubs ziehen. Das wird hier bald möglich sein:

12.04. Mainz – Schon Schön
13.04. Hamburg – Hafenklang
14.04. Berlin – Festsaal Kreuzberg
15.04. Osnabrück – Pop Salon festival
07.06. Stuttgart – Merlin
08.06. Karlsruhe – Kohi
09.06. Essen – Grend
10.06. Köln – Gebäude 9

 
The Offenders
(sb) Bereits ihr neuntes Studioalbum legen The Offenders vor. Auf Orthodoxy Of New Radicalism (VÖ: 31.03.) mischen die Italiener, die es bereits 2008 nach Berlin verschlagen hat, Folk-Elemente mit Punkrock - und das klingt gewohnt gut. Ich persönlich finde es ja sehr schade, dass sie nicht auf Italienisch, sondern größtenteils auf Englisch singen, aber man kann wohl nicht alles haben. Nichtsdestotrotz weiß das Quartett zu gefallen und durch ihre politische Message zu überzeugen. Zudem gelingt es den vier Musikern, die heutige Gesellschaft treffend zu portraitieren: fließend, mutig und furchtlos, aber auch grausam und hoffnungslos. Schaurig schön und wunderbar laut!
 


Unknown Mortal Orchestra
(Ms) Nochmal zur Entspannung hier. Es muss nicht immer die neuste Neo-Klassik sein, zu der ich perfekt entspannen kann. Manchmal ist man ja auch nicht so richtig in Piano-Stimmung. Dann braucht mal, um sich zurückzulehnen und mal durchzuatmen auch ein wenig Beat, vielleicht auch feines Gitarrensolo, aber alles schon ruhig und gelassen. Wenn in dieser Konstellation dann noch ein Hauch Psychedelika mitschwingt, fahre ich richtig runter. Das hat die Band Unknown Mortal Orchestra perfektioniert. Ganz grob würde ich den Klang der Band irgendwo zwischen Portugal. The Man und Alt-J ansiedeln, aber in halber Geschwindigkeit. Hinter der Band, die am 17. März ihr neues Album V veröffentlicht, steckt Ruban Nielson und ich lehne mich so weit aus dem Fenster, dass man seine neuseeländischen und Hawaiianischen Wurzeln hört. Es ist nicht immer mega fröhlich, mal auch leicht melancholisch, aber immer sehr, sehr gelassen und entspannt. Tolle Platte!

 
Helge Schneider
(sb) Man kennt ihn als singende Herrentorte, Schauspieler und auch Comedian, der zu polarisieren weiß. Doch Helge Schneider ist auch Musiker - und zwar ein sehr guter. Zuletzt wurde er in der Diskussion um kulturelle Aneignung für seine Aussagen teils scharf kritisiert, aus meiner Sicht zu Unrecht. Denn tatsächlich - und da deckt sich Schneiders Meinung mit meinem Empfinden - lebt Kultur und Musik vom Austausch und es kommt darauf, was man fühlt. Und dass er beispielsweise das fühlt, was er auf seinem neuen Album Torero (VÖ: 03.03.) spielt, ist nicht von der Hand zu weisen. Acht Tracks, acht Mal Spielfreude ohne großen Klamauk, sondern mit sehr viel Können. Helge halt.
 

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