Foto: luserlounge |
(ms) Letztens bei einem Umzug geholfen. Da trifft man immer auf fremde Menschen. Neben pseudofachlichen Unterhaltungen über den genauen Aufbau einer IKEA-Kommode ist selbstredend auch allerhand Small Talk dabei. Nebenan lief Radio, ich schraubte irgendwas zusammen, kam mal rüber, um zu quatschen und dann die Frage, die mich zerstört: „Was hörst du denn so für Musik?“ Eine Antwort auf diese Frage fällt mir so schwer, wenn sie unter 30 Minuten sein soll. Vielleicht werde ich stattdessen demnächst einfach von den letzten drei Konzerten erzählen, die ich innerhalb von fünf Tagen gesehen habe. Sie fassen ganz gut zusammen, was alles in einem Herzen möglich ist, denn es kennt keine Grenzen.
Mittwoch, 11.05 - Bremen, Lagerhaus: Bodi Bill
Dies war ein Abend, der im Vorhinein schon der Leitlinie entsprach: Es gibt so ungeheuer viel gute Musik auf dieser Welt. Schade, dass ich nicht alles hören kann. Von Bodi Bill habe ich vorher noch nie gehört, wurde aber überzeugt für diesen Abend in feiner Begleitung. Es war luftig im Lagerhaus mitten in der Woche. Schade, denn das war ein enormer Abend! Den Auftakt machte das Ein-Mann-Projekt Flawless Issues, das stark an Dark Wave à la Drangsal erinnerte mit vielen spielerischen Elementen dabei. Bodi Bill wiederum sind zu viert. Neben dem Schlagzeug waren zwei Tische aufgebaut, auf denen sich allerhand elektronische Spielereien befanden. Mit diesen Knöpfen, Effektgeräten und kleinen Keyboards gelang es der Band spielerisch aus dem Abend ein musikalisches Crescendo zu machen. Der Grundstein ihrer Musik bilden diese ganzen Synthie-Spielzeuge. Was sie damit machen, ist irre. Es wurde von Lied zu Lied dichter, intensiver, tanzbarer. Und das war das, was mir an dem Abend so gut gefallen hat. Endlich mal wieder tanzend unter tanzenden Menschen sein und einfach nur den Moment genießen. Es fühlte sich an wie ein großer Rausch, ein kleiner Rave, ein ziemlich dichtes Erlebnis, das die Band verschwitzt und glücklich zurück gelassen hat. Stark!
Freitag, 13.05 - Oldenburg, Kulturetage: Alin Coen
Ein Abend mit Alin Coen auf der Bühne spricht ganz andere Emotionen und Hirnwindungen an, als das noch wenige Tage zuvor der Fall war. Wie schön, dass sie ihren musikalischen Sinn wiedergefunden hat, nachdem er scheinbar abhanden kam. Ein Glück, dass es eine Poetin hierzulande gibt, die mit so einfachen, klaren, schönen Worten die ganze Tragik und das ganze Glück des menschlichen Daseins beschreiben kann. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie ein recht heterogenes Publikum anzieht. Schön, so viele unterschiedliche Menschen an einem Ort zu sehen, die das Gleiche genießen wollen. Begonnen hat WIM den Abend, eine Woche bevor ihr tolles Album Boxer erscheinen wird. Sie spielte allein am Keyboard ihre Stücke, was ich etwas schade fand. Ins Album durfte ich schon reinhören und denke, dass es von den tollen Rhythmen getragen wird, die so leider nicht zur Geltung kam. Dann muss sie halt mit Band nochmal wieder kommen.
Auf der sehr luftigen Bühne machte es sich danach die Hauptperson mit ihrer dreiköpfigen Band gemütlich. Was strahlt diese Frau nur aus?! Es ist irre. Sie singt tieftraurige Lieder und lacht dabei voller Güte und tiefem, menschlichem Gefühl. Das ist einzigartig und wunderschön. Besondere musikalische Anerkennung gebührt Liv Solveig an diesem Abend, die nicht nur toll sang, sondern auch exzellent Gitarre, Keyboard und Geige (!) spielte. Das bereicherte viele Lieder. Schnell ging der Abend rum. Viele menschliche Regungen wurden angesprochen und trotz vieler schwerer Themen war das ein erstaunlich gelassener und fröhlicher Abend. Diese Gelassenheit und gute Laune wurde auch durch allzu Menschliches hervorgerufen. Klar, Alin Coen und ihre Band sind richtig gut an den Instrumenten. Doch auch Fehler passieren. Wie die jedoch weggelächelt worden sind, war einfach nur schön anzusehen. Herrlich. Immer gerne wieder!
Samstag, 14.05 - Osnabrück, Maiwoche: Turbostaat
Ein Abend danach wieder eine komplett andere Stimmung und Atmosphäre. Obwohl ich lange in Münster gelebt habe, war ich noch nie auf der Osnabrücker Maiwoche, die allerhand kulturelles Programm zu bieten hat. Für lau! Dass das viele Menschen anzieht, ist klar. Zudem spielte der VfL Osnabrück auch an diesem Tag sein letztes Ligaspiel, sodass sich in den Straßen Fußballfans, normales Samstagspublikum und MusikpilgerInnen mischten. Herrlich. Viel Rausch war in den Straßen zu sehen. An der feinen, grünen Wallanlage war eine große Bühne aufgebaut, an der es abends scheppern sollte. Leider wurde da Herforder ausgeschenkt, gruselige Erinnerungen der Jugend kommen hervor…
Wir schlenderten zur Bühne, als uns aus dieser Richtung schon eine ordentliche, musikalische Krawallwand entgegen ballerte. Duesenjäger standen auf der Bühne und haben mal gezeigt, was man mit E-Gitarren so machen kann. Beispielsweise ziemlich kompromisslosen Punkrock, der es in sich hatte. Leider war von den Texten kaum etwas zu verstehen, doch die Menge tobte und war sichtlich angetan. Ich kann es verstehen. Das ging gut ab! Gegen halb zehn stand dann die Band auf der Bühne, die zahlreiche Menschen angelockt hat. Klar, so eine Umsonstveranstaltung zieht ein recht gemischtes Publikum ab, doch jeder auf dieser Welt sollte halt auch mal Turbostaat live gesehen haben. Und sie taten das, was sie am besten können: Live ihre Kraft, ihre Dynamik, ihr volles Potential ausschöpfen und beweisen, dass sie eine der ganz wichtigen Gruppen hierzulande sind, was starke Texte und Wucht anbelangt. Ganz bis zum Ende konnten wir uns das leider nicht anschauen, aber die mehr als 60 Minuten, die wir mitbekommen haben, waren herausragend. Bei Turbostaat weiß ich aber eine Sache oft nicht ganz so richtig: Strahlen sie auf der Bühne Sympathie aus oder doch eine gewisse Distanz zum Publikum. Ich denke, dass da Tour- und solch Festivaltermine stark unterschiedlich sind. Während ihres Auftritts haben sie einen beeindruckenden Ritt durch ihre eigene Diskographie veranstaltet. Von Vormann Leiss, über Abalonia hin zu Meisengeige. Das hat schon extrem viel Spaß gemacht. Sie bringen einfach eine unverwechselbare Dichte an Klang auf die Bühne, die mich direkt packt. Eine Band, die ich verhältnismäßig spät kennen- aber dann anzubeten gelernt hab. Geil!
Ja, so sieht es aus. Das ist die Musik, die ich höre in drei Paradebeispielen was alles möglich ist. Ende.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.