Freitag, 23. Juli 2021

KW 29, 2021: Die luserlounge selektiert

Quelle: br.de
(sb/ms) Um Pflanzen kann ich mich extrem schlecht kümmern. Ich habe überhaupt kein Händchen dafür. Das tut mir immer so wahnsinnig leid, wenn sie mal wieder den Kopf hängen lassen. Letztens musste ich zwei entsorgen, die schon wie zu lange auf meinem Balkon verweilten, ohne auch nur im entferntesten von mir gepflegt zu werden. Zwei haben es bislang ganz solide hier geschafft. Ich vermute aber auch stark, dass sie so gezüchtet worden sind, dass Menschen ohne grüne Daumen, also wie ich, durchaus im Stande sind, sie am Leben zu halten. Nun kommt ein weiteres Problem dazu. Mir wurde eine kleine grüne Pflanze geschenkt. Ich habe auch überhaupt keine Ahnung, wie die alle heißen. Ganz, ganz große Bildungs- und Pflegelücke. Umtopfen ist der erste Schritt zur Lebenserhaltung, glaube ich. Und dann: Mal schauen. Ich habe die böse Vermutung, dass ich eine ihr Verwandte schon mal... überpflegt habe. Starte ich also ein neues Experiment. Grüner Daumen 2021. Die letzte große Herausforderung!

Zum Glück sind wir ein Musik- und kein Pflanzenblog. Von Klang haben wir Ahnung. Hier der Beweis:
 
Colin Hay
(sb) Es ist ja nicht so, dass man Colin Hay nicht kennen könnte. Als Sänger der Band Men At Work landete er mit "Down Under" Anfang der 80er Jahre einen Welthit, der noch heute regelmäßig im Radio zu hören ist. Den Jüngeren sind eventuell diese Zeilen geläufig:

I can't get to sleep
I think about the implications
Of diving in too deep
And possibly the complications

Especially at night
I worry over situations
I know I'll be alright
Perhaps it's just imagination

Day after day it reappears
Night after night my heartbeat shows the fear
Ghosts appear and fade away“

 
Serienaffine Menschen dürften das schon mal gehört haben, zumindest wenn sie Scrubs gesehen haben. Ganz, ganz großartig! Und dennoch hat es Colin Hay als Solokünstler nie so wirklich ins Rampenlicht geschafft - zumindest nicht in Deutschland. Am 06.08. veröffentlicht der Künstler nun sein neues Album I Just Don’t Know What To Do With Myself und liefert darauf zehn großartige Coverversionen ab. Klar, das ist Mainstream, aber von der angenehmen Sorte. Ich wage mal die Prognose, dass auch diese Scheibe nicht für den ganz großen Durchbruch sorgen wird, was aber weniger daran liegt, dass die Qualität nicht stimmt, sondern eher daran, dass der inzwischen 68-Jährige gar keinen Wert darauf legt, die ganz große Masse zu erreichen. Für mich als Beatles-Fan ragt das Cover von Norwegian Wood heraus - ohnehin einer meiner Lieblingstracks der Fab Four. Auch Blind Faith, Del Amitri, Dusty Springfield, Faces, Gerry & the Pacemakers, Glen Campbell, Jimmy Cliff und The Kinks dürfen sich über äußert gelungene Remakes ihrer Klassiker freuen.

 
Vlimmer
(ms) Zugegeben ist Darkwave überhaupt nicht das Genre, was regelmäßig durch meine Wohnung ballert. Doch wenn ich Post von Alex aka Vlimmer bekomme, dann wackeln hier zumeist die Wände. Diese dunkle Energie, die mir den Atem nimmt, ist faszinierend. Als ob die Wände näher kommen und der Sauerstoff langsam weniger wird. Diese Wirkung muss Musik erstmal entfachen. Nach einer völlig wahnsinnigen achtzehnteiligen EP-Serie, bringt Alex nun sein erstes Vlimmer-Album heraus, das Nebenkörper heißen wird. Fensteraus ist die erste Single, die mich in den genannten Zustand versetzt hat. Klar, das brauche ich nicht jeden Tag, aber es hat einen derart starken Effekt, das ich mich dem gerne hingebe, es vereinnahmt mich. Pausenlos, verzerrt, dicht, düster, beinahe belastend, aber in einem kunstvoll genießerischen Rahmen! Wie wird das erst in Albumlänge wirken? Kaum auszumalen, aber ich freue mich ungemein drauf!


Mono
(ms) Mono kleckern nicht, sie klotzen hart! Seit 22 Jahren machen die JapanerInnen opulente, dramatische, cineastische alternative Rockmusik. In dieser Zeit haben sie elf (in Zahlen 11!) Studioalben veröffentlicht und erst kürzlich hauten sie ein neues Live-Album raus. Das ist schon ein enormer Output, ein Zeugnis von purer kreativer Schaffenskraft. Enorm. Nicht nur diese Fakten lassen mich beeindruckt zurück, sondern auch oft die Länge der einzelnen Stücke. Riptide ist der Vorbote vom nächsten Streich. Pilgrimage Of The Soul erscheint am 17. September und die erste Single kommt mit einem fast zehnminütigen Video daher. Das ist krass. Das ist sehr gut. Vor allem, weil das Video als solches so einvernehmend ist. Traurig, dramatisch, ausweglos, perfekt mit der Musik in Szene gesetzt. Tatsächlich tendiere ich dazu, zu sagen, dass das Video wesentlich näher geht als die Musik. Daher wünsche ich mir für das kommende Album, dass es zu jedem Stück ein Video gibt, das im gleichen Kosmos spielt. Wie gerne würde ich wissen, wie der Typ in diese Situation gekommen ist, wie die Gesellschaft dort tickt, wie es seinem Kind geht und was das eigentlich für maskierte Menschen sind. Vielleicht geht mein Wunsch nicht in Erfüllung, dann drehe ich im Kopf zum kommenden Album halt meinen eigenen Film.


Ghost Pony
(ms) Die Art und Weise, wie ich Musik höre, beeinflusst auf jeden Fall auch deren Wahrnehmung. Hören über Kopfhörer ist immer wesentlich eindringlicher, als wenn sie 'nur' aus den Boxen kommt. Beim Berliner Trio Ghost Pony ist das eine gute Intuition gewesen, da ihr Sound auf positive Weise beklemmend ist. Der Klang ist durchaus dunkel und geheimnisvoll angehaucht. In den vorherigen Singles beschäftigten sie sich unter anderem mit sexueller Belästigung, da ist der Klang schon sehr gut gewählt. Auch Andy Wants To Be A Star ist klanglich wesentlich besser als das Video, sorry. Soweit ich den Text verstehe, schafft Andy das Starsein nicht. Trotz Insta- und TikTok-Selbstdarstellung ist es natürlich ein absolut legitimer Wunsch, Star werden zu wollen und das Rampenlicht zu genießen. Den wenigsten ist es vergönnt. Viele brechen vorher ein oder stürzen ab. So romantisch der Mittelpunkt auch sein mag, ist es doch ein verdammt hartes und verlustreiches Geschäft. Ghost Pony haben am Mittwoch ihr selbst betiteltes Album veröffentlicht, das unbedingt zu empfehlen ist!


Blurry Future
(ms) In den ersten zwanzig, dreißig Sekunden musste ich hier sofort an Eminem denken. Macht der eigentlich noch Musik? Dann setzt diese unglaublich geile Gitarre ein und das Stück Guess What von Blurry Future verwandelt sich in einen mittelfingerzeigenden Crossovertrack vom Allerfeinsten. Er besticht durchaus durch seine Kurzweil, keine zweieinhalb Minuten geht das hier und haut mir komplett auf die Zwölf! Das Duo wird im kommenden Frühjahr sein erstes Album veröffentlichen und ist mit Vorschusslorbeeren verziert. So gewannen sie den Hamburger Musikpreis Krach & Getöse vor drei Jahren kurz nachdem sie sich überhaupt erst gegründet haben. Charlotte und Marlon haben einen eigenen Sound entwickelt und das könnte auf Albumlänge wirklich, wirklich bestechend sein! Lassen wir uns überraschen.


Duchamp
(ms) Bock auf Oldschool-Punkrock? Kein Problem! Hier kommt eine Kombination, die genau das lebt, Punkrock strömt durch ihre Venen, pumpt durch den Körper, Geist, das ganze Leben. Logischerweise muss das auch irgendwo raus. Gibt es also einen Grund, warum das erste Video auf einem Clubklo gedreht worden ist? Ich vermute eher nicht. Also, worum geht es bei Duchamp? Klar, das sind Newcomer, aber auch alte Hasen. Teile der Donots, Schrottgrenze, Adam Angst und Pale sind das! Ingo Knollmann, Benni Thiel, Christian Kruse, Peter Tiedeken. Sie machen Punkrock, wie er in den Lehrbüchern steht. Kompromisslos, pausenlos, voller Energie, einfach alles raus. Die einzelnen Bands sind durchaus ein wenig vom alten, kernigen Punkrock abgedriftet, aber selbstredend immer noch saustark. Klar, dass dieser alte Geist in ihnen wohnt und ein Medium braucht. Es wird Slingshot Anthems heißen und bereits in vier Wochen erscheinen (VÖ: 20. August!). Die alten Herren sind halt nicht zu bremsen. Saugut! Ab geht's:

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