Foto: Andy Jon |
Meine Kenntnis über die japanische Musikkultur besteht aus drei Eckpfeilern. Erster Eckpfeiler: Momentan lese ich Heute Pläne Morgen Konfetti, die tolle Geschichte über die Donots von Ingo Neumayer. Die fünf Ibbenbürener treten regelmäßig in Japan auf, betreiben mit Solitary Man Records ein Label, das dort hiesige Musik veröffentlicht. Wie die Band schildert, ist Japan einfach ein ganz anderer Kosmos. Bei einem Konzert wird aus Höflichkeit nach den Liedern nicht geklatscht, die Fans sind in jeglicher Hinsicht extrem, konnten schon bei den frühen Auftritten der Band alles mitsingen. Zweiter Eckpfeiler: Die Erzählungen vom wunderbaren Juse Ju, der in Japan lebte, Menschen, Gewohnheiten, den Alltag kennt. Er lobpreist das Land und berichtet ebenfalls von gewöhnungsbedürftigen Eigenheiten! Wohlgemerkt: Eigenheiten aus einem eurozentrischen Blick. Also vor Ort: Alles normal. Dritter Eckpfeiler: Das ist der gröbste. Ich meine zu wissen, dass J-Pop ein irres Spektakel ist. Boybands mit immensem Erfolg, viel Glitzer und BlingBling.
So. Mehr weiß ich nicht.
TEKE::TEKE heißt also die Band, die am Freitag (7. Mai) mit Sirushi ihr erstes Album veröffentlichen wird. Das Septett ist in Montreal beheimatet, doch die Anklänge aus dem Japanischen stehen absolut im Vordergrund. Maßgeblich dafür: Flöte und Posaune. Es dauert nur wenige Takte und die inneren Bilder von kämpfenden Mönchen, betenden Mönchen, teetrinkenden Geishas und dampfenden Reispfannen ploppen auf. Wie gruselig klischeebehaftet, aber so sieht es leider nur mal in meinem inneren Auge aus. Die Magie des Albums besteht (zum Glück) daraus, dass dieses Bild recht schnell in seine Einzelteile zerlegt wird. Denn neben den traditionell japanischen Musikelementen, heißt es hier: Volldampf voraus! Rock'n'Roll mit überbordendem psychedelischem Einfluss ziert die DNA dieses Debuts.
Dabei war die Band um Gitarrist Serge Nakauchi-Petellier und Performance-Künstlerin Maya Kuroki lange Zeit eine Cover-Band. Sie spielten die Songs ihres Idols Takeshi Terauchi nach, was eindeutig zu hören ist. Was noch zu vernehmen ist: Hinter jedem Takt, jeder Strophe und jedem Track lauert ein Tarrantino-Spielfilm! Sollte Kill Bill nochmal musikalisch untermalt werden - hier ist die Band!
Gut 40 Minuten ballert die Band auf den Synapsen der Zuhörenden. Denn das ist gewiss: Je lauter Sirushi erklingt, desto besser wirkt die Platte! Verstehen tue ich kein einziges Wort, hier wird japanisch gesungen. Spirituelle Geschichten, herzzerreißende Balladen und verhängnisvolle Romanzen sollen zu hören sein. Dramatik ist in jedem Fall eine Menge vorhanden und genau das ist die Stärke der Platte: Man weiß nie, was als nächstes kommt! Kala Kala ist ein berauschender Ritt mit schnellen Gitarren und mäandernden Flöten! Barbara eine tempo- und energiegeladene Surfrock-Nummer! Meikyu spitzt das hypnotische Level des Albums zu - hypnotisch und wild!
Auch wenn vieles auf's erste Hören ungewohnt klingt, ist dies ein tolles Album. Ein Album, dass mich mal wieder laut daran erinnert, dass die gewohnten Bahnen den eigenen Horizont nur einschränken. Hier werden sie eröffnet, zum Glück! Starkes Ding!
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