Dienstag, 4. Mai 2021

Stand der Dinge: Streamingkonzerte

Quelle: callmefred.com
 (ms) Die schönen Hardcover-Tickets aus dem letzten Jahr hängen noch am Kühlschrank oder sind sicher in der Schublade verstaut. Sie warten sehnsüchtig darauf, eingelöst zu werden, um mit einer abgerissenen Ecke wieder einen würdigen Platz in der Wohnung zu finden. Die Wochenenden macht man sich irgendwie schön, fährt an Orte und Ecken, die nicht zu weit weg und dennoch unbekannt sind. Sparziergänge sind unter der Woche das Mittel der Wahl, selbst Arbeit wird (zumindest bei mir) immer wieder zur willkommenen Abwechslung. Ja, ich freue mich am Sonntagabend darauf, Montag wieder raus zu können. Und doch, die wahren Highlights sind Mangelware aus bekannten Gründen. Vielleicht machen Clubs im Herbst wieder auf? Die meisten Festivals haben sich erneut ins kommende Jahr verschoben, das Traumzeit Festival in Duisburg beispielsweise aber wurde in den September verlegt. Ja, die Hoffnung ist da. Doch im Hier und Jetzt sind andere Zeitvertreibe die Mittel der Wahl, wenn es um Musikgenuss geht. Das ein oder andere Konzert im digitalen Raum sah ich zuletzt. Hier ein kleiner Rundumschlag und ein satter Ausblick!

Reis Against The Spülmaschine
Tatsächlich sagte mir der Bandname vorher nur beiläufig was. Doch was die beiden Jungs von Reis Against The Spülmaschine im Online-Format zusammen gebastelt haben, ist schlicht weg kompletter Wahnsinn! Freunde luden zum gemeinsamen Konzertgenuss ein und nach kurzer Zeit war ich Fan! Aus vielen Gründen: 1. Es fand via Zoom statt (der Eintritt hat sich gelohnt) und laufend hat die Band mit allen anderen interagiert! Es wurden Spiele gespielt, man sollte mit dem Lichtschalter Strobo machen, Nudeln in die Kamera halten und so weiter. Total genial. Hanke, seines Zeichens Lehrer, hielt ein wenig bekloppten Online-Unterricht ab, spitzenmäßig! 2. Hanke und Philipp haben sich schön einen angesoffen während der mitunter dreistündigen Darbietung! 3. Das Duo spielt hauptsächlich klamaukige Cover-Versionen mit Änderungen im Text an genau den richtigen Stellen. Echt, es war ein riesiger Spaß! 4. Sie haben Zoom richtig gut genutzt und nach dem Auftritt sogenannte Breakout-Rooms erstellt und - zack! - fand man sich mit anderen Zusehenden zusammen und man lernte sich kennen. Eine ganz wunderbare Idee. Die nächste "Reisküche" steht noch nicht fest. Hanke und Philipp hoffen stattdessen auf analoge Gigs! Hin da!

Niels Frevert
Sehr lange hat Niels Frevert am Auftritt im Dortmunder FZW festgehalten und er wurde auch gar nicht abgesagt. Klar, Zuschauer waren keine da, doch als Trio haben sie dennoch gespielt. Die Idee finde ich wahnsinnig toll. Einfach machen! Auch Niels Frevert hat ewig nicht live gespielt. Übertragen wurde es über YouTube und hat keinen Eintritt gekostet. Was mich freudig gestimmt hat: Ich halte das FZW in Dortmund für einen der besten Clubs. Nein, nicht was die Atmosphäre angeht, dafür ist es zu modern. Der Sound vor Ort ist aber schlichtweg überragend! Die Menschen, die dort an den Reglern sitzen, wissen sehr gut, was sie tun! So war es auch bei der Online-Übertragung! Der Sound: klasse! So kamen die feinen, leisen, gefühlvollen Lieder von Frevert, die er mit Klavier und einer weiteren Gitarre als Begleitung dargeboten hat, sehr gut zur Geltung. Auch auf YouTube kann man ja chatten bei Liveübertragungen und es war wunderbar mitzulesen, wie es den Leuten gefallen hat. Fast eineinhalb Stunden hat er gespielt und enorme Lust auf das nächste reale Konzert gemacht!

The Weather Station
Der kunstvollste Auftritt, den ich zuletzt im Internet sah, bestritt Tamara Lindeman, besser bekannt als The Weather Station. Auch dieser Stream hat Geld gekostet. Extrem lohnenswert! Denn meine Neugier, wie sie ihr fantastisches Album Ignorance auf die Bühne bringt, war sehr groß. Ein ganz feines, großes, klug arrangiertes Album hat sie im Frühjahr veröffentlicht. Genauso anspruchsvoll wie ihre Musik war auch das Konzert. Als wiederkehrendes Element und als Pause für die MusikerInnen war sie zwischenzeitlich am Strand zu sehen, wo sie Gedichte vortrug. Schöne Idee. Die Qualität der Übertragung war genauso beeindruckend wie bei Niels Frevert. In einem Studio war Lindeman mit ihren MitstreiterInnen zu sehen. Insgesamt haben zehn Leute an dem kurzweiligen Abend mitgewirkt. Neben dem sehr hörenswerten Auftritt, spielte auch das Auge mit. Denn die Kameraführung und das Licht haben die mäandernde, verstrickte Stimmung der Lieder gut untermalt! Ganz große Vorfreude, wenn die Kanadierin mal hierzulande auftreten sollte!

Thees Uhlmann
Gestern Abend ging es direkt in die nächste Runde. Auch der Auftritt von Thees Uhlmann sollte analog stattfinden. Sogar mit begrenzter ZuschauerInnenzahl und Hygienekonzept vor Ort in Bremen, doch... ihr wisst schon!
Mehrere Bremer Venues fusionierten zum Club 100 und veranstalten seit dem Frühjahr Online-Konzerte im Pier2. Gestern war also Uhl persönlich dran! Zugegeben: Seit einiger Zeit habe ich ein recht gespaltenes Verhältnis zu Thees Uhlmann. Natürlich ist er ein Textgenie, zweifelsohne! Doch mit der zunehmenden Laberei auf der Bühne, ging er mir auch ein wenig auf den Geist. Der gestrige Abend stand dann zusätzlich unter dem Untertitel "Songs & Storys". Puh! Doch es kam selbstredend alles wieder mal anders. Die Vorfreude hat einfach gesiegt. So simpel ist das. Ich hatte tierisch Bock auf den Abend und seine Musik. Seltsamerweise hat er auch nicht mehr erzählt als sonst. Normale Geschichten vom Uhl. Der Club 100 verlangt auch Eintritt und es ist schnell offensichtlich, wieso: Das läuft das äußerst professionell ab! Da arbeitet ein richtig großes Team im Pier2 am Licht, dem Ton, der Kamera. Als Warm-Up war ein aufgezeichnetes Interview zu belauschen, natürlich mit herrlichen Anekdoten von Danger Dan bis Bremen4. Um kurz nach acht ging es los. Gespielt wurde im Quartett. Das Allerschönste: Die vier haben sich im Kreis aufgestellt, konnten sich anschauen, Blicke austauschen. Es war eindeutig zu spüren, wie gut es dort harmoniert und wie viel Spaß es ihnen machte, endlich wieder live zu spielen. Sehenswert auch die Lichtgestaltung im Raum, die Band spielte nicht auf der Bühne, sondern im Zuschauerraum des Pier2, hatte also viel Platz! Das war echt was fürs Auge. Das Ohr hat das bekommen, was es verlangte: Tomte-Klassiker, das (meines Erachtens ein bisschen zu gevorschusslorbeerte) neue Stück Club 27, neue und alte Solo-Songs! Kurzweilig war es zwischen Toten Hosen-Cover und Haake Beck-Socken! Für das richtige Konzertgefühl wurde das Bier auch extra in Plasikbecher umgefüllt! Der professionelle Rahmen hat sich wirklich bezahlt gemacht: Bild und Ton waren astrein! Ein herrliches Vergnügen in komischen Zeiten!

Ausblick: Donots
Schon am kommenden Wochenende wird es weitergehen. Ein weiterer großer Name ist dran: Die Donots geben sich die Ehre. Trotz dass die Bühnen des Landes momentan nicht bespielt wird, haben die Donots momentan viel zu tun. Vor zweieinhalb Wochen ist das Buch Heute Pläne, Morgen Konfetti über die Band von Ingo Neumayer erschienen. Ich lese es derzeit, eine Rezension folgt logischerweise. Auch die Ibbenbürener haben sich dazu entschlossen, ihre Fans am Auftritt teilzuhaben. Er findet auch über Zoom statt, kostet ebenfalls Eintritt und es wird wohl interaktiv. Wer dazu keine Lust hat, kann auch 'einfach nur' zuschauen und mit abgehen. Tatsächlich wird am Samstagabend das erste Online-Konzert der Punkrocker stattfinden. Meine Vorahnung: Es wird extrem geil werden! Denn: Diese Band strotzt seit 27 Jahren so so sehr vor Spielfreude und sie sind einfach nicht kaputt zu kriegen. Wieso auch?! Sie haben Bock, es sind extrem sympathische Menschen, die ihr Handwerk verstehen! Schaltet also auch am Samstag ein! Hier gibt es Tickets!

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