Mittwoch, 19. Mai 2021

Milli Dance & U.N.O. - Fünf Vor Fick

Foto: Audiolith
  (ms) Neben de ganzen Pöbelei muss festgehalten werden, dass dieses Album ein Beweis einer Freundschaft ist. Diese Freundschaft funktioniert hervorragend in pandemischen Zeiten zwischen Dresden und Rostock. Und: Diese Freundschaft beruht auch gar nicht in erster Linie auf Musik. Woher sich Milli Dance und U.N.O. kennen, ist schlussendlich ja auch egal, doch zusammen an Beats und Zeilen gewerkelt haben sie noch nicht. Dennoch haben sie gemeinsam eine Platte gemacht, die kommenden Freitag (21. Mai) bei Audiolith erscheint. Wo auch sonst, ist es doch Millis Heimatlabel mit seiner Band Waving The Guns. Der freundschaftliche Pathos mag in Rap-Kreisen unüblich sein, doch das dürfte den beiden herzlich egal sein, oder sie finden es sogar angemessen, wer weiß.
U.N.O. begann erst in letzter Zeit, an Beats zu basteln, Samples und Snippets zu suchen, auseinander zu schneiden, um sie wiederum neu zusammen zu setzen. Milli Dance fand an seinen Schnippelergebnissen schnell gefallen. Mit WTG geht momentan nicht so viel - mag es an personellen Umbrüchen, einer kreativen Flaute oder woran auch immer liegen. Genügend Ideen für standesgemäßes Gepöbel sind jedoch ausreichend vorhanden und: Sie müssen raus! Ein Glück, ein Zufall, dass beide sich dann unzählige Ideen, Fragmente, Beats und Texte hin und her schickten. Mit der einzig logischen Frage und deren Antwort: Warum aus all den Puzzlestücken kein Album machen?! Eben! Die Devise war von vorhinein: Kein Druck, nicht zwingend auf Hits hinarbeiten, hier muss nicht geballert werden, es muss noch nicht mal erfolgreich sein. Derart viel Frei- und Gelassenheit muss man sich erstmal gönnen und halt auch bekommen. Festzuhalten ist und bleibt: Die Menschen bei Audiolith sind ganz wundervoll! Machenmachenmachen!
Der Ergebnis: Fünf Vor Fick! Eine Rap-Platte in mittlerem Tempo zwischen Humor, Hass und Haltung.

Normalerweise würde ich mich nun darüber echauffieren, wie sinnlos es sei, dass die Adressaten der Inhalte den Inhalt wohl nicht hören werden: Springer, Nazis, diverse Rapper, deren Namen nicht genannt werden. Derartige Tracks sind meines Erachtens dann total belanglos. Oder ich befinde mich nicht tief genug in der Rapmaterie. Nun ist bei diesem Album tatsächlich ein anderer Maßstab geboten: Es ist völlig egal! Ja, dieses Album ist qualitativ - sowohl textlich als auch musikalisch - kein extrem guter Wurf, es ist okay, mehr nicht. Doch der Kern ist ein Stück wichtiger: Hier hatten zwei Typen Bock auf ein paar Songs und eine Plattenfirma ohne Hemmschwelle, und das haben halt nur die wenigsten Musiker. Vielleicht steht die künstlerische Freiheit ausnahmsweise hier tatsächlich über der eigentlichen Kunst. Wer weiß...

Weird geht es los, mit einem unangenehm arrhythmischen Beat. Ja, die Lieder sind bei mittlerem Tempo angesiedelt, haben daher auch wenig mit WTG zu tun. Dennoch: Milli ist immer für Gewalt zu haben, trifft es die Richtigen. Klar, nur verbal! Der titelgebende Track hat wohl am meisten Flow und zeigt erneut den textlichen Mittelfinger gegen Springerpresse, gegen anonymen Hass im Netz singt der Maskenträger - das Alleinstellungsmerkmal muss schließlich gewahrt werden! Auf einem der eingängigsten Beats samt Bläserhook geht es auf Warum Nicht Mal Von Mir gegen Verschwörungserzählungen und plumpen Müll, der im analogen und digitalen Äther wabert. Auch der Cembalo-Beat auf Was Für Ein Erfolg oder Is Nicht weiß zu überzeugen! Wichtig der deftige textliche Seitenhieb auf Lorenz Caffier in Letzte Stunden. Der ehemalige Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns muss davon gewusst haben, dass aus den Schränken der Bundeswehr und Polizei aus seinem Bundesland Munition entwendet wurde, die nun unter militanten Nazispinnern kreisen. EkelhAFD. 
Auf Verlustgospel kulminieren sie die wahre Essenz dieses Albums: Ein Album auf mittlerem Tempo, das gar nichts muss: keinen Erfolg, keine wirklich herausstechende Single, einige gute Lines, doch nichts, was zwingend haften bleibt. Und wenn sie damit Verlust machen? Egal! Es hat Spaß gemacht und musste sein. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Platte, die massiv subjektiv ist, textlich und von der Herangehensweise. Allein dafür sollte man beiden Respekt zollen!


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