Freitag, 14. Mai 2021

KW 19, 2021: Die luserlounge selektiert

Bild: ilapothecary.com
(ms/sb) Thema: Symbole und ihre Bedeutung.
Letzte Woche bin ich mit dem Rad an einem Bordell vorbei gefahren. Glaube ich zumindest, dass es eins war. Ich musste den Weg zur Arbeit variieren und kam an einem Haus vorbei, dessen Fensterrahmen nicht mit Scheiben ausgestattet waren. Das war das erste Indiz. Das zweite ließ mich halt bis jetzt verdutzt zurück. Denn: An dem Haus mit der Straßennummer 11 sind an einem Schild mehrere Herzen zu sehen. So, dass sie ins Auge springen, auffällig sind. Doch: Ist das überhaupt das richtige Symbol für die Dienstleistung, die dort wahrscheinlich angeboten wird? Warum werben Bordelle mit Herzen? Meine Verwunderung rührt daher: Bislang habe ich vermutet, dass das Symbol Herz im weitesten Sinne für Liebe steht. Insbesondere dann, wenn es mit roter Farbe ausgefüllt ist. Das war mein Gedanke. Und der nächste: Geht es in einem Bordell um Liebe? Das würde ich prinzipiell erstmal verneinen. Bezahlt man für Sex, kann das mit Liebe nicht sonderlich viel zu tun haben, oder? Warum aber dann der Zusammenhang? Weil Sex in den meisten Fällen in Liebesbeziehungen stattfindet? Puh, ja, okay, auch eine ziemlich eigenwillige Vorstellung. Trotzdem wird es dann ja total aus dem Kontext gerissen und an einem fremden Ort genutzt. Aus dem Gedankengang komme ich nicht raus. Denn: Was wäre denn ein passendes Symbol für ein Bordell? Ein Kondom? Nackte Körper? Geldscheine? Ich weiß es nicht.

Was ich aber weiß, ist, dass wir erneut auf Musikjagd gegangen sind. Hier ist das Ergebnis. Voilà:
 
Current Joys
(sb) Es gibt so Alben, die begeistern, ohne dass man genauer bestimmen könnte, woran das nun wirklich liegt. Voyager (VÖ: heute!) von Current Joys ist genau so eins. Nick Rattigan, das Gesicht zum Projekt, ist bereits seit rund zehn Jahren im Business und dabei nicht nur als Musiker, sondern auch als Regisseur von Videoclips involviert. Sein aktuelles Werk besticht in erster Linie durch spannendes und ausdrucksstarkes Storytelling, das durch Rattigans Stimme ideal in Szene gesetzt wird. Mal verletzlich, dann wieder stark und rotzig und im nächsten Moment melancholisch bis zur Selbstaufgabe. Diese Wandlungsfähigkeit kommt dem Album extrem zugute, wobei mir Voyager vor allem in den Passagen am besten gefällt, in denen man sich an Bands wie Frightened Rabbit oder gar Friska Viljor erinnert fühlt.
 

Philip Lassiter
(sb) Er war Arrangeur und Bläser bei der New Power Generation und arbeitete mit namhaften Musikern wie Timbaland, Stevie Wonder und Ariana Grande zusammen. Trotzdem ist der Einfluss des großen Prince unüberhörbar und greifbar. Wenn der Funk durchkommt, sieht man den viel zu früh verstorbenen Künstler quasi vor sich stehen. Und doch handelt es sich bei Live In Love (VÖ: 04.06.) um ein Album von Philip Lassiter, das, wenn man sich ihm hingibt, noch deutlich mehr zu bieten hat und ausgesprochen vielseitig daherkommt. Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Gastmusikern, die er sich eingeladen hat und die beispielsweise auch Reggae- oder R'n'B-Rhythmen einfließen lassen. Besonders seine Kooperationen mit Jesje und LaVance Colley wissen zu gefallen, was bei Letzterem insbesondere an dessen herausragender Stimme liegt. Soul at its best!

Yann Tiersen
(ms) Nur wenige musikalisch tätige KünstlerInnen werden derart mit einem Film in Verbindung gebracht wie Yann Tiersen. Möglicherweise trifft das noch auf Glen Hansard zu. Mehr fallen mit ad hoc nicht ein. Dabei tut der Franzose einiges dafür, dass er sich vom Amélie-Universum absetzt und getrennt davon wahrgenommen wird. Beispielsweise unaufhörlich Musik veröffentlichen. Sein neues Album Kerber erscheint am 27. August. Höchste Zeit also, dass es erste Töne daraus zum Hören gibt. Aus dem Stehgreif würde ich Tiersen gar nicht als Neoklassik-Artisten wahrnehmen. Wenn jedoch Ker Al Loch zu hören ist, bleibt mir fast nichts anderes übrig, als ihn die gleiche Ecke zu stellen wie Olafur Arnalds, Hania Rani, Martin Kohlstedt undundund. Denn: Das siebenminütige Stück beginnt mit klassischen Pianoklängen und dreht sich mit jedem Takt weiter hinein in ein elektronisches Paralleluniversum, das knarzt, aneckt und dennoch harmonisch bleibt. Vielleicht ist es sogar genau der richtige Ansatz, um sich von einer Assoziation zu koppeln, wenn man ihr entgegentritt. Klar, diesen Gedanken wird Yann Tiersen sicherlich nicht gehabt haben, während er komponierte. Dafür ist der Film zu alt, sein Schaffenswerk zu groß. Doch es bleibt an ihm haften. Also: Raus aus dieser Ecke!



Distance Dealer
(ms) Musik ist Leidenschaft, Passion. Musik ist für viele auch Berufung, Bestimmung. Eine Person, der Töne, Ideen, Melodien, Rhythmen und nimmermüde Kreativität durch die Adern pumpt ist Alexander Donat aus dem Berliner Umland. Es ist kaum zu glauben, wie aktiv er ist. Vlimmer, WHOLE und Fir Cone Children sind drei Bands, die er entweder alleine oder als Teil betreibt. Alle auf dem eigens organisierten Label Blackjack Illuminist Records. Klar, der Tausendsassa hat auch ein Buch geschrieben und musste ganz dringend eine neue Band gründen: Distance Dealer! Das macht er nicht alleine, sondern mit Thiago Desant aus Brasilien zusammen. Gerne würde ich wissen, wie viele Sprachnachrichten, Mails, Videokonferenzen zwischen beiden gelaufen ist, bis die zehn Tracks zusammen gewachsen sind, die auf Mind Dawns im Juni erscheinen werden! Düsterer Postpunk mit eindeutiger Synthie-Handschrift, die sowohl Träumen als auch Tanzen zulässt! 



Sarah Klang
(ms) Ob das visueller Humor ist, weiß ich nicht. Irgendwie hoffe ich es aber ganz stark. Denn zwischen der Atmosphäre in der Musik und der bislang erschienenen Videos aus Sarah Klangs neuem Album besteht doch erhebliche Diskrepanz. Love So Cruel ist ein wirklich toller, stimmungsreicher Track, der dich im Arrangement ist und ihre Stimme wunderbar zu Geltung kommen lässt. Das Video hingegen explodiert fast vor quietschigen Farben. Ähnliche Brüche sind bei Fever Dream wahrzunehmen. Klar, das ist alles Geschmackssache, aber ich finde das Video gruselig. Es ließ mir beim ersten Hören keine Möglichkeit die warme, klare Musik zu genießen. Was sollen die Pferde in den ersten Sekunden? Was soll die bewusst schlechte Qualität? Nun gut, die Cowboy-Tänzer sind originell. Ergo: Hoffe ich weiter, dass es ihre Art von Humor ist. Dann passt es. Das Album, auf dem diese beiden Tracks zu hören sind, heißt Virgo und ist vergangene Woche erschienen. Die Schwedin spielt lässigen Singer/Songwriter-Pop, der mit Atmosphäre und ihrer Stimme arbeitet. Die Stücke sind nicht zu überladen und können daher sehr direkt genossen werden. Am besten mit geschlossenen Augen. 


Superbloom
(sb) Ja sind denn schon wieder 90er? Die ersten Töne auf Pollen (VÖ: 01.06.) dem Debüt der Brooklyner Band Superbloom klingen so unverschämt nach dem Grunge aus Seattle, dem ich damals hoffnungslos verfallen bin. Könnte Alice In Chains sein. Oder auch Soundgarden. Oder gar die Screaming Trees? Der Auftakttrack 1994 würde easy auch auf dem 89er-Album "Bleach" von Nirvana seinen Platz finden, wobei ich Kurt Cobain und Konsorten nie mochte - aber das ist ein anderes Thema...
Wie dem auch sei: Superbloom sprengen die Genregrenzen im Laufe ihres Albums dann doch noch und wissen in den 12 Songs auch mit Hard Rock und akustischen Elementen zu gefallen. Da kommt was Starkes auf uns zu, das nicht nur Nostalgiker überzeugen dürfte. Leider geil.


The Go! Team
(ms) Die Flöte ist ein in der Popmusik eher wenig genutztes Instrument. Jethro Tull waren vielleicht die letzte Band, die das mit Überzeugung vertreten haben. The Go! Team nutzen Flötengeräusche jedoch mit so viel Drive und Leichtigkeit, dass sie mit den langhaarigen Rockern überhaupt nichts mehr in der Instrumentierung gemein haben. Warum diese Band zum Pow-Video auf diese gruseligen visuellen Effekte setzt, weiß ich nicht. Seit wann ist es cool mit alten Windows Movie Maker-Optionen zu hantieren? Ach, auch egal, oder? Denn es geht ja um die Musik. Und The Go! Team beweisen mit Pow ein weiteres Mal, dass sie es nicht nur verstanden sondern auch verinnerlicht haben, extrem lockere, wahnsinnig tanzbare Musik zu schreiben, die direkt gute Laune macht. Der Sommer naht. Das wird der Soundtrack! Im Juli erscheint ihre neue Platte Get Up Sequences Part One, was ein geiler Name, was eine unbeschwerte Musik, welch Kunst!

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