Mittwoch, 26. Mai 2021

Dota - Wir Rufen Dich, Galaktika


Foto: Annika Weinthal
(ms) Was für Musik macht sie? Ist das Singer/Songwriter oder ist sie Liedermacherin? Diese Frage ist natürlich total unwichtig, doch der Mensch braucht Kategorien, in denen er denken kann und so ist diese Frage schwer zu beantworten. Sie geht nicht Richtung Funny Van Dannen aber ist halt auch nicht mit Alin Coen vergleichbar. Irgendwo dazwischen ist Dota Kehr zu verorten. Die erste Begegnung mit der studierten Medizinerin hatte ich, als sie den Förderpreis der Stadt Mainz 2011 bekam. Also Kleinkunst macht sie vielleicht auch. Bei ihrem Auftritt damals wusste sie es selbst bis dato noch nicht. Allein das bestätigt ja die schwierige Einschätzung ihres Musikstils. Nein, sie ist nicht belehrend oder durchgängig komödiesk. Ja, durch einige ihrer Stücke schwebt ein moralisch erhobener Zeigefinger, aber er richtet sich dann stets auch gegenüber sie selbst. Und ja: Viele ihrer Lieder zeigen ihr gutes Gespür für Unterhaltung und automatisches Dauergrinsen. Damals bei der Preisverleihung meint sie noch, dass sie keine lustigen Lieder mache. So hat sie sich also verändert. Denn auf Wir Rufen Dich, Galaktika (erscheint am 28. Mai) sind durchaus Strophen oder ganze Lieder zu finden, die leicht und schwebend sind. 13 Stücke sind auf ihrer neuen Platte und alle zeigen ihr ganzes Können: von gesellschaftspolitischer Reflexion bis zur vergnügten Kurzweil. 

Dieses sehr gute, in vielerlei Hinsicht feinfühlige und abwechslungsreiche Album startet entspannt mit ein wenig gut gelauntem Selbstbetrug. Auf Als Ob beweist Dota, dass sie eine aufmerksame Chronistin der Zeit ist. Bademeister*in ist der Soundtrack für die Freibadsaison, feine Kurzweil und eine schöne, sich reimende Kurzgeschichte mit einem herrlich egalen Inhalt, aber sehr gelungener Unterhaltung. Liebeslieder kann sie auch. Aber nicht die Leichten, Verliebten. Sondern die Harten. Besser Als Nichts ist so eins, wunderschön und mit gebrochenem Herzen und purer Sehnsucht im Refrain, der unglaublich ehrlich und direkt ist: Das nicht zu Erreichende oder nicht in Erfüllung Gegangene... das schmerzt!
Eine gute Freundin meint: Sie sei genervt von Dota. Ab und an kann ich es auch total nachvollziehen. Ich Bin Leider Schuld ist sicher genau der Track, der diesen Eindruck untermalt. Ich bin mir unsicher: Ist es ein kluger, die Perspektive wechselnde Song, der den Einzelnen im großen kapitalistischen System sieht, oder nervt diese Art der Kritik ein bisschen oder zeigt sie uns links-grün versifften Vegetariern, die in den Urlaub fliegen, nur den Spiegel vor?! Hm.
Die Probleme der einzelnen Menschen und der ganzen Welt. Die sieht Dota. Und sie hat auch eine Lösung parat: Galaktika rufen! Die Figur aus Hallo Spencer muss es hier einfach richten, wir haben es ja bemerkenswert gut nicht hinbekommen. Und der Wunsch ist so klar: Statt auf CO2-Fußabdruck, Nutri-Score oder das Lieferkettengesetz zu achten, möchte man nur eine kleine Fee, die das alles mal schnell löst. Dass Francesco Wilking auf dem titelgebenden Track mitsingt ist nebenbei gesagt kaum zu hören.

Sommer für Sommer ist ein entspannter Feelgood-Track für die warmen Tage. Und auf Ich Hasse Es bricht sie aus dem entspannten Bandsound aus, dreht die Synthies auf und es bleibt harmonisch: Sehr gut! Bevor mit den letzten drei Stücken Melancholie in die tolle Platte einzieht, ist Fotosynthese das Lied, das wunderbar hängen bleibt. So süß, gaga und wunderschön ist es! Ihre Ideen, der Welt zu entfliehen, sind niedlich, einfallsreich und unglaublich sympathisch.

Ja, ich hatte etwas Angst, dass dies ein sehr ernstes, moralisierendes Album wird. Doch weit gefehlt! Hier zeigt eine Musikerin, wie kreativ sie mit Sprache umgehen kann. Sie schreibt kluge, unterhaltsame, phantasievolle Texte, packt sie in unaufgeregte Musik und lässt somit ein herrliches Album gedeihen!

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