Quelle: Leiter Verlag |
Ja, Konzertfilme sind eine irgendwie eigenartige Angelegenheit. Ehrlich gesagt muss ich gestehen, dass ich mir auch abends nicht eine Musik-DVD oder eine Aufzeichnung bei arte, YouTube oder sonstwo anschaue und dabei ein paar Chips futter und Bier genieße. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr und im Frühsommer habe ich dann jedoch mir ein paar Streaming-Konzerte angesehen. Doch da herrscht ein bedeutender Unterschied. Immerhin waren die wirklich live, man konnte mit den KünstlerInnen interagieren und es war alles herrlich improvisiert. Ein Musikfilm ist ja eine breit geplante und sehr professionell produzierte Sache. Da wird ja nichts dem Zufall überlassen. Die MusikerInnen zeigen sich von ihrer besten Seite. Da ist alles durchdacht. Von der Kleidung bis zur genauen Gestaltung der Bühne. Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. Durch diese krasse Inszenierung verliert in meinen Augen eine Liveaufnahme irgendwie ihren Reiz. Anders als beim Live-Album, wo ich ja auch hin- und herskippen kann. Das macht man ja bei einem Videomitschnitt nicht zwingend.
Daher: Konzertfilme sind irgendwie eine eigenartige Angelegenheit.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Und um die soll es hier gehen. Der Berliner Pianist und Tüftler Nils Frahm veröffentlicht am 3. Dezember (diesen Donnerstag!) den Film Tipping With Nils Frahm. Und das lohnt sich wirklich. Nicht nur zum einmaligen Gucken, sondern zum mehrmaligen Genießen. Auf dem Gebiet der Neo Klassik, Minimalelektronik und Ambientmusik und was da alles zugehört, ist Nils Frahm einer der Größten. Er ist nicht nur enorm kreativ und innovativ in seinem Tun, sondern auch richtig erfolgreich. Zu seinem letzten Album All Melody hat er anschließend international 180 Konzerte gespielt, die allesamt ausverkauft waren. Er bespielte Festivals und die großen Konzertsäle in Hamburg, Sydney, New York und London. Das Konzert, das nun zu sehen ist, wurde im Funkhaus Berlin aufgenommen.
So ein Heimspiel ist natürlich eine Besonderheit, die außerhalb der eigentlichen Musik strahlt. Tatsächlich geht der Film auch normale eineinhalb Stunden, damit ist er abendfüllend. Im Vordergrund des Films steht komischerweise auch nicht mal unbedingt die Musik. Es ist der Rahmen und der Prozess ihrer unmittelbaren Entstehung, der man hier sehr genau zusehen kann.
Der Rahmen ist schon beeindruckend genug. Denn Nils Frahm sitzt in Mitten des Funkhauses, genau zwischen all den aufmerksamen ZuhörerInnen, die - man muss es leider sagen - zum Großteil schlimm hip ausschauen, aber egal. Das heißt, dass nicht nur die BesucherInnen des Konzerts ihn in 360° bei seiner Arbeit zuschauen konnten, sondern dass das für jedermann nun auch möglich ist. Frahm setzt sich nicht erhaben auf die Bühne, sondern kommt zu den Aufmerksamen. Das ist natürlich ein super Effekt. Insbesondere, weil seine zig Instrumente, Boxen, Klaviere, Drehknöpfe, Synthesizer genauso angerichtet sind, dass man ihn immer wieder woanders sieht. Ja, der Künstler bewegt sich ständig zwischen den Orten seines Schaffens. Muss er auch. Denn Nils Frahm arbeitet ja auch auf extreme Weise mit Loops und sich abwechselnden Schichten seiner Musik, die allesamt live eingespielt wird.
Vom Rahmen geht es nun also zum Prozess. Es macht ungeheuer viel Freude, ihm dabei über neunzig Minuten zuzusehen, wie er genau das vollbringt. Denn die Kameras zeigen das Spektakel gerne mal von weiter weg, wie er zwischen den ganzen Apparaten sitzt. Doch sie halten auch mal voll drauf. Zeigen sein Gesicht, das manchmal in der Anmut seiner eigenen Musik versinkt, sich freut, gespannt ist, schwitzt. Und dann immer wieder die Schwenks auf seine Finger, die Knöpfe, Tasten, Instrumente, die er nacheinander spielt, bedient, zum klingen bringt. Wie einzelne Lieder oder ihre Parts ganz leise und zart sind und er ab und an daraus eine satte Elektronummer voller Bass und Tanzgefühl zaubert.
Tipping With Nils Frahm erscheint am 3. Dezember als digitales Album und gleichzeitig auf der Seite von MUBI der Film dazu. Am 29. Januar ist dann die dazugehörige CD und Doppel-LP erhältlich. Allein aufgrund des schönen, bezaubernden Spektakels, das zwischen leise, laut, intensiv und andächtig oszilliert, ist der Film hier natürlich genießenswerter, wobei selbstredend ein Nils Frahm-Album immer herausragend ist!
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