(sb/ms) Wie geht es nun weiter mit der guten, alten Veranstaltungsbranche? Unter der Woche haben sie auf der Wiese vor dem Reichstag demonstriert, doch ob da wirklich zügig was passiert... ich bezweifle es. Vielleicht fehlt es ihr an schmieriger Lobbyarbeit. Wer weiß?!
Zum Einen hängen da natürlich Existenzen dran. Und das sind nicht nur die Clubbetreiber. Es sind auch die Bühnenarbeiter, Gerüstbauer. Die Studierenden, die dort aushelfen und sich ihr Studium finanzieren. Es sind auch Gastronomen, die oft daran angeschlossen sind. Es ist enorm viel Herzblut und Aufopferung, denn viele dieser Menschen sind selbstständig; da bleibt vom hart erarbeiteten Lohn oft eh nicht so viel übrig. Zum Anderen gibt es einen noch viel krasseren Nebeneffekt. Und der liegt bei den Besuchern. Beziehungsweise jetzt nicht-Besuchern. Denn die Zeit, die sie auf einem Konzert, einer Lesung, im Theater, bei jeglicher Form von Kunst auf der Bühne, verbringen, ist wertvoller Treibstoff für den Motor des Menschen. Der Alltag ist oft anstrengend, die Arbeit zwar super, aber auch irre kräftezehrend. Da ist für mich persönlich der Besuch eines Konzerts eine wahre Wonne. Selbst wenn dann unter der Woche die Nacht mal kurz ist, weiß ich immer, dass es sich gelohnt hat, denn das Grinsen im Gesicht und die schiere Glücklichkeit im Herzen... das ist nicht zu subventionieren. Das kann man nur erleben. Bis dahin müssen wir noch ausharren. Stark sein.
Hier ist die luserlounge. Es ist Freitag. Wir haben selektiert. Musik. So sieht es aus. Voilà:
Dexter
(ms) Er ist der Typ, auf den Fatoni immer ein wenig neidisch ist. Er ist der Typ, mit dem Fatoni auf jeden Fall sofort tauschen würde. Er trägt die Haare nice und die Socken fly. Er ist nicht nur Gold, er ist sogar Platin - hat für Cro und Casper produziert. Für Toni ja sowieso. Ist ja klar, um wen es geht: Dexter! Die Vorfreude auf sein zweites Solo-Album Yung Bommer (VÖ: 13. November) ist natürlich aus sich heraus groß, weil er halt ein irrer Beatbastler ist. Doch das ganze wird noch erstaunlicher: Dexter, der Produzent ist 'nebenbei' noch Kinderarzt in der Notaufnahme. Beziehungsweise: war. Denn er hat jetzt seinen Beruf an den Nagel gehängt, um mit Mitte dreißig doch noch voll im Musikbusiness zu interagieren. Verrückt, aber geil. Das Gute daran: Den ganzen Wannabe-Cloud-Typies kann er gut etwas entgegen setzen. Während sie über Schuhe oder Shisha schwadronieren, berichtet er halt von seinem Beruf oder den Aufgaben als Papa. So auf Gold! Die erste Vorankündigung kommt nicht nur mit einem satten Bass daher, sondern auch mit ganz feiner Ironie. So wollen wir das. So klingt das:
Gregor McEwan (ms)Das Wort billig hat ja halt immer einen negativen Touch. Das muss nicht sein. Billig kann auch nahe liegend oder einfach bedeuten. Ein billiges Thema für einen Song ist beispielsweise eine Jahreszeit. Kann halt gut oder schlecht ausgefüllt werden. Im Sommer wird es immer ganz schnell billig. Und jetzt wird es gut billig, nahe liegend, schön, wohlig. Denn der Herbst hat mehr als Einzug erhalten. Und hier in Norddeutschland ist es morgens, mittags, nachmittags, immer zu spüren. Und wie herrlich ist das denn bitte? Pulliwetter, Teewetter. Auch Kuschelwetter, das ist ja klar. Deckenwetter. Auch ein bisschen Wehmutswetter. Ja, im Herbst wird man auch mal schnell melancholisch, sehnsüchtig. Und dieser wundervollen Jahreszeit voller schönen Gefühlen, denen man sich ohne Kitsch hingeben kann, hat Gregor McEwan eine wundervolle Hymne geschrieben mit dem einleuchtenden Titel Autumn Falls, die man ab heute überall hören kann. Nach Halloween Costume ist es die nächste Auskopplung der gleichnamigen EP (VÖ: 16. Oktober, also noch herbstlicher). Mit Herz und handwerklichem Geschick nimmt er sich dieser Aufgabe an und brilliert. Im Track wird es nie überbordend, kitschig. Und das trotz Folk-Instrumentierung aka Akustikgitarre, Streicher und inbrünstigem Gesang. Nein, hier stimmt alles. Hier kann man sich dem Herbstschmerz gut hingeben und wird sanft aufgefangen von diesen Tönen. Das i-Tüpfelchen dazu ist das atmosphärische Video zu dem man einfach ein bisschen träumen kann. Also: machen Sie es sich bequem und genießen Sie!
Madsen (ms) Manchmal ist man ja schon froh, wenn man einfach irre viel zu tun hat und einigermaßen hinbekommt, sich abends etwas zu essen zu machen und ab und an den Abwasch. Denn was so los ist, ist ja mehr als verrückt. Belarus dreht frei. Russische Oppositionelle werden erneut vergiftet. Assange wird womöglich eingekerkert und keine Regierung tut etwas. Idioten demonstrieren dafür, krank werden zu dürfen. "Na Gut Dann Nicht, Dann Ohne Mich." Dass man diesen ganzen Quatsch nicht mitmachen muss, ist ja klar. Doch die wichtigste Aussage, die zu diesem neuen Madsen-Zitat gehört, ist, dass man eine Stimme hat und sie nutzen muss. Andere Narrative. Gegenargumente. Ich habe eine Wahl. Das ist wirklich wichtig. Man kann sich entscheiden. Oft muss man sich sogar entscheiden. So klingen Madsen 2020. Politischer. Energischer. Ja, auch wütender. Nach Aktionismus. Den umgibt das Wendländer Quartett ja ohnehin. Doch er zieht nun noch stärker in ihre Texte ein. Und davon kann man sich glücklicherweise am 9. Oktober überzeugen, wenn ihr neues Album - gleichnamig der Single - erscheinen wird. Was vor fünfzehn Jahren wild und laut begonnen hat und zwischenzeitlich ein wenig poppiger wurde, kommt nun back to the roots. Das knallt. Das macht richtig Spaß. Da freue ich mich schon unbändig auf den kommenden Moshpit, wenn das denn irgendwann wieder möglich sein wird. Madsen 2020. Ganz ehrlich: Hätte ich nicht gedacht. Supergut!
Kafvka
(sb) Manchmal reicht es, die Lyrics für sich selbst sprechen zu lassen. So auch bei Skip 2020 von Kafvka. Und das geht so:
Keine Tour. Keine Shows. Kein Ekstase. Kein Applaus. Keine Fans. Luxusproblematik. Kein
Hotel. Keine Party.
Kein Festival Feel. Nur ein Assoziationskettenrap zuviel.
Covid-19. Grenzen dicht. Trottel gegen Maskenpflicht. Adolf Hildmann. Vollidiot. Kitas zu.
Affe tot. Klatschen statt gut bezahlen. Massentierhaltungswahn. Tönnies, halt die Fresse bitte
- verreck an Schweinerippchen.
Mittelfinger hoch für dieses Jahr, dieses Jahr. Wir skippen als wär alles nich schon immer
mies am Arsch...
Skip 2020
Hanau. Trauer. Nazimorde. Rechter Terror. Punkt.
Stammbaumcheck für alle ohne NS-Hintergrund.
Bullen rechts. Bundis rechts. Alle rechts wenn keiner guckt. Neonazi inspiriertes Wording:
Heimatschutz.
George Floyd. BLM. Einer von unzähligen
Morden, die Teil der rassistischen Systeme sind.
Tut nich so als wenn etwas davon Zufall wäre.
Hengameh, True say: All cops are berufsunfähig!
Mittelfinger hoch für dieses Jahr, dieses Jahr. Wir skippen das und hoffen es wird nie
mehr wie es war!
Skip 2020
Zweite Welle. Wunderbar. Deutsche wollen shoppen ohne Maske und in Urlaub fahren.
Apropos Fauxpas: Kein Kohle da für Moria.
Abschiebe-Lufthansa kriegt n paar Millionen, klar.
Leiharbeit, Billiglohn
Wirecard, Amthor
Jeder von euch Thugs ist ein ehrenloser Hundesohn.
Und die personifizierte Antwort auf die Frage: warum heißt der Lobbyismus hier nich einfach
Korruption?
Mittelfinger hoch für dieses Jahr, dieses Jahr.
Florian Franke
(sb) Rosa Elefanten (VÖ: 18.09.) klingt ja erstmal nicht so cool. Dann doch lieber Grüne Papageien, wie Maxim sie aktuell besingt, oder? Aber halt, nicht so schnell, denn Florian Franke ist trotz mäßiger Bekanntheit durchaus ein musikalisches Schwergewicht und hat sich auf seinem neuen Album beschwingt zwischen Jazz und Bosse eingegroovt. Klar, da sind ein paar Tracks dabei, die mir tatsächlich so gar nix geben, im Großen und Ganzen haben mich die Arrangements und die jederzeit hörbare Liebe zur Musik doch neugierig gemacht und am Ende auch überzeugt. Der Mann liebt und lebt Musik und das ist nicht nur aller Ehren wert, sondern gehört unterstützt, auch wenn sein Sound nicht unbedingt ins eigentliche Raster der luserlounge fällt. Die Popakademie Mannheim lässt grüßen!
Nils Wülker
(ms) Seit einigen Monaten sind meine Kopfhörer kaputt und ich bräuchte dringend mal wieder neue. Denn in meinen Augen gibt es zwei wesentliche Vorteile. 1. Unterwegs qualitativ befriedigend Musik hören zu können. 2. Sich von der Welt abschotten. Dass das auch ohne geht, beweist ein weiteres Mal Nils Wülker. Heute (!) erscheint sein neues Album, das auf den schlichten Titel GO hört. Was wiederum nach ON mehr als nachvollziehbar ist. Doch schlicht war Wülker noch nie im Klang. Nicht umsonst ist er einer der angesehensten Jazz-Trompeter hierzulande. Was mir dabei umso mehr gefällt, ist, dass es nie in den fürs Ohr schnell mal belastenden Free oder Modern Jazz geht. Bei Wülker hat alles eher eine poppige Note. Das ist auch auf dem neuen Werk zu hören. Wo ON noch beinahe konservativ war in der Instrumentierung, experimentiert er nun mehr mit elektronischen Klängen. Aber natürlich nicht bei seinem eigenen Instrument. Das bedient er weiterhin äußerst leichtfüßig. Die ein oder anderen Synthie-Klänge schieben sich in den Hintergrund und geben der Platte einen durchaus frischen Hauch. Nils Wülker macht wunderbaren Easy Listening. Eine Musikrichtung für die ich mich sehr gerne einsetze, weil es sicher alles andere als beliebig und plump ist, solch beschwingt wirkende Musik zu kreieren. Also: GO!
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