Donnerstag, 23. April 2020

Dino Paris & Der Chor der Finsternis - Alles Wird Ganz Schlimm

Cover zum Knalleralbum!
(ms) Bevor hier Alles Wird Ganz Schlimm von Dino Paris & Der Chor Der Finsternis zurecht abgefeiert wird, weil schräg, lustig, verschwurbelt und irgendwie innovativ, muss ausgeholt werden.
Denn Dino Paris, der mit bürgerlichem Namen Jan Preißler heißt, hatte ursprünglich mal vor vermehrt Kinderlieder zu schreiben, da er von ihrer melodiösen Einfachheit und ihrem Zauber begeistert ist. Als Pädagoge total nachvollziehbar.
Teils ist das in betörend guter Form auch auf dem Album zu hören. Doch: Seit vielen, vielen Jahren wird in regelmäßigen Abständen eine Reihe unter dem Namen Unter Meinem Bett veröffentlicht. Dazu haben die unterschiedlichsten auch von uns sehr bewunderten Künstler und Musikerinnen Kinderlieder beigesteuert (so Enno Bunger, Bernd Begemann, Olli Schulz, PeterLicht oder Kevin Hamann). Dazu veranstalten sie dann in wechselnder Besetzung auch Konzerte, die natürlich auf die Kinder ausgerichtet sind. Aber Hand auf's Herz. Das ist eine Reihe und das sind Gigs, die ausschließlich für die Erwachsenen da sind. Die finden die Idee irgendwie progressiv, toll, hip, doch sie drehen sich nur im Kreis. Man feiert sich selbst ab, dass man das neue Kinderschlaflied halt auch privat hört. Es sind Lieder und Ideen, mit denen Kettcar in Die Straßen Unseres Viertels so herrlich abrechnen. Logischerweise traten sie auch auf dem A Summer's Tale Festival auf; dem Treffpunkt für die sehr gut verdienenden, junggebliebenen Akademiker, die Streetfood abfeiern und die eigenen in vegane Modemarken gehüllte Kinder mitbringen.
So. Sorry für die kleine Hasstriade. Aber musste sein.

Zurück zu Dino Paris. Er hat alles richtig gemacht. Outfit und Name machen schnell klar, dass er aus dem Käpt'n Peng-Universum kommt. Ja, er ist Teil von Vögel Die Erde Essen und der Künstlername stammt von einem ehemaligen Weggefährten, der meinte: Wenn Du ein Schlagerstar wärst, ist das dein Name. Starke Idee.
Morgen veröffentlicht er bei Kreismusik (Pengs Heimat) seinen Erstling. Es sind 11 Tracks, die irre, unterhaltsam und unheimlich groovy sind.



Schauen wir uns das mal von Nahem an! Die Leitlinie von Preißler: "Alles ist immer noch merkwürdiger, als ich es mir vorstellen kann." Im Sinne von: Es gibt nichts, dass es nicht gibt. Warum das nicht mal etwas überspitzt in Musik transformieren?! Gedacht - getan. Das Ergebnis ist ungeheuer gut und kurzweilig geworden. Aus dem Schmunzeln kommt man eh nicht mehr heraus. Und das auf mehreren Ebenen.
Beispielsweise gleich zu Beginn. Nachtrag ist ein Sammelsurium aus echten Grabsteininschriften. Dazu lässiger Gitarren-Indie-Sound, sehr locker, schön eingängig. Doch da macht sich schon irgendwas in seiner Stimme bemerkbar, dass die permanente Doppelbödigkeit untermauert. Ist es latente Selbstironie oder Unglaube, dass sich wer solch Sprüche als Andenken hat einmeißeln lassen?! Wer weiß...
Dino Paris schwenkt auch zu sarkastischer Gesellschaftskritik. In Softeis feiert er die großartigen Vorzüge des Klimawandels ab: Wir brauche keine Waffen mehr / Nur noch Wasserpistolen. Deutlich zu hören ist, wie gerne er mit dem Klang experimentiert. Die meisten Instrumente hat er selbst eingespielt und gerne auch Küchenutensilien genutzt (Shaban lässt grüßen). Auch für Autotune im Hintergrund ist er sich nicht zu schade. SUV ist ein thematisch ähnlicher Song, ein sexy Liebeslied, das sicher bald bei extra3 läuft!
Klang und Bild kommen beim Albumtitel gebenden Track am besten durch (unbedingt Video oben anschauen und genießen). Selten habe ich einen so heiter-beschwingten deprimierten Track gehört; zudem im Gewand vom 20/30er Chanson. Das wird sicher bald von Max Raabe gecovert! Große Klasse! Genauso wie Dialektisch. In diesen Liedern zeigt Dino Paris sein ganzes Können. Musikalisch und insbesondere textlich. Bei diesem Lied will man gar nicht spoilern. Das ist so klug, catchy, schräg und Banane zugleich und in einem bestechend prophetischen Klang gehüllt. Alles hat mindestens einen zweiten Sinn, sing er. So wahr, so pur, so schön.
Ja, die aktuelle Zeit lässt vorher geschriebene, anders intendierte Lieder neu mit Sinn befüllen. Der Song heißt Viren. Ja. Ist so. Neben dem inhaltlichen Aspekt, fragt man sich schon, zu welchem Genre man das denn irgendwie schieben soll?! Ganz ehrlich - das ist doch komplett egal. Hier ist so viel Kreativität mit musikalischem Witz gepaart, da braucht es kein Label für.

Auch die anderen Lieder lohnt es zu entdecken. Beim ersten Hören kommt das alles gar nicht zu Geltung. Dabei ist Alles Wird Ganz Schlimm nicht sperrig, verkopft, pseudointellektuell. Es ist einfach nur brilliant. Punkt. Empfehlung. Ganz große!

Hoffen wir, dass man das bald live erleben kann, bislang steht Folgendes fest:
26.11. Hamburg - Goldener Salon/Hafenklang
- weitere Daten im Herbst/Winter in Vorbereitung -

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