Montag, 3. Februar 2020

Live in Bremen und Lübeck: Kettcar!

So ging das in Bremen. Foto: luserlounge
(ms) Die Frage wurde mir häufiger gestellt: "Warum gehst du an zwei aufeinander folgenden Tagen zu Konzerten der gleichen Band? Ist das nicht zwei Mal genau das Gleiche?"
Ja, war es. Dennoch versuche ich nun, diese Frage zu beantworten.

Wie schon im letzten Beitrag auf dieser Seite erwähnt, befand sich die Hamburger Gruppe Kettcar in den letzten Tagen auf Tour. Die letzten Konzerte vor einer längeren Pause. Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, Marcus, Reimer, Lars, Erik und Christian lösen diese Institution nicht auf! Haben in den letzten Jahren auch immer wieder betont, dass sie ihre Songs so lange weiter spielen, wie es geht. Die große Zwischen Den Runden-Krise ist bekanntlich sehr gut überwunden worden. Der Hintergedanke: Wenn die Band sich jetzt direkt wieder ins Studio beginnt, können sie unmöglich ein Album produzieren, das annährend an Ich vs. Wir herankommt. Und das ist ein kluger Gedanke, hier muss nichts verwertet werden bis zum endgültigen Ausverkauf.

Kettcar ist und bleibt die Band, die mich am stärksten persönlich anspricht, mit der Haltung, die sie vermittelt, mit den Liebesliedern, den Politischen, den aus dem Leben Gegriffenen. Und mit der irren Sympathie, die die fünf Herren auf der Bühne versprühen. 2007, also vor dreizehn Jahren (ich war gerade noch 16) sah ich sie in Münster zum ersten Mal. Es war ein Türöffner. Relativ schnell hat mich diese Band aus der oberflächlichen in die tiefgehende Musikkultur katapultiert (dem Alter zu schulden). Es hat nicht nachgelassen, im Gegenteil. Es wurde eine große, stabile Verbindung. Logisch, sie ist einseitig, aber das ist mir egal. Ja, ein Kettcar-Konzert wirkt auf mich wie eine Droge (Abhängigkeit) und wie das regelmäßige Aufeinandertreffen mit alten Bekannten. Nun folgten am vergangenen Wochenende Konzerte Nummer 28 und 29. Für das endgültige Jubiläum muss auch ich mich ein wenig gedulden.

Kapitel 1, Bremen, 31.01.2020:
Arm, aber sexy. Das ist Bremen. Eine wirklich schöne Stadt, wenn man im Inneren bleibt. Die Wohnbezirke drum herum - gelinde gesagt - eher praktisch veranlagt. Egal. Freitagabend, dunkel, durstig. Und Haake-Beck ist immer noch die bessere Variante. Ab zum Pier 2 weit außerhalb Richtung Industriehafen. Nebenan ein riesiger Shoppingklotz, doch das Venue ist sympathisch, vielleicht ein Tick zu sehr auf modern getrimmt.
Enorme Vorfreude auf die Vorband, denn Niels Frevert habe ich tatsächlich noch nie live gesehen und verehre das aktuelle Album Putzlicht ganz stark. Großartiges Songwriting! Ein bisschen schüchtern, ein bisschen unsicher betrat die Band die Bühne und legte dann ein tolles Set hin gespickt mit den neuen Hits (Leguane, Wind in deinem Haar) und alten Perlen (Ich würde dir helfen eine Leiche zu verscharren...). Als Support ist Niels Frevert viele Jahre nicht aufgetreten. Ausgerechnet Kettcar war die Band, die ihn zuletzt eingeladen hat; long time ago...
Kurze Umbaupause, neues Erfrischungsgetränk in der Hand und dann überrascht empfangen worden. In all meinen Kettcar-Jahren kann ich mich nicht daran erinnern, dass sie mal mit Volle Distanz begonnen haben. Schöne Abwechslung! Und dann: Abfahrt. Es war das Best Of, das auch auf der aktuellen Live-Platte zu hören ist! Die richtige, dem Anlass würdige Unterstützung lieferten die drei Bläser, die einigen Songs (u.a. auch Deiche zum Ende hin) noch mehr Drive hinzugefügt haben. Klares Highlight natürlich Sommer '89 aber auch schön, dass sie Nur einmal rächen vom Wiebusch-Soloalbum gespielt haben (Stichwort: Bläser). Als Rausschmeißer nach gut zwei Stunden Konzert natürlich Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt, alles andere wäre Wahnsinn. Doch was war komisch an diesem Abend? Das Publikum war sehr verhalten. Es wurde zwar kräftig mitgesungen, doch Bewegung oder frenetische Hinwendung... keine Spur. Lag es am Wochentag (Stichwort: Erschöpfung nach der Woche) oder am Bier? Keine Ahnung. Nichtsdestotrotz gingen wir glücklich nach Hause. Denn es folgte Streich Nummer 2: ...

Kapitel 2: Lübeck, 01.02.2020:
Funktionale Halle, super Stimmung. Foto: luserlounge
... und die Stimmung in Lübeck am Tag danach in der Musik- und Kongresshalle war um Einiges besser. Und es lag definitiv nicht am Bier, gab nur schäbiges Jever. Woran lag es sonst? Am Set wohl kaum, Kettcar und Niels Frevert haben die gleichen Songs in so gut wie der selben Reihenfolge gespielt. Selbst die Ansagen waren gleich (kein Vorwurf, hätte ich als Band sicher genauso gemacht).
Waren es die angeheiterten Hamburger, die mit dem GHvC-Bus und Grillmaster Flash angereist kamen? Wetter scheint kein Grund gewesen zu sein: fieser Nieselregen. Auch der Ort nicht; die MuK eine üble Funktionshalle ohne Charme. Doch die Menschen vor Ort gingen viel mehr ab, ließen ihre Emotionen viel freier heraus: Leute auf Schultern, tanzende Mitsinger; es war viel runder, es harmonierte viel besser. Man steckt da auch nicht drin, was dann schlussendlich der Auslöser ist, dass es in HB anders läuft als in HL. Vielleicht war es auch die Band, denen dann möglicherweise erst bewusst wurde, dass das nun wirklich auf längere Sicht der letzte Gig war. Sie haben sich in jedem Fall nicht lumpen lassen und am Ende ordentlich Konfetti in die Luft gejagt (so etwas wäre sonst höchstgradig untypisch für Kettcar).
Auch Reimer stand am Ende länger auf der Bühne als der Rest, bedankte sich aus tiefstem Herzen für den spitzenmäßigen Abend und betonte zurecht, dass es ja nicht der Ort sei, der so einen Auftritt speziell mache, sondern zu 99% die Menschen. Recht hat er.

Kettcar. Habt eine wunderbare Pause, nehmt Abstand von den drei irren Ich vs. Wir-Jahren und kommt stärker zurück als je zuvor! Ich bin in jedem Fall dabei. Vielen, vielen Dank!

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