Sonntag, 18. August 2019

Über Konzerte in der Provinz

Russkaja in Rotenburg, Niedersachsen. Foto: luserlounge
(ms) Wir stehen leidenschaftlich vor den Bühnen dieser Republik, das ist einer der Gründe, warum wir diesen kleinen Blog betreiben. Festivals und Konzerte sind mehr als nur die Musik endlich live zu hören, die daheim hoch und runter läuft. Es ist auch: über einen längeren Zeitraum die Entwicklung einer Band verfolgen, schauen wie sich die Lieder live verändern, welche aus den Playlists geworfen und welche neu aufgenommen werden. Auch die Frage, wie Gruppen in unterschiedlichen Städten spielen, ihre Ansagen variieren, die Atmosphäre auf und vor der Bühne ist. Dazu kommt noch ein entscheidender Faktor: Emotion. Zum Einen ist es die Dynamik, die zwischen Musikern und Besuchern entsteht. Zum Anderen das persönliche Ergriffensein, wenn die Texte, die Situation, die Energie durch die Musik einen zum Staunen, Weinen, Ausrasten, Genießen bringt. Irre.
Je nach dem, wen man sich anschaut - Stichwort Größenordnung, Bekanntheitsgrad, Logistik -, passiert das häufig in größeren Städten, deren Clubs die Erfahrung und Infrastruktur mitbringen und wo sich die Booker sicher sein können, dass die Leute zahlen und kommen.
In vielen Fällen fahren wir dafür durch die Gegend, um eben genau an diese Orte zu kommen.

Doch wie ist es, wenn ein Event in der Nachbarschaft, in der Provinz stattfindet?
In die Klein- und Mittelstädte verirren sich Bands mittlerer Bekanntheit so gut wie nie (selbst in den kleinen Großstädten - Gütersloh, Bremerhaven, Koblenz oder Heilbronn - verirren sich Bands, über die wir berichten, selten). Wie bekommt man sie dennoch dorthin und was bedeutet es für die Menschen, die dort wohnen?
Ein Grund für einen Gig in der Provinz sind Solidaritätsveranstaltungen; beispielsweise für Jugendzentren. Oder es sind Stadtfeste, die Bewegung in die verschlafenen Gegenden bringen.
Beispiel: Das Fest laut & draußen in Rotenburg, Niedersachsen, das vergangenen Freitag stattfand. Organisiert wird es von den Rotenburger Werken, eine Einrichtung für Menschen mit speziellen Bedarfen. Die Organisatoren haben die Bands Bitte Lächeln, Doctor Krapula, Stoppok und Russkaja an die Wümme geholt. Und die Innenstadt ist richtig voll gewesen, ein lauer Sommerabend und stabile Wetterverhältnisse haben die Menschen raus getrieben. Die Wartezeit am gut organisierten Getränkestand war ein weiterer Indikator, dass viel los ist. Insbesondere eine Band wie Russkaja ist für solche Veranstaltungen bestens geeignet. Nicht falsch verstehen: Man muss ihre Musik nicht kennen, um schnell viel Spaß zu haben. Der Mix aus Polka, Ska und Gitarrenrock und Bläsersound ist ansteckend. Zudem versteht Sänger Makazaria es ideal, wie man die Leute animiert. Die sonst so nervigen Festivalspielchen sind hier genau das richtige Mittel und dann nerven sie auch nicht mehr.

Meine Vermutung ist, dass die Leute nicht dort hin gegangen sind, um gezielt Russkaja oder eine der anderen Gruppen zu sehen. Sondern weil es halt die einzige Veranstaltung am Freitagabend war. Und dann noch so eine gute!
Solche Gigs in der Provinz sind wichtig für die Menschen vor Ort: sie bekommen etwas Tolles geboten; gewöhnlich - wie auch hier - umsonst. Aber sicher ist es auch toll für die Bands, mal nicht vor den immer gleichen Publikumsstrukturen zu spielen.

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