Donnerstag, 14. März 2019

Amanda Palmer - There Will Be No Intermission

Cover des neuen Albums.
(ms) Es ist ja auch immer eine Frage, wann und wie man mit einem Künstler in Berührung kommt. In diesem Fall mit einer Künstlerin und es ist niemand geringeres als Amanda Palmer. Vor zwei Jahren sah ich sie mehr oder zufällig zusammen mit Edward Ka-Spel beim von mir heiß geliebten und immer wieder wärmstens empfohlenen Traumzeit Festival im Duisburger Landschaftspark. Zugegebenermaßen kannte ich sie vorher kaum. Dass der maßgebliche Teil der Dresden Dolls gewesen ist, war mir bei dem Auftritt auch nicht klar. Ja, schlauer ist man immer hinterher.
Nun betrat diese Frau in einem irren Kleid zusammen mit Ka-Spel und einem Violinisten die Bühne und machte schier unglaubliche Musik: Drama, Komödie, Epos. Breit, nah, unter die Haut gehend. Intensiv, echt, direkt. Dass sie, dem Outfit des Publikums zufolge, in der Gothik-Szene beliebt ist, wurde mir durch die Musik jedoch irgendwie nicht klar. Sei's drum...
Danach sog ich schnell ihre Musik auf, las einige ihrer Statements und sah eine Frau, der es ernst ist mit ihrer Kunst. Klar wurde mir auch schnell, dass sie auf kluge und gewollte Art und Weise ihre Popularität nutzt, um richtige feministische Thesen und Standpunkte in Umlauf zu bringen. Spätestens als sie letztes Jahr den Song Mr Weinstein Will See You Know mit Jasmine Power veröffentlicht hat, überzeugte sich mich zu mehr als hundert Prozent. Was für ein Stück, pure Gänsehaut!



Letzte Woche erschien nun ihr neues Album There Will Be No Intermission und das natürlich auch passend am Weltfrauentag! Hier ein paar Eckdaten: Die Platte wurde mit Hilfe von 12.000 Crowdfundern finanziert. Es ist ihr erstes Soloalbum seit sieben Jahren. 20 Stücke fließen auf über einer Stunde durch die Boxen. Davon sind sieben Snippets, kurze Einspieler von unter einer Minute, die die musikalischen Themen der Platte immer wieder aufnehmen und ihnen Platz bieten. Andere Lieder gehen über acht oder zehn Minuten lang. Es gibt also Verschnaufpausen, aber auch einige Titel, die es mehr als in sich haben.
Denn die neue Scheibe ist höchstgradig persönlich. Sie verarbeitet Schicksalsschläge, Trauerfälle, Verluste. Sie nutzt ihre Lieder zur Eigentherapie. Auch wenn ich zugegebenermaßen bei englischsprachigen Texten nicht immer soo sehr zuhöre, geht hier kein Weg daran vorbei.
Voicemail For Jill entstand aus der Erfahrung in der Arbeit als Vertrauensperson, wenn Frauen, Männer und Paare über eine Abtreibung nachdenken. Palmer selbst hat drei Mal abgetrieben. Es ist die logische Singleauskopplung, aber man muss mehrmals schlucken, wenn man das hört. Hart. Doch Amanda Palmer macht halt keine Wohlfühlmusik. Auf The Things About Things singt, ja schreit sie phasenweise nur zur Ukulelenbegleitung. Das ist nicht dazu geeignet, nebenbei zu hören.

Der Klang ist generell reduzierter als bei den Dresden Dolls. Zahlreiche klassisch-musikalische Elemente machen es aber sehr reif, extrem professionell und stark. Diese Themen kehren immer wieder, manchmal innerhalb eines Liedes, doch hauptsächlich in den kleinen Einspielern. Herauszuheben ist Feeding The Dark. Es geht nur zwanzig Sekunden, ist aber das charakteristischste Thema des Albums. Hier in Orchesterformat. Gerne hätte ich das als Fünfminutenversion!



Die teils ausufernde, und anstrengende Seite der Platte macht sich auf den sehr langen Stücken bemerkbar. Das zweite Stück, The Ride, geht über zehn Minuten. Im Fokus steht das Klavier und es ist ein vorgetragenes Plädoyer oder Essay. Die minimalistische Instrumentierung erleichtert den Genuss nicht, der Chor im Hintergrund weiß jedoch aufzulockern. Man könnte daraus auch drei Lieder machen. Tut sie aber nicht. Im Film spricht man von Charakterdarstellern. Amanda Palmer wäre dann vielleicht eine Charaktermusikerin, die konsequent ihre Linie führt.
Drowning In The Sound ist der Höhepunkt von There Will Be No Intermission. Das Thema aus Feeding The Dark ist hier untergebracht und an dem Lied haben ihre Fans mitgeschrieben. Es ist ein wirklich starker, einnehmender Song eines anspruchsvollen Albums.



Seit Vexations von Get Well Soon stehe ich sehr zwiegespalten gegenüber sehr langen Alben. Meines Erachtens ist das Überschreiten einer Stunde schon grenzwertig. Gerade bei der überwiegend schmalen Instrumentierung der meisten Lieder von Amanda Palmer.
Dennoch ist es ein starkes Album, das man am Besten häppchenweise hören sollte. Sonst kann es sein, dass die melancholische, dramatische Grundstimmung überhand nimmt. Ich würde mich nicht wundern, wenn Palmer das auch wollen würde.

Glücklicherweise kommt sie dieses Jahr noch für einige Konzerte nach Deutschland.
Aus der oben genannten Erfahrung kann ich nur sagen, dass es mehr als lohnenswert ist.

06.09. Berlin - Admiralspalast
11.09. München - Kongresssaal
13.09. Offenbach - Capitol
14.09. AT- Wien - Konzerthaus
15.09. AT-Graz - Stefaniensaal
18.09. Stuttgart - Theaterhaus
19.09. Essen - Colosseum
24.09. Hamburg - Laeiszhalle
25.09. Leipzig - Haus Auensee

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