Donnerstag, 18. Oktober 2018

Live in Köln: Get Well Soon

facebook.com/youwillgetwellsoon
(ms) Okay, die Erwartungen waren riesig, sehr schwer zu erfüllen. Aus einem einfachen Grund: Get Well Soon habe ich erst vor wenigen Wochen auf dem Reeperbahn Festival im Hamburger Michel gesehen. Ein ganz tolles Venue für ein Konzert dieser (Extra-)Klasse und es hat bleibenden Eindruck hinterlassen und noch mehr Vorfreude erzeugt auf den gestrigen Abend in der Philharmonie Köln.

Genau, das ist das Gebäude, auf dessen Außenbereich hinter dem Dom man nicht gehen darf, weil das im Saal zu stark hallt. Das ist auch das Gebäude, unter dessen Bühne in zwei Meter Tiefe die U-Bahn entlang saust. Laut Medienberichten soll auch das zu spüren sein. Gestern war nichts zu erahnen. Trotz dieser kleinen Schönheitsfehler ist festzuhalten, dass die Philharmonie ein chic anzusehender Komplex ist; edel aber nicht zu elitär. Doch: warum ist die Reihe 2, so wie es auf dem Ticket steht, in Wirklichkeit die erste Reihe?! Keine Ahnung, aber immerhin saß ich vollster Überzeugung auf dem falschen Platz, um dann noch nach vorne zu rücken. Why not?!

Die erste Reihe ist bei solch einem Konzert ein ganz besonderer Ort, an dem man den Abend verbringt. Das breite Equipment lässt sich von Nahem begutachten und der Blick auf die vielen GWS-Banner hinter der Bühne oder an den Notenständern waren - auch mit unbewaffnetem Auge - großartige Details.
Schlag 20 Uhr ging das Licht aus und Sam Vance-Law hat mir seiner virtuosen Band das Kommando übernommen. Und wie! Er ist nicht nur ein alter Bekannter von Konstantin Gropper (Dear Reader, Traded Pilots), sondern auch ein erstklassiger Entertainer mit enorm viel Charme. Im Nu hat er das Publikum um den Finger gewickelt und liefert in einer halben Stunde eine feine Auswahl an Songs aus seinem Homotopia-Album: Phantastisch! Musikalisch herausragend, inhaltlich stark und unglaublich sympathisch. Klar, dass man die Platte mit nach Hause genommen hat!

Um 21 Uhr ging dann nochmal das Licht aus und die große Horror-Show hat begonnen. Konstantin Gropper spielt diese Tour nicht nur mit seiner normalen Band, die mit ihm schon zu sechst ist, sondern auch mit einer Big Band, sodass 14 Akteure ihre Instrumente bedienten. Gerne würde ich wissen, wie lange sie üben mussten, um diesen perfekten Klang hinzubekommen, es war ideal abgestimmt. Okay, der Sound in der ersten Reihe ist leider nicht so klar gewesen, aber es war okay. Das extrem aufmerksame Publikum hat das Können mit viel verdientem Applaus honoriert und auch zwischendurch gab es Standing Ovations, womit die Musiker sichtlich nicht gerechnet haben. Neben den ruhigen und mächtigen Liedern des aktuellen Horror-Albums gab es natürlich auch ein paar alte Klassiker zu hören. Die Auswahl der Stücke war sehr harmonisch und mit einigen Details geschmückt, zum Beispiel ältere Lieder in neuem Gewand. Ein sehr cleverer Einfall war zudem, zu Nightjogging einen Jogger auf die Bühne zu holen, der sehr diszipliniert die gesamte Länge des Liedes auf der Stelle gelaufen ist. Gropper kann man nicht mehr vorwerfen, dass er nicht weiß, wie er sonst die Leute unterhalten soll. Vor Jahren hat er mal gesagt, dass er sich ein Witzebuch für die Pausen zulegen sollte. Nein, braucht er nicht. Vor neuneinhalb Jahren habe ich ihn zum ersten Mal gesehen und nun lässt sich gut erahnen, was für eine irre Entwicklung er durchgemacht hat: stets musikalische Perfektion, aber viel mehr aufgetaut auf der Bühne.
Ein wahres Highlight des Abends war, dass sie zum Schluss I Sold My Hands For Food So Please Feed Me gespielt haben. Auf den vergangenen Touren ist dieses Machtwerk öfter aus der Playlist geflogen und nun in diesem wunderbaren Ambiente knallte es den Zuhörern gewaltig um die Ohren.

Was für ein herausragender Abend, es war richtig schön. Toll war es auch von ganz vorne den Musikern direkt ins Gesicht zu schauen, wenn die Lieder an Dynamik gewonnen haben. Intensive, schmerzverzerrte, aber hochzufriedene Mimiken, die schreien, genießen, spielen was das Zeug hält.
Beglückt steigt man dann auch in die Bahn und ist drei Stunden später zu Hause.
Aber okay: Im Michel war es noch ein klitzekleines Stückchen besonderer und besser. Meckern auf hohem Niveau.



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