Sonntag, 27. Mai 2018

Live: Kettcar in Flensburg

Quelle: oeamtc.at
(ms) Vielleicht ist ein unverhofft frei gewordenes Wochenende die beste Gelegenheit, wie man die Leidenschaft zur Musik und in diesem Falle zu einer speziellen Band eines Mitt-/Endzwanzigers am Beste erklären kann.
Man kennt das eventuell: Eine Veranstaltung - in diesem Fall eine freiwillige Fortbildung -, auf die man sich extrem gefreut hat, wird kurz vorher abgesagt. Der Grund: zu wenig Teilnehmer. Das ist ärgerlich und auch ein bisschen frustrierend. Die Lösung: Irgendwie die frei gewordene Zeit kompensieren. Und mit einem leichten Hang zur Livemusik, war der erste Gedanke klar. Wo spielen am Wochenende welche tollen Bands und wie kommt man da am Besten hin?
Nach kurzer Recherche stand fest: Kettcar und Torpus & The Art Directors spielen eine Clubshow in Flensburg. Ergo: Karte bestellt, Bahnticket gebucht, Unterkunft organisiert.
Wer noch nicht in Flensburg gewesen ist, dem sei gesagt, dass es eine wirklich schöne Stadt ist; nicht zu groß und nicht zu klein und mit dem wahnsinnigen Vorteil, direkt am Wasser gelegen zu sein. Nach einer Radtour über die Grenze nach Dänemark und Genuss des ansässigen Bieres - neben der großen Flens-Brauerei gibt es auch die kleine Hansen Brauerei, bei denen man nett draußen sitzen kann - ging es zum max.
Wissenswert ist möglicherweise, dass ich Kettcar in den letzten zehn Monaten nun sechs Mal gesehen habe. Und das siebte ist nicht fern. Es ist die Band für mich, die mich mit ihren Texten wohl am stärksten berührt. Es sind die großartigen Liebeslieder wie Rettung oder 48 Stunden, die politischen wie Sommer '89, Wagenburg und den Hits wie Balkon Gegenüber und Deiche. Den fünf Hamburgern gelingt es in einzigartiger Art und Weise das Wesen, das den Menschen menschlich macht, in Worte zu fassen. Die Geschichten und Gefühle, die jeder kennt. Und auch Situationen, die man eventuell selbst nicht erlebt hat, so darzustellen, als ob man mittendrin ist. Außerdem sind sie halt gute Musiker, astreine Typen und passable Entertainer.
Der Club max. (ja, klein geschrieben und mit Punkt) liegt direkt am Hafen und wenn man rein kommt, ist es Nacht. Selten in so einem extrem dunklen Laden gewesen. An den Treppen muss man vorsichtig sein, die richtige Stufe zu erwischen, doch man gewöhnt sich dran.
Nach der Frühjahrstour zum Album We Both Need To Accept That I Have Changed, die Torpus & The Art Directors noch zu fünft gespielt, war dies eines der ersten Konzerte, das sie nun zu viert bestritten haben, nachdem Melf Petersen die Band verlassen hat. Doch ihr halbstündiges Set war natürlich großartig. Die zweite Gitarre hat gefehlt, das war zu hören, einige Songs bekommen durch sie mehr Körper. Doch durch emotionale Lieder (4x7 oder Fall In Love) und extrem sympathische Ansagen wurde es gemütlich und schön.
Nun ist der Laden nicht so extrem groß, kein Platz für einen Banner oder die LED-Leinwände von Kettcar, die sie in den größeren Hallen im Frühjahr genutzt haben. Alles etwas kleiner, puristischer, näher, persönlicher. Es ging mit Trostbrücke Süd los und endete mit Den Revolver Entsichern. Dazwischen Schilderungen, wie Reimer den Vormittag an der Nicolaikirche verbracht hat (oder sich das zumindest gut ausgedacht), die Band etwas Respekt vor dem Auftritt bei Rock Am Ring hat und die Norddeutschen für ihr Norddeutschsein loben. Es ist leicht, sich bei einem Kettcar-Auftritt wohl zu fühlen, den Alltag im Besten Sinne zu vergessen und alles zuzulassen.
Deshalb lohnt sich ein 400-Kilometer-Ausflug!




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