Donnerstag, 1. März 2018

Kaufmann - König vu dr Nacht


Foto: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/
(sb) Was ist denn jetzt los? Solltet Ihr Euch beim Blick auf die Überschrift die Frage stellen, ob die luserlounge unter die Legastheniker gegangen ist oder ob die Tastatur kaputt ist - mitnichten! Vielmehr handelt es sich um Schweizerdeutsch, eine mitunter unfassbar charmante und lyrische Sprache, die in Deutschland völlig zu Unrecht und mit einer gehörigen Portion Arroganz belächelt wird. Wie dem auch sei: Schweizerdeutsch ist auch nicht gleich Schweizerdeutsch, die regionalen Unterschiede sind durchaus gravierend und ein Basler und ein Appenzeller klingen völlig unterschiedlich. Reto Kaufmann stammt aus der Hauptstadt Graubündens, Chur, und veröffentlichte am 23.02. sein Album König vu dr Nacht, auf das ich kürzlich rein zufällig stieß und seitdem bestimmt 25 mal angehört habe. Sososososo schön!
 
Ich muss gestehen, dass ich durch die räumliche Nähe zur Schweiz (ich wohne am Bodensee) und zahlreiche Freunde dort ohnehin ein Faible für Land und Leute habe und die Sprache inzwischen passiv auch recht gut beherrsche. Das hilft, wenn man Kaufmann verstehen möchte, doch auch ohne Sprachkenntnisse erkennt man, dass der Sänger sein Herz auf dem Album ausschüttet, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt das komplette Spektrum ausnutzt, dass er sich als aufmerksamer Beobachter seiner Umwelt zeigt und dass es ihm gelingt, seine Gedanken in wunderschöne und anschauliche Metaphern zu packen.
 
Anders als Faber, der sich ja mehr oder weniger dem Hochdeutschen bedient und so automatisch einen größeren Markt bedient, bleibt Kaufmann bei seiner Heimatsprache und gerade das macht König vu dr Nacht zu etwas Besonderem.  Dennoch liegt der Vergleich der beiden Musiker nahe – zumindest aus Sicht des ausländischen Bloggers: während sich der Zürcher Faber etwas experimenteller (Balkan Beat, Chanson) aufstellt, bedient sich Kaufmann eher des klassischen Pop/Rock-Sounds, dies jedoch auf eine sehr einnehmende Art und Weise, denn die Melodien sind ungemein catchy und haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Der Opener Ferngstürts Auto kommt spielerisch daher, die Liebe als Motiv wird wunderbar umgesetzt und versprüht gute Laune. Es folgt die Single Lisa – das Thema bleibt das gleiche, der Blickwinkel ändert sich aber radikal. Statt Euphorie übernimmt Melancholie das Steuer und nimmt den Hörer mit auf eine Reise zu Verzweiflung und Hoffnung. Ganz, ganz groß, lieber Reto!

Mit Ja oder nei wird’s erstmal ruhiger, bevor sich Kaufmann auf den Beobachterposten zurückzieht und eine großartige Geschichte über den Lebenskünstler Fredi erzählt. So einen kennt doch jeder, aber kaum einer schafft es, so ein bezauberndes Lied darüber zu schreiben.
 
Foto: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/
Der Titeltrack König vu dr Nacht ist eine Ode an einsame Abende und Nächte, gepaart mit der großen Lust am Leben. Passion, Gefühle, Sehnsucht – wunderbar zusammengefasst in 4 Minuten.
 
Anschließend wird’s mit Pizza und Tinder etwas schneller, bevor einen Pirat wieder erdet. Beide Songs verbindet die textliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft und doch könnten die Lieder unterschiedlicher nicht sein.
 

Es folgt Norwegischi Chroni – wow! Einfach nur wow! Dazu den ein oder anderen Drink (zu viel) und man fängt unweigerlich an zu Heulen vor Glück. Das war Liebe aufs erste Hören und für diesen Song möchte ich mich beim Künstler von ganzem Herzen bedanken.
 

Zugegebenermaßen fällt es danach echt schwer, sich auf Uf und ab zu konzentrieren, der Song ist es aber wert, denn die Metapher „das Leben ist ein Penis“ samt Erklärungen ist nicht nur amüsant, sondern beinhaltet viel Wahres, wenn man mal drüber nachdenkt. Muss man erstmal draufkommen…
 
Engel oder Tüfel  holt den Hörer dann wieder in dem Zustand ab, in dem er nach Norwegischi Chroni zurückgelassen wurde. Ein bisschen Philiosophie, die Fragen des Lebens und ganz große Gefühle. Ach, was ist das schön… 

Mit Liabi und Euphorie geht’s auf die Zielgerade, mir selber gibt der Song nicht so arg viel, aber dass dieser ebenfalls sehr hörenswerte Track für mich den Tiefpunkt des Albums darstellt, unterstreicht nur einmal mehr, wie großartig König vu dr Nacht insgesamt ist.

Dr Boda isch verstaubt beschließt die größte musikalische Überraschung seit Monaten – und da sind wir wieder bei Faber. Dessen Album Sei ein Faber im Wind traf mich damals auch völlig unvorbereitet und wurde dann zu meinem persönlichen Album des Jahres 2017. Man wird sehen, ob Kaufmann das dieses Jahr auch schafft, aktuell ist er aber gut dabei und ich würde mich sehr freuen, wenn er bald auch mal außerhalb der Schweiz auftreten würde, um seine Songs zu präsentieren.

Quelle: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/

 
 
 
 

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