(sf) Es ist zwar nicht mehr 1996 und meine Freundin bräunt sich nicht in der Südsee, aber "Jein" ist noch heute in jedermanns Ohr und Fettes Brot nicht mehr aus der deutschen Musiklandschaft wegzudenken. Selbst wenn sich der Approach der Hamburger in den letzten 20 Jahren ein wenig gewandelt hat und die Herren Lauterbach, Vandreier und Warns nun eher durch Altersweisheit glänzen, die sich dem Dissscheiß der nächsten Generation nicht unterwerfen und diesen sogar strikt ablehnen und davor warnen, sind sowohl die letzten Alben, als auch die Klassiker aus den 90er Jahren so fresh wie eh und je. Und das Schöne daran: nachdem die ersten vier Alben jahrelang vergriffen waren, sind sie nun wieder erhältlich (sogar remastered!) und glänzen durch wertvolle Bonus-Tracks aus lange vergangenen Zeiten.
Der Flashback in die 90er beginnt mit der "Mitschnacker"-EP, die dank der zusätzlichen Songs nun sogar in Albumlänge daherkommt und schon erahnen lässt, wieso die Brote in den kommenden Jahren zu den großen Protagonisten der deutschen Rap-Szene reifen sollten. Die "Definition von Fett" fängt da an, wo "Nordisch By Nature" vom Nachfolger "Auf einem Auge blöd" nahtlos ansetzt. Gute Laune-Garantie, amüsante und intelligente Reime, punktgenaue Beat-Hinterlegung, dennoch abwechslungsreiche Melodien und die drei Stimmen, die damals so neu und unverbraucht klangen und denen man noch heute den Lausbub im tiefen Inneren anhört. Überhaupt spielt der Sympathiefaktor bei Fettes Brot seit jeher eine große Rolle, denn es erscheint nahezu unmöglich, Björn Beton, Doktor Renz und König Boris nicht zu mögen, selbst wenn man mit der Musik nichts anzufangen weiß.
Foto: Christian Roth
Der endgültige Durchbruch gelingt Fettes Brot dann 1996 mit "Außen Top Hits, innen Geschmack" inklusive der bereits zitierten und omnipräsenten Hit-Single "Jein", die für mich aber nur ein Zahnrad im Wagen dieses durchgehend genialen Albums darstellt. Ich persönlich bevorzuge ja die eher subtil daherkommenden "Silberfische in meinem Bett", "Supermann & Mondgesicht" und vor allem mein FB-Favorit "Kleines Kind", das bei mir schon Mitte der 90er rauf und runter lief und mich auch jetzt wieder am meisten anspricht. Ein geiler Track ist ein geiler Track bleibt ein geiler Track - so einfach ist das!
Gerade bei diesem Album sprechen mich auch die Bonus-Lieder besonders an: zwar sind kaum Songs dabei, die ich mir nicht damals schon zugelegt hätte (B-Seiten, Remixes, Compilation-Beiträge), aber so geballt klingen diese Zugaben dann doch nochmal massiver und beweisen eindrucksvoll, wieso sich Fettes Brot sich damals diesen Ruf erarbeitet haben, der sich seitdem nicht von ungefähr manifestiert hat, da für die Hamburger ein Album eben nicht nur aus den Songs besteht, die es dann tatsächlich auf den Longplayer schaffen, sondern eben auch aus denen, die drumherum entstehen und auf andere Art und Weise Verwendung finden. Für Fans auf jeden Fall ein sehr sympathischer Ansatz.
Foto: 5Promo
Den Reigen der vier Re-Releases beschließt "Fettes Brot läßt grüßen", das 1998 als letztes Album des Jahrzehnts veröffentlicht wurde und - ähnlich wie der Vorgänger - durch namhafte Gäste glänzt: waren es auf "Außen Top Hits, innen Geschmack" noch Eißfeldt, Dendemann, Holunder (Blumentopf), Spax und der Tobi & das Bo, so sind diesmal Heinz Strunk und Tocotronic zu hören, was den Sound der Hip Hopper deutlich variabler erscheinen lässt. Und auch Die drei ???, in deren Hörspielfolge 79 ("Im Bann des Voodoo") Fettes Brot einen Gastauftritt haben, revanchieren sich sowohl im Intro als auch im Outro und sind auch in den Bonus-Tracks präsent. Insgesamt kommen Fettes Brot auf diesem Album erstmals deutlich poppiger rüber und machen den ersten Schritt weg vom Rap - ein Weg, den die Hamburger im neuen Jahrtausend ja stetig weitergegangen sind, was sich als sehr sinnvolle und authentische Maßnahme herausgestellt hat, um sich nicht den Klischees der Branche unterwerfen zu müssen.
So, nun die Frage aller Fragen: Sollte man sich die Re-Releases kaufen?
Für mich schwer zu beantworten, da ich eh schon alle vier Alben hatte und nur vereinzelt Bonus-Tracks neu für mich waren - über die habe ich mich aber sehr, sehr gefreut und habe nicht zuletzt durch diesen Anreiz wieder entdeckt, wie gut Fettes Brot wirklich waren/sind. Wer die Brote nun aber nur über "Emanuela", "Bettina, zieh Dir bitte etwas an" oder "Erdbeben" definiert, der sollte unbedingt ein paar Euro in die Hand nehmen, um kennenzulernen, wo die Band ursprünglich herkommt und so die Entwicklung der Brote nachzuvollziehen. Gerade "Außen Top Hits, innen Geschmack" ist für mich persönlich ein Meilenstein der deutschen Hip Hop-Geschichte, der in keinem CD- bzw. Vinyl-Regal fehlen sollte.
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