Foto: Manuel Nieberle |
Das sind Faktoren, die, wenn Musik sie erschafft, richtig viel Wumms haben. Wenn der Krach so gut geplant ist, dass es zwar ungeheuer laut ist, aber den Genuss nicht verdrängt. Da ist auf der einen Seite die Musik, die nach vorne treibt. Das ist völlig genreunabhängig. Der Rausch kann auch beim Techno entstehen. Doch wird sind hier ja seit jeher der Gitarrenmusik verfallen. Und so sind es wieder Schlagzeug, Bass, Stimme und Gitarre, die hier in ungeahntem Maße und in ungeheurer Intensität zuschlagen. Denn neben den sehr gut arrangierten Melodien und Riffs agieren hier auch noch Texte, die den Rausch noch weiter intensivieren. Die dazugehörigen Gruppe heißt Das Format und am Freitag (22. November) veröffentlichen sie ihr selbstbetiteltes Debütalbum! Es sind 34 Minuten und 34 Sekunden, die nur eine Richtung kennen: Im wilden Wirbel nach vorn, vorn, vorn!
Die drei Herren sind dabei keine Neulinge auf diesem Gebiet. Bruno Tenschert ist als Der Herr Polaris bekannt, Maximilian Stephan ist Sänger und Gitarrist von Carpet, Maximilian Wörle ist unter anderem Produzent. Ich mag es sehr, wenn so viel Know-How mit im Spiel ist. Denn die Explosionen, die ihre neun Tracks immer wieder abfeuern, können ja musikalisch geplant werden. Auch wenn es oft schrammelt und zerrt, hier gibt es sicher wenig Zufälle.
Dieses Album hat zwei Kerne. Der eine ist auf jeden Fall der satte Sound. Intensive Rockgitarren, tiefer Bass und hämmerndes Schlagzeug haben hier das Sagen. Der andere Kern sind die Texte. Denn sie sind Kunst. Oft sind sie so unkonkret, dass den doppelten Böden der Interpretation freies Spiel gelassen wird. Dann gibt es wieder Verse, die in dem geordneten Krach die Faust heben lässt und die mitgegrölt werden wollen.
Liegen Lernen ist das erste Stück dieser Platte, startet mit dominantem Bass. In den übersichtlichen Versen - nicht wertend gemeint - ist sofort zu sehen und hören, dass Sprache hier auch ein Spielzeug ist. Wenn Worte verschoben werden, verschiebt sich auch die Bedeutung. Mal nur um wenige Plätze im Satz. „Die Kunst einfach zu sein und einfach einfach zu bleiben.“ Ja, Recht haben sie! Der Satz, der der Seele gut tut, scheppert mit ordentlich Wumms! Deine Mutter ist keine Aneinanderreihung dämlicher Sprüche, sondern eine kleine Geschichte, die davon erzählt, wer denn die Verantwortung haben soll und sie nicht erfüllt. Wir Wären Nicht Wir ist einfach nur ein Brecher, 1:16 Minute Vollgas! Bäm! Lichtmaschine verhandelt mit wiederholenden Versen und aufgedrehten Boxen, wem wir was noch glauben können. Uns oder jemand anderem? Und war das nicht mal alles anders als und versprochen wurde?! Ja, oder?
14:30 ist eine textliche und musikalische Pause in der Mitte. Einmal kurz hinsetzen und den Hut vor Rio Reiser ziehen. Den Kern der Doppeldeutigkeiten bietet Unzufrieden mit einem einfachen, aber so vielfältig einsetzbaren Satz: „Ich bin unzufrieden mit meiner Zufriedenheit.“ Tja, wann sind wir denn endlich satt?! Und wann sollten wir es nicht sein?! Spannende Zeiten! Therapiestunden tut weh und ich denke, dass soll der Song auch! Er ist großartig arrangiert. Ich mag diese mäandernden Teile, die sich langsam aufbauen und ergänzen. Insbesondere der Bass sticht auf dieser Platte immer wieder als ungeheuer gut eingesetzt heraus!
Am Ende knallt dieses Album nochmal in all seiner Stärke. Die Stücke bis hierher waren schon wirklich genial. Musikalisch, textlich, offen und schroff. Das letzte Lied heißt Lösung und zeigt nochmal eine ganz andere Herangehensweise ans Texteschreiben. Auch hier mangelt es nicht an Wiederholungen und ihrer Varianz aber die inhaltliche Ebene wird extrem gut damit zugespitzt! Es geht um die Probleme einer Beziehung (so mein Deutungsansatz) und dass das schnelle Infragestellen eben dieser eine plumpe, feige Strategie ist. Denn wenn das Gegenüber gar nicht erst gefragt wird, ist dieser Satz mehr als gerechtfertigt: „Wenn das deine Lösung ist, will ich mein Problem zurück.“
Ja, auf deutsch zu texten ist eine große Herausforderung, wenn die Sprache kunstvoll sein soll. Das ist hier überaus gut gelungen. Die mächtige, mitunter krachende Musik ist die perfekte Begleitung dafür. Das Format! Was für eine Band, was für ein Album! Wow!