Freitag, 12. Dezember 2025

KW 50, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / NajmunNahar
(Ms) Festivals kommen und gehen. Beide Schritte haben oft ähnliche Gründe. Gründe für das Kommen: Bock, Bands eine Bühne geben, die (Sub-)Kultur fördern. Gründe für das Gehen: Meistens sind sie wirtschaftlicher Natur. Dass das Appletree 2027 pausiert, kommt bestimmt auch nicht von ungefähr. Genauso das Aus des Maifield Derbys in seiner vorherigen Form. Rheinkultur, BootBooHook, die Liste ist lang. Doch sie tut ein bisschen weniger weh, wenn klar wird, dass es auch immer noch genug passionierte Menschen gibt, die neue Festivals aus dem Boden stampfen. Zum Beispiel das Fairweather Fest in Bremen. Es war in diesem Jahr ein super spannendes Wochenende. Ich kannte so gut wie keine Band, habe viel kennengelernt und viel davon hat mich stark überzeugt. Flight Mode laufen regelmäßig daheim hoch und runter. Eine Band, die ich sonst sicher nicht auf dem Schirm hätte. Ein Datum für kommendes Jahr gab es direkt am Ende des diesjährigen Wochenendes: Am 5. und 6. Juni wird es wieder laut im Lagerhaus, Calavera, Eisen und in der Lila Eule. Und bereits in dieser Woche verkündeten die Organisatoren einen großen Schwung an Namen: Brockhoff, Between Bodies, Abramowicz, Swoon, Still Talk, Harker, Emperor X, State Power und noch viel mehr. Geil - ich kenne wieder kaum was und bin nun schon wieder ganz gespannt, wer mich im Sommer 2026 im Viertel überraschen wird. Danke an die Energie dieses Teams!

Fatoni
(Ms) Man könnte sagen: Fatoni ist wieder da! Doch er war nie weniger weg als in diesem Jahr. Nur halt nicht solo. Mit Juse Ju und Edgar Wasser veröffentlichte er BAWS und spielte Sonntagmittag auf dem Watt En Schlick. Stark! Nun haut er mit Nachos den nächsten Banger raus! Und was hat Dexter für einen unglaublichen Beat dazu gebastelt. So viel Kopfnickerqualität war lange nicht zu hören - geil! Dazu ein Track, der hellwach unsere Gesellschaft analysiert und zeigt, wie die Faschos an die Macht kamen und wer mit unserer unendlichen Bildschirmzeit Geld verdient. Das haut zum Einen richtig gut in die inhaltliche Kerbe und holt mich auf der Anderen musikalisch auch richtig doll ab! Klar, da wird noch eine Platte folgen in kommenden Jahr. Die Sneak Peak-Tour ist seit Langem angekündigt und sollte auf jeden Fall besucht werden. 2026 - Fatonis Jahr?

05.03. - Erlangen, E-Werk
06.03. - Wiesbaden, Schlachthof
07.03. - Münster, Sputnikhalle
12.03. - Wien, Arena
13.03. - München, Muffathalle
14.03. - Stuttgart, Wagenhallen
19.03. - Köln, Carlswerk Victoria
20.03. - Hannover, Capitol
21.03. - Hamburg, Große Freiheit 36
27.03. - Leipzig, Felsenkeller
28.03. - Berlin, Columbiahalle


Fjørt
(Ms) Wenn die Töne dieser Band und insbesondere dieses Tracks erschallen, bleibt mein Herz kurz stehen, die Hände werden schwitzig und ein scharfer Stich geht durch mein Herz. Fjørt hauen den nächsten Kracher ihrer kommenden Platte belle époque raus und treffen mal wieder den Nagel auf dem Kopf. Ich finde es extrem beeindruckend, wie selbstkritisch diese Band in vielen ihrer Texte ist, so gut wie jedes Mal fühle ich mich auf selbigem Fuß falsch ertappt. Messer heißt ihre neue Single, in der sie uns in der Pechschwarz-Ära willkommen heißen. „Ich kann das nicht besser / Bin mal wieder mein eigenes Messer.“ Stark auch, wie viel Interpretationsspielraum sie uns bieten. Denn das Messer kann in diesem Fall sehr viel sein: Selbstzweifel, zu viel Grübelei, fehlendes Vertrauen. Gefühlt dreht die Aachener Band mit ihren neuen Tracks die Wucht eben jener noch ein Grad weiter auf - beeindruckend!

11.03. München, Technikum
12.03. Jena, Kassablanca
13.03. AT - Wien, WuK
14.03. Leipzig, Werk 2
18.03. Berlin, Festsaal Kreuzberg
19.03. Wiesbaden, Schlachthof
20.03. Dortmund, FZW
21.03. Hamburg, Gruenspan
25.03. Bremen, Schlachthof
26.03. Hannover, Capitol
27.03. Stuttgart, Im Wizemann
28.03. Köln, E-Werk


Naked Lunch
(Ms) Vor 33 Jahren erschien das erste Album von Naked Lunch, zuvor veröffentlichte die österreichische Band bereits eine EP. Diesen Herbst brachten sie ihre neuste Platte raus. Was hat diese Band nicht alles erlebt. Wechsel in der Besetzung, der Beinahedurchbruch, der reelle Niedergang, die Neuerfindung, das an-sich-glauben. Puh! Songs For The Exhausted ist sicher das Album, das die Band am meisten zu sich selbst gebracht hat nach dem ganzen internationalen Hochgejazze. Insbesondere God ist ja bis heute ein unglaubliches Lied. So viel Wucht, so viel Schönheit, so viel Brutalität, so viel Zärtlichkeit. Vor 21 Jahren erschien diese Platte und sollte nichts anderes als einen erfolgreichen Neuanfang markieren. Nun veröffentlicht Tapete Records dieses wunderbare Album erneut und das erste Mal überhaupt auf Vinyl. Wenn man ein Album dieser Band in der Sammlung stehen haben sollte, dann sicher dieses.


Grim104
(ms) Hinsetzen für diesen Track. Denn die Energie von Grim104 haut einen schnell mal um. Diese Giftigkeit in seiner Stimme und wie er so gut wie jede Zeile dahin keift - das ist schon sehr beeindruckend und in den Bann ziehend. Grim104 als der Rapper, für den keine Grenzen mehr gelten, das Monster aus dem norddeutschen Sumpf. „Ich fress als Henkersmahlzeit das ganze Schafott.“ Was für Zeilen aus diesem Typen nur kommen. Ein dunkler Moloch, der sehr viel Sogkraft erzeugt und unmissverständlich seinenStandpunkt zur Musikindustrie klar macht. Mantra heißt seine neue Single, die ab dieser Woche wuchtig ballert und den nächsten Vorgeschmack auf seine neue Platte No Country For Old Grim bietet. Hui, das wird heftig!


Hi Mum
(Ms) Manchmal rauschen doch recht seltsame Gedanken durchs Hirn, oder? Vor einigen Jahren dachte ich, ich lerne nichts mehr dazu. Was für ein brutaler Quatsch. Ich habe auch keine Ahnung, aus welcher Hirnwindung das denn kam. Jeden Tag kommt was Neues dazu, ich Depp. Und vor einiger Zeit lernte ich hinzu, dass ich Shoegaze sehr gern mag. Diese breiten, kräftigen Soundflächen, die von wuchtigen und oft eher langsamen Gitarren dominiert werden. In den Strophen nehmen die sich oft ein wenig zurück, um dann nur umso stärker wieder auszubrechen. Heutiges Superbeispiel: Hi Mum! Die Nachfolge-Band von Maffai legt am 26. März ihr Debut hin und Ghostwood könnte überragend werden, wenn der Klang der ersten Singles darin fortgesetzt wird (wovon ja irgendwie auszugehen ist). Viel Kraft, viel Intensität, viele aufgedrehte Regler, viel Krach in dem ich mich ganz schnell verlieren kann. Was für eine irre Schönheit der Lautstärke!

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Oehl - Dunkle Magie

Foto: Tim Cavadini
(Ms) Weihnachten steht vor der Tür. Ein teils bizarres Fest, bei dem Gemütlichkeit und entspanntes Zusammensein auf Knopfdruck geschehen sollen. Festlich gemeinsam die Tage verbringen und füreinander da sein. Ja, wenn das mal so einfach wäre… Zugleich unterliegt diesem Fest ein absurder Kaufrausch und das Motto: Futtern, futtern, futtern. Dabei kann es so schön sein, mit seinen Liebsten ein paar Tage fernab der Alltagshektik zu verbringen. Am besten auch mit der passenden musikalischen Begleitung. Weihnachtsmusik ist so ein ganz eigenes Genre. Neben den großen Klassikern von Kirche, Pop und Rolf Zuckowski versuchen viele KünstlerInnen sich an diesem Genre. Und scheitern. So wie Ariel Oehl mit seinem neuen Album Dunkle Magie, das ein ausgewiesenes Weihnachtsalbum sein soll und diesen Freitag erscheint.

Eine negative Rezension zu schreiben, macht wirklich gar keinen Spaß. Aber es ist mit dennoch ein Anliegen, da ich seit Wolken die Musik von Oehl absolut faszinierend finde und gerne in seine nuschelnde Welt eintauche. Aber nicht bei dieser Platte. Zumindest nicht auf voller Länge, es gibt zwei, drei schöne Lieder - mit Beigeschmack.

Was sind die Erwartungen an ein Weihnachtsalbum? Welche Musik möchte ich an den Feiertagen und davor hören? Klar, hier wird es subjektiv, aber ich gehe einfach mal davon aus, dass mir einige Menschen zustimmen werden. Ich möchte entspannte, fröhliche, besinnliche Lieder mit zauberhaften, unterhaltenden oder berührenden Texten hören. Oder Instrumentales, das mir Ruhe und Andacht verschafft. Dabei stelle ich mir auch die Frage, welche Musik ich abspielen würde, wenn die Verwandtschaft kommt oder Freude oder man gemeinsam backt und kocht. Sicher nicht die neue Oehl-Platte. Und das aus einem leider sehr triftigen Grund: Sie ist mir viel zu melancholisch, ja, sie zieht mich gar runter. Beim ersten Hören musste ich die Musik aus machen, weil es mich so bedrückt hat. Die Zeit, in der Melancholie vielleicht noch irgendwie cool war, ist doch vorbei. Oder? Ich möchte in der Adventszeit und an den Feiertagen nicht betrübt in der Ecke sitzen und voller Schwermut Geschenke auspacken. Das passt alles nicht.

Dennoch wirklich schön anzuhören ist hingegen das Duett mit Tristan Brusch. Auch das instrumentale Pobozno Jodlanje (Andachtsjodler) hat ganz tolle Harmonien. Auch Alle Jahre Wieder Stille Nacht zusammen mit Romi Rabić und Niklas Apfel würde ich an den Feiertagen abspielen. Die Gemeinsamkeit dieser drei Stücke ist, dass Ariel Oehl verhältnismäßig wenig zu hören ist. Irgendwie bezeichnend.

Ach, ich habe mich so auf das Album gefreut, weil ich die Oehl‘sche Musik wirklich mag. Aber dieses Album wird nicht ein Mal in Gänze bei mir abgespielt werden.


Sonntag, 7. Dezember 2025

Live in Bremen: Die Höchste Eisenbahn

Foto: luserlounge
(Ms) Mittwochabend, Bremen, Schlachthof. Auf dem Weg dahin kam der Gedanke auf: Hui, klar, Die Höchste Eisenbahn ist nicht unbekannt, aber dass auf der Straße davor gar nichts mehr ging, war durchaus verwunderlich. Aber schnell gelöst: Nebenan, in der ÖVB-Arena, gab Teddy Teclebrhan ein Stelldichein. Nebenan, im tollen Schlachthof, wurde es aber auch gemütlich, nicht zu eng, nicht zu luftig, genau richtig für ein Konzert unter der Woche.

Allein das Bühnenbild machte schon große, große Vorfreude. Sonnenschirme aus Pappe, die Ich-Komm-Gleich-Nach-Schnecke und hinten ein großer Himmelsbanner. Die gute Laune ließ nicht lang auf sich warten. Denn pünktlich um 20 Uhr betrat Francesco Wilking die Bühne, um die musikalischen Gäste anzukündigen. Es war das Trio Morley aus Essen und Köln. Die drei Damen haben für eine gute halbe Stunde die aufmerksamen ZuhörerInnen mit kleinen, feinen Liedern unterhalten. Mit Bass, Akustikgitarre, Ukulele und ganz viel Stimme sangen sie unter anderem vom Klimaschutz und ihrer Heldin Robin, die ihn nicht aus den Augen verliert. Zudem waren sie unglaublich sympathisch, sodass die leise und dennoch kraftvolle Musik ordentlich wirkte.

Mit genau der gleichen, ausgelassenen und entspannten Stimmung ging es dann kurze Zeit später weiter. Ich sah Die Höchste Eisenbahn noch nie live (warum eigentlich?!) und war ab dem ersten Takt einfach nur unglaublich glücklich. Als ich die anderen Gesichter im gut gefüllten Schlachthof beobachtete, wurde mir klar, dass ich damit nicht alleine war. Neben mir stand ein Typ, Anfang/Mitte fünfzig, der wohl einen außerordentlich tollen Abend hatte, er sang so viel mit und strahlte übers ganze Gesicht.
Das ist halt auch sehr einfach, wenn man den Eisenbahn-Liedern so zuhört. Kleine, feine Geschichten mit ganz viel Humor und genau der richtig ausbalancierten Mischung aus Tragik und Komik. Hinzu kommt, dass Moritz Krämer, Felix Weigt und Francesco Wilking halt auch sehr gute Entertainer sind. Drummer Max Schröder hielt sich eher im Hintergrund auf. Ob es um den Aufbau des Schlachthofes und die damit einhergehende Anordnung des Publikums geht oder noch nicht umgesetzte Merchandise-Artikel (Hotpants) - solch Kurzweil tut einfach gut. Klar, liegt auch an der phantastischen Musik, die die Band macht und aus dem vollen schöpfen kann inklusive aus dem tollen, neuen Album. Die Lieder des Abends waren super gut gemischt. Für mich ging es an diesem Abend nicht mal um einzelne Songs, sondern um ein höchst entspannt-ausgelassenes Gefühl, das diese Band mit ihren Songs entfaltet hat. Selten bin ich vergnügter nach Hause gefahren, auch wenn ich das Konzert nicht ganz bis zum Ende schauen konnte (aktuelle Bahnproblematik im Nordwesten). Es war ein toller Abend, der ganz doll glücklich gemacht hat!

Letztes Konzert des Jahres:
19.12.2025 Berlin, Huxleys

Samstag, 6. Dezember 2025

KW 49, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / riajulislam
(Ms) Heute morgen bin ich durch die Gegend gefahren und habe mal wieder Deutschlandfunk Kultur gehört. Es sei nochmals erwähnt: Was für ein phantastischer Radiosender! Es ging im Gespräch über Höflichkeit. Mit vielen anrufenden HörerInnen ergab sich ein großes Bild, das eines ganz deutlich zeichnete: Es geht ganz viel um die Perspektive. Ein Anrufer meinte, dass die Höflichkeit hier im Straßenverkehr katastrophal wäre, er kam aus England. Die Moderatorin, aus Russland kommend, konnte das ganz anders bewerten. Ein aus Kassel nach Bremen gezogener Anrufer kommt nicht gut mit dem kurz Angebundenen hier im Norden zurecht und meinte, dass das wunderbare Moin zwar ein universeller Gruß sei, aber wer ihn halt nicht verstehe, habe schlichtweg Pech gehabt. Nun lebe ich selbst im Norden und komme ursprünglich gar nicht hier her und erlebe die Menschen hier gar nicht als so wortkarg. Will sagen: Perspektivwechsel sind oft der Schlüssel zu (miss-)verstandenen Höflichkeit. Heißt aber auch wiederum nicht, dass es angebracht ist, stets freundlich zu allen Menschen zu sein. Sie haben uns doch meist nichts getan. Moin! 

Amanda Bergman
(Ms) Manche Musik weiß ganz unterschwellig zu wirken. Die von Amanda Bergman zum Beispiel hat bei mir ganz leise, aber auch ganz mächtig eingeschlagen. Seit ihrem letzten Album läuft ihre Musik immer wieder bei mir und beruhigt mich auf ganz wunderbare Weise. Es ist ein bisschen Folk und ganz viel Pop und ganz viel Eigenständigkeit. Es sind sanfte Lieder mit einem tollen, warmen Klang, der den Puls in trubeligen Zeiten immer wieder runterzufahren weiß. Nun erscheint am 16. Januar schon ihre neue Platte. Embraced For A Second As We Die heißt sie und wird sicher wieder viele Gefühlswelten eröffnen und bedienen. Das alles in einem sehr runden, unaufgeregten aber unglaublich schönen Sound. This Is How You Said You‘d Be Gone ist eine von zwei neuen Singles, die seit ein paar Tagen zu hören ist und das Schwere ist hier ganz leicht verpackt:


My Ugly Clementine
(Ms) Ist doch immer geil, wenn Genrelabels nicht passen. Austria Pop ist ja auch ein völlig überzogenes Ding. Die gesamte Popmusik eines Landes mit einem bestimmten Sound verallgemeinern zu wollen… unmöglich! Doch auch zum Klang vieler anderen Bands aus Österreich passen My Ugly Clementine überhaupt nicht. Sie klingen größer, internationaler. Nun legt das Trio ihre neue Single vor und You Won ist ein melancholischer Kracher, der stark an einen Gitarrensound der 00er Jahre erinnert. Großartig! Ein Track über das Ende einer Beziehung mit der harten Frage „Is that what you want? You won!“ Die Niedergeschlagenheit dieser Situation macht sich in der Atmosphäre der Single bemerkbar, dennoch versprüht sie viel Groove - toll austariert! Im kommenden Jahr wird es ein neues Album geben und damit einhergehend sicher auch eine ausgiebige Tour. Ich sah sie vor ein, zwei Jahren in Bremen und es war schlicht großartig! Eine unglaublich sympathische Band, die live alles rausholt! Vorfreude: An!


SAFI
(Ms) Im Oktober luden Jürgen und Anne zum Rookie Fest in den Hamburger Knust ein und es war ein großes Fest! Klar, der Gig von Love A war ein Knaller, aber noch mehr gestaunt habe ich bei SAFI, die vorher spielte. Ein paar Male habe ich mich schon an ihre Musik herangewagt, aber ich war immer ein wenig abgeschreckt. Zu roh? Zu ungewöhnlich? Zu arhythmisch? Zu schrill mitunter? Zu derb? Ja, all die Zuschreibungen passen wohl, aber spätestens nach dem Gig konnte ich das „zu“ streichen. Denn das, was die Musikerin mit ihrer Band auf die Bühne gebracht hat, war große, umfassende Energie! Wow - extrem beeindruckend und in den Bann ziehend! Nun erschien zu Ich Will Ein Leben das letzte ihrer Proberaum Session-Videos. Ein schneller Schnitt und toll eingesetztes Licht machen dieses Video äußerst sehenswert. Zudem untermauern diese Effekte die Intensität des Songs in seiner Gänze. Ja, vielleicht braucht es ein paar Anläufe, um bei SAFI anzukommen. Dann eröffnet sich aber eine irre Text- und Klangwelt!

28.12.25 Leipzig, Moritzbastei
23.01.26 Oberhausen, Druckluft
27.06.26 Bocholt, Alte Molkerei


Kapa Tult
(Ms) Wenn ein Lied mit den ersten zwei, drei Zeilen direkt einschlägt, sprechen wir über Kunst und Größe. Tatsächlich habe ich das in dieser Intensität von Kapa Tult gar nicht erwartet. Umso schöner und größer die Überraschung. Die Leipziger Band weiß sehr gut, komplexe Gefühle und Unausgesprochenes in ihre Lieder zu packen. Niemand ist ihre neuste Single und ein Stück über Trauer. Über eine liebe verstorbene Person, die es in einem Friedwald zu besuchen gilt und es immer wieder komisch ist. Diese Besuche, die Gespräche darüber, die man eigentlich gar nicht will. Oder zumindest nicht zulassen möchte. Hui, Kloß im Bauch. Aber großartig umgesetzt. Direkt, ehrlich, einfühlsam, intensiv!
Am 13. Februar erscheint ihr neues Album Immer Alles Gleichzeitig und könnte ganz großartig werden!

Mittwoch, 3. Dezember 2025

Tom Smith - There‘s Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light

Foto: Edith Smith
(Ms) Am 18. Juni 2007 erschien die Single Smokers Outside The Hospital Door von den Editors. Bis heute hat der Track, sicher nicht nur für mich, wenig an Energie verloren. Die Gitarren, die Energie, der Text. Und natürlich die Stimme! Die Stimme von Tom Smith prägt seit gut zwanzig Jahren den Sound dieser britischen Band. Bei all dem Wandel in ihrem Sound blieb sie und glänzt immer wieder, bei den elektronischen und bei den analogen Tracks.
Das oben genannte Stück war das erste, das ich von dieser Band hörte, ich sah sie öfter live und habe viel gestaunt. So ein Bandleben macht natürlich auch etwas mit ihren Mitgliedern. Zusammen mit Andy Burrows hat Sänger Tom Smith bereits zwei Alben abseits der großen Band herausgebracht. Nun folgt diesen Freitag die erste Platte, die nur seinen Namen trägt, an dessen Klang er weitgehend alleine gewerkelt hat. There Is Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light heißt das Werk, das 10 Tracks und gut 40 Minuten Spieldauer aufweist. Der Titel hat eine dezente Ying-und-Yang-Atmosphäre, oder?

Wie dem auch sei… Es geht ruhig zu auf diesen Liedern. Viel Akustikgitarre, ein bisschen Bass, hier und da mal Streicher und Bläser, wenig Schlagzeug, viel Stimme. Dadurch entsteht auch viel Nähe. Und Ruhe. Etwas, was in diesen Tagen, die vor Trubeligkeit nur so platzen, stark vonnöten ist.
Nah am Herzen ist diese Musik gebaut. Musikalisch als auch inhaltlich. Es geht um Verbundenheit, Trennung, die großen Fragen des Lebens, Liebe, genutzte und verpasste Chancen. How Many Times ist zum Beispiel ein toller Track, der zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig Halt geben. Dass wir in guter Art und Weise voneinander abhängig sind. Dazu ist dieses Lied wunderbar arrangiert, es kommt immer eine Ebene hinzu und am Ende strahlt es hell und leuchtend! Eine großartige Hymne aufs Leben ist Life Is For Living. Egal, wie es läuft, es gilt unsere limitierte Zeit auf dieser Erde zu füllen. Mit Gutem, für all die Menschen, die für uns da sind inklusive Gänsehautgarantie, wenn die Streicher erklingen, ein Chor singt und Tom Smiths Bariton sein volles Volumen darbietet - wow! Lights Of New York City ist ein schmerzhafter Blick zurück in eine Zeit, die nicht mehr aufgewickelt werden kann. Sehnsucht, Melancholie, Nostalgie, abgeschlossene Vergangenheit - garniert mit tollem Trompetensound! Saturday, das letzte Stück, ist eine tolle filmische Szene. Eine Bühne, Rampenlicht, Applaus. Doch das einzige, was das lyrische Ich will, ist mit seinem nahen Gegenüber, seiner Liebe (?), zu reden, bis man endlich zu Hause ist. Mit dem Versprechen, dass das Ich zuhört. Hach… wie schön!

Die Stärke dieses Albums ergab sich in meinen Ohren nicht direkt beim ersten Hören. Dafür fehlt mir etwas Energie im Sound. Das Reduzierte ist schön, packt mich aber nicht. Doch die Tiefe der Texte packt mich, sie sind im besten Sinne einfach gehalten, sodass sie ganz unmissverständlich sein können. Tom Smith legt hier abseits des großen, wummernden Sounds der Editors eine tolle Platte hin, die Verletzlichkeit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt rückt und dadurch glänzt - Hut ab!

11.03.2026 Köln - Kulturkirche (ausverkauft)
13.03.2026 Schorndorf - Manufaktur
19.03.2026 AT-Wien - Simm City
25.03.2026 Berlin - Passionkirche (ausverkauft)
26.03.2026 Hamburg – Christiankirche (ausverkauft)


Montag, 1. Dezember 2025

Stainer & Madlaina - Nah Dran

Foto: June Fischer
(Ms) Hinhören. Zuhören. Zwei Fähigkeiten, die vielen Menschen in unserer Zeit zunehmend abhanden kommen. Letztens las ich Momo von Michael Ende. Das Buch ist aus den 70ern. Es könnte auch eine phantastische Fabel auf unsere Zeit sein. Wer setzt sich denn schon hin und hört den anderen zu? Insbesondere denen, mit denen man nicht übereinstimmt. In der Regel wird verbal draufgehauen und die eigenen Hörkanäle werden blockiert. So kommen wir nicht weiter. Zuhören also. Gesellschaftlich wichtig.

In der Kunst genauso. Denn je aufmerksamer wir der Kunst lauschen, desto größer werden die Welten, die sich in ihr verbergen. Und wir können eintauchen und anfangen zu staunen. Ist das nicht eines der schönsten Dinge auf der Welt?! Ja, oder? Gut, dass es Steiner & Madlaina gibt. Ihr neues Album Nah Dran gehört mit zum Schönsten, was dieses Jahr an neuer Musik erschienen ist. Anfang November kam diese Platte ans Tageslicht. Sie ist textlich groß und musikalisch breit und ein großer Beweis von wahrem Künstlerinnentum!

Es geht sehr puristisch los. Da Bist Du heißt das erste Stück, nur Stimme und Klavier. Und die Stimme singt einen Text, der direkt den Atem stocken lässt. Ein Lied über die Liebe, ein Lied über das, was Menschen zusammen hält. Ein Lied übers Ich-bin-für-dich-da. Auf der einen Seite zart und zerbrechlich, auf der anderen Seite voller Stärke und Halt. Wow, der erste Treffer sitzt! Zuhören lohnt sich auch bei Hend Mir Nur Wele Glücklich Si? Ich finde es so toll, dass die beiden immer wieder auf Schweizerdeutsch singen. Als in NRW Geborener und nun im Norden zu Hause-Seiender verstehe ich so gut wie kein Wort. Aber es lässt sich dieses und jenes erahnen, mitlesen ist ganz hilfreich. Was mich hier aber stark begeistert, ist der wundervoll arrangierte Refrain. Das Stück ist eher leise und melancholisch gehalten. Der Refrain lebt von Energie und Dringlichkeit. Wow, wie toll ist das denn bitte gemacht?! Gänsehautgarantie dank Kontrabass und Bläsern! Ich Hab Alles Und Die Liebe Satt ist ein herrlich-schmerzvoller Track über das Gefühlschaos am Ende einer Liebe. Das lyrische Ich läuft durch die nächtliche Stadt und mäandert zwischen Sehnsucht und Endgültigkeit. Wer kennt es nicht?!
Vor Stell Sie Mir Vor gilt es den Hut zu ziehen. Dieser Text ist großartig. Ein wenig nebulös und voller interpretatorischer Tiefe. Ich glaube, es geht auch um die Liebe und all den Seiten, die da mitschwingen. Stolz, Kummer, Zweifel. Außerdem ist auch dieses Stück einfach meisterlich arrangiert. Mit Kinderchor, Streichern, großen Gefühlen und sehr viel musikalischem Sachverstand. Man kann sich nur vor Nora Steiner und Madlaina Pollina verneigen - was für Künstlerinnen! Apropos Arrangement! Fairplay ist auch so ein Hammer - ein Stück aufgebaut wie ein großes Crescendo. Was holen die beiden nur raus aus dem musikalischen Werkzeugkoffer?! Uh La La Träum Von Dir ist nicht nur ein toller Beweis, dass die beiden auch die Gitarren knallen lassen können, sondern auch ein ganz seltenes Fundstück, dass es durchaus sehr gut möglich ist, mit der deutschen Sprache Intimität zu zeigen. Und wie! 

Logisch, Nah Dran ist ein Album, bei dem es viel um die Liebe geht. Aber nicht verträumt und naiv. Es ist kaum zu glauben, wie klug die beiden Musikerinnen hier texten. Vor diesem musikalischen Werk gilt es, sich auf die Knie zu senken und dankbar zu sein, dass es solche Lieder gibt. So stark arrangiert. Textlich so tief und groß aufgestellt. Diese Platte gehört sicher zu den Schönsten und Schlausten, was seit langem veröffentlicht wurde! Zuhören… es lohnt sich!


Sonntag, 30. November 2025

Orbit - Countless Feelings But So Few Words

Foto: Marc Bischoff
(Ms) Es gibt Genres, die hier aus unerfindlichen Gründen wenig repräsentiert sind. Fast alles Elektronische beispielsweise. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Dabei wohnt Techno, Electro oder wie man das auch immer nennen mag, so viel Kraft inne. Insbesondere wenn es nicht ganz so sehr einer Spielart verfestigt ist.

Damit sind wir beim Bremer Künstler Orbit, der Mitte November sein erstes Album veröffentlicht hat. Countless Feelings But So Few Words. Allein dafür sollte man ihn über alle Maßen loben. Was für ein schöner Titel. Ja, was wenn all den Emotionen die Worte fehlen?! Und das nicht, weil man sich nicht ausreichend damit auseinandersetzt sondern weil es sie einfach nicht gibt. Oder nur begrenzt. Das Fühlende benennen, entzaubert ja auch die Magie. Und magische Momente sind auf diesem Album einige vorhanden. Summertime, der Opener, beginnt gar mit sanfter Gitarre bis er sich immer weiter aufbaut. Ja, es ist super Sommer-Abhäng-Musik, doch sie funktioniert in der dunklen Jahreszeit genauso gut. Bei einem Track namens Berlin ist klar, dass Großstadtvibes kommen. Doch es sind eher die, die den Großstadtlärm von einem fern halten. Viel mehr lässt sich damit als Soundtrack herrlich gut das Treiben beobachten, von dem man nicht Bestandteil ist. Clever - und geht auf! Das Kernstück der Platte ist Youth, weil es den wunderbaren Rausch der elektronischen Musik in Perfektion darbietet. Behutsam baut sich der Track zusammen, gewinnt an Größe und strahlt dann einfach nur noch in all seiner Pracht. In diesen Melodien, in diesem Rhythmus möchte ich versinken und erst morgens früh wieder aufwachen. Magie! Auch auf Formula verbindet der Bremer Soundtüftler analoge Gitarrenklänge mit Synthieüberbau. Das ergibt ein wunderbar organisches Gesamtbild, zu dem Träumen ein Muss ist! Cato hingegen eröffnet auf unter drei Minuten nochmal einen gewaltigen Rausch - pure Hingabe!

Dabei wird es nie derbe auf den 40 Minuten. Es bleibt alles sehr rund, sehr harmonisch, sehr sanft mitunter. Das zeichnet einen Typus von elektronischer Musik aus, der vielfältig hörbar ist, kaum an einen Ort oder eine bestimmte Situation gebunden ist. So offen muss Musik erstmal sein. Dieses Album ist nichts anderes als ein kleines, schwelgendes Wunder!

01.12.2025 Wien, WUK
02.12.2025 München, Muffathalle
03.12.2025 Stuttgart, Im Wizemann
04.12.2025 Köln, Live Music Hall
10.12.2025 Hamburg, Übel&Gefährlich
11.12.2025 Berlin, Huxleys
13.12.2025 Bremen, Modernes