Sonntag, 7. Dezember 2025

Live in Bremen: Die Höchste Eisenbahn

Foto: luserlounge
(Ms) Mittwochabend, Bremen, Schlachthof. Auf dem Weg dahin kam der Gedanke auf: Hui, klar, Die Höchste Eisenbahn ist nicht unbekannt, aber dass auf der Straße davor gar nichts mehr ging, war durchaus verwunderlich. Aber schnell gelöst: Nebenan, in der ÖVB-Arena, gab Teddy Teclebrhan ein Stelldichein. Nebenan, im tollen Schlachthof, wurde es aber auch gemütlich, nicht zu eng, nicht zu luftig, genau richtig für ein Konzert unter der Woche.

Allein das Bühnenbild machte schon große, große Vorfreude. Sonnenschirme aus Pappe, die Ich-Komm-Gleich-Nach-Schnecke und hinten ein großer Himmelsbanner. Die gute Laune ließ nicht lang auf sich warten. Denn pünktlich um 20 Uhr betrat Francesco Wilking die Bühne, um die musikalischen Gäste anzukündigen. Es war das Trio Morley aus Essen und Köln. Die drei Damen haben für eine gute halbe Stunde die aufmerksamen ZuhörerInnen mit kleinen, feinen Liedern unterhalten. Mit Bass, Akustikgitarre, Ukulele und ganz viel Stimme sangen sie unter anderem vom Klimaschutz und ihrer Heldin Robin, die ihn nicht aus den Augen verliert. Zudem waren sie unglaublich sympathisch, sodass die leise und dennoch kraftvolle Musik ordentlich wirkte.

Mit genau der gleichen, ausgelassenen und entspannten Stimmung ging es dann kurze Zeit später weiter. Ich sah Die Höchste Eisenbahn noch nie live (warum eigentlich?!) und war ab dem ersten Takt einfach nur unglaublich glücklich. Als ich die anderen Gesichter im gut gefüllten Schlachthof beobachtete, wurde mir klar, dass ich damit nicht alleine war. Neben mir stand ein Typ, Anfang/Mitte fünfzig, der wohl einen außerordentlich tollen Abend hatte, er sang so viel mit und strahlte übers ganze Gesicht.
Das ist halt auch sehr einfach, wenn man den Eisenbahn-Liedern so zuhört. Kleine, feine Geschichten mit ganz viel Humor und genau der richtig ausbalancierten Mischung aus Tragik und Komik. Hinzu kommt, dass Moritz Krämer, Felix Weigt und Francesco Wilking halt auch sehr gute Entertainer sind. Drummer Max Schröder hielt sich eher im Hintergrund auf. Ob es um den Aufbau des Schlachthofes und die damit einhergehende Anordnung des Publikums geht oder noch nicht umgesetzte Merchandise-Artikel (Hotpants) - solch Kurzweil tut einfach gut. Klar, liegt auch an der phantastischen Musik, die die Band macht und aus dem vollen schöpfen kann inklusive aus dem tollen, neuen Album. Die Lieder des Abends waren super gut gemischt. Für mich ging es an diesem Abend nicht mal um einzelne Songs, sondern um ein höchst entspannt-ausgelassenes Gefühl, das diese Band mit ihren Songs entfaltet hat. Selten bin ich vergnügter nach Hause gefahren, auch wenn ich das Konzert nicht ganz bis zum Ende schauen konnte (aktuelle Bahnproblematik im Nordwesten). Es war ein toller Abend, der ganz doll glücklich gemacht hat!

Letztes Konzert des Jahres:
19.12.2025 Berlin, Huxleys

Samstag, 6. Dezember 2025

KW 49, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / riajulislam
(Ms) Heute morgen bin ich durch die Gegend gefahren und habe mal wieder Deutschlandfunk Kultur gehört. Es sei nochmals erwähnt: Was für ein phantastischer Radiosender! Es ging im Gespräch über Höflichkeit. Mit vielen anrufenden HörerInnen ergab sich ein großes Bild, das eines ganz deutlich zeichnete: Es geht ganz viel um die Perspektive. Ein Anrufer meinte, dass die Höflichkeit hier im Straßenverkehr katastrophal wäre, er kam aus England. Die Moderatorin, aus Russland kommend, konnte das ganz anders bewerten. Ein aus Kassel nach Bremen gezogener Anrufer kommt nicht gut mit dem kurz Angebundenen hier im Norden zurecht und meinte, dass das wunderbare Moin zwar ein universeller Gruß sei, aber wer ihn halt nicht verstehe, habe schlichtweg Pech gehabt. Nun lebe ich selbst im Norden und komme ursprünglich gar nicht hier her und erlebe die Menschen hier gar nicht als so wortkarg. Will sagen: Perspektivwechsel sind oft der Schlüssel zu (miss-)verstandenen Höflichkeit. Heißt aber auch wiederum nicht, dass es angebracht ist, stets freundlich zu allen Menschen zu sein. Sie haben uns doch meist nichts getan. Moin! 

Amanda Bergman
(Ms) Manche Musik weiß ganz unterschwellig zu wirken. Die von Amanda Bergman zum Beispiel hat bei mir ganz leise, aber auch ganz mächtig eingeschlagen. Seit ihrem letzten Album läuft ihre Musik immer wieder bei mir und beruhigt mich auf ganz wunderbare Weise. Es ist ein bisschen Folk und ganz viel Pop und ganz viel Eigenständigkeit. Es sind sanfte Lieder mit einem tollen, warmen Klang, der den Puls in trubeligen Zeiten immer wieder runterzufahren weiß. Nun erscheint am 16. Januar schon ihre neue Platte. Embraced For A Second As We Die heißt sie und wird sicher wieder viele Gefühlswelten eröffnen und bedienen. Das alles in einem sehr runden, unaufgeregten aber unglaublich schönen Sound. This Is How You Said You‘d Be Gone ist eine von zwei neuen Singles, die seit ein paar Tagen zu hören ist und das Schwere ist hier ganz leicht verpackt:


My Ugly Clementine
(Ms) Ist doch immer geil, wenn Genrelabels nicht passen. Austria Pop ist ja auch ein völlig überzogenes Ding. Die gesamte Popmusik eines Landes mit einem bestimmten Sound verallgemeinern zu wollen… unmöglich! Doch auch zum Klang vieler anderen Bands aus Österreich passen My Ugly Clementine überhaupt nicht. Sie klingen größer, internationaler. Nun legt das Trio ihre neue Single vor und You Won ist ein melancholischer Kracher, der stark an einen Gitarrensound der 00er Jahre erinnert. Großartig! Ein Track über das Ende einer Beziehung mit der harten Frage „Is that what you want? You won!“ Die Niedergeschlagenheit dieser Situation macht sich in der Atmosphäre der Single bemerkbar, dennoch versprüht sie viel Groove - toll austariert! Im kommenden Jahr wird es ein neues Album geben und damit einhergehend sicher auch eine ausgiebige Tour. Ich sah sie vor ein, zwei Jahren in Bremen und es war schlicht großartig! Eine unglaublich sympathische Band, die live alles rausholt! Vorfreude: An!


SAFI
(Ms) Im Oktober luden Jürgen und Anne zum Rookie Fest in den Hamburger Knust ein und es war ein großes Fest! Klar, der Gig von Love A war ein Knaller, aber noch mehr gestaunt habe ich bei SAFI, die vorher spielte. Ein paar Male habe ich mich schon an ihre Musik herangewagt, aber ich war immer ein wenig abgeschreckt. Zu roh? Zu ungewöhnlich? Zu arhythmisch? Zu schrill mitunter? Zu derb? Ja, all die Zuschreibungen passen wohl, aber spätestens nach dem Gig konnte ich das „zu“ streichen. Denn das, was die Musikerin mit ihrer Band auf die Bühne gebracht hat, war große, umfassende Energie! Wow - extrem beeindruckend und in den Bann ziehend! Nun erschien zu Ich Will Ein Leben das letzte ihrer Proberaum Session-Videos. Ein schneller Schnitt und toll eingesetztes Licht machen dieses Video äußerst sehenswert. Zudem untermauern diese Effekte die Intensität des Songs in seiner Gänze. Ja, vielleicht braucht es ein paar Anläufe, um bei SAFI anzukommen. Dann eröffnet sich aber eine irre Text- und Klangwelt!

28.12.25 Leipzig, Moritzbastei
23.01.26 Oberhausen, Druckluft
27.06.26 Bocholt, Alte Molkerei


Kapa Tult
(Ms) Wenn ein Lied mit den ersten zwei, drei Zeilen direkt einschlägt, sprechen wir über Kunst und Größe. Tatsächlich habe ich das in dieser Intensität von Kapa Tult gar nicht erwartet. Umso schöner und größer die Überraschung. Die Leipziger Band weiß sehr gut, komplexe Gefühle und Unausgesprochenes in ihre Lieder zu packen. Niemand ist ihre neuste Single und ein Stück über Trauer. Über eine liebe verstorbene Person, die es in einem Friedwald zu besuchen gilt und es immer wieder komisch ist. Diese Besuche, die Gespräche darüber, die man eigentlich gar nicht will. Oder zumindest nicht zulassen möchte. Hui, Kloß im Bauch. Aber großartig umgesetzt. Direkt, ehrlich, einfühlsam, intensiv!
Am 13. Februar erscheint ihr neues Album Immer Alles Gleichzeitig und könnte ganz großartig werden!

Mittwoch, 3. Dezember 2025

Tom Smith - There‘s Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light

Foto: Edith Smith
(Ms) Am 18. Juni 2007 erschien die Single Smokers Outside The Hospital Door von den Editors. Bis heute hat der Track, sicher nicht nur für mich, wenig an Energie verloren. Die Gitarren, die Energie, der Text. Und natürlich die Stimme! Die Stimme von Tom Smith prägt seit gut zwanzig Jahren den Sound dieser britischen Band. Bei all dem Wandel in ihrem Sound blieb sie und glänzt immer wieder, bei den elektronischen und bei den analogen Tracks.
Das oben genannte Stück war das erste, das ich von dieser Band hörte, ich sah sie öfter live und habe viel gestaunt. So ein Bandleben macht natürlich auch etwas mit ihren Mitgliedern. Zusammen mit Andy Burrows hat Sänger Tom Smith bereits zwei Alben abseits der großen Band herausgebracht. Nun folgt diesen Freitag die erste Platte, die nur seinen Namen trägt, an dessen Klang er weitgehend alleine gewerkelt hat. There Is Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light heißt das Werk, das 10 Tracks und gut 40 Minuten Spieldauer aufweist. Der Titel hat eine dezente Ying-und-Yang-Atmosphäre, oder?

Wie dem auch sei… Es geht ruhig zu auf diesen Liedern. Viel Akustikgitarre, ein bisschen Bass, hier und da mal Streicher und Bläser, wenig Schlagzeug, viel Stimme. Dadurch entsteht auch viel Nähe. Und Ruhe. Etwas, was in diesen Tagen, die vor Trubeligkeit nur so platzen, stark vonnöten ist.
Nah am Herzen ist diese Musik gebaut. Musikalisch als auch inhaltlich. Es geht um Verbundenheit, Trennung, die großen Fragen des Lebens, Liebe, genutzte und verpasste Chancen. How Many Times ist zum Beispiel ein toller Track, der zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig Halt geben. Dass wir in guter Art und Weise voneinander abhängig sind. Dazu ist dieses Lied wunderbar arrangiert, es kommt immer eine Ebene hinzu und am Ende strahlt es hell und leuchtend! Eine großartige Hymne aufs Leben ist Life Is For Living. Egal, wie es läuft, es gilt unsere limitierte Zeit auf dieser Erde zu füllen. Mit Gutem, für all die Menschen, die für uns da sind inklusive Gänsehautgarantie, wenn die Streicher erklingen, ein Chor singt und Tom Smiths Bariton sein volles Volumen darbietet - wow! Lights Of New York City ist ein schmerzhafter Blick zurück in eine Zeit, die nicht mehr aufgewickelt werden kann. Sehnsucht, Melancholie, Nostalgie, abgeschlossene Vergangenheit - garniert mit tollem Trompetensound! Saturday, das letzte Stück, ist eine tolle filmische Szene. Eine Bühne, Rampenlicht, Applaus. Doch das einzige, was das lyrische Ich will, ist mit seinem nahen Gegenüber, seiner Liebe (?), zu reden, bis man endlich zu Hause ist. Mit dem Versprechen, dass das Ich zuhört. Hach… wie schön!

Die Stärke dieses Albums ergab sich in meinen Ohren nicht direkt beim ersten Hören. Dafür fehlt mir etwas Energie im Sound. Das Reduzierte ist schön, packt mich aber nicht. Doch die Tiefe der Texte packt mich, sie sind im besten Sinne einfach gehalten, sodass sie ganz unmissverständlich sein können. Tom Smith legt hier abseits des großen, wummernden Sounds der Editors eine tolle Platte hin, die Verletzlichkeit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt rückt und dadurch glänzt - Hut ab!

11.03.2026 Köln - Kulturkirche (ausverkauft)
13.03.2026 Schorndorf - Manufaktur
19.03.2026 AT-Wien - Simm City
25.03.2026 Berlin - Passionkirche (ausverkauft)
26.03.2026 Hamburg – Christiankirche (ausverkauft)


Montag, 1. Dezember 2025

Stainer & Madlaina - Nah Dran

Foto: June Fischer
(Ms) Hinhören. Zuhören. Zwei Fähigkeiten, die vielen Menschen in unserer Zeit zunehmend abhanden kommen. Letztens las ich Momo von Michael Ende. Das Buch ist aus den 70ern. Es könnte auch eine phantastische Fabel auf unsere Zeit sein. Wer setzt sich denn schon hin und hört den anderen zu? Insbesondere denen, mit denen man nicht übereinstimmt. In der Regel wird verbal draufgehauen und die eigenen Hörkanäle werden blockiert. So kommen wir nicht weiter. Zuhören also. Gesellschaftlich wichtig.

In der Kunst genauso. Denn je aufmerksamer wir der Kunst lauschen, desto größer werden die Welten, die sich in ihr verbergen. Und wir können eintauchen und anfangen zu staunen. Ist das nicht eines der schönsten Dinge auf der Welt?! Ja, oder? Gut, dass es Steiner & Madlaina gibt. Ihr neues Album Nah Dran gehört mit zum Schönsten, was dieses Jahr an neuer Musik erschienen ist. Anfang November kam diese Platte ans Tageslicht. Sie ist textlich groß und musikalisch breit und ein großer Beweis von wahrem Künstlerinnentum!

Es geht sehr puristisch los. Da Bist Du heißt das erste Stück, nur Stimme und Klavier. Und die Stimme singt einen Text, der direkt den Atem stocken lässt. Ein Lied über die Liebe, ein Lied über das, was Menschen zusammen hält. Ein Lied übers Ich-bin-für-dich-da. Auf der einen Seite zart und zerbrechlich, auf der anderen Seite voller Stärke und Halt. Wow, der erste Treffer sitzt! Zuhören lohnt sich auch bei Hend Mir Nur Wele Glücklich Si? Ich finde es so toll, dass die beiden immer wieder auf Schweizerdeutsch singen. Als in NRW Geborener und nun im Norden zu Hause-Seiender verstehe ich so gut wie kein Wort. Aber es lässt sich dieses und jenes erahnen, mitlesen ist ganz hilfreich. Was mich hier aber stark begeistert, ist der wundervoll arrangierte Refrain. Das Stück ist eher leise und melancholisch gehalten. Der Refrain lebt von Energie und Dringlichkeit. Wow, wie toll ist das denn bitte gemacht?! Gänsehautgarantie dank Kontrabass und Bläsern! Ich Hab Alles Und Die Liebe Satt ist ein herrlich-schmerzvoller Track über das Gefühlschaos am Ende einer Liebe. Das lyrische Ich läuft durch die nächtliche Stadt und mäandert zwischen Sehnsucht und Endgültigkeit. Wer kennt es nicht?!
Vor Stell Sie Mir Vor gilt es den Hut zu ziehen. Dieser Text ist großartig. Ein wenig nebulös und voller interpretatorischer Tiefe. Ich glaube, es geht auch um die Liebe und all den Seiten, die da mitschwingen. Stolz, Kummer, Zweifel. Außerdem ist auch dieses Stück einfach meisterlich arrangiert. Mit Kinderchor, Streichern, großen Gefühlen und sehr viel musikalischem Sachverstand. Man kann sich nur vor Nora Steiner und Madlaina Pollina verneigen - was für Künstlerinnen! Apropos Arrangement! Fairplay ist auch so ein Hammer - ein Stück aufgebaut wie ein großes Crescendo. Was holen die beiden nur raus aus dem musikalischen Werkzeugkoffer?! Uh La La Träum Von Dir ist nicht nur ein toller Beweis, dass die beiden auch die Gitarren knallen lassen können, sondern auch ein ganz seltenes Fundstück, dass es durchaus sehr gut möglich ist, mit der deutschen Sprache Intimität zu zeigen. Und wie! 

Logisch, Nah Dran ist ein Album, bei dem es viel um die Liebe geht. Aber nicht verträumt und naiv. Es ist kaum zu glauben, wie klug die beiden Musikerinnen hier texten. Vor diesem musikalischen Werk gilt es, sich auf die Knie zu senken und dankbar zu sein, dass es solche Lieder gibt. So stark arrangiert. Textlich so tief und groß aufgestellt. Diese Platte gehört sicher zu den Schönsten und Schlausten, was seit langem veröffentlicht wurde! Zuhören… es lohnt sich!


Sonntag, 30. November 2025

Orbit - Countless Feelings But So Few Words

Foto: Marc Bischoff
(Ms) Es gibt Genres, die hier aus unerfindlichen Gründen wenig repräsentiert sind. Fast alles Elektronische beispielsweise. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Dabei wohnt Techno, Electro oder wie man das auch immer nennen mag, so viel Kraft inne. Insbesondere wenn es nicht ganz so sehr einer Spielart verfestigt ist.

Damit sind wir beim Bremer Künstler Orbit, der Mitte November sein erstes Album veröffentlicht hat. Countless Feelings But So Few Words. Allein dafür sollte man ihn über alle Maßen loben. Was für ein schöner Titel. Ja, was wenn all den Emotionen die Worte fehlen?! Und das nicht, weil man sich nicht ausreichend damit auseinandersetzt sondern weil es sie einfach nicht gibt. Oder nur begrenzt. Das Fühlende benennen, entzaubert ja auch die Magie. Und magische Momente sind auf diesem Album einige vorhanden. Summertime, der Opener, beginnt gar mit sanfter Gitarre bis er sich immer weiter aufbaut. Ja, es ist super Sommer-Abhäng-Musik, doch sie funktioniert in der dunklen Jahreszeit genauso gut. Bei einem Track namens Berlin ist klar, dass Großstadtvibes kommen. Doch es sind eher die, die den Großstadtlärm von einem fern halten. Viel mehr lässt sich damit als Soundtrack herrlich gut das Treiben beobachten, von dem man nicht Bestandteil ist. Clever - und geht auf! Das Kernstück der Platte ist Youth, weil es den wunderbaren Rausch der elektronischen Musik in Perfektion darbietet. Behutsam baut sich der Track zusammen, gewinnt an Größe und strahlt dann einfach nur noch in all seiner Pracht. In diesen Melodien, in diesem Rhythmus möchte ich versinken und erst morgens früh wieder aufwachen. Magie! Auch auf Formula verbindet der Bremer Soundtüftler analoge Gitarrenklänge mit Synthieüberbau. Das ergibt ein wunderbar organisches Gesamtbild, zu dem Träumen ein Muss ist! Cato hingegen eröffnet auf unter drei Minuten nochmal einen gewaltigen Rausch - pure Hingabe!

Dabei wird es nie derbe auf den 40 Minuten. Es bleibt alles sehr rund, sehr harmonisch, sehr sanft mitunter. Das zeichnet einen Typus von elektronischer Musik aus, der vielfältig hörbar ist, kaum an einen Ort oder eine bestimmte Situation gebunden ist. So offen muss Musik erstmal sein. Dieses Album ist nichts anderes als ein kleines, schwelgendes Wunder!

01.12.2025 Wien, WUK
02.12.2025 München, Muffathalle
03.12.2025 Stuttgart, Im Wizemann
04.12.2025 Köln, Live Music Hall
10.12.2025 Hamburg, Übel&Gefährlich
11.12.2025 Berlin, Huxleys
13.12.2025 Bremen, Modernes

Freitag, 28. November 2025

KW 48, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / Shuvo.Das
(Ms) Die Frage der letzten Tage und Wochen war ja: Bei welchem Black Friday Angebot soll ich zuschlagen? Wo spare ich so richtig viel? Wo schießt mir das Shoppingdopamin so richtig derbe durch die Adern?
Ja, eigentlich nur bei den Dingen, die einen langfristig glücklich machen, oder? Klar, die ein oder andere Turbosünde ist auch geil oder ein Getränk mehr trinken als geplant. Aber shoppen um des Shoppen Willens ist doch irgendwie bescheuert, oder? Nirgends habe ich irgendwas gekauft. Außer frischen Grünkohl, aber der war auch nicht im Mega Sale. Der hat nur charmante 3,33 Euro gekostet. Ein ganzes Kilo, also auch ein super Angebot! Naja. In der Familie schenken wir uns nichts (mehr) zu Weihnachten und ich freue mich eigentlich immer „nur“ auf die nächste Platte oder das nächste Buch. Da sind Rabatte vergeblich. Aber die Momente, die mir die Kunst schenkt, sind umso intensiver. Wie diese hier:

Grey Flamingo
(Ms) Vielen Dank an alle Bands, die uns anschreiben. Es ist schlichtweg unmöglich, alles zu hören und noch unmöglicher, über all das zu schreiben. Uns erreichen rund 100 Mails pro Woche mit neuer Musik. Eine davon kam letztens von der Band Grey Flamingo. Kurz und knapp, aber sehr freundlich war sie gehalten. Irgendwas hat mich daran neugierig gemacht. Gut möglich, dass es der Name war. Hey Poul heißt deren aktuelle Single und es ist ein total verrücktes Lied. Es befinden sich ganz viele kleine Elemente darin, die ein richtig schönes, sehr, sehr rundes Hörerlebnis erzeugen. Wunderbare Synthie-Melodien, leichte Schlagzeugbegleitung, ein wenig Gitarre. Es wird immer mehr, aber es ist nie zu viel, alles bleibt stets sehr harmonisch! All das in einem herrlich schleichenden Prozess. Der Track dauert 3 Minuten und 4 Sekunden und es ist wertvoll geschenkte Zeit für wundervolle Musik. Bitte anhören. Mehrmals!


Ecca Vandal
(Ms) Setzt euch hin für diesen Track - dann fallt ihr nämlich um! Und das geht nach einem einfachen, aber sehr wirkmächtigen Rezept! Zutat Nummer 1: Eine wunderbar schief klingende Gitarre, die in dieser Schiefheit sehr viel Wucht entfacht. Zutat Nummer 2: Eine Stimme, die alles gibt. Eine Stimme, die die Musik als Offenbarung feiert. Wer so schreit und ruft, dem ist die Kunst wahrlich wichtig. Zutat Nummer 3: Ein weiterhin top arrangierter Track, der in seiner Dringlichkeit auf den Punkt wirkt. Es geht um Ecca Vandal und ihre aktuelle Single Molly. Die in Australien lebende Südafrikanerin sollten alle, die es mit Punk, Rock, Leidenschaft und Elementen des Jazz halten, auf dem Schirm haben. Sie ist bald mit Limp Bizkit unterwegs, kommt nächstes Jahr zu Rock am Ring und sollte sich in den kommenden Jahren ebendort einen recht späten Slot erspielt haben. Wollte es nur gesagt haben.


My Own Sphere
(Ms) Vor zwölf, dreizehn Jahren habe ich elektronische Musik belächelt. Mein versnobtes, studentisches Ich war von der elektrischen Gitarre ein wenig zu sehr überzeugt. Was habe ich alles an starken Tracks und Alben verpasst?! Denn gut eingesetzte Synthies können eine enorme Wucht entfalten. Können hypnotisch sein. Tief ballern. Einen phantastischen psychedelischen Rausch entstehen lassen. Die Leipziger Band My Own Shpere weiß diese Instrumente sehr gut zu bedienen. Wer dazu nicht allzuschnell tanzt oder zumindest den Körper im Vibe der Musik bewegt, ist ein Banause. Das ist Fakt! Kommende Woche veröffentlicht die Band ihre erste, nach dem eigenen Namen benannte Platte raus, die mich beim ersten Hören schon ganz doll abgeholt hat! Ganz viel Leichtigkeit. Ganz viele Tracks, die geheimnisvoll und unglaublich gut poppig sind. Oder darkwavig, je nach Song. Das wird sehr gut:


Karwendel
(Ms) Weihnachten im Pop ist ein zweischneidiges Schwert. Oder gar dreischneidig. Zum Einen gibt es die ganz großen Superpoptracks, die wirklich geil sind. Wer was gegen Last Christmas hat, ist ein Banause. Das ist Fakt. Dann gibt es so gewollte Weihnachtslieder. Das ist die andere Seite. Die schmerzt, die tut weh, das muss wirklich nicht sein. Und dann gibt es eine Dritte. Charmante Lieder, die alle Seiten der Festtage beleuchten. Erdmöbel sind ganz groß darin. Auch die Hamburger Band Karwendel spielt in diese Kerbe. Kommende Woche erscheint die EP Das Fest, die mit wunderbaren, sanften, unterhaltenden Liedern aus der Weihnachtszeit überzeugen kann. Alles Was Ich Will ist der Vorbote, der vielen - mir auf jeden Fall - aus dem Herzen spricht, wenn Sänger Sebastian Król singt: „Alles, was ich will, ist meine Ruhe.“ Oh ja! Doch sie besingen auch die wahrhaft schönen Seiten der festlichen Tage, hört die Musik unbedingt! Denn die Band weiß mit ihren Instrumenten einen ganz wohligen Klang zu erzeugen. Das liegt am Kontrabass, am weichen Sound der Wurlitzer- und Rhodes-Pianos und an den schönen kleinen Geschichten!


The Notwist
(Ms) Vor Kurzem sah ich das erste Mal The Notwist als Pocketband. Sie spielten die Tracks ihrer frühen Alben. Roh, derbe, wuchtig, schnell. Ihr Schaffen aus den letzten Jahren sollte bekannt sein. Am 13. März erscheint ihre neue Platte, sie wird News From Planet Zombie heißen und geht klanglich eindeutig Schritte in ihren Sound der 90er Jahre. X-Ray heißt die erste Single, die seit dieser Woche zu hören ist und hui… es knarzt, es ist in Schieflage, mehr Moll als Dur. Dringlichkeit, Tempo, Niedergang. Es empfiehlt sich, das Stück aus einem ruhigen Zustand heraus zu hören, sonst kann es durchaus anstrengend werden. Doch The Notwist wären nicht The Notwist, wenn nicht mindestens der Refrain einen Hoffnungsschimmer durchblicken ließe. Der Albumtitel kann natürlich als phantastische Erzählung begriffen werden, aber auch als Metapher unserer gesellschaftlichen Gegenwart. Dann ergibt der Sound auch wieder Sinn. Viel Schieflage, aber in all dem Düsteren auch helle Lichtblickt! Man darf sehr gespannt sein, was diese Platte noch mit sich bringen wird! 

Mittwoch, 26. November 2025

Wenn Konzerte nicht so kicken…

Foto: luserlounge
(Ms) Über Erwartungen. Über verzerrte Berichte. Über Emotionen. Über Identifikation. Über Überraschungsmomente.

Was, wenn ein Konzert nicht so kickt? Nicht so begeistert, wie man es sicher erhofft hat? Nicht so mitreißt? Was, wenn der Funke nicht überspringt? Was, wenn man sich wie ein Englishman in New York fühlt?

Klar, in erster Linie passiert dann gar nichts, weil es ja auch „nur“ um eine schöne Freizeitbeschäftigung geht. Aber Musik ist für viele, wie für mich, einfach auch etwas anderes. Es ist mehr. Es hat unmittelbar mit dem eigenen Leben zu tun. Sie ist Kraftquelle und vor allem Ort der Katharsis. Daher sind die Erwartungen oft recht hoch. Nicht nur bezüglich der musikalischen Qualität, des Sounds, der Lichttechnik. Sondern eine Erwartung, dass ich danach mit einem anderen Gefühl nach Hause fahre. Aufgetankt. Glücklich. Verändert.
Manchmal kickt es nicht. Dennoch - und da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und spreche für viele - sagen wir danach: „War super, hat richtig Spaß gemacht, gute Energie.“ Auch wenn es gar nicht stimmt. Nur um dem Besonderen einen besonderen Geist zu vermitteln und das Mittelmaß oder die Enttäuschung gar nicht zu akzeptieren. Leugnung gewissermaßen.
Da springen die Emotionen nicht so richtig an. Das mag am eigenen Tag liegen. Am Sound. Am Club. Vielleicht hat die Band auch ausnahmsweise nicht so viel Power. Vielleicht zündet der Rausch auch einfach nicht so sehr. Ist so. Nichts ungewöhnliches. Ein Grund kann auch sein, dass die Verbindung zur spielenden Band nicht so groß ist, die Lieder mir nicht so bekannt. Dann mag auch die Identifikation fehlen.

Das ist mir zuletzt zwei Mal passiert. Zum Einen Anfang des Monats bei Anda Morts. Hier fehlte mir auf jeden Fall die Verbindung. Ich kannte wenig Lieder der Wiener Band. Ich war neugierig, was sie so können, wie es knallt, was passiert. Wollte mich überraschen lassen, fand es dann aber überraschend fad. Die anderen 399 Leute sahen das anders. Englishman in New York. Ich bin sogar früher gegangen. Das zweite Mal war am Wochenende in Münster. Die Donots luden zum großen Slam, Halle Münsterland, riesengroß, 3 Euro Becherpfand! Schon Heisskalt kickten mich nicht so sehr. Das lag aber eher vermutlich an der großen Halle und es war definitiv noch nicht laut genug. Danach haben Großstadtgeflüster gespielt und das war einfach nur enorm! Enorm geil! Was haben die denn da bitte abgerissen?! Anschließend die Gastgeber. Ich fand es von Anfang an öde. Mir war das zu sehr Ekstase auf Knopfdruck. Mir war das zu gewollt. Vielleicht war es auch nicht mein Tag und die Donots sind jetzt auch nicht eine meiner Top 10-Lieblingsbands. Dennoch. Ich bin erneut früher gegangen. 

Ja, das passiert. Völlig normal. Doch schade ist es jedes Mal. Mir fehlen dann auch die Ideen, über solche Abende zu schreiben. Vielleicht ist ein wenig realistische Einordnung auch oft hilfreich, um weniger enttäuscht zu sein.

Aber das nächste Mal knallts bestimmt!