Freitag, 21. April 2023

KW 16, 2023: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.Wikipedia.org
(Sb/ms) Letztens war ich ein wenig im Urlaub. Die ostfriesischen Inseln sind ja sowohl ein Hotspot der Tourihölle, als auch extrem dörflich. Beides geht dort Hand in Hand. Und das finde ich irgendwie gut. Das eine wegen der schönen Erholung. Das andere wegen des Beschränktseins. Und in diesem Punkt ist mir etwas aufgefallen, dass ich hiermit für alle Landstriche fordere: Die Wiedereinführung der Mittagspause in Geschäften plus moderate Öffnungszeiten. Der Bäcker öffnet um halb sieben, der Supermarkt um acht, die anderen Geschäfte um halb zehn. Alle machen Pause von 13 bis 15 Uhr. Der Bäcker macht nicht mehr auf, weil seine frischen Waren eh ausverkauft sind. Der Rest öffnet nochmal bis halb sieben und alle sind glücklich. Nicht ein Laden auf dieser wunderbaren Welt muss nach acht Uhr abends geöffnet haben. Im Ernst. Alles andere sind nämlich nur Folgen einer völlig kranken Gesellschaft, die weit fahren muss, teils extrem lange arbeitet und sich unendlich gestresst fühlt. Ich finde, niemand sollte länger als sechs Stunden am Tag arbeiten. Dann kann man entspannt einkaufen gehen, mittags ein Päuschen machen und irgendwann auch mal das glücklichste Land der Welt sein. 

GoGo Penguin
(Ms) Immer wieder beteuere ich, dass dieser Blog ein reines Herzensprojekt ist. Niemand hat hier je Geld verdient oder wäre darauf aus. Es geht nur um Musik, deshalb sieht diese Seite auch so wahnsinnig toll aus. Musik und der Versuch das Gehörte in Worte zu fassen. Das braucht Zeit und die gab es zuletzt dafür leider wenig. Zum Beispiel, um eine große Review zum neuen, tollen Album von GoGo Penguin zu verfassen. Everything Is Going To Be OK lautet der etwas lakonische Titel dieser Platte, auf der die Band zum ersten Mal mit einem neuen Drummer spielt. Leider kenne ich das Trio nicht genug, um zu sagen, ob sich das hörbar auswirkt. Das durchaus Berauschende an ihrer Musik ist, dass sie wie aus einem Guss sich über das ganze Album erstreckt. Für mein Empfinden bräuchte es keine Einteilung in unterschiedliche Lieder, die dann wieder Namen haben. Die dreiundvierzigeinhalb Minuten bilden für mich eine ganz klare Einheit. Eine Wellenförmige. Denn das Tempo und die Dynamik schrauben sich immer wieder hoch und wieder runter. Mit stetiger Abwechslung spielen sich mal Bass, mal Schlagzeug, mal Klavier in den Vordergrund und wieder zurück. Alles wirkt in meinen Ohren extrem harmonisch, daher höre ich die Platte auch so gerne nebenbei. So wirklich aufregend ist sie gar nicht mal, aber sie besänftigt mich enorm. Und das ist aus meiner Sicht eines der größten Komplimente an Musik.


Element Of Crime
(Ms) Die andere Platte, die dieser Tage rauskam, auf die ich mich auch enorm gefreut habe und für die ich auch gar keine Zeit hatte, ist von Element Of Crime. Die nimmermüden Helden der deutschen Sprache. Kurz vor Veröffentlichung war ich schon voll im Regener-Fieber, da ich erst kürzlich Glitterschnitter las. Da fiel mir (mal wieder) auf, wie genial er seine Texte schreibt. Sie sind ungeheuer einfach. Aber so genau zurecht formuliert, dass die Einfachheit gar nicht mal auffällt. In seinen Büchern sind es die schrägen Situationen, die aufeinanderprallen. In seinen Liedern beweist Sven Regener genau so gutes Gespür, dann aber für die Liebe oder die Sehnsucht oder die Erinnerungen. Die Lieder sind auch so einfach gestrickt, dass man gar nicht auf die Idee kommen würde, die als kitschig zu bezeichnen. Denn Anlass gäbe es hier und da schon, doch genau in diesen Momenten spielt die Band erst und bedacht. Morgens Um Vier heißt ihr mittlerweile fünfzehntes Album. Und das erste seit sehr langer Zeit, an dem David Young nicht mitgewirkt hat, letztes Jahr ist er verstorben. Doch die Band hat sich über die vielen Jahre ihres Bestehens einen so stark wiedererkennbaren Sound erspielt, dass es zumindest nicht hörbar ist. Weiterhin erklingt immer wieder die Trompete, erschallen die kleinen Anekdoten, die großen Weisheiten, die herrlich wahren und herrlich witzigen Zeilen. Fast vierzig Jahre besteht diese Gruppe bereits. Enorm! Schön, dass sie nie müde wird zu spielen und zu dichten!


Dino Paris & Der Chor Der Finsternis
(Ms) Nach unterhaltsamen Romanen (s.o.) brauche ich oft ein Sachbuch, ein gesellschaftspolitisches meistens. Und so lese ich derzeit Die Letzten Männer Des Westens von Tobias Ginsburg. Er schreibt nicht nur über üble Männerbünde und viele einsame und traurige Willis, sondern er war selbst unter ihnen. Sehr lesenswert, sehr bitter. Doch dieser ganze ekelige Männlichkeitskult darf durchaus auch ironisch, musikalisch behandelt werden. Juse Ju macht das beispielsweise immer wieder und auch Dino Paris & Der Chor der Finsternis hat nun ein Lied darüber gedichtet. Obwohl… das stimmt nicht. Es ist ja Die Ballade Vom Sterbenden Mann. Dazu gibt es ein ganz phantastisches Livevideo, wo er zusammen mit Daniel Zillmann das Lied als Duett singt. Ein herrlicher Mix aus Innerem Monolog, Erzählung, Utopie. Es ist auch bitter, schmerzhaft, aber halt auch unterhaltsam. Wie sie dort zu dritt auf der Bühne stehen und den echten Kerlen den Abgesang herbei schwören. Insbesondere der letzte Satz hat es voll in sich. Das ist ungemein gut getextet, toll vorgetragen und macht große Lust auf noch mehr Neues aus dem Hause Paris!


Manu Delago
(Ms) Wie umweltfreundlich ist eigentlich das Musikgeschäft? Das reine Musizieren kostet natürlich nur Muskel- und Hirnkraft. Das Durchführen von Konzerten und Festivals stelle ich mir als große Stromfresserveranstaltungen vor. Dazu müssen stets sehr viele Autos, LWK etc durch die Gegend fahren. Noch größer ist vielleicht die Strombelastung durch die vielen Streamingdienste. Genaue Zahlen kenne ich dazu aber nicht. Was kann man dagegen tun? Klar, Ökostrom und so. Aber es geht auch noch krasser und das macht Manu Delago beispielhaft vor! Der österreichische Hangspieler und Komponist spielt eine Tour von Insbruck bis Amsterdam und legt diese Strecke mit seinem Team mit dem Rad zurück! Die ziehen dabei Anhänger, auf denen das Equipment festgeschnallt ist. Was für eine wahnsinnige Idee, aber auch irgendwie unendlich cool. Auch breite Umsetzung kann das sicher nicht angelegt sein, aber das Beispiel zeigt, dass vieles möglich ist. Am 1. Juni startet die Tour und endet vier Wochen später, 16 Konzerte spielt er mit seiner Band und dabei hat er auch ein neues Lied, den Soundtrack zu diesem enormen Vorhaben: From The Alps To The North Sea! Klingt gut, hin da!


Turbostaat
(Ms) Die Pandemie ist vorbei. Wurde letztens auch von Bundesebene genau so kommuniziert. Die pandemiebedingten Verschiebungen von Konzerten sind passé. Andere Probleme - Stichwort: rückläufige Vorverkäufe und unsichere Planungen - kamen hinzu. Andere hat es noch schlimmer erwischt. Nachdem Turbostaat viele Konzerte verschieben mussten, haben sie sie vergangenes Jahr komplett abgesagt. Erst Pandemie, dann Krankheit. Es schien sich lang zu ziehen, entsprechend hart muss diese Phase gewesen sein. Eine richtige Tour zum Album Uthlande haben sie meines Wissens noch gar nicht absolviert. Nun wurde der Resetknopf gedrückt. Alle sind wieder gesund, ein neues Lied ist da und ein paar Termine obendrein. Es geht also wieder los - wie erleichternd. Der Weiche Kern ist ein Cover von Gravenhurst und genauso wie Dino Paris und Juse Ju handelt es um krankhafte Männlichkeit, ein immens wichtiges Thema. Musikalisch finde ich es gar nicht mal so einfallsreich, aber der Text packt mich umso mehr. Doch am allerschönsten finde ich, dass es den Musikern aus Flensburg gut geht. Das ist und bleibt immer das wichtigste. Live kann man sich hier wieder anschreien lassen:

01.06.2023 - Hamburg, Grünspan
02.06.2023 - Dresden, Tante Ju
03.06.2023 - Berlin, SO36
06.06.2023 - Düsseldorf, Zakk

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