Freitag, 7. Oktober 2022

KW 40, 2022, Die luserlounge selektiert

Bild: commons.wikimedia.org
(ms/sb) Am Sonntag wird hier in Niedersachsen gewählt. Und wie schon seit Jahren, Quatsch, Jahrzehnten wird jede Wahl mit der sagenumwobenen Kraft von Wahlplakaten in den Straßen der Städte entschieden! Klar, ein billiges, aber auch irgendwie tolles Thema, um sich aufzuregen. Zwei Plakate haben es mir besonders angetan. Nummer 1 stammt von der CDU mit dem Kracher „Null Toleranz für Clans“. Finde ich drollig, dass die Union offenbar Clankriminalität als große Gefahr wahrnimmt. Oder als großes Thema im Herbst diesen Jahres. Ja, das darf man nicht unterschätzen. Die ganzen kriminellen Vereinigungen. In der katholischen Kirche. Oder am Stammtisch. Oder in der Agrarlobby. Ja, damit haben sie mich - die toleriere ich auch nicht.
Nummer 2 stammt von einer tatsächlich obskuren Partei, von der ich zuvor noch nie hörte, aber mit ihren Slogans sicher den Wahlausgang am Sonntag für sich gewinnen wird. Es handelt sich dabei um die Partei für Gesundheitsforschung. Ja, ja. Drollig. Und nein, hier geht es nicht um Menschen, die wirklich wollen, dass ich gesund bin - weit gefehlt. Sie wollen wirklich (!), dass wir unsterblich werden. Hunderte Jahre alt. Mit fulminanten Forschungsansätzen! Tausende Jahre können wir leben, wenn Alterskrankheiten bekämpft und schlussendlich besiegt werden. Ja, dann mal ran die Zweitstimmen!
Ach ja, mir war bis dato völlig fremd, dass das ein politisches Thema ist…

Ich freue mich schon, wenn Jörg Schönenborn am Sonntag auf Bildschirme drückt!
 
The Tallest Man On Earth
(sb) Coveralben stehen ja momentan offenbar wieder hoch im Kurs. William Fitzsimmons veröffentlicht demnächst eins (dürfte großartig werden!) und auch The Tallest Man On Earth lässt sich nicht zweimal bitten, wenn es darum geht, bekannten Songs ein neues Gewand zu verpassen. Wobei "bekannt" in diesem Fall - zumindest was mich betrifft - nicht unbedingt zutreffend ist. Von den zehn Tracks kannte ich sieben vorher nicht und just diese sieben gefallen mir besonders gut. Soll ich das nun so interpretieren, dass er die drei bekannten Songs schlechter gemacht hat? Mitnichten! Es ist nur so, dass sowohl In My Life (The Beatles), als auch Lost Highway (Hank Williams) und Blood Bank (Bon Iver) im Original schon so gut sind, dass es schwer ist, da noch was drauf zu setzen.
 
Um es nochmal klarzustellen: Too Late For Edelweiss ist ein hervorragendes Album ohne Schwächen, dass man sich in einem Rutsch anhören kann, ohne auch nur einmal auf den Gedanken zu kommen, die Skip-Taste zu betätigen. 

Live gibts das Ganze dann 2023 zu bestaunen:

30.04. München, Freiheitshalle
01.05. Berlin, Metropol
02.05. Hamburg, Uebel & Gefährlich
 
 
Herman Dune
(sb) Es bleibt ruhig, der Protagonist ist aber ein anderer. The Portable Herman Dune Vol. 1 (VÖ: 07.10.) ist eine akustische Anthologie und der erste von drei Teilen, in denen 22 Jahre Songwriting offengelegt werden. Intimer gehts kaum und obwohl die Songs klanglich nackt sind, sind sie voller Emotionen und voller Leben.

Das Album ist roh und geradlinig, die Songs werden so natürlich gespielt, wie Herman Dune sie geschrieben hat. Seine Stimme ist nach zwei Jahrzehnten des Singens kiesiger geworden, das verstärkt den ursprünglichen Charakter des Werkes jedoch eindrucksvoll.

Nachdem er zehn Jahre lang nicht auf Tournee war und nur Solo-Shows in Los Angeles gespielt hatte, nahm der Künstler 39 Songs live in seinem Studio auf - mit dem Drang, wieder vor unterschiedlichem Publikum zu spielen und die Welt zu bereisen. Er wählte die Songs aus, die er am meisten spielen wollte und musste, und erstellte ein Songbook, in das er während der Aufnahmen immer wieder einsteigen konnte.

Hier gibts den Künstler demnächst zu Sehen und Hören:

19.10. Köln, Die Wohngemeinschaft
20.10. Leipzig, UT Connewitz
21.10. Berlin, Berta
22.10. Erfurt, Franz Mehlhose
23.10. Hamburg, Nachtasyl
21.11. Zürich (CH), El Local

 
 
Waving The Guns
(ms) Um auch zwischendurch ein bisschen mitzubekommen, was da draußen so los ist, habe ich mir letztens die App der Tagesschau aufs Telefon geladen, nachdem mir die von der ZEIT zu abgespaced wurde. Dabei finde ich praktisch, dass mit ein paar Schlagworten alles Wichtige mitgeteilt wird. Als letztes kommt immer das Wetter. Aber dann bleibe ich oft völlig paralysiert zurück, weil ich vorher so viel üble Nachrichten gelesen habe. Was tut man damit? Vieles macht mich wütend, zornig. Die Vergabe von Sportgroßereignissen. Der nächste ekelhafte Schachzug aus Moskau. Dass Reiche immer noch nicht zur Kasse gebeten werden. Waving The Guns stehen uns in dieser Situation bei und geben uns eine Coping-Strategie an die Hand, wie wir das alles bewältigen sollen: Schluck es runter und dann Würge Es Hoch. Der Ansatz gefällt mir sehr gut. Eingebettet in einen fetten Beat samt 80er-Synthies haut Millie Dance mal wieder einen raus. Der Track ist nicht auf dem letzten Album drauf, aber es schien ihm so wichtig zu sein, dass er außer der Reihe samt Video seit ein paar Tagen zu hören ist. Stark!


Tim Story & Roedelius aka Lunz
(ms) Dafür möchte ich jetzt schon mal um Entschuldigung bitten: Vielleicht hatte Udo Jürgens ja tatsächlich Recht. Vielleicht fängt mit 66 das Leben so richtig an. Das kann ich noch nicht bestätigen, bis dahin habe ich noch 34 Jahre abzuwarten. Doch jemand, der beispielsweise 88 ist, kann darüber ehrlich urteilen. Und bei Hans Joachim Roedelius kann das echt gut sein. Spät in seinem Leben ging es nochmal richtig ab. Und diese Hochphase hält immer noch an. Am 26. Oktober darf er dieses Schnapszahlenjubiläum feiern und das Labes Groenland Records gratuliert mit einer Wiederveröffentlichung. Bislang hat er solo oder in unterschiedlichsten Konstellationen über 100 Alben veröffentlicht! Was für ein Lebenswerk! Vor zwanzig Jahren bereits hat er mit Tim Story ein Album erstellt (dieses Jahr haben sie bereits auch gemeinsam eins veröffentlicht). Damals haben sie sich gemeinsam den Namen Lunz gegeben. Das gleichnamige Debut wird nun also wieder aufgelegt und das Label verpackt das Geschenk in wunderbares Vinyl! Darauf sind wunderbare, eindringliche, sanfte, dramatische, schöne Klaviermelodien zu hören, die immer wieder auf diverse elektronische Effekte prallen! Sich dem hinzugeben, lohnt einmal mehr. Und: Gratulation!



Clara Luzia
(Ms) Es gibt ein Missverhältnis, glaube ich. Das sieht so aus: Wer in Deutschland ein wenig erfolgreich ist, hat sehr gute Chancen, auch in Österreich einige Shows zu spielen. Anders herum sieht es nicht so aus. Nun die großen Namen aus Österreich herbeizuziehen, ergibt keinen Sinn, denn, dass es immer wieder einige schaffen, liegt in der Natur der Sache. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass natürlich jede Region auch seine eigene Szene hat. Doch einer Musikerin wie Clara Luzia würde ich es so, so, so sehr wünschen, dass sie über die Landesgrenzen Österreichs hinaus bekannt ist. Irgendwas scheint das aber zu verhindern, seltsame Welt. Nun gut. Dann pusht dieser kleine Blog sie eben ein wenig hoch. This Feeling‘s Got No Name heißt ihre neue Single. Der Beat treibt sie ordentlich vor sich her, ist unaufhörlich, pausiert nur ein wenig in der Bridge. Ein Lied, dem der ruhelose Charakter sehr gut anzuhören ist. Markant ist es obendrein, ich finde Clara Luzias Stimme unverkennbar! Das ist ein richtig gutes Stück geworden! Im Januar erscheint ihr neues Album, darauf wird dieser Track wohl als Pianoversion zu hören sein, gut, dass er jetzt schon in pulsierendem Gewandt erschienen ist!


Kobito
(Ms) Ach, Rap. Was bist du nur für ein unglaublich geiles Genre. Irgendwie lief Rap schon immer bei mir. Die meiste Zeit aber irgendwie so nebenbei, halt das, was ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekam. Irgendwann drehten sich aber zwei Spielarten des Rap bei mir immer höher und lauter. Zum Einen ist es die politische Seite wie bei Neonschwarz oder Waving The Guns. Zum Anderen der sogenannte conscious Rap, wie Mädness ihn perfektioniert hat. Er selbst nennt es auch ‚Erwachsenenrap‘, also alles was nicht Battle oder Gangster oder so ein aufgepumptes Zeug ist. Genau dahinein passt auch Kobito perfekt. Sechs Jahre ist es her, dass er sich musikalisch zu Wort gemeldet hat. Die Welt drehte sich weiter, er wurde Vater, eine Pandemie zog (oder zieht?) durch die Welt undundund. Aber Bis Hier lief es doch ganz gut, oder? Genau das ist die Essenz im Refrain und die Strophen wie eh und je einfach nur beeindruckend in Wortdichte, Wortauswahl, Wortkunst. Ein Blick auf Gesellschaft und das persönliche Sein in hörbar aufrechter Form. Wie froh ich bin, dass bald wieder mehr von ihm kommen soll!


Marker Starling
(Ms) Okay, wie also umgehen mit den ganzen Infos, Schreckensnachrichten, Krisen, Nöten? Schneckenhaus wäre eine Möglichkeit, aber die ist schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Selbst aktiv werden in Gesellschaft und Politik ginge auch. Aber da muss man ja auch irgendwie der Typ für sein, oder? Ich bin leidenschaftlicher Freund der großen Pausentaste im Leben. Auch wenn sie manchmal nur für drei, fünf oder sieben Minuten wirkt. Was würde sich da besser anbieten als ganz sanfte, entspannte, leicht unterhaltsame Musik, die nicht aufwühlt, sondern das Gemüt beruhigt?! Eben. Und damit sind wir bei Marker Starling, der neues Material raus bringt. Seit je her schwingen seine Lieder auf extrem entspannte Art und Weise. Und seine neue Single Diamond Violence - das kommende Album wird genauso heißen - macht genau damit weiter. Das schwingt und groovt und ist einfach nur beruhigend. Und unterhaltsam, eine Schweinerei, dass dieser tolle Kurzfilm zum Track bislang noch unter 200 Aufrufe bei YouTube hat. Ändert das mal!

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