Donnerstag, 29. September 2022

Wanda - Wanda

Foto: Tim Brüning
 (ms) „Ich hab Zeit / Wir haben so viel Zeit, Babe.“
Leider, leider kann Keyboarder Christian Hummer das nicht mehr für sich behaupten. Eine offensichtlich sehr schwere Krankheit hat das Gründungsmitglied von Wanda nicht überlebt und wenige Tage vor Veröffentlichung des neuen Albums (30. September) starb er. Ein junger Kerl, der sicherlich schon allerhand mit dieser Band erlebt hat, erleben durfte. Aber noch so viel mehr lag vor ihm. Was für ein trauriger Verlust. Und das soll nun nicht zynisch klingen: Auch zu so einem Zeitpunkt. Das neue Album ist in den Startlöchern, allerhand Termine stehen an, eine Tour steht in den Startlöchern. Da ich nicht spekulieren möchte zur Realisierung dieser ganzen Dinge nur eines: Mögen die unmittelbar Betroffenen übermenschliche Kräfte haben, um das alles zu verstehen - was für Nervenstränge müssen das denn sein?!

Da steht nun dieses Album. Zu viert wird wohl weitergemacht.
Muss man es nun anders bewerten? Hm, ich glaube nicht.
Wir intensiv Christian (noch) an der Erstellung dieser Platte beteiligt war, weiß ich nicht.
Ich hoffe, dass er seinen Teil noch beitragen konnte. Also: Es ist die letzte Platte mit ihm an den Tasten. Vielleicht lässt es sich nun am ehesten als Ende einer gemeinsamen Zeit und Schnitt zu einer Neuen hin sehen.

Wanda ist ein gutes Album geworden. Ein Klassisches, so viel kann mittlerweile sicher schon behauptet werden. Diese Band ist einfach extrem schnell durchgestartet und hat es geschafft, sich mit einem eigenen, unverkennbaren Stil zu etablieren. Eine fast schon romantische Geschichte in einer oft
Quelle: fm4.orf.at

als schneller wahrgenommenen Welt. Nein, die großen Überraschungen bietet das neue Album nicht. Vielleicht auch nicht die allergrößten Hits. Es ist eine Standortbestimmung: Hier sind wir, so klingen wir, wir sind gut, das ist unser Stil, keine Ahnung noch, wie lange das so weiter geht, aber wir sind da und so schnell nicht weg zu kriegen, dreht mal auf, wir machen weiter!

Ein selbstbetiteltes Album also. Passt doch irgendwie zur Standortbestimmung. Bereits letztes und vorletztes Jahr sind Singles erschienen, die sich nun auf diesem Album wiederfinden. Vielleicht wurden Dinge umgeworfen, Pläne neu geschmiedet oder es bot sich einfach an, einen als gut erachteten Song schnell als Tageslicht zu befördern. Wer weiß. Durch die unterschiedlichen Strategien, ein Album zu veröffentlichen, bin ich noch nie so wirklich gestiegen. Wanda also. Hören wir uns das mal an.

1. Rocking in Wien: Direkter Bandsound. Direkter Wandasound. Direkte Wandathemen. Eine gewisse Orientierungslosigkeit im Leben. Alkohol. Die Liebe zur Stadt Wien. Weitermachen - eine Leitlinie, die noch an anderen Stellen zu hören sein wird. Selbstzitate. Ein recht unspektakulärer Song, der aber den Standort bestimmt.
2. Rot ist die Farbe: Auch hier wenig Überraschungen im Sound, sie haben einen Eigenen entwickelt und spielen ihn. Why not?! Auch hier geht es um gar nicht so viel, außer, dass es gerne so weitergehen kann. Heißt im Umkehrschluss ja auch, dass der Moment, der aktuelle Zustand, sehr gut ist. Das ist im Grunde genommen ja eine ziemlich tolle Aussage.
3. Orte an denen wir waren: Hach, Österreich! Was wärst du nur ohne deine krude Beziehung zum Tod? Ein Lied, das nun natürlich in einem anderen Licht erscheint. Ja, bleibt nichts von uns, außer die Orte, an denen wir uns aufgehalten haben? Klar, das kann eine Sichtweite sein, die etwas Schönes hat: Lass uns das mal alles nicht so wichtig nehmen mit dem Leben. Genießen wir es also so heftig, wie es geht. Eine fast schon euphemistische Deutung der sonst so morbiden Sicht auf den Tod aus Kunst und Literatur aus Rot-Weiß-Rot.
4. Wir sind verloren: Ist das ein Liebeslied? Schon, oder? Wenn es heißt, dass „lächerliche Zeit vergeht“ ist es nichts anderes als eine weitere Hymne auf ein Leben, das keinen richtigen Zweck hat, also nichts anderes übrig bleibt, als uns Hals über Kopf in allem zu verlieren. Ja, verloren-sein darf hier durchaus mit triumphal in die Luft gereckte Faust gedeutet werden.
5. Immer willst du tanzen: Hach, toll. Es gibt ja einige Wanda-Lieder, die irgendwie gar nicht viel aussagen. Dieses gehört dazu und es geht um nicht mehr als der Titel schon verrät. Weiter.
6. Va bene: Willkommen zu meinem persönlichen Highlight der Platte. Altes Thema: Weitergehen muss es. Aber hier auf so inbrünstige Art dargeboten, dass es mir Gänsehaut macht. Zugegebenermaßen packte mich dieses Lied nicht beim ersten Mal. Doch da schwingte schon direkt was mit, was ich bei den nächsten Durchläufen immer lauter und lauter gedreht habe. Dieses große Gefühl, das Wanda erzeugen kann… ich liebe es! Und dafür auch diese Band!
7. Eine ganz normale Nacht in Wien: Der nächste Kracher. Ja, es ist nicht die Platte, auf der die Musik sich sonderlich in den Vordergrund drängt und hängen bleibt. Dies ist eines der textlich stärksten Lieder der Gruppe - meines Erachtens. Zum Einen ist es die große Frage, wie eine Familie in dieser Welt zu organisieren und erziehen ist. Zum Anderen ein weiteres Lob auf das gute Leben, das nicht immer rational erklärt werden muss. Und Amore für solche Zeilen: „Ich denk nur halb so gern, wie ich rauch.“
8. Pilot: Herrlich, ein weiteres Liebeslied, ein Unterstützungslied, das wenig Höhepunkte bietet, aber das Versprechen gibt, für den anderen da zu sein.
9. Jurassic Park: Dieses Lied erschien tatsächlich schon vor zwei Jahren. Nun auch auf Platte festgehalten. Geht es um eine Amour Fou, die verrückte Liebe, eine seltsame Abhängigkeit, die in den Wahnsinn - die Verfolgungsjagd - treibt? Möglich…
10. Die Sterne von Alterlaa: Auch ein Stück, das schon länger zu hören ist. Noch mehr verrückte Amore inmitten der Betonstadt Wiens. Was muss das erzählende Ich verliebt sein, wenn es fürs Aufmerksamkeiterzeugen unterm Fenster der Angebeteten eine Schlägerei anfängt?! Wundervoll! Aber muss es zum Rausch wirklich Averna sein?! Bah!
11. Kein Bauplan: Ja, es gibt keinen Plan für dieses verkorkste Leben. Ein Hoch darauf!
12. Eine Gang: Argh! Das musste aber zum Ende hin nicht wirklich sein, oder? Ja, bis hier war es ein recht unaufgeregtes Album mit wenigen Höhepunkten, das aber auch nicht genervt hat. Leider nervt das letzte Lied in Schunkel-Zusammenhalt-Manier. Puh, das geht aber besser Wanda…

Also: Möge Christian auf dieser Platte verewigt sein. Möge es auch sein Vermächtnis sein, diese Standortbestimmung. Ja, mehr ist es nicht. Aber eine tolle Standortbestimmung einer wunderbaren Band für die es weitergeht, immer weitergeht!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.