Quelle: luserlounge |
Bad Zwischenahn. Das ist sicherlich für die meisten Menschen, die nicht im Nordwesten wohnen, ein gänzlich unbekannter Ort. Nah an Oldenburg gelegen ist Bad Zwischenahn Teil des Ammerlandes. Dieses wiederum ist bekannt für seine Baumschulen. Kein Scherz. Wie der Name der Kleinstadt schon verrät, ist es ein Kurort. Hält man sich dort am Wochenende auf, sieht man viele Patienten und Patientinnen des eher höheren Alters. Der Veranstaltungsort war der Park der Gärten, wo nicht nur unterschiedliche Pflanzen und kleinere Gärten zu sehen sind, er ist am Abend wirklich schön beleuchtet. Mittendrin eine Freilichtbühne für 1200 Gäste. Kurz war ich verdutzt, dass Tocotronic genau dort spielen sollen. Doch aus meinem Blickwinkel ergibt es vollkommen Sinn. Ein Naherholungsgebiet für höhere Semester, ein Ort der zu den Lieblingen des Feuilleton mehr als passt. Und ganz nüchtern und ohne Nicklichkeiten: Ja, es wirklich schön dort. Also: Hin da!
Tocotronic ist eine Band, die irgendwie immer da ist und war. Ich habe die meisten ihrer Alben, würde mich aber zu keiner Zeit als radikaler Fan bezeichnen. Diese Gruppe höre ich in unregelmäßigen, dann aber intensiven Abständen. Ihre Lieder haben sich tief ins Unterbewusstsein eingeprägt. Von dort werden sie bei Konzerten schnell wieder freigesetzt. Die Vorband nichtseattle haben wir leider nur entfernt gehört, da sich unsere Gruppe erstmal finden musste inklusive kurzem Austausch.
Rechts von der Bühne war erheblich mehr Platz als links, also auf zu luftigen Ecken des Abends. Mit dramatischer Einlaufmusik erklimmt das Quartett die Bühne und wird im Vorhinein frenetisch gefeiert, bevor es zu verwirrenden Aussagen kommt. Das Konzert, so alle Plakate und Infos im Netz, sollte Teil der Nie Wieder Krieg-Tour stattfinden. Ebenso finden in diesem Sommer Best Of-Konzert der frühen Hamburger und der späteren Berliner Zeit statt. Diese waren auch so ausgewiesen. Plötzlich fanden wir uns aber in einem Berliner Zeiten-Konzert wieder. Nun gut. Da ich das aktuelle Album eh kaum auf dem Schirm habe, kam ich gut damit zurecht. War dennoch verwirrend.
Ab Pure Vernunft Darf Niemals Siegen bis zur aktuellen Platte wurden dann chronologisch ausgewählte Lieder gespielt. Das war selbstredend ein toller Kniff. Denn irgendwie war klar, was ungefähr als nächstes kommt, aber welche Lieder es genau sein werden, war unklar. Die meisten Lieder des Abends wurden mal als Single ausgekoppelt, daher gab es leider kaum Überraschungen. Was ein wenig schade war. Denn genau dieses chronologische Konzept wäre ja dafür prädestiniert, selten live gespielte Lieder darzubieten, anstatt etwas wie einen Berliner Best Of-Abend zu veranstalten. Das sind aber auch eher Gedanken, die im Anschluss kamen. Denn das Konzert an sich war großartig. Durch schlechte Erfahrungen bei den Editors dieses Jahr in Hamburg, die leider draußen viel zu leise waren, hatte ich Sorgen, dass auch Tocotronic durch Lautstärkeregelungen eher gedämmt auftreten. Das war nicht der Fall. Lag eventuell auch an dem Zeltdach, das bestimmt einiges an Dezibel abgefangen hat.
Programmatische Ansagen, Wucht, Intensität, Schönheit, Liebeslieder, Parolen. Es war ein Tocotronic-Konzert, wie es zu erwarten war. Ziemlich gut also. Gegen Den Strich, Sag Alles Ab, Ich Will Für Dich Nüchtern Bleiben, Zucker, Electric Guitar, Ich Tauche Auf. Ein Streifzug durch die eigene Geschichte. Zum Glück haben sie die letzte Zugabe, konträr zum Konzept, mit Explosionen beendet. Eine sehr gute Entscheidung aus meiner Sicht. Denn ungern hätte ich Ich Hasse Es Hier mit schlimmen Reimen (Chance - Dosenchampignons) oder Jugend Ohne Gott Gegen Faschismus als letztes gehört. Tocotronic als Lautsprecher der Jugend? Ein schlechter Scherz. Daher lieber mit lautem Krach, verzerrten Tönen und Energie den wunderbaren Abend beendet.
Für immer Tocotronic!
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